LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2012 - 8 Sa 1346/11
Fundstelle
openJur 2013, 4984
  • Rkr:

1. Es existiert kein absolutes Recht des Arbeitnehmers "am Arbeitsplatz" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB.

2. Zu den Voraussetzungen einer Durchgriffshaftung von GmbH-Gesellschaftern wegen (behaupteter) Insolvenzverschleppung.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeits-

gerichts Essen vom 14.09.2011 - Az.: 4 Ca 2868/10 - wird

als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Ab-

weisung der Klage gegenüber der Beklagten zu 7. richtet.

2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das oben

bezeichnete Urteil zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsrechtsstreits trägt der Kläger.

4. Die Revision wird zugunsten des Klägers zugelassen,

soweit seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil

des Arbeitsgerichts Essen im Hinblick auf die Beklagten zu

1. bis 6. zurückgewiesen wurde.

Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche.

Der am 07.12.1951 geborene Kläger ist Architekt. Er war seit dem 01.01.1996 bei der Beklagten zu 7), einem Unternehmen der Einzelhandelsbranche, welches bundesweit eine Vielzahl von Warenhäusern betrieb, beschäftigt und wurde zuletzt gegen Zahlung eines monatlichen Bruttogehaltes von 4.065,00 € als Abteilungsleiter im Bereich Facility Management in der Firmenzentrale in F. eingesetzt. Bei den Beklagten zu 1) - 5) handelt es sich um ehemalige Geschäftsführer der Beklagten zu 7), der Beklagte zu 6) Vorstandsvorsitzender und anschließend Aufsichtsratsvorsitzender der B. AG (im Folgenden: B.-AG), der Muttergesellschaft der Beklagten zu 7).

Unter dem 22.10.2008 vereinbarte die Beklagte zu 7) mit dem für die Hauptververwaltung gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan "zur Umsetzung des L.-Effizienzprogramms in der Hauptverwaltung", wegen dessen Inhalts auf Blatt 15 ff., 22 ff. der Akte Bezug genommen wird. Am 19.11.2008 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 7) sowie der S.-Transfer GmbH mit Sitz in C. (im Folgenden: S.-GmbH) einen dreiseitigen Vertrag, nach dessen Maßgabe das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 7) zum 31.12.2008 endete und für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2009 ein befristetes Arbeitsverhältnis zur S.-GmbH begründet wurde. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt 10 ff. der Akte verwiesen. In einer "Notiz" zum dreiseitigen Vertrag bestätigte die Beklagte zu 7) dem Kläger, er werde zum Austritt eine Abfindung gemäß § 3 des Sozialplans vom 22.10.2008 in Höhe von 61.788,00 € brutto erhalten, fällig nach Maßgabe von § 4 des Sozialplans. Das wäre im Falle des Klägers der 30.06.2009 als der Zeitpunkt gewesen, zu dem das Arbeitsverhältnis bei (fiktiver) Kündigung durch die Beklagte zu 7) geendet hätte. Im Hinblick auf die Ermittlung der Abfindungshöhe wird auf den zur Akte gereichten Berechnungsbogen (Blatt 575) Bezug genommen.

Nachdem sie bis zu diesem Tage ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nachgekommen war, stellte die Beklagte zu 7) am 09.06.2009 einen Insolvenzantrag. Die dem Kläger zugesagte Abfindung gelangte nicht zur Auszahlung. Mit Beschluss vom 01.09.2009 eröffnete das AG F. (Az. 160 IN 107/09) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 7) und bestellte Herrn Rechtsanwalt Dr. H. aus F. zum Insolvenzverwalter. Der Kläger meldete seine Abfindungsforderung am 02.11.2009 zur Insolvenztabelle an; die Forderung wurde festgestellt. Der Insolvenzverwalter erstattete unter dem 04.11.2009 einen 1. Bericht zur Gläubigerversammlung am 10.11.2009, wegen dessen Inhalts auf Blatt 400 ff. d.B.. verwiesen wird. Mit Wirkung zum 30.09.2010 hob das AG F. nach rechtskräftigem Zustandekommen eines Insolvenzplans das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 7) auf. Der Kläger erhielt die ihm nach Maßgabe des Insolvenzplans zustehenden 3% seiner Forderung, mithin 1.853,64 €, am 05.07.2011 ausbezahlt.

Die Beklagte zu 7) befand sich bereits seit spätestens 2006 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im Herbst 2006 veräußerte die Beklagte zu 7) Teile ihres Immobilienbesitzes und mietete diesen anschließend zurück. Der Beklagten zu 7) und der B.-AG wurden von der Bayerischen Landesbank, der Royal Bank of Scotland und der (damaligen) Dresdner Bank AG am 12.06.2007 zwei gemeinsame Darlehn in Höhe von mehreren 100 Millionen € gewährt. Die Jahresabschlüsse der Beklagten zu 7) für das Rumpfgeschäftsjahr vom 01.01.2007 bis zum 30.09.2007 und für das Geschäftsjahr vom 01.10.2007 bis zum 30.9.2008 sahen jeweils eine ausgeglichene Bilanz vor; für diese Abschlüsse erteilte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO am 07.01.2008 und am 05.12.2008 uneingeschränkte Bestätigungsvermerke. Gründe und Aussagekraft dieser Umstände sind zwischen den Parteien streitig. Im Sommer 2008 erarbeiteten die Beklagte zu 7) und die B.-AG ein "Fitness"- bzw. Effizienzprogramm zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen, der unter anderem den Abbau von rund 450 Arbeitsplätzen bei der Beklagten zu 7) vorsah. Davon war auch der in der Zwischenzeit durch Änderung der Organisationsstruktur in der Zentrale in Wegfall geratene Arbeitsplatz des Klägers betroffen. In einem von den Beklagten zu 1) bis 5) als damaligen Geschäftsführern der Beklagten zu 7) unterzeichneten Schreiben an die Mitarbeiter vom 13.08.2008 ist in diesem Zusammenhang zu lesen:

"Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

das neue Team der L.-Geschäftsführung steht und wir versprechen Ihnen, in unserer persönlichen Verantwortung alles Notwendige zu

tun, um unser Traditionsunternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Daran werden wir uns messen lassen!

Wir teilen eine Überzeugung, für die wir gemeinsam streiten werden:

Das Warenhaus mit Innenstadtlage hat Zukunft - auch in Deutscland!

L. hat die besten Chancen, sich als Marktführer in der jetzigen

Wettbewerbssituation weiter durchzusetzen.

Voraussetzungen dafür, die Führungsrolle zu festigen und das Unter-

nehmen auch angesichts konjunktuereller Eintrübungen "wetterfest" zu

machen, sind:

Schnellere Entscheidungswege und einen Abbau von Komplexität in den Arbeitsprozessen, insbesondere in der L.-Hauptver-

waltung.

Konzentration von Investionen auf das, was L. im Vertrieb

schnelle Vorteile verschafft.

Äußerste Kostendisziplin in allen Bereichen.

Zur Erreichung dieser Ziele haben wir ein "Fitness-Programm" erarbeitet,

das von der Geschäftsführung gemeinsam gesteuert und in den kommenden Monaten umgesetzt werden wird.

