LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.10.2010 - 3 Sa 110/10
Fundstelle
openJur 2010, 3273
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 Ca 1287 a/09
Arbeitsrecht Zivilrecht
§§ 125, 126, 133, 157, 242, 613a, 623 BGB; §§ 253, 256 ZPO
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 22.01.2010 – 3 Ca 1287 a/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 22.01.2010 – 3 Ca 1287 a/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht und der Kläger Beschäftigung verlangen kann.

Der Kläger ist 1968 geboren. Er war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin – nach vorangegangener Ausbildung – seit dem 01.09.1988 als Fernmeldehandwerker/Betriebstechniker T.../ Servicemonteur beschäftigt. Er verrichtete seine Arbeit stets in F.... Dieses eingegangene Arbeitsverhältnis richtet sich nach den für die Beklagte geltenden Tarifverträgen. Der Kläger war zuletzt in die Entgeltgruppe T 5 des Entgeltrahmentarifvertrages der D... T... AG eingruppiert und erhielt durchschnittlich 3.135,-- EUR brutto monatlich.

Der Kläger war bis zum 31.12.2004 als von Rationalisierungen betroffener Arbeitnehmer in den Vermittlungsund Qualifizierungsbetrieb „V...“ der Beklagten versetzt worden. Seither fand auch der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung (Blatt 43 – 65 d. A.).

Mit Wirkung ab 01.01.2005 vermittelte die Beklagte dem Kläger gemäß § 7 i. V. m. der Anlage 8 TV Ratio einen Dauerarbeitsplatz in ihrem Geschäftsmodell (Tochterunternehmen) V... T... S... GmbH & Co. KG (im Folgenden V...). In diesem Zusammenhang legte sie dem Kläger am 17.11.2004 einen dreiseitigen Vertrag zur Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zur V... vor (Anlage K 3 – Blatt 8 – 10 d. A.). Gemäß § 1 des Vertrages sollte Einigkeit darüber dokumentiert werden, dass das bisherige Arbeitsverhältnis zur V..., D... T... AG mit Ablauf des 31.12.2004 einvernehmlich beendet wird. Der Kläger lehnte die Unterzeichnung dieses Vertrages ab.

Stattdessen schloss er mit Wirkung zum 01.01.2005 mit der V... einen vorformulierten Arbeitsvertrag. Diesem fügte er folgenden handschriftlichen Zusatz hinzu:

„Ich schließe diesen Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt, dass es sich um ein zumutbares Angebot nach TV Ratio der D... handelt, meine tarifvertraglichen Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis mit der D... korrekt gewährt werden, die Regelungen aus dem Tarifvertrag Beschäftigungsbündnis bei der D... eingehalten werden, der Arbeitsvertrag rechtmäßig ist.“

(Anlage B 1 – Blatt 41 f d. A.).

Mit Datum vom 06.05.2005 versandte die Beklagte ein Einwurf-Einschreiben an den Kläger mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrter Herr ...
Gemäß den tarifvertraglichen Bestimmungen der Anlage 8 des TV Ratio sind Sie insoweit Ihrer Verpflichtung nachgekommen, ein Arbeitsverhältnis bei der V... T... S... GmbH & Co. KG (V...) aufzunehmen. Wir bedanken uns an dieser Stelle für Ihre bisherige Tätigkeit für die D... T... AG, die mit Annahme des Vertragsangebotes im Geschäftsmodell zum 01.01.2005 ihr Ende gefunden hat.

Für die Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute und viel Erfolg bei Ihrer neuen Tätigkeit.“

Der Kläger reagierte hierauf nicht. Der Zugang dieses Schreibens ist streitig.

Während der Kläger in der Folgezeit bei der V... arbeitete, gründete die Beklagte im Jahre 2007 drei neue Servicegesellschaften und überführte alle Monteurtätigkeiten dorthin.

Mit Wirkung zum 01.01.2008 wurde der Geschäftsbetrieb der V... veräußert. Das Arbeitsverhältnis ging durch Betriebsübergang auf die N... S... N... S... D... GmbH & Co. KG (im Folgenden: N...) über. Der Kläger arbeitete unverändert weiter. Aus Anlass regionaler Unterauslastung schlossen die Betriebsparteien der N... am 30.09.2009 einen Interessenausgleich und Sozialplan (Anlage B 3, Blatt 66 ff d. A.). Er weist aktuellen Personalanpassungsbedarf von rund 300 Arbeitnehmern aus, der jedoch nicht durch betriebsbedingte Kündigungen, sondern durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen und Abfindungszahlungen oder mittels Änderungskündigungen zur Herbeiführung örtlicher Einsatzveränderungen herbeigeführt werden soll.

Mit Schreiben vom 09.04.2009 bat der Kläger die Beklagte um Bestätigung, dass sein Arbeitsverhältnis zur T... mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der V.../N... wieder in Vollzug gesetzt werde. Nach Zurückweisung dieses Begehrens leitete der Kläger das vorliegende Verfahren ein, das auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses und auf tatsächliche Beschäftigung gerichtet ist.

