LG Itzehoe, Urteil vom 16.09.2010 - 7 O 122/09
Fundstelle
openJur 2010, 3305
  • Rkr:
Zivilrecht
§ 823 Abs. 2 BGB; § 266 StGB
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.834,- € nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Juli 2005 bis zum 14.07.2009 und 5 % über dem jeweiligen Basiszins seit dem 15. Juli 2009 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von nominal 20.000,- € Inhaberschuldverschreibungen der HPE Hanseatic Private Equity AG (WKN: A0EY6P).

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 515,34 € nebst 4 % Zinsen seit dem 12. August 2005 bis zum 14. Juli 2009 und 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins vom 15. Juli 2009 bis zum 9. Dezember 2009 auf 6.177,-- € sowie 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins aus 515,34 € seit dem 10. Dezember 2009 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 18.646,-€ nebst 4 % Zinsen aus 3.740,- € seit dem 17. November 2005 und aus 14.906,- € seit dem 10. Dezember 2005 bis zum 14. Juli 2009 und 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 15. Juli 2009 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von 6.194 Aktien der Ponaxis AG (WKN 694570).

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 3.847,- € nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Oktober 2006 bis zum 14. Juli 2009 und 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 15. Juli 2009 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von 727 Aktien der Windsor AG (WKN: 619070).

5. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 5.661,66 € nebst Zinsen in der Hauptsache erledigt.

6. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

7. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 75 % und der Kläger 25 %.

8. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Ansprüche aus Pflichtverletzungen bei der Vermittlung und Beratung von Kapitalanlagen geltend.

Die Beklagte ist ein Wertpapierhandelshaus, das sich mit der Vermittlung von Papieren und der Vermögensverwaltung beschäftigt.

Die Parteien hatten unter dem 17. August 2004 einen Vermögensverwaltungsvertrag geschlossen. Zu dessen Inhalt wird Bezug genommen auf die Anlage B 1, Bl. 43 d. A.. Hinsichtlich der Anlagen gab der Kläger im Formular der Beklagten (Anlage B 2, Bl. 45 d. A.) lediglich an, dass sein Anlegeverhalten dem Anlegertyp 4 der Beklagten entspreche. Der Kläger hat den Vertrag mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 mit sofortiger Wirkung gekündigt, da er mit der Verwaltung seines Vermögens unzufrieden war. Im Verlaufe des Vertrages hat die Beklagte für den Kläger diverse Wertpapiere erworben und verkauft; unter anderem die im Tenor genannten Wertpapiere. Für diese Wertpapiere hat die Beklagte mit den jeweiligen Emittenten Vertriebsvereinbarungen geschlossen und für den Vertrieb Provisionen teils in Form von Bestandsprovisionen erhalten, sie hat zudem Rückvergütungen hinsichtlich der Provisionen, die die DAB Bank erhalten hat, erhalten. Unstreitig hat sie den Kläger über die Rückvergütungen und Provisionen nicht im Einzelnen aufgeklärt, lediglich hinsichtlich der Gebühren und Provisionen, die sie von der DAB Bank erhalten hat, enthielt die Transaktionsvollmacht der DAB Bank eine Ermächtigung, Teile ihrer Gebühren und Provisionen an die Beklagte weiterzugeben.

Der Kläger macht mit der Klage Schadensersatz wegen Verletzung des Vermögensverwaltungsvertrages geltend. Die Beklagte habe zum einen hinsichtlich der Risiken falsch aufgeklärt. Sie habe u. a. die streitgegenständlichen Papiere entgegen der gewollten Anlagestrategie des Klägers erworben, ihn über Risiken nicht hinreichend informiert und darüber hinaus ihn über Interessenskonflikte der Beklagten wegen Querbeteiligungen nicht informiert sowie verschwiegen, dass sie Rückvergütungen und Provisionen von den Emittenten und der DAB Bank erhalten habe. Zu den Einzelheiten wird Bezug genommen auf Seite 13 bis 30 der Klagschrift sowie den Schriftsatz vom 15. September 2009.

Der Kläger hat zunächst weitergehende Klage auf Zahlung von insgesamt 58.063,- € erhoben. Im Hinblick darauf, dass er einen Teil der streitgegenständlichen Wertpapiere zwischenzeitlich veräußert hat und darüber hinaus bezüglich der streitgegenständlichen Wertpapiere Ausschüttungen erhalten hat, beantragt der Kläger nunmehr unter Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache im Übrigen wie erkannt zu Ziffer 1 bis 4 des Tenors.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet Verjährung ein und verweist darauf, dass der Vertrag bereits 2006 gekündigt ist. Sie stellt eine Verletzung des Vermögensverwaltungsvertrags in Abrede und trägt im Übrigen vor, der Kläger habe während des Vertrages keinen Schaden erlitten, er habe vielmehr die Papiere nach Beendigung des Vertrages ohne Verlust veräußern können, insoweit sei ihm selbst zuzurechnen, dass er im Anschluss daran unter Umständen Verluste erlitten habe.

