Bayerischer VGH, Urteil vom 27.09.2010 - 11 CE 10.2250
Fundstelle
openJur 2010, 3280
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 27. März 1984 geborene Antragsteller ist seit dem 3. September 2002 Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L.

Am 2. August 2010 beantragte er bei der Antragsgegnerin, in deren Gebiet er wohnt, es ihm gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV zu gestatten, die praktische Prüfung für den Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse A vor dem TÜV Nord in Münster abzulegen. Er wolle sich für diese Fahrerlaubnis bei einer in Dülmen ansässigen Fahrschule ausbilden lassen, die Kompaktlehrgänge anbiete. Der Intensivkurs, für den er sich angemeldet habe, finde vom 10. bis zum 17. September 2010 statt.

Die Antragsgegnerin erwiderte am 3. August 2010, ihr liege noch kein Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse A vor; eine rechtsverbindliche Entscheidung über den Prüfort könne erst im Rahmen eines Verfahrens auf Erteilung einer Fahrerlaubnis erfolgen. Vorab könne aber mitgeteilt werden, dass der Nachweis der praktischen Befähigung am Ort der Hauptwohnung - mithin im Gebiet der Antragsgegnerin - erbracht werden müsse. Das individuelle Interesse, die Fahrschulausbildung an einem anderen Ort als dem der Hauptwohnung abzulegen, könne im Bereich der Antragsgegnerin nicht bejaht werden, da angesichts der zahlreich in München ansässigen Fahrschulen ein Erwerb der Fahrerlaubnis hier jederzeit - auch im Rahmen von Intensivkursen - möglich sei. Unabhängig davon stünden der beantragten Festlegung eines anderen Prüfortes Gründe der Verkehrssicherheit entgegen, da die Anforderungen in Dülmen bzw. Münster signifikant niedriger als in München seien.

Am 14. August 2010 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es ihm vorläufig zu gestatten, die Motorradführerscheinprüfung im Rahmen des Intensivfahrschulkurses abzulegen, den er vom 10. bis zum 17. September 2010 bei einer näher bezeichneten Fahrschule in Dülmen gebucht habe.

Dieses Rechtsschutzbegehren lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 3. September 2010 ab, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Antragsteller in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit obsiegen werde, und er deshalb keinen Anordnungsanspruch besitze. Eine auf § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV gestützte Entscheidung stehe im Ermessen der Behörde. Für eine Ermessensreduzierung auf Null, wie sie für die Bejahung eines Anordnungsanspruchs erforderlich sei, sei nichts ersichtlich. Für die Ausübung des Ermessens sei von entscheidender Bedeutung, ob beim Antragsteller Gründe vorlägen, die es als gerechtfertigt erscheinen ließen, dass er die Prüfung außerhalb seines Lebensmittelpunkts ablege, und ob Sicherheitsbedenken einer Verlagerung des Prüfortes entgegenstünden. Die Antragsgegnerin habe zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller kein berücksichtigungsfähiges Interesse an der Zulassung eines anderen Prüfortes glaubhaft gemacht habe. Da er in Bezug auf das Führen von Motorrädern als Fahranfänger anzusehen sei, sei den sicherheitsrechtlichen Erwägungen der Antragsgegnerin zu folgen.

Mit der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde beantragt der Antragsteller, den Beschluss vom 3. September 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es ihm vorläufig zu gestatten, die Motorradführerscheinprüfung im Rahmen des Intensivfahrschulkurses abzulegen, den er vom 8. bis zum 15. Oktober 2010 bei der Fahrschule in Dülmen gebucht habe. Hilfsweise beantragt er, die Antragsgegnerin dazu zu verpflichten, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Er habe sich statt für den ursprünglich gebuchten nunmehr für den Kurs angemeldet, der im vorbezeichneten Zeitraum stattfinde. Hierfür beantrage er weiterhin die Zulassung zur abschließenden Prüfung vor dem TÜV Nord.

Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass er mit seinem Rechtsschutzbegehren nur dann durchdringen könne, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Die herrschende Meinung bejahe die Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung demgegenüber bereits dann, wenn Ermessensfehler vorlägen, da andernfalls die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt würde. Im Übrigen ergebe sich gleichsam eine Ermessensreduzierung auf Null daraus, dass alle Argumente der Antragsgegnerin einer Überprüfung nicht standhalten könnten.

§ 17 Abs. 3 Satz 3 FeV verlange nicht, dass ein besonderes Bedürfnis an der Gestattung bestehe, die Fahrerlaubnisprüfung nicht an den in § 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FeV genannten Orten ablegen zu müssen. Die gegenteilige Auffassung trage dem Anliegen des Normgebers nicht Rechnung, der ausweislich der amtlichen Begründung zu § 17 Abs. 3 FeV unsicheren Fahranfängern "die Flucht aufs Land" habe erschweren wollen. Deshalb und da § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV gleichberechtigt neben den in den Sätzen 1 und 2 des § 17 Abs. 3 FeV getroffenen Regelungen stehe, dürfe man einem erfahrenen Verkehrsteilnehmer wie dem Antragsteller nicht pauschale Sicherheitsbedenken entgegenhalten. Bei der Schaffung dieser Norm habe der Verordnungsgeber den Fall des erstmaligen Bewerbers um eine Fahrerlaubnis, nicht aber die Situation erfassen wollen, dass die Erweiterung einer bereits vorhandenen Fahrerlaubnis erstrebt werde. Sollte gleichwohl ein "berücksichtigungsfähiges Interesse" zu fordern sein, ergäbe es sich aus dem Wunsch des Antragstellers, die Prüfung im Anschluss an die - von ihm frei wählbare - Ausbildung bei einer auf Motorräder spezialisierten Fahrschule abzulegen. Eine gesonderte Prüfung in München sei zudem um mehrere Hundert Euro teurer.