Der Kläger hat stets vertreten, das am 01.09.1988 begründete Arbeitsverhältnis bestehe ruhend parallel zum aktiven Arbeitsverhältnis bei der V... bzw. N... fort. Nach seinem Beschäftigungsbegehren sei die Beklagte nunmehr, spätestens jedoch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur N... zur Beschäftigung des Klägers in F... mit Monteurtätigkeiten nach Entgeltgruppe T 5 des ERTV verpflichtet. Die Beklagte hat stets die Ansicht vertreten, die Feststellungsklage sei bereits unzulässig, das Arbeitsverhältnis sei beendet; jedenfalls übe der Kläger etwaige Rechte rechtsmissbräuchlich aus.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben, das Beschäftigungsbegehren hingegen zurückgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, das Arbeitsverhältnis zur Beklagten sei weder durch Abschluss des Arbeitsvertrages mit der V... noch durch andere Umstände beendet worden. Die Geltendmachung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Solange das Arbeitsverhältnis des Klägers zur N... bestehe, sei die Beklagte jedoch nicht verpflichtet, den Kläger zu beschäftigen. Insoweit sei zwischen der Beklagten und dem Kläger konkludent ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit Suspendierung der Beschäftigungsund Vergütungspflicht vereinbart worden, und zwar für die Dauer des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zur V... bzw. deren Rechtsnachfolgerin. Für den Kläger bestehe kein einseitiges Lösungsrecht von dieser Vereinbarung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 22.01.2010 verwiesen.

Gegen diese dem Kläger am 26.02.2010 und der Beklagten am 01.03.2010 zugestellte Entscheidung haben die Beklagte am 11.03.2010 und der Kläger am 23.03.2010 jeweils Berufung eingelegt. Diese ist von beiden Rechtsmittelführern nach jeweiliger Fristverlängerung fristgemäß begründet worden.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Feststellungsklage fehle bereits das erforderliche Feststellungsinteresse. Mit der Klage werde lediglich eine rechtsgutachterliche Klärung des Streitverhältnisses beabsichtigt. Im Übrigen habe das Arbeitsverhältnis mit Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und der V... sein Ende gefunden. Das gelte auch vor dem Hintergrund, dass ein den Erfordernissen des § 623 BGB genügender Auflösungsvertrag nicht zustande gekommen sei. Aus der Gesamtsystematik des TV Ratio folge eine „tarifkonstitutive“ Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und den rationalisierungsbetroffenen Arbeitnehmern durch Abschluss eines sich ausdrücklich auf die Regelungen des TV Ratio beziehenden Arbeitsvertrages. Die Beklagte habe auch in ihrem Schreiben vom 06.05.2005 zum Ausdruck gebracht, dass das Arbeitsverhältnis beendet worden sei. Wenn der Kläger seinerzeit von einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ausgegangen wäre, habe er auf dieses Schreiben reagieren müssen. Die Berufung auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses verstoße gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Kläger handele treuwidrig, indem er sogar dem Betriebsübergang auf die N... nicht widersprochen, vielmehr seit dem 01.01.2005 und damit viereinhalb Jahre widerspruchslos in anderen Arbeitsverhältnissen gearbeitet habe. Ungeachtet des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses sei jedenfalls ein Beschäftigungsanspruch - derzeit – nicht gegeben, da ein Ruhen der Hauptleistungspflichten für die Dauer der anderweitigen Beschäftigung bei der V.../N... konkludent vereinbart worden sei. Hiervon könne sich der Kläger nicht durch einseitige schlichte Erklärung, noch dazu ohne Einhaltung jeglicher Kündigungsfrist zu ihren Lasten lösen.

Die Beklagte beantragt,

1. auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 22.01.2010 mit dem Aktenzeichen 3 Ca 1287 a/09 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen;
2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt im Hinblick auf die Berufung der Beklagten,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

In Bezug auf seine eigene Berufung beantragt der Kläger,

auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 22.01.2010 – 3 Ca 1287 a/09 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages vom 01.09.1988 in der zuletzt geänderten Fassung gemäß Schreiben der Beklagten vom 10.07.2001 mit Tätigkeiten gemäß Entgeltgruppe T 5 des Entgeltrahmentarifvertrages der D... T... AG (ERTV), die die Ausbildung zum Fernmeldehandwerker/Betriebstechniker T.../Servicemonteur erfordern, am Arbeitsort F... zu beschäftigen.
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages vom 01.09.1988 in der zuletzt geänderten Fassung gemäß Schreiben der Beklagten vom 10.07.2001 mit Tätigkeiten gemäß Entgeltgruppe T 5 des Entgeltrahmentarifvertrages der D... T... AG (ERTV), die die Ausbildung zum Fernmeldehandwerker/Betriebstechniker T.../Servicemonteur erfordern, mit Wirkung ab Beendigung des ab 01.01.2005 bestehenden Arbeitsverhältnisses des Klägers mit N... S... N... S... D... GmbH & Co. am Arbeitsort F... zu beschäftigen.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil insoweit für zutreffend, als darin die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten getroffen wurde. Das Vorliegen von Beendigungsgründen außerhalb des Schriftformerfordernisses des § 623 BGB sieht er ebenso wenig, wie ein treuwidriges Verhalten seinerseits in Bezug auf die Geltendmachung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses. Im Hinblick auf sein Beschäftigungsbegehren vertritt er hingegen die Auffassung, er könne unabhängig vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen jederzeit von der Beklagten die vertragsgemäße Beschäftigung verlangen. An das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen sei ein solches Verlangen nicht geknüpft. Insbesondere existiere auch keine konkludente Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zeitlich geknüpft an den Bestand des Arbeitsverhältnisses bei der V... oder gar bei der N.... Eine solche Ruhensvereinbarung verstoße auch gegen das in den §§ 305 ff BGB normierte Überraschungsverbot.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, jedoch unbegründet.