Dies wird uns zum Teil auch schwierige Entscheidungen abverlangen. Wir werden die Mitbestimmungsgremien selbstverständlich informieren, in Entscheidungen einbeziehen und regelmäßig über das Programm und

seine Umsetzung berichten.

Es ist uns wichtig, dass wir uns zukünftig noch mehr mit unseren Kunden beschäftigen. Auch das ist ein Ziel des Fitness-Programms. Wir wollen unseren täglich mehr als zwei Millionen Kunden noch mehr Aufmerksamkeit schenken, Stammkunden erhalten und neue gewinnen. Das verlangt attraktive Sortimente und einen exellenten Vertrieb. An dieser Front wird der Wettbewerb entschieden, und wir sind mit Ihnen fest entschlossen, diesen für uns zu entscheiden.

Wir bitten Sie, uns Ihr Vertrauen zu schenken und mit uns die vor uns liegenden Herausforderungen kraftvoll und engagiert anzupacken. Nutzen wir unsere Chancen."

Am 29.09.2008 wurden die oben bezeichneten Kreditverträge mit den drei Kernbanken prolongiert. Am folgenden Tage wandte sich der Beklagte zu 6) als Vorstandsvorsitzender der B.-AG mit einem Mitarbeiterbrief, wegen dessen Inhalts auf Blatt 23 der Akte Bezug genommen wird, an die Beschäftigten. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

"Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

bei der Lektüre Ihrer Tageszeitung wird Ihnen in den vergangenen Wochen die kritische Berichterstattung über B. und seine Finanzsi-

tuation nicht verborgen geblieben sein. Hier wurde viel spekuliert und

orakelt. Das hat sicherlich auch vielen Mitarbeitern zu Verunsicherung

über die Lage unseres gemeinsamen Unternehmens beigetragen.

Heute möchte ich Sie über die Fakten informieren:

Sonntagabend hat der B.-Aufsichtsrat getagt und das Re-

finanzierungskonzept des Vorstandes gebilligt. Damit steht die

langfristige Finanzierung des Konzerns. B. und seine Un-

ternehmen sind damit in der für das Geschäft so wichtigen Weih-

nachtssaison und darüber hinaus voll handlungsfähig.

Mit der jetzt abgeschlossenen Refinanzierung ist auch endgültig

klar, dass wir von allen Warenkreditversichern die Absicherung für

das Weihnachtsgeschäft und die weitere Zukunft erhalten werden.

Ein weiteres gutes Signal ist: B. wird sein ertragsstärktes

Unternehmen nicht verkaufen. Die am Mittwoch letzter Woche an-

gekündigte Prüfung hat ergeben, dass ein Verkauf derzeit wirtschaftlich nicht sinnvoll wäre. Eine erneute Prüfung erfolgt zu ge-

gebener Zeit, falls sinnvoll und erforderlich.

Außerdem wird sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung ein neuer

Großaktionär an B. beteiligen. Auch das ist ein klares Vertrauenssignal in die Zukunft des Unernehmens.

Damit konnte eine schwierige Situation mit Unterstützung aller Beteiligen abgewendet und gelöst werden. Heute und in den kommenden Monaten ist unsere Fähigkeit gefragt, näher zusammen zu rücken und uns wie in einer guten Familie gegenseitig zu helfen. Wir brauchen in der jetzigen Lage die Kraftanstrengung aller Beteiligten, um die Zukunft des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze abzusichern. Die gestrige Verständigung zeigt, dass Vorstand, Großaktionäre, Arbeitnehmervertreter, Gewerkschaft und Banken bereit sind, an einem Strang zu ziehen. Das ist ein wichtiges Signal! Dass die Refinanzierung des Konzerns mit dem Betrag aller erfolgreich abgeschlossen werden konnte, ist umso bemerkenswerter, als wir derzeit die schwerste Finanzkrise der vergangenen Jahrzehnte erleben. Auch deshalb brauchen wir jetzt den festen Willen aller Beteiligten zusammenzustehen."

Nach Maßgabe der bestehenden Darlehnsverträge wurden zum 12.06.2009 etwa 650.000.000 € zur Rückzahlung fällig. Verhandlungen über die weitere Prolongation der Kredite scheiterten ebenso wie Bemühungen, Finanzierungshilfen des Bundes und der Europäischen Union zu erlangen. Mit der B.-AG verband die Beklagte zu 7) ein sog. Cash-Pool-Verfahren, über das die Liquidität der Beklagten zu 7) sichergestellt wurde. Dieses endete, als die B.-AG am 09.06.2009 selbst einen Insolvenzantrag stellte.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagten zu 1) bis 6) hafteten ihm wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes und des überwiegenden Ausfalls seiner Forderung auf Abfindungszahlung unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzverschleppung und fehlerhafter Aufklärung bei Abschluss des dreiseitigen Vertrages persönlich auf Schadensersatz. Er hat hierzu behauptet, die Beklagte zu 7) sei spätestens Ende 2007 materiell insolvenzreif gewesen. Es habe sowohl Überschuldung als auch Zahlungsunfähigkeit vorgelegen. Die Beklagte zu 7) habe im 3. Quartal 2008 einen Verlust von 51 Millionen € erwirtschaftet und ihre Gesamtverschuldung sei auf 1,5 Milliarden € angewachsen. Im Februar 2009 habe der Fehlbetrag schon 2,6 Milliarden € betragen. Mit einer weiteren Prolongation der Bankendarlehen, die schon im September 2009 nur durch geschicktes Verhandeln des Beklagten zu 6) habe erreicht werden können, sei über den 12.06.2009 hinaus bei realistischer Betrachtung nicht zu rechnen gewesen. Nur durch Ausnutzung bilanzieller Gestaltungsspielräume seit 2006 habe man die verheerende finanzielle Situation der Beklagten zu 7) verdecken können. Die Jahresabschlüsse zum 30.09.2007 und zum 30.09.2008 seien nur wegen des bestehenden Ergebnisabführungsvertrages mit der B.-AG ausgeglichen ausgefallen und hätten die tatsächliche wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 7) nicht richtig wiedergegeben. Unzulässig sei auch die Fortführung des Cash-Pool-Systems gewesen, da die im diesem Zusammenhang vorgenommene Verlustübernahme durch keine werthaltigen Forderungen mehr gedeckt gewesen sei und "Erträge durch Verlustübernahme" nicht mehr hätten bilanziert werden dürfen. Es habe sich um ein "Schneeballfinanzierungssystem" gehandelt. All dies hätten die Beklagten zu 1) bis 6) gewusst und gleichwohl die Mitarbeiter durch die Rundschreiben von August und September 2008 sowie in persönlichen Verhandlungen bei Abschluss der dreiseitigen Verträge in dem Glauben gelassen, die Abfindungsforderungen würden erfüllt werden können; er - der Kläger - habe bei Kenntnis der tatsächlichen finanziellen Situation der Beklagten zu 7) seinen Arbeitsplatz nicht freiwillig aufgegeben. Genau hierin liege sein Schaden. Insbesondere der Beklagte zu 2) habe Einblick in sämtliche Geschäftsunterlagen gehabt sowie die aus seiner Stellung resultierende Verpflichtung, die wirtschaftliche Situation persönlich zu bewerten und rechtzeitig zu reagieren. Den Beklagten zu 6) wiederum treffe eine besondere Verantwortlichkeit, weil er als treibende Kraft ("Shadow Director") den Beklagten zu 1) bis 5) Inhalt und Umsetzung des Effizienzprogramms verbindlich vorgegeben habe. Soweit die Beklagten eine negative Fortführungsprognose unter Vorlage von Privatgutachten und Analysen Dritter in Abrede stellten, seien diese Unterlagen unbrauchbar. Damit würden die Beklagten der sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast nicht gerecht. So oder so dürfe die Geschäftsführung der Beklagten zu 7) ihre Verantwortlichkeit für eine realistische Einschätzung der finanziellen Situation des Unternehmens nicht auf Dritte wie z.B. eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verlagern. Tatsache sei, dass gerade wegen des späten Fälligkeitstermins der Abfindungszahlungen am 30.06.2009 die langjährig beschäftigten Mitarbeiter einem erhöhten Risiko des Forderungsausfalls ausgesetzt worden seien; auf ihrem Rücken habe die Beklagte zu 7) im Wege der Planinsolvenz saniert werden sollen. Darin komme eine "menschenverachtende Führungsmentalität" und eine sittenwidrige Schädigung zum Ausdruck. Die Beklagte zu 7) selbst hafte aus ihrer Zusage im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag. Das Verhalten ihrer Organmitglieder müsse sie sich zurechnen lassen. Es verstoße gegen § 138 BGB, wenn die Beklagte zu 7) sich durch eine Planinsolvenz von einer Abfindungszusage gegenüber Arbeitnehmern lösen könne, die auf ihren Arbeitsplatz im Vertrauen auf die Entschädigungszusage verzichtet hätten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn

61.788,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Ba-

siszinssatz seit dem 01.07.2009 zu zahlen, abzüglich am

05.07.2011 gezahlter 1.853,64 €.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben übereinstimmend geltend gemacht, der Kläger habe schon nicht schlüssig vorgetragen, dass bei Abschluss des Sozialplans und des dreiseitigen Vertrages mit dem Kläger eine Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung der Beklagten zu 7) vorgelegen habe, das sei auch tatsächlich nicht der Fall gewesen. Ebenso fehle substantiierter Vortrag zur Existenz einer bilanziellen Überschuldung. Für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast bestehe kein Anlass, weil die Beklagten - Jahre nach ihrem Ausscheiden - keine besseren Zugriffsmöglichkeiten auf die relevanten Unterlagen als der Kläger selbst hätten. Immerhin habe der Geschäftsabschluss für das Geschäftsjahr 2007/2008 eine ausgeglichene Bilanz ausgewiesen und sei durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft uneingeschränkt bestätigt worden. Zudem habe der Prüfbericht des Insolvenzverwalters vom 04.11.2009 auf Basis eines Sanierungsgutachtens der L. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 21.05.2009 festgestellt, dass eine Haftung der Geschäftsführung wegen Insolvenzverschleppung nicht zu erkennen sei.

Der Beklagte zu 1) hat ergänzend darauf hingewiesen, dass für eine im Herbst 2008 bestehende positive Fortführungsprognose unter anderem spreche, dass das Effizienzprogramm mit Zustimmung des Betriebsrats und der Gewerkschaft ver.di beschlossen worden sei, ansonsten seien diese wohl kaum mit dem Abbau von Arbeitsplätzen einverstanden gewesen. Dies decke sich mit der Einschätzung weiterer externer Gutachter wie der Unternehmensberatungen S. C. und Q. X. D.. Ab März 2009 habe sich die Beklagte zu 7) von dem renommierten Insolvenzspezialisten Rechtsanwalt Q. begleiten lassen, der zu keinem Zeitpunkt vor dem 09.06.2009 die Notwendigkeit einer Insolvenzantragstellung gesehen habe. Gescheitert sei die Prolongation der Darlehensverträge und die Bewilligung von öffentlichen Finanzierungshilfen letztlich auch an den Auswirkungen der Finanzkrise. Schließlich sei die Argumentation des Klägers zum Schadenseintritt nicht schlüssig: Wäre die Insolvenz der Beklagten zu 7) früher eingetreten, wäre der Sozialplan vom 22.10.2008 nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen worden. Der Kläger könne allenfalls verlangen, als Neugläubiger so gestellt zu werden, wie er bei rechtzeitiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestanden hätte.

Die Beklagten zu 2) bis 5) haben vorgetragen, von einer Insolvenzreife der Beklagten zu 7) vor Juni 2009 könne keine Rede gewesen sein. Das ergebe sich nicht nur aus den bestätigten Jahresabschlüssen der Beklagten zu 7), sondern auch aus diversen gutachterlichen Einschätzungen, die vor Juni 2009 eingeholt worden seien. Wegen des Cash-Pooling-Systems und des Ergebnisabführungsvertrages mit der B.-AG habe es zu keiner Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit kommen können. Insgesamt sei nicht erkennbar, warum die Beklagten zu 2) bis 5) nicht von einer Sanierung der Beklagten zu 7) hätten ausgehen dürfen.

Der Beklagte zu 6) hat darauf hingewiesen, dass er als Nichtorgan der Beklagten zu 7) habe keinen Insolvenzantrag stellen können und auch in keiner Weise am Abschluss des dreiseitigen Vertrages mit dem Kläger beteiligt gewesen sei. Weder in diesem Zusammenhang noch durch das Schreiben vom 30.09.2008, dessen Inhalt zutreffe und ansonsten nicht überinterpretiert werden dürfe, habe er besonderes Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen. Zudem sei die Schadensberechnung des Klägers nicht nachvollziehbar.

Die Beklagte zu 7) hat geltend gemacht, dass die Klage ihr gegenüber bereits unzulässig sei, weil der Abfindungsanspruch auf der Grundlage des Sozialplans beruhe und deshalb Insolvenzforderung sei, die durch den rechtskräftigen Insolvenzplan untergegangen sei. Das gelte auch für allen anderen in Betracht kommenden Ansprüche, etwa einen solchen aus unerlaubter Handlung.

Mit Urteil vom 14.09.2011 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Schadensersatzansprüche des Klägers seien nicht gegeben. Der Kläger habe das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der denkbaren Anspruchsgrundlagen (§§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG, § 826 BGB, § 311 Abs. 3 BGB) nicht dargelegt. Insbesondere lasse sich seinem Vortrag nicht entnehmen, dass die Beklagte zu 7) bereits im Oktober 2008 zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen sei. In Anbetracht aller vorgelegten Unterlagen sei damals vielmehr von einer positiven Fortführungsprognose auszugehen gewesen. Eine vertragliche Haftung der Beklagten zu 1) bis 6) scheide aus, weil diese in keiner vertraglichen Beziehung zum Kläger gestanden und auch keine weitergehende Erfolgsgarantie übernommen hätten. Letzten Endes könne dies jedoch offen bleiben, denn der Kläger habe jedenfalls den geltend gemachten Schaden nicht erlitten, weil er die im Sozialplan vom 22.10.2008 geregelte Abfindung auch und gerade dann nicht erhalten hätte, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Insolvenzantrag gestellt worden sei. Ansprüche gegen die Beklagte zu 7) seien weiterhin nicht begründet, weil es sich um im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend zu machende Forderungen handele.

