VG Aachen, Beschluss vom 31.01.2013 - 8 L 351/12
Fundstelle
openJur 2013, 4176
  • Rkr:
Tenor

1. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Verfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwalt B. A. aus B. beigeordnet.

2. Die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 8 K 1980/12 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2012 wird hinsichtlich der Aufforderung zur Passvorlage bzw. zur Vorlage des Antrags auf Ausstellung eines Heimreisedokuments wiederhergestellt und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens

3. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat Erfolg, da der Antragsteller nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zur Tragung der Kosten des Prozesses nicht in der Lage ist, und die Rechtsverfolgung, wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt, hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, (§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. §§ 114 Zivilprozessordnung - ZPO -)

2. Der sinngemäß gestellte Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 8 K 1980/12 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2012 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

hat Erfolg.

a. Mit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung hat die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Androhung eines Zwangsgeldes von 250,- EUR aufgefordert, binnen 2 Wochen nach Zustellung der Verfügung seinen Pass vorzulegen oder - sofern der Antragsteller über einen solchen nicht verfügt - eine Bestätigung der für ihn zuständigen Auslandsvertretung darüber vorzulegen, dass er die Ausstellung eines Passes oder Passersatzes beantragt hat. Für den Fall, dass der Antragsteller dem nicht Folge leiste, drohte ihm die Antragsgegnerin die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,- EUR an. Sie versah die Verfügung mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zu deren Begründung ist ausgeführt, der Sofortvollzug sei geboten, um der Gefahr zu begegnen, dass der Antragsteller trotz Vollziehbarkeit seiner Ausreiseverpflichtung während des Verlaufs des Hauptsacheverfahrens den Nachweis des Besitzes eines Passes oder des Bemühens um einen solchen nicht erbringe. Hieraus und aus dem Gesichtspunkt, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Pass straf- bzw. bußgeldbewehrt sei, folge ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Der rechtswidrige Zustand der Passlosigkeit müsse schon aus Gründen der Gefahrenabwehr sofort beendet werden. Auch bestehe ein besonderes öffentliches Interesse, den unerlaubten Aufenthalt des Antragstellers unverzüglich zu unterbinden. Es deute nichts darauf hin, dass die Weigerung des Antragstellers zur Aushändigung seines Passes mit Umständen zu begründen wäre, die nicht in seinen Verantwortungsbereich fielen, so dass schützenswerte Interessen seinerseits, die gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung sprechen könnten, nicht erkennbar seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die an den Antragsteller gerichtete Aufforderung keinen nachhaltigen Eingriff etwa mit einer irreparablen Wirkung bedeute, sondern nur eine Konkretisierung von ausweisrechtlichen Pflichten sei, die der Antragsteller ohnehin zu erfüllen habe. Es werde darauf hingewiesen, dass es gesetzgeberisches Ziel sei, den Aufenthalt von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen unverzüglich zu beenden. Es könne nicht hingenommen werden, dass ein Ausreisepflichtiger, der seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, seinen Aufenthalt durch Einlegung von Rechtsmitteln verlängere. Hinzu komme die erhebliche finanzielle Belastung des Sozialhaushalts, da der Antragsteller während des Hauptsacheverfahrens Sozialleistungen beziehe.

b. Im Hinblick auf die in der angefochtenen Ordnungsverfügung enthaltene Aufforderung zur Vorlage eines Nationalpasses ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der zulässige Rechtsbehelf. Der Klage kommt entsprechend § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, weil die Antragsgegnerin den Sofortvollzug seiner Verfügung besonders angeordnet hat.

Der Antrag ist auch begründet.

Offen bleiben kann, ob die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung des besonderen öffentlichen Interesses für die Anordnung des Sofortvollzuges noch dem besonderen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Der Sinn der Regelung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besteht darin, die Behörde zu zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Ausgehend hiervon genügen der Begründungspflicht keine formelhaften, also für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, keine formblattmäßigen oder pauschalen Argumentationsmuster oder die bloße Wiederholung des Gesetzestextes. Notwendig ist eine auf die Umstände des konkreten Einzelfalles bezogene Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des einzelnen, in Rede stehenden Verwaltungsakts,

Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand Februar 1998, § 80, Rdnr. 178, so auch: Schmidt: in Eyermann, VwGO, Kommentar, 13. Auflage 2010, § 80 Rdnr. 42.