A) Berufung der Beklagten

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft sowie formund fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

II. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet.

Mit ausführlicher und überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Lediglich ergänzend und auch auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt:

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig. a) Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor.

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aa) Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Eine Feststellungsklage setzt nach § 276 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse des Klägers voraus, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein. Das Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird (BAG vom 21.04.2010 – 4 AZR 755/08 – zitiert nach Juris, Rz. 19 – 21 m. w. N.). Die abstrakte Beantwortung der Frage darf allerdings nicht auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinauslaufen (BAG vom 01.07.2009 – 4 ABR 8/08 – zitiert nach Juris, Rz. 12 m. w. N.).

bb) Die Parteien streiten um das Fortbestehen des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis habe mit Ablauf des 31.12.2004 geendet, weil der Kläger ab dem 01.01.2005 für die V... bzw. deren Rechtsnachfolgerin seine Arbeitsleistung erbringt. Der Kläger hingegen meint, das Arbeitsverhältnis bestehe ruhend fort. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses ist daher zwischen den Parteien streitig. Von der Klärung dieser Frage hängt u. a. ab, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Kläger von der Beklagten Reaktivierung der Hauptleistungspflichten und damit Beschäftigung verlangen kann. Eine richterliche Entscheidung schafft in dieser Hinsicht grundlegenden Rechtsfrieden.

cc) Das notwendige Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass bei der V... bzw. deren Rechtsnachfolgerin, der N..., aus Anlass regionaler Unterauslastung unstreitig ein aktueller Personalanpassungsbedarf besteht. Es sind rund 300 Arbeitnehmer betroffen. Am 30.09.2009 ist aus diesem Grunde ein Interessenausgleich und Sozialplan geschlossen worden.

Während andere vergleichbare Kollegen bereits seit Monaten Kurzarbeit leisten müssen, läuft die vom Kläger für die Auftraggeberin K... D... verrichtete Tätigkeit Mitte Oktober 2010 aus. Nach Restarbeiten steht für ihn Kurzarbeit ab 2011 im Raum. Damit existiert ein konkreter Anlass zur alsbaldigen Klärung der Frage, ob das am 01.09.1988 begründete Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbesteht. Der Kläger hat insoweit nicht nur ein theoretisches, sondern ein akutes und an der Sicherung seiner beruflichen Situation orientiertes Interesse an der Klärung dieses Rechtsverhältnisses.

b) Der Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO. Der Inhalt des fortzusetzenden Arbeitsvertrages ist dem Klageantrag hinreichend zu entnehmen. Der Vertrag soll hinsichtlich der Arbeitsvergütung und der zurückgelegten Beschäftigungszeit unter Wahrung der vom Kläger im Arbeitsverhältnis erworbenen Besitzstände fortgesetzt werden.

2. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das am 01.09.1988 begründete Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagen fortbesteht, obwohl er zum 01.01.2005 ein Arbeitsverhältnis mit der V... geschlossen hat und dieses am 01.01.2008 auf die N... übergegangen ist. Ein Arbeitgeberwechsel ist hierdurch nicht erfolgt. Die Berufung auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.

a) Ein Arbeitgeberwechsel kraft Gesetzes gemäß § 613 a BGB scheidet aus.

aa) Das zwischen dem Kläger und der Beklagten begründete Arbeitsverhältnis ist nicht aufgrund eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auf die V... kraft Gesetzes übergegangen. Es liegt insoweit kein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB von der Beklagten auf die V... vor.