Gegen das ihm am 04.11.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit einem am 21.11.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und die - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.02.2012 - mit einem weiteren, am 12.01.2012 eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe auf unzutreffender Tatsachengrundlage entschieden, weil es seine erstinstanzlichen Beweisanträge zur Insolvenzreife der Beklagten zu 7) bereits in den Jahren 2006 und 2007 übergangen und kritiklos die unzureichenden Einwendungen der Beklagten zu diesem Punkt übernommen habe. Das Arbeitsgericht sei insoweit auch von einer der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entsprechenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen. Rechtsfehlerhaft sei auch das Vorliegen eines Schadens verneint worden. Dieser bestehe im Verlust des Arbeitsplatzes infolge des Transfervertrages vom 19.11.2008. Dass es ohne diesen Vertrag überhaupt zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter gekommen wäre, stelle eine rein hypothetische Betrachtung dar; für deren Richtigkeit träfe die Beklagten die Beweislast, da es sich um eine Reserveursache handele. Zur Wertbestimmung des Arbeitsplatzes biete sich die Höhe der Sozialplanabfindung an, weil diese sämtliche sozialen Sonderzuschläge erfasse und den Vertrauensschaden auf das Erfüllungsinteresse begrenze. Tatsächlich liege der konkrete Schaden unter konkreter Berücksichtigung eingetretener Gehaltsdifferenzen durch das einjährige Arbeitsverhältnis bei der S. Transfer GmbH und der sich anschließenden Arbeitslosigkeit bis März 2011 deutlich höher. Auch ansonsten habe er die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Insolvenzverschleppung und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung - insbesondere im Hinblick auf die Person des Beklagten zu 6) - schlüssig dargelegt. Soweit das Arbeitsgericht die Klage gegen die Beklagte zu 7) abgewiesen habe, habe es sich um die Beantwortung einiger offener "Kernfragen" gedrückt. Geklärt werden müsse etwa, ob ein Arbeitnehmer, der mit dem Verzicht auf seinen Arbeitsplatz einer zur Herbeiführung einer Planinsolvenz notwendigen Sanierungsbeitrag geleistet habe, durch eine Kürzung seines vertraglich zugesicherten Wertausgleichs bestraft werden dürfe, oder ob der Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit in der Insolvenz hier nicht eine vorrangige Befriedigung gebiete.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 14.09.2011 Az. 4 Ca 2868/10 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 59.934,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 61.788,00 € für den Zeitraum zwischen dem 01.07.2009 und dem 05.07.2011 sowie auf 59.934,36 € seit dem 06.07.2011 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagten halten die Berufung des Klägers mangels hinreichender Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung durchgehend für unzulässig.

Desweiteren sei, so die Rechtsauffassung der Beklagten zu 1) bis 6), der Vortrag des Klägers zum haftungsbegründenden wie haftungsausfüllenden Tatbestand und zum ersatzfähigen Schaden in Bezug auf alle angezogenen Anspruchsgrundlagen nach wie vor unsubstantiiert. Insbesondere gebe die Höhe der Sozialplanabfindung nicht den Wert des - unstreitig wegfallenden - Arbeitsplatzes des Klägers wieder. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des BAG zu § 628 Abs. 2 BGB heranziehe, sei diese auf die vorliegende Fallkonstellation nicht zu übertragen. Wegen der in der Vergangenheit durchweg positiven Einschätzungen externer Sachverständiger fehle es jedenfalls an einem Verschulden der Beklagten zu 1) bis 6), was eine etwaige Unterschätzung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten zu 7) angehe. Erst Recht nicht könne von positiver Kenntnis einer Überschuldung die Rede sein. Der Kläger suche sich insbesondere aus dem Bericht des Insolvenzverwalters H. zur Gläubigerversammlung vom 10.11.2009 genau die Passagen heraus, die seine Position stützten. Allein die Aufzählung hoher Verbindlichkeiten reiche für die Darstellung der Überschuldungssituation eines Unternehmens nicht aus.

Die Beklagte zu 7) verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Etwaige Ansprüche des Klägers ihr gegenüber seien jedenfalls mit Abschluss des Insolvenzplans untergegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.

Gründe

B..

Die Berufung des Klägers ist nur insoweit zulässig, als sie sich gegen die Abweisung der Klage gegenüber den Beklagten zu 1) bis 6) richtet. Was die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 7) anbetrifft, ist sie mangels hinreichender Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung unzulässig.

I.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (Grundsätze der ständigen Rechtsprechung des BAG, zuletzt etwa Urteil vom 18.05.2011 - 4 AZR 552/09, juris Rdz. 14; Urteil vom 15.03.2011 - 9 AZR 813/09, NZA 2011, 767).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers nicht, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegenüber der Beklagten zu 7) richtet.

(1)Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend zumindest auch damit begründet, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers im Rahmen des Insolvenzverfahrens hätte erhoben und abgewickelt werden müssen, da die vom Kläger behaupteten Gründe vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.

(2)Zu diesen Ausführungen verweist der Kläger auf Blatt 16 unten seiner Berufungsbegründung lapidar auf drei bereits im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 28.03.2011 aufgeworfene "Kernfragen, die von grundlegender rechtlicher Bedeutung sind und nach meinem aktuellen Informationsstand noch nicht entschieden sind". Das genügt schon deshalb nicht, weil der Verweis auf Seite 3 des vorbezeichneten Schriftsatzes ins Leere geht, sind dort doch beim besten Willen keine "drei Kernfragen" auszumachen, die sich mit der Haftung der Beklagten zu 7) als Insolvenzschuldnerin befassen. Die Rede ist vielmehr von einer Kernfrage, die die Billigkeit eines "Abstrafens" des Arbeitnehmers durch Entwertung seiner Ansprüche in der "Planinsolvenz" betrifft. Was das mit der Erwägung des Arbeitsgerichts zu tun hat, der Anspruch des Klägers sei schon zeitlich verspätet geltend gemacht worden, nämlich nach Aufstellung des Insolvenzplans und Beendigung des Insolvenzverfahrens (obwohl schon in dieses Verfahren ein Schadensersatzanspruch des Klägers als vorab zu befriedigende Masseforderung hätte eingebracht werden können), zu tun haben soll, erschließt sich der Kammer nicht einmal ansatzweise. Abgesehen davon hülfe das schlichte Aufwerfen einer Frage nicht einmal dann, wenn das Arbeitsgericht sie tatsächlich beantwortet hätte: Aufgabe der Berufungsbegründung ist nämlich, die vermeintlichen Gründe für die Fehlerhaftigkeit der Erwägungen des Arbeitsgerichts aufzuzeigen, und nicht nur in den Raum zu stellen, diese könnten unter Umständen falsch sein.

(3)Sollte der Kläger mit den "drei Kernfragen" diejenigen gemeint haben, mit denen er unter Ziffer 5. seiner Berufungsbegründung den "Hilfsantrag auf Zulassung der Revision" begründet hat, gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend.

II.

Im Übrigen ist die Berufung zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. a), b) ArbGG an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Sie weist insbesondere eine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Auseinandersetzung mit den tragenden Entscheidungsgründen des angefochtenen arbeitsgerichtlichen Urteils auf.