Sicherheitsbedenken könnten der erstrebten Gestattung deshalb nicht entgegengehalten werden, weil sich die meisten schweren Motorradunfälle auf Landstraßen ereignen würden. Hiervon aber gebe es in der Umgebung von Münster gleich viele wie im Münchener Umland. Die Unterschiede, die bei Fahrten auf Landstraßen und Autobahnen einer- und im Stadtverkehr andererseits bewältigt werden müssten, seien nur bei "absoluten" Fahranfängern, nicht aber bei solchen Personen von Bedeutung, die sich - wie der Antragsteller - seit vielen Jahren beanstandungsfrei im Münchener Stadtverkehr bewegt hätten. Soweit sich die Antragsgegnerin auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. Oktober 1999 (NVwZ-RR 2000, 284) berufe, sei in jener Entscheidung nur ausgesprochen worden, dass durch § 17 Abs. 3 FeV nicht die Interessen von Fahrlehrern verletzt würden. Der Beitrag des einzelnen Verkehrsteilnehmers zur Sicherheit des Straßenverkehrs hänge zum einen von der technischen Beherrschung seines Fahrzeugs, zum anderen von seiner allgemeinen Verkehrserfahrung ab. Die Frage der Fahrzeugbeherrschung und die Befähigung des Fahrerlaubnisbewerbers, sich im Straßenverkehr vorschriftsmäßig zu verhalten, werde in Münster und in München in gleicher Weise überprüft. Das folge schon daraus, dass die nach der Nummer 2.1.4.1.1 der Anlage 7 zur Fahrerlaubnis-Verordnung durchzuführenden Fahrmanöver nicht im Straßenverkehr, sondern auf Park- oder speziellen Prüfungsplätzen stattfänden. Über die erforderliche allgemeine Verkehrserfahrung, die sich ohnehin erst mit der Zeit einstelle, verfüge der Antragsteller, da er seit acht Jahren eine Fahrerlaubnis der Klasse B besitze. Angesichts einer Fahrzeit von 25 Minuten, die der Bewerber um eine Fahrerlaubnis der Klasse A im Straßenverkehr zurücklegen müsse, stelle es kein untragbares Risiko dar, wenn der Antragsteller seine Prüfung nicht in München ablege. Zudem gehöre er nicht der Gruppe der 18- bis 23-jährigen Verkehrsteilnehmer an, die am stärksten gefährdet seien. Außerdem habe er nachgewiesen, dass andere Behörden die Vorschrift des § 17 Abs. 3 FeV in seinem Sinne anwenden würden.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der von ihr eingenommenen Rechtsstandpunkte wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 13. September 2010, wegen der Replik des Antragstellers hierauf auf den Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23. September 2010 verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht das erstmals im Beschwerdeverfahren anhängig gemachte Begehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin hilfsweise dazu zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden, nicht als echte Antragserweiterung im Sinn von § 91 VwGO an. Denn auch in Verfahren nach § 123 VwGO sind die Gerichte von Amts wegen berechtigt, dem Anspruchsteller erforderlichenfalls weniger zuzusprechen, als er beantragt hat. Das kann zur Folge haben, dass ein Träger öffentlicher Gewalt analog § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO durch eine einstweilige Anordnung verpflichtet wird, über das Begehren des Rechtsschutzsuchenden nach eigener sachgerechter Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, RdNr. 28), sofern für einen solchen Ausspruch ein Anordnungsgrund besteht. Mit dem erstmals in der Beschwerdeinstanz formulierten Hilfsantrag wird deshalb nur eine gerichtliche Entscheidung begehrt, die in beiden Rechtszügen - sofern materiellrechtlich veranlasst - auch ohne einen solchen Antrag hätte ergehen können. Auf die Frage, ob die besonderen Voraussetzungen vorliegen, von deren Erfüllung der beschließende Senat die Zulässigkeit einer echten Antragserweiterung in von § 146 Abs. 4 VwGO erfassten Beschwerdeverfahren abhängig macht (vgl. BayVGH vom 9.6.2005 VRS Bd. 109, S. 141/148 f.; vom 13.9.2005 Az. 11 CS 05.987 <juris> RdNr. 45; vom 11.5.2010 Az. 11 CS 10.68 <juris> RdNr. 25), kommt es deshalb nicht an.

Keine echte Antragsänderung, sondern nur eine (entsprechend § 264 ZPO ohne weiteres zulässige) Anpassung des Rechtsschutzbegehens an die wegen Zeitablaufs veränderten tatsächlichen Gegebenheiten liegt darin, dass der Antragsteller nunmehr die Gestattung erstrebt, die Prüfung im Oktober 2010 ablegen zu dürfen, während er ursprünglich im Anschluss an einen vom 10. bis zum 17. September 2010 stattfindenden Kurs geprüft werden wollte.

1. Die Beschwerde muss sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag bereits deshalb ohne Erfolg bleiben, weil durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund dargetan wird. Der Antragsteller hat entgegen der Obliegenheit, die sich für ihn aus § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO ergibt, nicht glaubhaft gemacht (und darüber hinaus nicht einmal substantiiert vorgetragen), dass ihm ein wesentlicher Nachteil im Sinn von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO droht, wenn ihm nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung die Möglichkeit eröffnet wird, bereits im Oktober 2010 die Prüfung für den Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse A in Nordrhein-Westfalen ablegen zu dürfen.