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bb) Die Tatsache, dass das mit der V... eingegangene Arbeitsverhältnis des Klägers durch Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB mit Wirkung ab 01.01.2008 auf die N... übergegangen ist, berührt das – ruhende – Arbeitsverhältnis zur Beklagten nicht. Der neue Betriebsinhaber ist lediglich in die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses eingetreten, welches zu seinem Vertragspartner, dem Betriebsveräußerer bestanden hat. Das war die V....

b) Auch ein auf einzelvertraglicher Vereinbarung beruhender Arbeitgeberwechsel ist nicht erfolgt. Der Abschluss des Arbeitsvertrages mit der V... hat das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht beendet.

aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger angesichts seiner im Vertragsangebot der V... hinzugefügten Vorbehaltserklärungen deren schriftliches Angebot zum Vertragsschluss angenommen hat oder ob er durch dieses Verhalten gemäß § 150 Abs. 2 BGB der V... ein neues, von dieser nicht schriftlich angenommenes Angebot unterbreitet hat. Durch Arbeitsaufnahme ab 01.01.2005 und anschließender langjähriger Tätigkeit des Klägers für die V... ist jedenfalls konkludent zwischen beiden ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

bb) Der Kläger hat jedoch hierdurch nicht sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten durch Vereinbarung aufgelöst.

(1) Verabreden ein Arbeitnehmer, sein bisheriger Arbeitgeber sowie ein potenzieller neuer Arbeitgeber im Zuge eines einheitlichen Rechtsgeschäftes, dass der Arbeitnehmer ab einem bestimmten Tage nur noch mit dem neuen Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis stehen und für diesen ausschließlich tätig werden solle, so beinhaltet dieses Dreiecksgeschäft im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag im Sinne von § 623 BGB (Arbeitsgericht Berlin vom 04.09.2002 – 30 Ca 8920/02 – zitiert nach Juris; LAG Köln vom 19.06.2006 – 14 Sa 250/06 – zitiert nach Juris, Rz. 37). Wird ein solches Dreiecksgeschäft ausschließlich mündlich abgeschlossen, ist der darin enthaltene Aufhebungsvertrag nicht formwahrend.

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Gemäß § 623 BGB bedarf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsvertrag zur ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Bei einem Vertrag über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses muss deshalb nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Fehlt es an dieser durch Gesetz vorgeschriebenen Form, ist ein Aufhebungsvertrag nach § 125 Satz 1 BGB nichtig (BAG vom 17.12.2009 – 6 AZR 242/09 -, zitiert nach Juris, Rz. 24 m. w. N.).

(2) Ein solcher schriftlicher Auflösungsvertrag liegt hier nicht vor. Der Kläger hat die Unterzeichnung des dreigliedrigen Vertrages zur Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zur V... ausdrücklich verweigert. Angesichts dieses eindeutigen ablehnenden Verhaltens des Klägers kann seine Unterschriftsleistung auf dem Arbeitsvertragsformular der V... nicht als einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten ausgelegt werden. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Vorliegen eines Auflösungsvertrages bei Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages (vgl. BAG vom 19.07.2007 – 6 AZR 774/06 -) ist hier schon deshalb nicht anwendbar, weil der Kläger seinen Willen, das zuvor mit der T... begründete Arbeitsverhältnis nicht beenden zu wollen, deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

c) Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten, auf das zweifelsfrei der TV Ratio Anwendung findet, ist auch nicht „tarifkonstitutiv“ beendet worden.

Der TV Ratio, nach dessen Bestimmungen die Vermittlung des Klägers zur V... erfolgt ist, setzt die Beendigung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses nicht zwingend voraus.

aa) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob in Anwendung des § 1 TVG Tarifnormen das Arbeitsverhältnis unter die auflösende Bedingung stellen können, dass bei Eingehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem neuen Arbeitgeber unter Vermittlung durch den bisherigen Arbeitgeber das bisherige Arbeitsverhältnis als aufgelöst gilt. Der Klägerseite ist durchaus dahingehend zu folgen, dass eine derartige tarifliche Beendigungsnorm einen massiven Eingriff in die Vertragsautonomie und die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes darstellen würde. Ferner würde auch formell

insoweit das gesetzlich normierte Schriftformerfordernis des § 623 BGB und dessen Warn-, Klarstellungsund Beweisfunktion (vgl. hierzu BAG vom 17.12.2009 - 6 AZR 242/09 – zitiert nach Juris, Rz.25 m. w. N.) nicht zum Zuge kommen. Einer weitergehenden Auseinandersetzung bedarf es insoweit jedoch vorliegend nicht, denn der TV Ratio enthält keine derartige konstitutive Beendigungsregel.

bb) In Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln ist auszugehen vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat.