(1)Das Arbeitsgericht hat die Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 5) tragend mit lediglich einer Erwägung abgewiesen, nämlich weil ein haftungsausfüllender Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und den geltend gemachten Schaden nicht bestehe; bei frühzeitiger Stellung eines Insolvenzantrags wäre es erst gar nicht zum Abschluss des dreiseitigen Vertrages vom 19.11.2008 und der dadurch begründeten Abfindungsforderung gekommen, deren Ausfall der Kläger als Schaden geltend mache. Nicht tragend sind hingegen die Ausführungen zu den Pflichtverletzungen der Beklagten bzw. dem Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, heißt es auf Blatt 10 des Urteils doch, dass die damit zusammenhängenden Fragen "letzten Endes … offen bleiben" könnten, Schadensersatzansprüche dem Kläger selbst dann nicht zustünden, wenn "man eine Haftung dem Grunde nach bejahen würde". Kumulativ kommt im Hinblick auf die Klageabweisung gegenüber dem Beklagten zu 6) eine Erwägung hinzu, nämlich das Fehlen einer vertraglichen Beziehung zum Kläger bzw. die Nichtübernahme einer "zusätzlichen persönlichen Verpflichtung" (Blatt 11 des Urteils).

(2)Mit der Problematik der Schadensberechnung und der haftungsausfüllenden Kausalität hat sich der Kläger unter Ziffer 3.1 seiner Berufungsbegründung ausführlich auseinander gesetzt. Er hat unter anderem geltend gemacht, sein Schaden liege im Verlust des Wertes seines Arbeitsplatzes, nicht aber im Nichterhalt der Abfindung; abgesehen davon greife die Argumentation des Arbeitsgerichts zum Schadenseintritt selbst bei rechtmäßigem Alternativverhalten nicht, weil eben unklar und von den Beklagten auch nicht hinreichend dargelegt worden sei, dass dem Kläger im Falle einer frühzeitigen Insolvenz betriebsbedingt gekündigt worden wäre. Das stellt eine hinreichende, auf die Erwägungen des Arbeitsgerichts zugeschnittene Auseinandersetzung im Sinne des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO dar, die die Berufung insoweit zulässig macht. Ob die Ausführungen des Klägers in der Sache zutreffen, war im Rahmen der Begründetheit der Berufung zu prüfen.

(3)Das gilt im Ergebnis auch, was die Berufung gegenüber dem Beklagten zu 6) anbetrifft. Der Kläger rügt auf Blatt 16 seiner Berufungsbegründung in hinreichender Weise die Rechtsfehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen Urteils, indem er sinngemäß ausführt, die Haftung (auch) des Beklagten zu 6) aus § 311 Abs. 3 BGB bzw. § 826 BGB setze weder eine vertragliche Beziehung noch eine besondere Haftungsübernahme voraus, vielmehr genüge, dass der Beklagte durch sein Rundschreiben in besonderem Maße das Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen habe. Damit sind beide Begründungsstränge des Arbeitsgerichts hinreichend angegriffen.

B.

Soweit die Berufung des Klägers zulässig ist, bleibt sie in der Sache ohne Erfolg.

I.

Die Berufung des Klägers wegen der Abweisung der Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 5) ist unbegründet. Der Kläger kann aus keiner Anspruchsgrundlage von den Beklagten Zahlung von 59.934,36 € nebst Zinsen verlangen. Die Beklagten zu 1) bis 5) schulden dem Kläger schon dem Grunde nach keinen Schadensersatz. Ob und ggf. welchen Schaden der Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluss des dreiseitigen Vertrages von November 2008 erlitten hat, bedarf keiner näheren Erörterung.

1.

Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB bzw. §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 282, 280 Abs. 1 BGB bestehen nicht. Zwischen den Parteien haben keine vertraglichen Beziehungen bestanden. Ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 3 BGB liegt ebenfalls nicht vor.

a.

Wegen des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG haften Geschäftsführer einer GmbH für deren Verbindlichkeiten nur dann persönlich, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist. Nach § 311 Abs. 3 BGB kann jedoch grundsätzlich ein Schuldverhältnis mit (Rücksichts-) Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Für einen im Vorfeld eines Vertragsschlusses agierenden Dritten, insbesondere einen Vertreter des Arbeitgebers, gilt dies dann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat, oder wenn er ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Geschäfts hatte (BAG, Urteil vom 13.02.2007 - 9 AZR 106/06, NZA 2008, 121; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 311 BGB Urteil vom 24.11.2005 - 8 AZR 1/05, NZA 2006, 914).

b.

Dass die Beklagten zu 1) bis 5) ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des dreiseitigen Vertrages mit dem Kläger vom 19.11.2008 hatten - welches über dasjenige der Beklagten zu 7) hinausging -, ist nicht ersichtlich. Die Beklagten haben im Vorfeld des Vertragsschlusses auch kein besonderes Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen, und zwar vor allem nicht durch Herausgabe des Rundschreibens vom 13.08.2008.

(1)Da die Beklagten zu 1) bis 5) an den konkreten Vertragsverhandlungen mit dem Kläger selbst nicht beteiligt waren, müssten sie, um ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen zu haben, "im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit einem Anspruch auf Vertrauen" hervorgetreten sein (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.2005, aaO, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 04.05.2004 - XI ZR 41/03, NJW-RR 2005, 23). Das indes kann schon deshalb nicht sein, weil konkrete Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 7) zu diesem Zeitpunkt noch nicht liefen und mangels Existenz des Sozialplans vom 22.10.2008 auch noch gar nicht laufen konnten (die Höhe der Abfindung stand nicht fest). Abgesehen davon wäre die im August 2008 angedachte Umsetzung des L.-Fitnessprogramms Makulatur gewesen, wenn es nicht Ende September 2008 nach schwierigen und öffentlichkeitswirksamen Verhandlungen zu einer Prolongation der Kredite der drei Kernbanken der Beklagten zu 7) gekommen wäre. Frühestens zu diesem Zeitpunkt konnte ein Vertrauen des Klägers darauf entstehen, er würde seinen Arbeitsplatz gegen den tatsächlichen Erhalt einer nennenswerten Abfindung aufgeben können. Es ist daher auch kaum nachvollziehbar, dass es gerade das Rundschreiben der Beklagten zu 1) bis 5) vom 13.08.2008 gewesen sein soll, welches des Kläger über drei Monate später motiviert hat, den dreiseitigen Vertrag zu unterschreiben.

(2)Das Schreiben vom 13.08.2008 hat darüber hinaus auch inhaltlich nichts mit den Folgen eines Personalabbaus im Allgemeinen und Abfindungszahlungen im Speziellen zu tun. Soweit dort Vertrauen der Belegschaft eingefordert wird, richtete sich der Appell ersichtlich an die Mitarbeiter, die bei der Beklagten zu 7) verbleiben (diejenigen, die "mit uns die vor uns liegenden Herausforderungen kraftvoll und engagiert" anpacken sollten), und zwar gerade wegen des neuen Teams der L.-Geschäftsführung und des zwischenzeitlich erarbeiteten Fitnessprogramms. Zudem ist gerade nicht von einer guten finanziellen Lage der Beklagten zu 7) oder gar ausdrücklich ausreichenden Rücklagen für die Dotierung in der Zukunft abzuschließender Aufhebungsverträge die Rede. Vielmehr finden sich Wendungen wie "schwierige Entscheidungen" und "Herausforderungen", die ganz im Gegenteil belegen, dass die Zukunft der Beklagten zu 7) kein Selbstläufer werden würde. Es gehe darum, das Unternehmen "wetterfest" zu machen - was es damals also offensichtlich nicht war.