a) Aus seinem Vorbringen ergibt sich nicht, dass er derart dringend auf den Besitz eines Motorradführerscheins angewiesen ist, dass er den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens, in dem über den behaupteten Anspruch auf eine Gestattung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV entschieden wird, nicht abwarten kann. In Abschnitt 3 der Antragsschrift vom 13. August 2010 hat der Antragsteller im Gegenteil vorgetragen, er verfolge im Verfahren nach § 123 VwGO nicht das Ziel, für den Fall der erfolgreichen Ablegung der Prüfung sogleich auch die Fahrerlaubnis zu erwerben. Ihm gehe es nur darum, an der Prüfung teilnehmen zu dürfen; Rechtswirkungen solle diese Prüfung (einstweilen) nicht entfalten. Das zeigt, dass aus der Sicht des Antragstellers der Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse A nicht eilbedürftig ist.

b) Nicht geltend - und erst recht nicht glaubhaft - gemacht hat er aber auch, dass der Erlass der erstrebten einstweiligen Anordnung deshalb erforderlich ist, weil ihm bei Nichterfüllung des Wunsches, die Fahrerlaubnisprüfung in zeitlichem Zusammenhang mit der in Dülmen geplanten Fahrschulausbildung vor einer dort tätigen Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr abzulegen, wesentliche Nachteile sonstiger Art entstehen. Sein diesbezügliches Vorbringen in der Beschwerdeinstanz erschöpft sich in der Behauptung, es sei "klar", dass ihm eine gesonderte Prüfung in München um mehrere Hundert Euro teurer käme. Da insoweit weder eine gerichtskundige noch eine allgemein bekannte Gegebenheit inmitten steht (bis zum Nachweis des Gegenteils spricht vielmehr eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Prüfgebühren an beiden Orten zumindest annähernd gleich hoch sind), hätte der Antragsteller nicht darauf verzichten dürfen, diese Einlassung glaubhaft zu machen.

Ebenfalls nicht dargelegt hat er, dass die für die Zeit vom 8. bis zum 15. Oktober 2010 geplante Ausbildung wertlos wird, wenn er erst den Ausgang eines Klageverfahrens abwarten muss, in dem darüber befunden wird, ob er einen Anspruch darauf besitzt, in Dülmen bzw. Münster geprüft zu werden. Nach § 16 Abs. 3 Satz 7 FeV (hinsichtlich der praktischen Prüfung anzuwenden in Verbindung mit § 17 Abs. 5 Satz 6 FeV) dürfen zwischen dem Abschluss der Fahrschulausbildung und der theoretischen sowie der praktischen Fahrerlaubnisprüfung zwei Jahre liegen. Der Antragsteller hat nicht aufgezeigt, dass er bis dahin keine unanfechtbare Hauptsacheentscheidung über den behaupteten Anspruch nach § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV zu erlangen vermag. Jedenfalls aber hat er nicht dargelegt, warum ihm ein Anordnungsgrund bereits jetzt und nicht erst dann zur Seite steht, wenn sich abzeichnen sollte, dass ein reguläres Erkenntnisverfahren nicht ausreichend lange vor dem Ablauf des sich aus § 16 Abs. 3 Satz 7 (i.V.m. § 17 Abs. 5 Satz 6) FeV ergebenden Zweijahreszeitraums zu einem rechtskräftigen Abschluss gebracht werden kann. Insbesondere hat er nicht vorgetragen, dass er bis zu dem Zeitpunkt, in dem in einem Hauptsacherechtsstreit eine unanfechtbare Entscheidung ergeht, nicht mehr über die praktischen Fertigkeiten verfügt, die ihm in der Fahrschulausbildung vermittelt wurden. Da die Fahrerlaubnis-Verordnung davon ausgeht, dass auch die hierbei erworbenen praktischen Kenntnisse bis zu zwei Jahre lang fortbestehen können, darf eine gegenläufige Gegebenheit ohne substantiierten Vortrag des Betroffenen und darauf aufbauende Glaubhaftmachung nicht von Amts wegen unterstellt werden.