cc) Der TV Ratio regelt nicht, dass ein Arbeitsverhältnis mit erfolgreicher Vermittlung in ein Geschäftsmodell oder sonstiger externer Vermittlung durch Arbeitsantritt beim neuen Arbeitgeber automatisch endet. § 7, insbesondere § 7 Abs. 3 TV Ratio i. V. m. seiner Anlage 8 enthält zwar detaillierte Regelungen, wie bei interner und externer Vermittlung des betroffenen Arbeitgebers in Geschäftsmodelle vorzugehen ist. Es ist u.a. festgelegt, auf welchen Formblättern und mit welchen Inhalten ein Angebot eines Dauerarbeitsplatzes zu unterbreiten ist (Protokollnotizen zu § 7 Absätze 1 – 3) und was wann im Falle der Ablehnung zumutbarer Angebote geschieht (§ 7 Ziffer 8 TV Ratio). Eine automatische, nicht schriftlich wechselseitig dokumentierte Auflösung findet sich dort nicht. Zwar ist neben dem Verlust der Ansprüche aus dem Tarifvertrag von der Möglichkeit einer Kündigung die Rede (§ 7 Ziffer 8 Satz TV Ratio). Auch enthält z.B. § 10 detaillierte Regelungen bei bestimmten Fallkonstellationen zum Zustandekommen einvernehmlicher Auflösungsverträge. Diese müssen aber nach dem Tarifwortlaut schriftlich erfolgen, unterliegen sogar einer Widerrufsfrist von sieben Kalendertagen. Gerade hieraus wird aber deutlich, dass die Tarifvertragsparteien § 623 BGB Rechnung tragen wollten und Rechnung getragen haben und selbst von der Notwendigkeit des Abschlusses von schriftlichen Auflösungsverträgen ausgegangen sind.

Aus § 11 TV Ratio ergibt sich nichts anderes. Er schreibt fest, unter welchen Voraussetzungen eine betriebsbedingte Beendigungskündigung bei Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzangebotes ausgesprochen werden kann und wann diese nicht vom generellen Ausschluss des Ausspruchs von betriebsbedingten Beendigungskündigungen ausgenommen ist. Auch hier haben die Tarifvertragsparteien das Erfordernis klarer beendender Willenserklärungen festgeschrieben, keinen Beendigungsautomatismus eingebaut. Angesichts dessen kann unter Beachtung der allgemeinen Auslegungsregeln nicht in den TV Ratio hineininterpretiert werden, dass die Tarifvertragsparteien ohne ausdrückliche Normierung, vielmehr konkludent eine tarifkonstitutive Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Form einer Auflösungsnorm bei Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem neuen Arbeitgeber geregelt haben und regeln wollten.

d) Andere Beendigungsereignisse sind nicht ersichtlich.

Das Einwurf-Einschreiben der Beklagten vom 06.05.2005 war nicht geeignet, eine Beendigung des bereits ruhenden Arbeitsverhältnisses der Parteien herbeizuführen. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass dem Kläger das Schreiben zugegangen ist, kann diesem keine beendigungsrelevante Erklärungswirkung entnommen werden. Eine Kündigungserklärung enthält das Schreiben vom 06.05.2005 zweifelsfrei nicht. Es artikuliert lediglich Dank für die bisherige Tätigkeit, einhergehend mit der Feststellung, dass diese zum 01.01.2005 ihr Ende gefunden hat. Letzteres ist zutreffend. Ab 01.01.2005 war der Kläger für die Beklagte nicht mehr tätig.

Andere rechtliche Möglichkeiten, ein Vertragsverhältnis einseitig zu beenden, existieren nicht. Das Schreiben enthält bereits keinerlei Beendigungserklärung der Beklagten. Dass der Kläger hierauf, wenn es ihm denn zugegangen sein sollte, nicht reagiert hat, ist unbeachtlich. Bloßes Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung (Palandt-Ellenberger, BGB, 68. Aufl., Einführung vor § 116, Rz. 11; § 147, Rz. 3 m. w. N.).

e) Die Berufung des Klägers auf die Nichteinhaltung der Schriftform sowie das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ist letztendlich im vorliegenden Fall auch nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB. Der Kläger hat etwaige Rechte nicht verwirkt.

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aa) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG vom 20.05.2010 – 8 AZR 739/08 – zitiert nach Juris, Rz. 24).

bb) Zugunsten der Beklagten kann vorliegend durchaus davon ausgegangen werden, dass angesichts des Verstreichenlassens von mehr als 4 Jahren das Zeitmoment erfüllt ist. Es fehlt jedoch am Umstandsmoment, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. Die Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses nicht mehr geltend machen werde. Der Kläger hatte, anders als eine Vielzahl von Arbeitskollegen, ausdrücklich die Unterzeichnung eines Auflösungsvertrages abgelehnt, indem er sich geweigert hat, den dreiseitigen Vertrag zu unterzeichnen. Er hat damit deutlich gemacht, sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten nicht aufgeben zu wollen. Die Beklagte ging zudem offensichtlich selbst davon aus, dass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ihr ein schriftlicher dreiseitiger Vertrag geschlossen werden muss, der u.a. die Beendigung des sie betreffenden Arbeitsvertrages eindeutig regelt. Das Verhalten des Klägers konnte die Beklagte nur so verstehen, dass er angesichts seiner Weigerung, den Auflösungsvertrag zu unterzeichnen, aus diesem zu gegebener Zeit noch Rechte herleiten wollte. Die Beklagte wird zudem seit 2006 von gleichgelagerten Rechtsstreitigkeiten, die von unterschiedlichen Servicemonteuren zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeleitet wurden, und die um die Feststellung des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses streiten, überzogen. Die jeweiligen Kläger haben aus jeweils unterschiedlichen Anlässen und unterschiedlicher Betroffenheit zu unterschiedlichen Zeitpunkten gleichgelagerte Feststellungsklagen erhoben. Bei der Beklagten konnte angesichts dessen zu keinem Zeitpunkt der schutzwürdige Eindruck entstehen, dieser Kläger werde sie trotz seiner Weigerung, den Auflösungsvertrag zu unterzeichnen, nicht mehr in Anspruch nehmen.