2.

Die Beklagten zu 1) bis 5) schulden dem Kläger aus Delikt keine Schadensersatzzahlungen.

a.

§ 823 Abs. 1 BGB ist schon deshalb nicht einschlägig, weil es ein absolutes Recht des Klägers am Arbeitsplatz im Sinne eines räumlichgegenständlichen Bereichs oder ein Recht am Arbeitsverhältnis im Sinne eines alleinigen Verfügungsrechts nicht gibt. Die Kammer schließt sich insoweit der weit überwiegend vertretenen Rechtsauffassung der Arbeits- und Zivilgerichtsbarkeit an (etwa LAG Hessen, Urteil vom 14.11.2005 - 10 Sa 1580/04, juris Rdz. 36; LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.06.1996 - 12 Sa 21/95, n.v.; OLG Koblenz, Beschluss vom 23.01.2003 - 5 U 13/03, NZA 2003, 438; LG Frankfurt, Urteil vom 26.10.1999 - 2-26 O 166/98, NZA-RR 2000, 185, offen gelassen in BAG, Urteil vom 18.01.2007 - 8 AZR 234/06, NZA 2007, 1167). Ein absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB wird dadurch gekennzeichnet, dass es nicht nur relativ in Bezug auf einzelne andere, sondern im Verhältnis zu allen anderen Personen "ausschließlich" existiert und von diesen zu beachten ist. Eine derartige Ausschlussfunktion kann dem "Recht am Arbeitsplatz" als Bündelung der schuldrechtlichen Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien nicht beigemessen werden, denn das Arbeitsverhältnis begründet Rechte und Pflichten lediglich im Verhältnis zur jeweils anderen Partei (vgl. die Begründung des BAG im Urteil vom 04.06.1998 - 8 AZR 786/96, NZA 1998, 1113, welches deshalb auch der hier vertretenen Auffassung zuneigt, im diesem Sinne auch jurisPK- BGB Band 2 (J. Lange/Schmidbauer), 6. Aufl. 2012, § 823 BGB Rdz. 24).

b.

Die Beklagten zu 1) bis 5) haben den Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluss des dreiseitigen Vertrages nicht sittenwidrig vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB geschädigt. Darin, dass die Beklagten den Abschluss des Vertrages am 19.11.2008 nicht verhindert bzw. den Kläger nicht zumindest auf eine vermeintlich hochgradige Gefährdung der Abfindungszahlung hingewiesen haben, liegt keine vorsätzliche Schädigung. Es ist nicht dargelegt, dass die Beklagten die Möglichkeit des Eintritts einer Schädigung erkannt und diese für den Fall ihres Eintritts billigend in Kauf genommen haben. Eine Schädigung des Klägers musste sich ihnen nicht geradezu aufdrängen (vgl. zum Maßstab des bedingten Vorsatzes BAG, Urteile vom 13.02.2007 - 9 AZR 106/06, NZA 2008, 121; vom 03.09.1998 - 8 AZR 189/97, NZA 1999, 39). Das lässt sich an folgenden Erwägungen fest machen:

(1)Folgt man der Argumentation des Klägers, war die Beklagte zu 7) im November 2008 bereits längere Zeit überschuldet und daher insolvenzreif. Gleichwohl war es noch kurze Zeit zuvor gelungen, eine Prolongation der im September 2008 auslaufenden Geschäftskredite in Höhe von 650 Millionen € zu erreichen und sogar die Bank T.. P. zur Erhöhung des Eigenkapitals zu motivieren. Dementsprechend war es bis zum Abschluss des dreiseitigen Vertrages zu keinen Zahlungsausfällen gekommen. Ein Schädigungsvorsatz der Beklagten zu 1) bis 5) könnte daher nur angenommen werden, wenn sich ihnen hätte aufdrängen müssen, dass eine weitere Verlängerung der Darlehen über den 12.06.2009 nicht zu erwarten war. Dafür sind keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Dass gerade zu diesem Zeitpunkt die - behauptete - Überschuldung der Beklagten zu 7) ein Maß erreicht haben würde, dass nunmehr eine weitere Fremdfinanzierung ausgeschlossen war, ist reine Spekulation. Dagegen spricht jedenfalls, dass es im Frühjahr 2009 noch ernsthafte Verhandlungen mit den Gläubigerbanken gab und auch die Vergabe öffentlicher Mittel wegen des erheblichen öffentlichen Interesses an einer Fortführung des Unternehmens der Beklagten zu 7) nicht ausgeschlossen war; andernfalls machte die Einholung des von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachtens der Q. X. D. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft keinen Sinn.

(2)Die Kammer vermisst in diesem Zusammenhang jegliche Ausführungen dazu, warum sich die fehlende Prolongationschance gerade den Beklagten zu 1) bis 5) aufdrängen musste. Das wirtschaftliche und finanzielle Schicksal der Beklagten zu 7) war mit demjenigen der B.-AG verwoben. Der Insolvenzantrag für die Beklagte zu 7) wurde erst gestellt, als wegen des Insolvenzantrags der B.-AG das Cash-Pooling-System am 09.06.2009 zusammenbrach. Die Beklagten zu 1) bis 5) waren aber weder in die unternehmerische Führung der B.-AG eingebunden noch ist dargelegt, dass und in welchem Umfang sie von wem über deren unternehmerische Interna informiert wurden. Die Prolongation der Darlehen im September 2008 wurde nach eigener Darstellung des Klägers durch besonderes "Verhandlungsgeschick" alleine des Beklagten zu 6) erzielt, den der Kläger als sog. Shadow Director, als alles überblickende und planende Kraft im Hintergrund bezeichnet. Wenn dem so war, stellt die Annahme des Klägers, die Beklagten zu 1) bis 5) hätten die sich anschließende Entwicklung in gleichem Maße überblicken können und sich faktisch zu einem Komplott mit dem Beklagten zu 6) mit dem Ziel der Schädigung des Klägers und anderer langjähriger Mitarbeiter der Beklagten zu 7) verbunden, eine reine Vermutung dar, für die es keine hinreichenden Anknüpfungspunkte gibt.