Hier hat die Antragsgegnerin zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich in allgemeiner Weise die oben dargestellten Argumente aufgezählt, die für alle Fälle gelten, in denen eine solche wie die hier streitgegenständliche Aufforderung ergeht, für die aber der Gesetzgeber im Normalfall eine aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs vorsieht.

Jedenfalls sind keine hinreichenden Gründe für das Vorliegen eines besonderen sofortigen Vollziehungsinteresses i. S. d. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO dargetan.

Angesichts der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 80 Abs. 1 VwGO haben Rechtsbehelfe grundsätzlich aufschiebende Wirkung, d. h. dass grundsätzlich das Suspendierungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes trotz hiergegen eingelegter Rechtsmittel setzt gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ein besonderes Vollzugsinteresse voraus, d. h. ein (i. d. R. zusätzliches) öffentliches Interesse gerade daran, dass ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung nach sich zieht. Dieses muss grundsätzlich über das Interesse hinausgehen, das (nur) den Erlass des Verwaltungsaktes selbst rechtfertigt, wobei im Einzelfall ausnahmsweise das besondere Vollzugsinteresse mit dem den Verwaltungsakt selbst betreffenden Vollzugsinteresse zusammenfallen kann, wenn der Gesetzgeber aus rechtsstaatlichen Erwägungen die Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung besonders eng gefasst hat,

so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) seit dem Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 -, BVerfGE 35, 382, NJW 1974, 227, DVBl 1974, 79, NJW 1974, 1043; Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/Albedyll, VwGO-Kommentar anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 3. Auflage 2005, § 80 Rdnr. 40 mit weiteren Nachweisen; Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a. a. O., § 80, Rdnr. 144.

Ein solcher Ausnahmefall ist bei der Aufforderung zur Passbeschaffung nicht gegeben, so dass allein die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung und sonstige sich offensichtlich aus den Akten ergebende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen sind,

vgl. zur Prüfdichte in Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO insoweit: Funke-Kaiser, a. a. O, § 80 Rdnr. 47 (88) mit weiteren Nachweisen.

Das Bundesverfassungsgericht qualifiziert die Regelung der aufschiebenden Wirkung in § 80 Abs. 1 VwGO als einfachgesetzliche Ausprägung der grundrechtlichen Garantie des effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG),

in ständiger Rechtsprechung, erstmalig im Beschluss vom 19. Juni 1973 - 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72 -, BVerfGE 35, 263, DVBl 1973, 622, DÖV 1973, 643.

Nur im Ausnahmefall können überwiegende öffentliche Belange zum Sofortvollzug führen, um unaufschiebbare Maßnahmen im überwiegenden Allgemeininteresse rechtzeitig in die Wege zu leiten. Eine Verwaltungspraxis, die dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt, ist mit der Verfassung nicht vereinbar,

BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 -, a. a. O.; Beschluss vom 2. Mai 1984 - 2 BvR 1413/83 -, BVerfGE 67, 43, JMBl NW 1984, 174, DVBl 1984, 673, ZAR 1984, 160, DÖV 1984, 627; (zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Sofortvollzuges einer Ausweisungsverfügung:) Beschluss vom 21. März 1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220, DVBl 1985, 567, NVwZ 1985, 409; (zu den Begründungsanforderungen bei Sofortvollzug einer Ausweisungsverfügung:) Beschluss vom 19. Februar 1991 - 1 BvR 1548/90 -, NVwZ-RR 1991, 365; Beschluss vom 12. September 1995 - 2 BvR 1179/95 -, AuAS 1995, 245, DVBl 1995, 1297, InfAuslR 1995, 397, NVwZ 1996, 58; (zum Sofortvollzug einer Ausweisungsverfügung:) Beschluss vom 21. Februar 2011 - 2 BvR 1392/10 -, NVwZ-RR 2011, 420, InfAuslR 2011, 235.

Die verfassungsrechtliche Verankerung des Grundsatzes der aufschiebenden Wirkung zeigt, dass seine Überwindung durch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung im Einzelfall gewichtige Gründe erfordert.

Solche Gründe hat die Antragsgegnerin nicht angeführt. Wie bereits dargelegt, nimmt sie mit ihren allgemeinen Ausführungen die gesamte Fallgruppe vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, die nicht freiwillig ausreisen, in den Blick, die den Hauptanteil der Fälle bilden dürfte, in denen Anlass zu einer sog. Passverfügung besteht. Würde man darin - ohne Aufzeigen (sonstiger) nachteiliger Umstände, insbesondere z. B. in Gestalt einer besonderen Dringlichkeit wegen ernstlicher Gefahren, die mit dem Abwarten des Hauptsacheverfahrens verbunden sein könnten - ein besonderes Vollzugsinteresse sehen, so widerspräche dies der gesetzgeberischen Grundentscheidung für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen.