Auch in Bezug auf die widerspruchslose Hinnahme des Betriebsübergangs auf die N... ergibt sich nichts anderes. Es existiert keine rechtliche Verpflichtung, im Rahmen eines ruhenden Arbeitsverhältnisses Zwischenmeldungen bezüglich des Sachstandes abgeben und sich konkret in Erinnerung bringen zu müssen. Es sind hier keine Verhaltensweisen sowohl des Klägers als auch der Beklagten ersichtlich, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Im Gegenteil: Der Kläger hätte sich im Falle früherer Geltendmachung seines Feststellungsbegehrens der Gefahr ausgesetzt, das Verfahren wegen Fehlens eines Feststellungsinteresses zu verlieren.

3. Aus den genannten Gründen ist der Berufung der Beklagten der Erfolg versagt. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Klägers auf Feststellung, dass das am 01.09.1988 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht, zutreffend stattgegeben.

B) Berufung des Klägers

I. Auch die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger jedenfalls derzeit keinen Beschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten hat.

1. Der Hauptantrag ist unbegründet. Jedenfalls solange der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur N... bzw. deren Rechtsvorgängerin oder Rechtsnachfolgerin steht und

dieses nicht aus betriebsbedingten Gründen beendet/gekündigt worden ist, ist die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger zu beschäftigen.

a) Zwar hat der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich einen aus dem Persönlichkeitsrecht abzuleitenden Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung (BAG GS vom 27.05.1985 – GS 1/84 -). Dieser allgemeine Beschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten kommt jedoch vorliegend – derzeit - nicht zum Tragen, weil der Kläger bereits in dem parallel laufenden, aktiven Beschäftigungsverhältnis zur N... beschäftigt wird und seine Arbeitsleistung als Fernmeldehandwerker/Betriebstechniker/Servicemonteur in Vollzeit bei der V... bzw. N... erbringt. Insoweit tritt der an sich jedem Arbeitsverhältnis innewohnende Beschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten unter Berücksichtigung des erzielten Einvernehmens mit der Beklagten bezüglich der Arbeitsaufnahme des Klägers bei der V.../N... für die Dauer des Bestehens des dortigen Vertragsverhältnisses zurück. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Der Kläger kann sich nicht einseitig ohne Hinzutreten weiterer Umstände lösen.

b) Die Parteien haben mit der Vermittlung des Klägers in das Geschäftsmodell V... und dessen einvernehmliche Arbeitsaufnahme ab 01.01.2005 bei der V... das eigene Arbeitsverhältnis ruhend gestellt.

aa) Ein ruhendes Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag suspendiert werden. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses kann kraft Gesetzes, aber auch durch Vereinbarung herbeigeführt werden. Die Vereinbarung kann ausdrücklich oder konkludent abgeschlossen werden. Von einem konkludenten Abschluss kann ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer der Arbeit fernbleibt und der Arbeitgeber die Entgeltzahlungen einstellt (Schaub, 10. Auflage, § 32, Rz. 90).

bb) Diese Fallkonstellation ist hier gegeben. Wie bereits dargelegt, ist zwischen den Vertragsparteien kein Einvernehmen erzielt worden, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet wird. Der Kläger hat den Abschluss einer Beendigungsvereinbarung ausdrücklich verweigert. Gleichwohl hat er seine Arbeitsleistung gegenüber der

Beklagten seit dem 01.01.2005 nicht erbracht. Die Beklagte hat dieses zur Kenntnis genommen, keine arbeitsrechtlichen Schritte eingeleitet, dem Kläger keinen Arbeitsplatz zugewiesen und auch nicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung bei der Beklagten aufgefordert. Damit haben beide Arbeitsvertragsparteien die wechselseitigen Hauptleistungspflichten ihres noch bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht erbracht und auch nicht abgerufen. Hiervon ist der Kläger/-vertreter im Übrigen selbst in seinen außergerichtlichen Schreiben vom 09.04.2009 (Anlage K 5, Bl. 15 f d. A.) und vom 19.11.2009 (Anlage K 7, Bl. 95 f d. A.) ausgegangen.

cc) Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses ist für die Dauer des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der V... bzw. deren Rechtsnachfolger begründet worden und kann nicht durch einseitige, an keinerlei Voraussetzungen geknüpfte Erklärung des Klägers beendet werden. Die Ruhensvereinbarung war und ist gekoppelt an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Geschäftsmodell V... bzw. etwaiger Rechtsnachfolger bis zu dessen betriebsbedingt veranlasster Beendigung/ Kündigung. Sachgrund des Ruhens ist vorliegend die Existenz eines Arbeitsverhältnisses mit einem Dritten, nämlich der V... bzw. deren Rechtsnachfolger. Das ergibt die Auslegung der im Zusammenhang mit der Vermittlung des Klägers in das Geschäftsmodell V... bei fortbestehendem ruhendem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beiderseits konkludent abgegebenen Willenserklärungen.