(3)Auch die weitere Annahme des Klägers, die Beklagten zu 1) bis 5) hätten ihn über eine zielgerichtete Täuschung zu einer entschädigungslosen Aufgabe seines Arbeitsplatzes motivieren wollen, um so eine Planinsolvenz der Beklagten zu 7) erst zu ermöglichen, ist nicht zwingend. Es ist schon nicht erkennbar, dass über das (freiwillige) Ausscheiden von 450 Mitarbeitern in der Hauptverwaltung der Beklagten zu 7) im Rahmen des Fitness-Programms bei unterstelltem Ausfall des Abfindungszahlungen zum 30.06.2009 überhaupt ein solcher Betrag einzusparen war, der für das Zustandekommen eines Insolvenzplans kausal werden konnte. Näherer Vortrag des Klägers hierzu fehlt. In Anbetracht der behaupteten Größenordnung der Überschuldung der Beklagten zu 7) kann es ohne weiteres so gewesen sein, dass die Kostenentlastung durch die nicht gezahlten Sozialplanabfindungen in Relation nicht erheblich ins Gewicht fiel. Das gilt erst Recht, wenn man berücksichtigt, dass nicht etwa alle der über den Sozialplan vom 22.10.2008 ausgeschiedenen Mitarbeiter keine Abfindung erhalten haben, sondern nur diejenigen mit einer Kündigungsfrist von mindestens 7 Monaten zum Monatsende (vgl. 4 Abs. 2 des Sozialplans); Arbeitnehmer mit kürzeren Kündigungsfristen hingegen schon, weil ihre Abfindungen vor Stellung des Insolvenzantrags fällig wurden. Mit welcher Motivation auch hätten die Beklagten einen Teil der Arbeitnehmer sittenwidrig schädigen, sich von einem anderen Teil hingegen trotz angeblich bestehender Insolvenzreife "ohne Not" über einen großzügig dotierten Sozialplan und der Inanspruchnahme einer Transfergesellschaft trennen sollen? - Letztlich könnte die Argumentation des Klägers so oder so nur dann verfangen, wenn die Beklagten seine Sicht zum Wert des aufgegebenen Arbeitsplatzes und zum dadurch erlittenen Schaden teilten.

c.

Aus den vorstehenden Erwägungen scheidet ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 1) bis 5) aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB ebenfalls aus. Die Beklagten haben im Zusammenhang mit dem Abschluss des dreiseitigen Vertrages am 19.11.2008 keinen vorsätzlichen Eingehungsbetrug zu Lasten des Klägers begangen.

d.

Schließlich scheidet § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 15a Abs. 1 InsO als Anspruchsgrundlage aus.

Nach § 64 Abs. 1 GmbHG in der bis zum 31.10.2008 geltenden Fassung hatten die Geschäftsführer einer GmbH bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern spätestens bis drei Wochen nach deren Eintritt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Das galt sinngemäß bei sich ergebender Überschuldung der Gesellschaft. Mit Wirkung zum 01.11.2008 wurde diese Bestimmung durch den für alle juristischen Personen geltenden § 15a InsO ersetzt, nach dessen Abs. 1 Satz 1 eine § 64 Abs. 1 GmbHG inhaltsgleiche Pflicht "die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler" trifft, unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO erweitert sich der Kreis der Verpflichteten auf organschaftliche Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter, soweit sie natürliche Personen sind.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sowohl § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. als auch § 15a InsO Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellen, bei deren schuldhafter Verletzung der Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung den Gläubigern Schadensersatz schuldet (für § 64 Abs. 1 GmbHG etwa BGH, Urteil vom 27.04.2009 - II ZR 253/07, DB 2009, 128; vom 16.032009 - II ZR 280/07, DB 2009, 948; für § 15a InsO LAG Nürnberg, Urteil vom 06.03.2012 - 7 Sa 341/11, DB 2012, 2227; BGH, Urteil vom 15.03.2011 - II ZR 204/09, NJW 2011, 2427). Ein Anspruch erfordert, dass ein Insolvenzverfahren nicht beantragt worden ist, obwohl entweder Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO oder Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vorlag. Nur drohende Zahlungsunfähigkeit genügt nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für den objektiven Tatbestand einer haftungsbegründenden Insolvenzverschleppung trägt der Gläubiger (BGH, Urteile vom 15.03.2011, aaO; vom 27.04.2009, aaO). Für die Feststellung, dass eine Gesellschaft insolvenzrechtlich überschuldet ist, bedarf es grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, in der die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- und Liquidationswerten auszuweisen sind. Hingegen kommt einer Handelsbilanz für die Frage, ob die Gesellschaft überschuldet ist, nur indizielle Bedeutung zu. Legt der Gläubiger für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er gegebenenfalls die Ansätze dieser Bilanz zu überprüfen und zu erläutern, ob und ggf. in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige nicht aus ihr ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind (BGH, Urteil vom 16.03.2009, aaO). Ist der Gläubiger diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten Geschäftsführers, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind (BGH, Urteil vom 16.03.2009, aaO).

Nach diesen Grundsätzen ist eine Insolvenzverschleppung durch die Beklagten zu 1) bis 5) vom Kläger nicht dargelegt.

aa.

Die Beklagte zu 7) ist erst am 09.06.2009 und damit kurz vor der Stellung des Insolvenzantrags und weit nach Abschluss des dreiseitigen Vertrages vom 19.11.2008 zahlungsunfähig geworden. Zuvor hat sie alle sie treffenden Zahlungsverpflichtungen erfüllt. Darauf, dass dies nur wegen eines vom Kläger als unzulässig empfundenen Cash-Pooling-Systems möglich war, kommt es nicht an. Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit ist es nämlich ohne Bedeutung, aus welchen Quellen die Einnahmen des Schuldners stammen. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob sich der Schuldner die Zahlungsmittel auf redliche oder unredliche Weise beschafft hat. Deswegen sind selbst aus Straftaten herrührende illegale Einkünfte als liquide Mittel anzusehen (BGH, Urteil vom 14.05.2009 - IX ZR 63/08, ZIP 2009, 1235). Weitere Ausführungen der Kammer zur Zulässigkeit des Cash-Pooling-Systems sind daher nicht veranlasst, denn jedenfalls hat es bis Juni 2009 funktioniert.

bb.

Im Hinblick auf eine Überschuldung der Beklagten zu 7) im November 2008 ist der Kläger seiner primären Darlegungslast ebenfalls nicht gerecht geworden.

(1)Eine Überschuldungsbilanz hat der Kläger nicht vorgelegt.

(2)Der Kläger hat auch keine Handelsbilanz der Beklagten zu 7) vorgelegt und diese in der von der Rechtsprechung geforderten Art und Weise analysiert bzw. auf das Vorhandensein stiller Reserven etc. überprüft. Die Kammer verkennt nicht, dass dem Kläger ein derartiges Vorgehen nicht nur mangels Verfügbarkeit der Unterlagen, sondern auch wegen der Intransparenz der in den Abschlüssen enthaltenen Daten - wenn überhaupt - nur schwer möglich sein wird. Das allein kann aber nicht zu einer Umkehrung der Darlegungslast führen, da zum einen auch die Beklagten zu 1) bis 5) als längst ausgeschiedene Geschäftsführer keinen besseren Zugriff auf die benötigten Detailinformationen besitzen (zum Beispiel auf den Ergebnisabführungsvertrag mit der B.-AG, dessen Nichtvorlage der Kläger rügt), und zum anderen die Beklagten zu 1) bis 5), wie bereits oben ausgeführt, nicht zwangsläufig die wirtschaftliche Lage der B.-AG exakt einschätzen können mussten, an deren finanziellen "Tropf" die Beklagte zu 7) hing. In dieser Situation das zum Beweis angetretene Sachverständigengutachten einzuholen, liefe auf die Erhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises hinaus.