2. Nur ergänzend ist vor diesem Hintergrund anzumerken, dass der Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch - und zwar auch nicht dergestalt, dass die Antragsgegnerin zu einer Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet wird - besitzt.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zwar nicht nur dann geboten, wenn mit zweifelsfreier Sicherheit feststeht, dass das materielle Recht besteht, dessen Sicherung der Antragsteller im Fall des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erstrebt bzw. im Hinblick auf das er eine Regelung im Sinn von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erreichen will. Es genügt vielmehr, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten materiellen Anspruchs spricht, so dass der Rechtsschutzsuchende in der Hauptsache voraussichtlich obsiegen wird (vgl. z.B. BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/75; BayVGH vom 18.10.1993 NVwZ-RR 1994, 160/161; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNrn. 64 und 69 zu § 123; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, RdNr. 77 zu § 123; Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 23 zu § 123; Kuhla in Posser/Wolff, VwGO, 2008, RdNr. 77). Da die Zuerkennung der Berechtigung, fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen, dann mit erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter Dritter - namentlich für das Leben und die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen - einhergeht, wenn der Begünstigte nicht fahrgeeignet oder zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht befähigt ist, bedarf dieser Grundsatz im Lichte der Schutzpflicht, die der deutschen öffentlichen Gewalt für diese Rechtsgüter obliegt (vgl. z.B. BVerfG vom 16.10.1977 BVerfGE 46, 160/164; vom 4.4.2006 BVerfGE 115, 320/246), im Fahrerlaubnisrecht allerdings einer Einschränkung dahingehend, dass zumindest eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Anordnungsanspruchs sprechen muss (so ausdrücklich BayVGH vom 16.8.2010 Az. 11 CE 10.262 RdNr. 20).

Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass der Antragsteller mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit verlangen kann, die Fahrerlaubnisprüfung in Dülmen bzw. Münster ablegen zu dürfen.

§ 17 Abs. 3 Satz 3 FeV stellt eine solche Gestattung in das Ermessen der zuständigen Behörde. Einen gerichtlichen Ausspruch, durch den die Antragsgegnerin verpflichtet wird, die Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr in Münster mit der Prüfung des Antragstellers zu beauftragen (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 1 FeV), wird der Antragsteller in einem Klageverfahren deshalb nur erstreiten können, wenn jede anderslautende Entscheidung der Antragsgegnerin als ermessensfehlerhaft angesehen werden müsste. Davon kann nach dem hier allein berücksichtigungsfähigen Beschwerdevorbringen keine Rede sein. Ebenfalls nicht aufgezeigt hat der Antragsteller, dass die Antragsgegnerin von Rechts wegen verpflichtet ist, in eine künftige Ermessensentscheidung (bei dem Schreiben vom 3.8.2010 handelt es sich ausweislich der Ausführungen im ersten Absatz noch um keine das fahrerlaubnisrechtliche Verfahren abschließende Verbescheidung, sondern nur um einen Hinweis auf die Rechtslage, wie sie sich aus der Sicht der Antragsgegnerin darstellt) Gesichtspunkte einzustellen, die sie in ihren bisherigen Äußerungen noch nicht (mit dem ihnen zukommenden Gewicht) berücksichtigt hat.

Ausdrückliche gesetzliche Ermessensschranken sieht die - tatbestandlich nicht eingegrenzte - Befugnisnorm des § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV nicht vor. Gemäß Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde bei der Wahrnehmung des ihr danach eröffneten, grundsätzlich weiten Spielraums jedoch dem Zweck der Ermächtigung Rechnung zu tragen.

Unter diesem Blickwinkel ist zunächst zu berücksichtigen, dass § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV eine Durchbrechung des in § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV niedergelegten Grundsatzes darstellt, dem zufolge praktische Prüfungen prinzipiell an den dort bezeichneten Orten (ersatzweise an nahegelegenen Orten im Sinn von § 17 Abs. 3 Satz 2 FeV) abzulegen sind. Dass die drei Sätze des § 17 Abs. 3 FeV entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht gleichrangig nebeneinander stehen, sondern dass zwischen ihnen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht, folgt nicht nur aus dem Wortlaut und dem Aufbau dieser Bestimmung, die in ihrem Satz 1 eine imperativische Aussage trifft und in Satz 3 die Behörde ermächtigt, Abweichungen hiervon im Ermessenswege ("kann") zuzulassen. Vielmehr verdeutlicht auch die amtliche Begründung zum Entwurf der Fahrerlaubnis-Verordnung (BRDrs. 443/98, S. 268) diesen Regelungswillen des Verordnungsgebers. Dort heißt es:

"Absatz 3 bestimmt, wo der Bewerber die praktische Prüfung abzulegen hat. Auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gilt der Grundsatz, dass ein Fahranfänger möglichst dort ausgebildet und geprüft werden soll, wo er nach dem Erwerb der Fahrerlaubnis hauptsächlich am Verkehr teilnimmt, nämlich an seinem Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsort. Die Fahrerlaubnisbehörde wird deshalb in der Regel die Technische Prüfstelle mit der Prüfung beauftragen, die für den in Absatz 3 genannten Bereich zuständig ist."

Handelt es sich bei § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV aber um eine Ausnahmevorschrift, so ist sie - wie alle Ausnahmebestimmungen - restriktiv auszulegen. Pflichtgemäßem Verwaltungsvollzug entspricht es danach, das durch diese Bestimmung eröffnete Ermessen so auszuüben, dass das vom Verordnungsgeber gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis gewahrt bleibt.

Die nach Art. 40 BayVwVfG gebotene Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift verlangt es ferner, darauf Bedacht zu nehmen, dass durch die Gestattung der Ablegung der Prüfung an anderen als den in § 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FeV bezeichneten Orten die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht beeinträchtigt wird. Diese Zielsetzung liegt nicht nur der Fahrerlaubnis-Verordnung in ihrer Gesamtheit zugrunde; der Verordnungsgeber hat es, wie aus der vorstehend auszugsweise wiedergegebenen amtlichen Begründung zu § 17 Abs. 3 FeV hervorgeht, vielmehr auch als Beitrag zur Förderung der Verkehrssicherheit angesehen, wenn ein Fahranfänger möglichst in der Nähe des Schwerpunkts seiner künftigen Verkehrsteilnahme ausgebildet und geprüft wird. In Übereinstimmung damit führt die amtliche Begründung zu § 17 Abs. 3 FeV mit Blickrichtung auf Satz 3 dieser Bestimmung aus:

"Bei der Ausübung des gewährten Ermessens wird zu erwägen sein, ob Sicherheitsbedenken entgegenstehen oder nicht. So wird eine auswärtige Prüfung dann nicht in Betracht kommen, wenn der Bewerber in einer Großstadt wohnt und auf einen dünn besiedelten Bereich ausweichen will, weil er glaubt, den Anforderungen in der Großstadt nicht gewachsen zu sein" (BR-Drs. 443/98, ebenda).

Ermessensfehlerfrei ist die Versagung einer Ausnahmebewilligung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV demgemäß zum einen dann, wenn der Bewerber um eine Fahrerlaubnis, der nicht an einem sich aus § 17 Abs. 3 Satz 1 oder 2 FeV ergebenden Ort geprüft werden will, zur Rechtfertigung seines Wunsches keine Gründe vorzutragen vermag, die eine Durchbrechung des durch § 17 Abs. 3 FeV vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses rechtfertigen (a). Bringt er solche Gründe vor, ist die Versagung der erstrebten Gestattung ermessensgerecht, wenn die sicherheitsrechtlichen Interessen, die der Verordnungsgeber durch den in den Sätzen 1 und 2 des § 17 Abs. 3 FeV aufgestellten Grundsatz schützen will, gewichtiger sind als die vom Fahrerlaubnisbewerber geltend gemachten Belange (b).