(1) Willenserklärungen sind gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille der Erklärenden unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu bewerten. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, soweit sie einen Schluss auf deren Sinngehalt zulassen. Anhaltspunkte für das wirklich Gewollte können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte, dem Zweck des Vertrages und der bei Vertragsschluss vorliegenden Interessenlage sowie die weiteren Äußerungen der Parteien im Zusammenhang mit der Erklärung ergeben (BAG vom 31.07.2002 – 10 AZR 513/01 -; BAG vom 12.10. 2005 – 10 AZR 501/04 -; vgl. auch BAG vom 20.09.2006 - 10 AZR 715/05 – jeweils zitiert nach Juris).

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(2) Ausgehend von diesen Auslegungsregeln ist die Ansicht des Klägers unzutreffend, mit der Beklagten sei eine an keinerlei Sachgründe knüpfende, daher von ihm jederzeit beliebig einseitig beendbare Ruhensvereinbarung getroffen worden. Die Vermittlung des Klägers in das Geschäftsmodell V... war Auslöser der Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses. Ihre Umsetzung war angesichts des nicht unterzeichneten Auflösungsvertrages untrennbar verbunden mit der Suspendierung der Beschäftigungs- und Vergütungspflicht der Beklagten. Diese Ursache der Herbeiführung eines ruhenden Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ist gleichzeitig der Sachgrund, der die Dauer des Zeitraumes bestimmt, für den die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen. Der Kläger kann die Begleitumstände, die zu seiner Arbeitsaufnahme bei der V... durch Vermittlung der Beklagten ohne Kündigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, nicht ausblenden. Die Parteien haben unter dem Gesichtspunkt eines objektiven Erklärungsempfängers vereinbart, dass ihre beiderseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert sind, solange der Kläger nach betriebsbedingt veranlasster Vermittlung durch die Beklagte seine ursprünglich der Beklagten geschuldete vertragliche Arbeitsleistung einem Dritten gegenüber unter Anrechnung der Betriebszugehörigkeit und Wahrung des Besitzstandes erbringt bzw. durch diesen Arbeitgeber insoweit betriebsbedingt abgesichert ist. Das war sowohl der Zweck des dreiseitigen Vertrages, den der Kläger nicht unterzeichnet hat, als auch der Zweck der anschließend gleichwohl ohne Ausspruch einer Kündigung ermöglichten Arbeitsaufnahme des Klägers bei der V.... Zu keinem Zeitpunkt stand eine einseitige, an keinerlei Sachgründe und An-/Kündigungsfristen geknüpfte Rückkehrmöglichkeit des Klägers im Raum. Ebenso wenig bestand eine einseitige, an keinerlei Sachgründe und An-/Kündigungsfristen geknüpfte Rückrufmöglichkeit der Beklagten.

(3) Dieses Ergebnis folgt auch aus der Systematik aller Vermittlungs- und Rückkehrregelungen, die der auch auf das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend geltende TV Ratio enthält. Dieser Tarifvertrag sieht auch die Vermittlung auf Dauerarbeitsplätze innerhalb oder außerhalb des Konzerns mittels befristeter Arbeitsverträge vor (§ 18 TV Ratio). Selbst bei derartigen befristeten Arbeitsverträgen setzt eine Wiederaufnahme zu den vorherigen Bedingungen gemäß § 18 Ziffer 1 Abs. 2 TV Ratio die arbeitgeberseitige Beendigung des neuen Arbeitsverhältnisses voraus. Der TV Ratio koppelt im Übrigen auch alle anderen

noch bestehenden Rückkehrmöglichkeiten daran, dass vermittelte Arbeitsverhältnisse zustande kommen und jedenfalls nach hier lange verstrichenen Zeiträumen aus betriebsbedingten Gründen nicht fortgesetzt werden können. So bestehen beispielsweise selbst für extern, d.h. nicht in Geschäftsmodelle vermittelte Arbeitnehmer Rückkehrrechte stets allenfalls dann, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei dem externen Arbeitgeber z.B. nach zumutbaren Fort- und Umschulungsmöglichkeiten entfallen ist und eine betriebsbedingte Kündigung existiert oder arbeitgeberseitige unzumutbare einschneidende Rationalisierungsmaßnahmen ergriffen wurden (vgl. § 8 Abs. 3 Ziffer 3 - 5 der Anlage 4 TV Ratio). Jegliches Rückkehrrecht ist zudem für diese Arbeitnehmer gemäß § 8 Anlage 4 TV Ratio ausgeschlossen, wenn deren - vermitteltes - Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegendem wichtigem Grund wirksam beendet wird. Ungeachtet dessen sind Ankündigungs- und Kündigungsfristen einzuhalten. Eine Eigenkündigung ist nicht vorgesehen. Der in ein Geschäftsmodell vermittelte und damit besser gestellte Kläger fällt noch nicht einmal unter diese Anlage 4 TV Ratio, kann mithin unter Berücksichtigung der Tarifsystematik nicht für sich eine erneute Besserstellung in Form eines bedingungslosen Rückkehrrechtes verlangen. Im Gegenteil - für ihn als ein in ein Geschäftsmodell vermittelter Arbeitnehmer ist allenfalls eine längstens bis zum 31.12.2008 begrenzte Rückkehrmöglichkeit infolge Insolvenz geregelt in Form eines Anspruches auf Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses (Protokollnotiz zu § 3 Abs. 1 Anlage 8 TV Ratio).