Zu den von der Antragsgegnerin im Einzelnen angeführten Argumenten gilt Folgendes:

Soweit die Antragsgegnerin ausführt, der Sofortvollzug sei geboten, um der Gefahr zu begegnen, dass der Antragsteller trotz Vollziehbarkeit seiner Ausreiseverpflichtung während des Verlaufs des Hauptsacheverfahrens den Nachweis des Besitzes eines Passes oder des Bemühens um einen solchen nicht erbringe, ist allerdings genau diese Gefahr die Folge der im Grundsatz gesetzlich angeordneten aufschiebenden Wirkung. Die Antragsgegnerin macht zwar deutlich, dass sie nicht damit zufrieden ist, dass gesetzlich für solche Fälle keine sofortige Vollziehbarkeit vorgesehen ist. Diese Unzufriedenheit mit der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einstufung der Dringlichkeit des Vollzuges ist aber vor dem dargelegten verfassungsrechtlichen Hintergrund rechtlich nicht tragfähig.

Wenn es in der Begründung der Sofortvollzugs-Anordnung weiter heißt, der Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Pass sei straf- bzw. bußgeldbewehrt, so trifft dies zu (§ 95 Abs. 1 Nr. 1, § 98 Abs. 2 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz- AufenthG -). Aber daraus folgt nicht, dass - wie die Antragsgegnerin ausführt - der rechtswidrige Zustand der Passlosigkeit schon aus Gründen der Gefahrenabwehr sofort beendet werden muss. Da der Antragsteller im Besitz einer Duldung ist und sich durch Vorlage seiner ihm asylverfahrensrechtlich ausgestellten Aufenthaltsgestattung etwa bei polizeilichen Kontrollen legitimieren kann, was i. Ü. für viele Asylsuchende gilt wenn nicht der Regelfall ist, kann nicht davon gesprochen werden, dass es eine im überwiegenden Allgemeininteresse liegende unaufschiebbare Maßnahme ist, ihn mit einem Pass oder Passersatz auszustatten. Auch die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin selbst hat insoweit offenbar über längere Zeit keine besondere Eilbedürftigkeit gesehen. Sie hat den Antragsteller erst über zehn Monate nach der entsprechenden Bitte der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Köln (Schreiben vom 11. August 2010) und einer Erinnerung durch die ZAB Köln (Schreiben vom 4. Mai 2011) mit Schreiben vom 21. Juni 2011 erstmals aufgefordert, Dokumente zur Beschaffung eines Passes bzw. Passersatzpapiers vorzulegen. Sie hat ihn sodann mehrfach erinnert, die streitbefangene Ordnungsverfügung aber erst nach einem weiteren Jahr erlassen.

Es trifft auch zu, dass der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig ist, da er gegen den Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. August 2010 (als offensichtlich unbegründet) zwar Klage (VG Aachen 3 K 1386/10.A) erhoben, aber keinen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt hat, und dass ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung vorliegt, die der Antragsteller bislang dadurch selbst verhindert, dass er an der Beschaffung von Passersatzpapieren entgegen seiner rechtlichen Verpflichtung nicht mitwirkt. Aber auch dazu gilt, dass diese Konstellation in Fällen der Aufforderung zur Passbeschaffung nahezu typisch ist. Dennoch hat der der Gesetzgeber dem öffentlichen Vollzugsinteresse bezüglich dieser Fallgruppe nicht die Bedeutung beigemessen, die sich die Antragsgegnerin wünscht, sondern es beim Vorrang des Rechtsschutzinteresses der betroffenen Ausländer in Gestalt der aufschiebenden Wirkung belassen. Dies gilt auch für den Gesichtspunkt der finanziellen Belastung des Sozialhaushalts durch den Bezug von Sozialleistungen während des Hauptsacheverfahrens.