a) Wie in Teil II.1 dieses Beschlusses dargestellt, hat der Antragsteller keine plausiblen Gründe dafür vorgetragen, warum er die Fahrerlaubnisprüfung in Münster bzw. Dülmen ablegen möchte. Wollte man zu seinen Gunsten davon ausgehen, es stelle auch dann ein rechtlich anerkennenswertes Interesse dar, in der Region geprüft zu werden, in der ein Bewerber die Fahrschulausbildung durchlaufen hat, und die Prüfung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Fahrschulbesuch zu absolvieren, wenn dieses Interesse nicht den Rang eines "wesentlichen Nachteils" im Sinn von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erreicht, so würde es im gegebenen Fall an Darlegungen dazu fehlen, warum sich der Antragsteller einer Fahrschulausbildung fern seines Wohnorts unterziehen will. Der bloße Hinweis darauf, dass die von ihm gewählte Fahrschule auf die Ausbildung für die Fahrerlaubnisklasse A spezialisiert sei und sie Kompaktkurse anbiete, genügt für sich genommen so lange nicht, um eine Durchbrechung des § 17 Abs. 3 FeV zugrunde liegenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses zu rechtfertigen, als nicht dargetan wurde, dass im Großraum München keine vergleichbaren Ausbildungsangebote verfügbar sind. Da dies nicht glaubhaft erscheint (nach unwidersprochen gebliebener Darstellung der Antragsgegnerin existieren in ihrem Gebiet 134 Fahrschulen, die auf den Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse A vorbereiten), sieht sich der Antragsteller mit der nicht ausgeräumten Besorgnis konfrontiert, dass für sein Ausweichen nach Westfalen Gründe maßgeblich sein könnten, die nach dem in den Sätzen 1 und 2 des § 17 Abs. 3 FeV zum Ausdruck kommenden Willen des Verordnungsgebers den Prüfungserfolg gerade nicht beeinflussen sollen.

Es ist weder Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde noch der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, diese Besorgnis zu entkräften. Vielmehr obliegt es - zumal in einem Verfahren nach § 123 VwGO - dem Anspruchsteller, darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen, dass alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, von denen die Zuerkennung der erstrebten Rechtsfolge abhängt. Dieser Obliegenheit ist der Antragsteller bisher nicht nachgekommen. In Abschnitt II.2 der Beschwerdebegründung hat er im Gegenteil die Auffassung vertreten, er sei zur Darlegung eines "berücksichtigungsfähigen Interesses" nicht verpflichtet, da § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV gleichrangig neben den Sätzen 1 und 2 dieser Bestimmung stehe.

b) Nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt hat der Antragsteller auch, dass durch die Erteilung einer Ausnahmebewilligung an ihn der Schutzzweck des § 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FeV unberührt bliebe. Zwar dürfte das Vorbringen zutreffen, dass es für denjenigen Teil der praktischen Prüfung des Bewerbers um eine Fahrerlaubnis der Klasse A, in dem die Beherrschung der Grundfahraufgaben (Nr. 2.1.4.1.1 der Anlage 7 zur Fahrerlaubnis-Verordnung) nachzuweisen ist, nicht auf die Straßenverkehrsverhältnisse am Prüfungsort ankommt, da dieser Prüfungsteil abgesondert vom realen Verkehrsgeschehen durchgeführt werde. Umso wichtiger ist es jedoch, dass sich der amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr während der nur 25 Minuten, in denen sich der Kandidat auf öffentlichen Straßen bewähren muss (vgl. Nr. 2.3 der Anlage 7 zur Fahrerlaubnis-Verordnung), ein zuverlässiges Bild darüber verschaffen kann, ob der Prüfling auch den Verkehrssituationen gewachsen ist, mit denen er nach der Zuerkennung der Fahrerlaubnis überwiegend konfrontiert werden wird. Das aber sind bei einem in der Großstadt wohnenden Kraftfahrer typischerweise die spezifischen Erscheinungsformen des dortigen Straßenverkehrs.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt hierbei nicht, dass ein außerhalb großstädtischer Verdichtungsräume ansässiger Bewerber um eine Fahrerlaubnis, der die Prüfung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV grundsätzlich in der ihm vertrauten kleinstädtisch-ländlichen Umgebung abzulegen hat, nicht gehindert ist, unmittelbar nach der Aushändigung des Führerscheins in eine Millionenstadt zu fahren. Der Verordnungsgeber darf sich bei seinen Regelungen indes am Normalfall orientieren. Dieser aber stellt sich so dar, dass eine Person, die erst seit kurzer Zeit über eine Fahrerlaubnis verfügt, ihre praktischen Erfahrungen im eigenverantwortlichen Führen von Kraftfahrzeugen in der Regel in ihrem näheren Lebensumfeld gewinnt. Dies rechtfertigt es, darauf Bedacht zu nehmen, dass grundsätzlich auch der fahrerlaubnisrechtliche Befähigungsnachweis in diesem Umfeld erbracht wird.