(3)Das Darlegungsdefizit kann nicht durch eine bruchstückhafte Bezugnahme auf isoliert betrachtet dramatisch klingende Zahlen zur wirtschaftlichen Lage der Beklagten zu 7) kompensiert werden. Ein

- "Verlust alleine im 3. Quartal des Jahres 2008 von 51 Millionen €",

- "eine auf etwa 1,5 Milliarden € angewachsene Verschuldung" (woher kommt diese Zahl?),

- "Pensionsverpflichtungen von 2,96 Milliarden €" (auf welchen Zeitraum bezogen?),

- eine "jährliche Immobilienmietzinsbelastung von 350 Millionen €", die eine "erfolgversprechende Sanierung ausschließen"

betreffen allenfalls einen - zudem teilweise zeitlich begrenzten - Ausschnitt der Unternehmensdaten der Beklagten zu 7) und vermitteln daher keinen verwertbaren Eindruck der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Beklagten zu 7). Selbst immens hohe Verbindlichkeiten führen als solche nicht zur Überschuldung eines Unternehmens. Immerhin

-handelte es sich bei der Beklagten zu 7) um ein Warenhausunternehmen mit einem jährlichen Umsatzvolumen im zweistelligen Milliardenbereich,

-schloss die Beklagte zu 7) die (Rumpf-)Geschäftsjahre zum 30.09.2007 und 30.09.2008 mit einer ausgeglichenen Bilanz aus und wies - und sei es auch nur aufgrund des Ergebnisabführungsvertrages mit der B.-AG - zu diesen Stichtagen ein intaktes Eigenkapital auf,

-war es der B.-AG als Konzernmutter noch im September 2008 gelungen, nicht nur eine Prolongation der auslaufenden Darlehen mit dem Kreditkonsortium aus BayernLB, Dresdner Bank und Royal Bank of Scotland zu erzielen, sondern auch das Bankhaus T.. P. zu einer Erhöhung des Eigenkapitals um knapp 60 Millionen € zu bewegen und

-lässt sich nur schwer einschätzen, inwieweit die sicherlich angespannte wirtschaftliche Situation der Beklagten zu 7) und der gesamten B.-Gruppe durch die im Herbst 2008 begonnene Banken- und Finanzkrise, deren Auswirkungen sich im November 2008 noch nicht absehen ließen, weiter verschlechtert wurde.

Insbesondere zu den Verbindlichkeiten der Beklagten zu 7) gegenüber zu stellenden Aktiva des Unternehmens in ihrer Gesamtheit verhält sich der Vortrag des Klägers nicht.

(4)Aus den (in Teilen) zur Gerichtsakte gereichten Berichten und Gutachten des Insolvenzverwalters Dr. H. und externer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ergeben sich ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Überschuldung der Beklagten zu 7) bereits im November 2008. Hielte man die Unterlagen für verwertbar, was der Kläger letztlich selbst in Abrede stellt, so bleibt festzuhalten, dass nach der übereinstimmenden Grundtendenz aller Gutachten eine Überschuldung vor dem 31.05.2009 nicht vorlag bzw. zumindest von der Geschäftsführung der Beklagten zu 7) - also den Beklagten zu 1) bis 5) - nicht erkennbar war. Man mag diese Gutachten nicht überbewerten, als Beleg für das vom Kläger behauptete Gegenteil taugen sie nicht. Das gilt insbesondere für den Bericht des Insolvenzverwalters Dr. H. für die Gläubigerversammlung vom 10.11.2009, den der Kläger als von seinen Ansätzen im Einzelnen her intransparent und vom Ziel der Ermöglichung einer Planinsolvenz getragen einstuft (vgl. Bl. 2 ff. des erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 01.08.2011).

II.

Unbegründet ist die Berufung des Klägers weiterhin, was die Abweisung der Klage gegenüber dem Beklagten zu 6) anbetrifft.

1.

Auch der Beklagte zu 6) haftet dem Kläger nicht aus § 311 Abs. 3 BGB. Nach den unter oben I.1.a. skizzierten Grundsätzen fehlt es auch in seiner Person an der Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens durch den Kläger. Der Rundbrief des Beklagten zu 6) vom 30.09.2008 reicht als Anknüpfungspunkt insoweit nicht aus.

Dieses Ergebnis beruht auf denselben Erwägungen wie zur Nichthaftung der Beklagten zu 1) bis 5) gemäß oben I.1.b., wobei zugunsten des Klägers in Rechnung gestellt werden kann, dass das Schreiben vom 30.09.2008 dem Abschluss des dreiseitigen Vertrages vom 19.11.2008 zeitlich näher war und der Beklagte zu 6) als derjenige, der gerade die Verlängerung der Kredite über 650 Millionen € mit den drei Kernbanken heraus verhandelt hatte, die finanzielle Situation der Beklagten zu 7) und des Konzerns besser als die anderen Beklagten überblickt hat. Gleichwohl liefen nämlich selbst am 30.09.2008 die Verhandlungen zwischen der Beklagten zu 7) und dem Kläger wegen des Aufhebungsvertrages noch nicht, und hat der Rundbrief seinem Wortlaut nach nichts mit einer Zahlungszusicherung für zukünftige Abfindungen zu tun. Vielmehr heißt es unverblümt, dass "wir derzeit die schwerste Finanzkrise der vergangenen Jahrzehnte erleben", dass es zur Absicherung der Zukunft einer "Kraftanstrengung aller Beteiligten" bedürfe und man weiter "an den Kosten arbeiten" müsse.

2.

Deliktische Haftungstatbestände sind auch im Verhältnis zum Beklagten zu 6) nicht gegeben. § 823 Abs. 1 BGB, § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB sind tatbestandlich nicht einschlägig. Die Ausführungen unter oben I.2.a., b. (1), (3), c. gelten entsprechend, auf sie wird Bezug genommen.

Das gilt im Ergebnis auch für die Haftung des Beklagten zu 6) aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG bzw. § 15a InsO und die Ausführungen unter oben !.2.d.. Der Kläger hat weder hinreichend dargelegt, dass der Beklagte zu 6) als "faktischer Geschäftsführer" der Beklagten zu 7) (der er nicht einmal war) deren Insolvenz verschleppt hat, noch dass er dies als Vorstandsvorsitzender der B.-AG getan hat.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat dem Rechtsstreit, soweit sich die Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 6) richtet, schon wegen der im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB diskutierten Problematik der Existenz eines absoluten Rechts am Arbeitsplatz grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beigemessen und insoweit die Revision zugunsten des Klägers zugelassen. Soweit die Berufung gegen die Beklagte zu 7) als unzulässig verworfen wurde, lag hingegen kein Revisionsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG vor.

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger

REVISION

eingelegt werden bezüglich der Zurückweisung der Berufung gegen die Beklagten zu 1) bis 6).

Für die Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss

innerhalb einer Notfrist von einem Monat

nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim

Bundesarbeitsgericht,

Hugo-Preuß-Platz 1,

99084 Erfurt,

Fax: (0361) 2636 - 2000

eingelegt werden.

Die Revision ist gleichzeitig oder

innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils

schriftlich zu begründen.

Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Bezüglich der Zurückweisung der Berufung gegen die Beklagte zu 7) wird der Kläger wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde auf § 72 a Abs. 1 ArbGG verwiesen.

(Schneider)(Reich)(Dorsten)