In Zweifel zu ziehen ist auch der Ansatz der Antragsgegnerin, die an den Antragsteller gerichtete Aufforderung stelle keinen nachhaltigen Eingriff in seine Rechte dar, denn es geht dabei nur vordergründig um die Ausstattung des Antragstellers mit einem Pass, vor allem aber um die Ermöglichung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Die Kammer teilt nicht die von der Antragstellerin zitierte Auffassung des Verwaltungsgerichts Ansbach,

Beschluss vom 28. Juli 2009 - AN 19 S 09.00656 -,

an die Anforderung der Begründung des Sofortvollzuges seien bei einer Passverfügung schon deshalb keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, weil die Verfügung lediglich eine bescheidmäßige Konkretisierung der dem Antragsteller obliegenden ausweisrechtlichen Pflichten darstelle. Diese Auffassung verkennt, dass im Rechtsstaat, in dem der Gesetzesvorbehalt bzw. Rechtssatzvorbehalt (abgesehen vom seltenen Fall des Eingreifens vorkonstitutionellen Gewohnheitsrechts) gilt, jeder Eingriff durch Verwaltungsakt einer Rechtsgrundlage bedarf. Jede derartige Verfügung stellt die Konkretisierung einer bestehenden rechtlichen Verpflichtung des Betroffenen dar, weshalb dieser Gesichtspunkt nicht dazu taugt, ein besonderes Vollzugsinteresse gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zu begründen oder auch nur die Anforderungen an die entsprechende Begründung zu beeinflussen.

Selbst wenn sich abzeichnete, dass sich die Ordnungsverfügung vom 12. Juli 2012 als offensichtlich rechtmäßig erwiese, führte dies nicht zu dem Ergebnis, dass das für die von der Behörde angeordnete sofortige Vollziehung vorausgesetzte besondere Vollzugsinteresse zu bejahen und der Antrag des Antragstellers erfolglos wäre. Es geht in der hier vorzunehmenden gerichtlichen Prüfungsstation darum, ob dem Antragsteller zu Recht seine verfahrensrechtliche Rechtsposition der aufschiebenden Wirkung genommen wurde oder nicht, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Sofortvollzugs-Anordnung regelmäßig einen selbstständigen Grundrechtseingriff ausmacht,

BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 1 BvR 2820/04, 1 BvR 2851/04 -, Beschluss vom 29. April 2004 - 1 BvR 2820/04, 1 BvR 2851/04 -; Funke-Kaiser, a. a. O, § 80 Rdnr. 88.

Es geht also darum, ob die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erforderliche Voraussetzung erfüllt ist. Auf diese Frage hat die Rechtmäßigkeit oder ihre Offensichtlichkeit keinen Einfluss. Denn der Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO tritt unabhängig davon ein, ob der Verwaltungsakt rechtmäßig ist oder nicht.

Mit anderen Worten: Der Einfluss der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens in der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden gerichtlichen Überprüfung stellt sich zwar so dar, dass an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Umgekehrt ist es aber so, dass bei Vorliegen eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts im Fall eines behördlich angeordneten Sofortvollzugs für das Gericht zusätzlich hinreichende Gründe für eine Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, also besondere Beschleunigungs- bzw. Dringlichkeitsinteressen, ersichtlich sein müssen. Zwingend erforderlich ist also immer, dass überhaupt ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug vorliegt,

BVerfG, Beschluss vom 12. September 1995 - 2 BvR 1179/95 -, DVBl 1995, 1297, InfAuslR 1995, 397, AuAS 1995, 245, NVwZ 1996, 58; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. Januar 1989 - 5 TH 4916/88 -, NVwZ-RR 1989, 329, Beschluss vom 29. März 1985 - 5 TH 1217/84 -, DVBl 1985, 1184, NVwZ 1985, 918, Gemeindehaushalt 1986, 158, Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. Februar 2007 - 2 M 368/06 -.

Ist dies - wie hier - nicht der Fall, ist dem Aufschubinteresse des Betroffenen der Vorzug zu geben.

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung vom 12. Juli 2012 kann also in diesem Verfahren offen bleiben. Ihr wird im Hauptsacheverfahren 8 K 1980/12 nachzugehen sein.

c. Soweit sich der Antragsteller gegen die Zwangsgeldandrohung wendet, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ebenfalls der zulässige Rechtsbehelf, da die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung keine aufschiebende Wirkung entfaltet (§§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 112 Landesjustizgesetz). Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt im Hinblick auf die Aussetzung des Sofortvollzuges das private Interesse des Antragstellers an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG. Das Antragsinteresse ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter dieses Verfahrens in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Auffangstreitwertes (5.000,- EUR) ausreichend und angemessen berücksichtigt. Die Zwangsgeldandrohung bleibt bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht. Die Kammer folgt insoweit der Empfehlung in Ziff. 1.6.2. des "Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" 2004)