Der Kläger kann daher nicht abweichend vom Sinn und Zweck des Tarifvertrages dahingehend bessergestellt werden, dass ihm losgelöst von der Möglichkeit des Fortbestehens des vermittelten neuen Arbeitsverhältnisses ein an keinerlei Voraussetzungen gebundenes, einseitig von ihm auslösbares „Rückkehrrecht“ eingeräumt wird. Ein solches einseitiges Gestaltungsrecht des Arbeitnehmers kennt im Übrigen nur § 12 KSchG.

dd) Diese Auslegung verstößt auch nicht gegen §§ 305 ff BGB. Diese Vorschriften sind hier nicht einschlägig. Es liegt kein schriftlicher Vertrag über das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor, so dass auch zwangsläufig keine von der Beklagten einseitig gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen existieren.

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ee) Vorliegend bedarf es daher, wie zutreffend vom Arbeitsgericht festgestellt, zur Beendigung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses einer Aufhebungsvereinbarung oder aber einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der N.... Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der N... setzt angesichts der aufgezeigten Tarifsystematik in jedem Fall betriebsbedingte Gründe und ein Handeln des Arbeitgebers voraus. Da diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind, ist die Beklagte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verpflichtet, den Kläger zu beschäftigen. Der Hauptantrag ist daher unbegründet.

2. Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Er stellt einen unzulässigen Globalantrag dar.

a) Der Antrag ist zwar hinreichend bestimmt, die begehrten Feststellungen können jedoch nicht für alle von diesem Antrag umfassten Fallgestaltungen getroffen werden. Mit dem Hilfsantrag begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte uneingeschränkt verpflichtet ist, ihn wieder als Fernmeldehandwerker/Betriebstechniker T.../Servicemonteur am Arbeitsort F... zu beschäftigen, sobald das ab dem 01.01.2005 zur N... bestehende Arbeitsverhältnis beendet ist. Einen derart weitgehenden Beschäftigungsanspruch hat der Kläger nicht.

b) Die Beklagte ist auch dann nicht zur Beschäftigung des Klägers verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis zur N... beispielsweise durch einen weiteren Betriebsübergang sein Ende findet. Auch bei einer derartigen Fallkonstellation steht der Kläger ggf. nach wie vor in einem aktiven Arbeitsverhältnis, das – wenn auch über mehrere Betriebsnachfolgen – ursprünglich aufgrund der Vermittlung der Beklagten zustande gekommen ist. Auch ein derartiges Beschäftigungsverhältnis berührt die Ruhensvereinbarung nicht und lässt das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht ohne Weiteres wieder aufleben.

c) Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, den Kläger wieder zu beschäftigen, wenn das ab 01.01.2005 bestehende Arbeitsverhältnis zur N... aus verhaltensbedingten Gründen beendet worden ist. Hat der Kläger bei der N... ein Verhalten an den Tag

gelegt, das auch eine verhaltensbedingte Kündigung bei der Beklagten ausgelöst hätte, wenn es in diesem Arbeitsverhältnis erfolgt wäre, kann sich der Kläger nicht mit einem Beschäftigungsbegehren an die Beklagte wenden. Diese Vorgehensweise verstieße gegen § 242 BGB.

d) Ebenso dürfte die Beklagte unter Umständen nicht zur Beschäftigung des Klägers verpflichtet sein, wenn dieser selbst an seiner Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mitwirkt, z. B. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung. Das gilt erst Recht, wenn diese noch dazu die bei der Beklagten erworbene Betriebszugehörigkeit mit erfasst und ausgleicht. Auch dann verstieße jedenfalls ohne Vorliegen besonderer Fallkonstellationen die Geltendmachung eines Beschäftigungsbegehrens gegenüber der Beklagten gegen § 242 BGB.

Angesichts dieser Sachverhaltskonstellationen ergibt sich, dass es sich bei dem Hilfsantrag um einen unbegründeten Globalantrag handelt.

C) Die Berufungen beider Parteien sind daher unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht dem Feststellungsbegehren stattgegeben und das Beschäftigungsbegehren zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen angesichts der Einzelfallkonstellation nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war.