Zum weiteren Vorbringen wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Gründe

Die Klage ist - soweit noch Ansprüche in der Hauptsache geltend gemacht werden - begründet, im Übrigen war hinsichtlich des Betrages von 5.669,- € Erledigung festzustellen, die weitergehende Klage war abzuweisen.

Dem Kläger steht hinsichtlich des Erwerbes der noch streitgegenständlichen Papiere HPE Hanseatic Private Equity AG Inhaberschuldverschreibung, Genussscheine der Windsor AG, Aktien der Ponaxis AG und der Aktien der Windsor AG Schadensersatz in geltend gemachter Höhe zu, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Papiere mit Ausnahme der Windsor Genussscheine, die der Kläger zwischenzeitlich veräußert hat. Dabei kann dahinstehen, ob wegen Interessenskonflikten im Übrigen und fehlerhafter Beratung eine Verletzung des Vertrages vorliegt. Denn die Beklagte hat jedenfalls den Vermögensberatungsvertrag dadurch verletzt, dass sie dem Kläger die Vermögensvorteile verschwiegen hat, die ihr seitens der Emittenten und der DAB Bank konkret zugeflossen sind.

Der Anspruch folgt aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB. Der Vertrag über die Vermögensverwaltung verpflichtet den Verwalter unter Zurückstellung eigener Interessen und Gewinn, das von ihm betreute Kapital unabhängig und unter Zugrundelegung allein des Interesses des Kapitalanlegers zu verwalten und anzulegen. Damit unvereinbar ist es, dass der Vermögensverwalter hinter dem Rücken des Vertragspartners Vertriebsvereinbarungen mit den Herausgebern von Wertpapieren, die er für den Kunden erwirbt, abschließt und Vergütungen - in welcher Form auch immer - versprechen lässt. Ein solches Verhalten verletzt, unabhängig davon, ob er zu einer Herausgabe etwaiger Vergütungen verpflichtet ist, die Vermögensbetreuungspflichten des Anlageberaters. So liegt es hier. Denn nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Beklagte für die streitgegenständlichen Anlagen Vergütungen erhalten. Dem Kläger ist daraus auch der noch geltend gemachte Schaden entstanden. Denn dieser besteht darin, dass er die Wertpapiere erworben hat. Die Möglichkeit der späteren Veräußerung der Wertpapiere lässt den Schaden allenfalls später entfallen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch auch nicht wegen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen, weil dieser nach Beendigung des Vertrages die Wertpapiere nicht sogleich veräußert hat. Wie sich aus den geführten Gesprächen mit den Mitarbeitern der Beklagten ergibt, haben diese nämlich den Kläger davon abgehalten, die Papiere zu veräußern. Denn sie haben den Eindruck erweckt, dass es sich um sichere Wertpapiere handele und ihn von einer Veräußerung auch im Nachhinein abgehalten.

Soweit die Beklagte Verjährung einwendet, vermag das Gericht sich dem nicht anzuschließen. Soweit die Beklagte auf die Verjährung nach § 37 a WpHG verweist, ist diese schon deshalb nicht eingetreten, weil nach allgemeiner Ansicht, der das Gericht folgt, die Vorschrift für vorsätzliche Verletzungen nicht gilt. Um solche handelt es sich hier. Denn die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat eine lediglich fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten nicht dargelegt. Sie hat auch nicht dargelegt, dass der Kläger vor 2009 die Pflichtverletzungen der Beklagten gekannt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte kennen müssen.

Soweit der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt hat, war lediglich in Höhe des im Tenor genannten Betrages Erledigung der Hauptsache festzustellen. Denn insoweit hat aus den vorgenannten Gründen ein Anspruch des Klägers bestanden. Dieser ist durch die Veräußerung der Wertpapiere nach Rechtshängigkeit jedoch entfallen, und zwar in Höhe des Verkaufserlöses.

Soweit der Kläger hinsichtlich der ihm zugeflossenen Erträge aus den Wertpapieren den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, war die Klage demgegenüber abzuweisen. Denn insoweit war der Anspruch von vornherein unbegründet.

Der Kläger hat auch hinsichtlich des zunächst mit Ziffer 4 der Klage geltend gemachten Anspruchs einen Schaden nicht im Einzelnen dargelegt, insbesondere nicht abgrenzbar hinsichtlich der Erträge und Verkaufserlöse, so dass auch insoweit die Klage abzuweisen war.

Zinsen stehen dem Kläger aufgrund der zwischenzeitlich erzielten Erträge lediglich in zuerkannter Höhe zu, unter Klagabweisung im Übrigen. Das Gericht schätzt insoweit den Wiederanlageschaden auf 4 % jährlich entsprechend dem seinerzeitigen Ertragszins für langfristige festverzinsliche Anlagen. Jedenfalls in dieser Höhe ist dem Kläger ein Mindestschaden entstanden.

Dem Kläger war ferner der gesetzliche Verzugszins zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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