Dem Umstand, dass die Aussagekraft einer im typischen künftigen Verkehrsumfeld des Fahrerlaubnisbewerbers abgelegten praktischen Fahrerlaubnisprüfung für dessen Ungefährlichkeit als motorisierter Verkehrsteilnehmer nicht überragend groß ist, hat der Verordnungsgeber durch die Zulassung einer weit gefassten Befreiungsmöglichkeit ausreichend Rechnung getragen. Solange aber weder ein hinreichend triftiger Grund für die Durchbrechung des - normativ vorgegebenen und sachlich gerechtfertigten - Regel-Ausnahme-Verhältnisses dargetan wurde, noch der Fahrerlaubnisbewerber den Verdacht des "gezielten Ausweichens" und der sich daran knüpfenden Sicherheitsbedenken entkräftet hat, ist die öffentliche Verwaltung nicht gehalten, von der in § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV eröffneten Befugnis Gebrauch zu machen.

Der Umstand, dass der Antragsteller bereits seit mehreren Jahren über eine Fahrerlaubnis der Klasse B verfügt, führt nicht dazu, dass das durch diese Vorschrift eingeräumte Ermessen hierdurch im Sinn einer stattgebenden Entscheidung auf Null reduziert wird. Einem Anspruch auf Neuverbescheidung im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt steht entgegen, dass sich die Antragsgegnerin mit dem Aspekt des mehrjährigen Vorbesitzes einer Fahrerlaubnis der Klasse B durch den Antragsteller jedenfalls in ihrer Beschwerdeerwiderung eingehend und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auseinandergesetzt hat. Wenn § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FeV selbst Inhabern von Fahrerlaubnissen der Klassen C und D, die in gesundheitlicher, fahrtechnischer und charakterlicher Hinsicht herausgehobenen Anforderungen genügen müssen, nicht die Befähigung zuspricht, Krafträder zu führen, so zeigt das, dass die gefahrlose Teilnahme am Straßenverkehr mit derartigen Fahrzeugen nach - zutreffender - Auffassung des Verordnungsgebers Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert, die nicht bereits durch den Besitz anderer Fahrerlaubnisklassen vermittelt werden. Damit in Einklang steht, dass sogar der Vorbesitz der besonders anspruchsvollen Fahrerlaubnisklassen C und D nicht ausreicht, um einer Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, das Recht zu vermitteln, die Fahrerlaubnis der Klasse A ohne die sich aus § 6 Abs. 2 Satz 1 FeV ergebende Beschränkung zu erwerben. All das zeigt, dass die praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten, die für das gefahrlose Führen eines Kraftrades benötigt werden, derart spezifisch sind, dass sie selbst durch eine langjährige und beanstandungsfreie Tätigkeit als Lastkraftwagen- und Omnibusfahrer nicht erworben werden können. Für Besitzer nur einer Fahrerlaubnis der Klasse B gilt das umso mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und der Empfehlung in Abschnitt II.1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

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