LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.10.2010 - 2 Sa 136/10
Fundstelle
openJur 2010, 3271
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 Ca 1212/08
Zivilrecht Arbeitsrecht
§§ 125, 126, 242, 613a, 623 BGB; §§ 253, 256 ZPO

Schließen die Parteien bei einem auf Vermittlung der alten Arbeitgeberin zustande gekommenen Arbeitsvertrag mit einem neuen Arbeitgeber ausdrücklich keinen schriftlichen Aufhebungsvertrag, besteht der alte Arbeitsvertrag in der Regel ruhend fort.

Ein Arbeitnehmer handelt – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – regelmäßig nicht treuwidrig, wenn er sich auch nach einem längeren Zeitraum auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses beruft.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.01.2010 – 1 Ca 1212/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht.

Der Kläger war seit 1975 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Fernmeldehandwerker tätig. Er verrichtete seine Arbeit in Flensburg. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für die Beklagte geltenden Tarifverträge Anwendung. Hierzu gehört auch der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) mit seinen Anlagen.

Der Kläger ist seit 01.01.2005 bei der N. S. N. S. D. GmbH & Co. KG, ehemals VTS GmbH & Co. KG (VTS) tätig.

Im Jahr 2005 schloss der Kläger mit der VTS einen Arbeitsvertrag und hat auf diesem handschriftlich auf der letzten Seite folgendes hinzugefügt:

„Ich schließe diesen Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt, dass
- es sich um ein zumutbares Angebot nach TV-Ratio der DTAG handelt,
- meine tarifvertraglichen Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis mit der DTAG korrekt gewährt werden.
- Die Regelungen aus dem Tarifvertrag Beschäftigungsbündnis bei der DTAG eingehalten werden;
- der Arbeitsvertrag rechtsmäßig ist.“

Mit Wirkung zum 01.01.2008 ist das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf die N. S. N. S. D. GmbH & Co. KG übergegangen. Zwischen dieser und dem dortigen Betriebsrat ist wegen einer regionalen Unterauslastung eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden.

Die Beklagte hatte dem Kläger zum 01.01.2005 ein Vertragsangebot für einen dreiseitigen Vertrag zwischen ihm, der VTS und der DT AG, V. angeboten. Dort war im § 10 folgende Regelung vorgesehen:

„Der bisherige Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zur DT AG mit Ablauf des ... einvernehmlich beendet wird. Die Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses erfolgt in Anwendung der Reglungen der Anlage 8 des TV Ratio in der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages gültigen Fassung.“

Der Kläger war mit dem Abschluss dieses Vertrages nicht einverstanden und hat diesen nicht unterzeichnet. Es wurde dann in der Folge das Arbeitsverhältnis mit der VTS begründet.

Mit Schreiben vom 06.05.2005 hat die Beklagte dem Kläger folgendes mitgeteilt:

„Sehr geehrter Herr P.,
gemäß den tarifvertraglichen Bestimmungen der Anlage 8 des TV Ratio sind Sie insoweit Ihrer Verpflichtung nachgekommen, ein Arbeitsverhältnis bei der VTS GmbH & Co. KG GmbH & Co. KG (VTS) aufzunehmen. Wir bedanken uns an dieser Stelle für Ihre bisherige Tätigkeit für die DT AG, die mit Annahme des Vertragsangebotes im Geschäftsmodell zum 01.01.2005 ihr Ende gefunden hat. Für die Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute und viel Erfolg bei Ihrer neuen Tätigkeit.“

Mit seiner am 18.09.2008 erhobenen Klage erstrebt der Kläger Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbesteht. Er hat vorgetragen, für die Klage bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses folge bereits aus der Tatsache, dass die Beklagte das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bestreitet. Das Arbeitsverhältnis bei der N. S. N. S. D. GmbH & Co. KG sei wegen der geschilderten Unterauslastung gefährdet. Sein Anspruch sei nicht verwirkt, da das neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Er habe weder durch Wort noch Tat verlautbaren oder erkennen lassen, dass er an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht mehr festhalten wolle. Die Tarifvertragsparteien könnten weder bestehende Arbeitsverhältnisse aufheben noch suspendieren, abgesehen davon, dass eine entsprechende tarifliche Regelungen nicht bestehe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klage sei unzulässig. Ein Feststellungsinteresse bestehe nicht. Der Kläger verlange lediglich eine rechtsgutachtliche Klärung des Streitverhältnisses. Eine irgendwie geartete Beschäftigung bei der Beklagten sei derzeit nicht Gegenstand. Zudem seien bei ihr keine Arbeitsplätze für Monteure vorhanden. Alle entsprechenden Aufgaben seien bereits im Jahr 2007 durch verschiedene Betriebsübergänge in drei eigenständige neu gegründete Servicegesellschaften überführt worden.

Das Arbeitsverhältnis mit ihr, der Beklagten, sei nach Sinn und Zweck des TV Ratio beendet. Zur sozialverträglichen Gestaltung der Rationalisierungsmaßnahmen hätten sich die Tarifvertragsparteien im TV Ratio dahingehend geeinigt, dass nicht betriebsbedingt gekündigt wird, sondern die Beschäftigungsverhältnisse im neuen Betrieb V. der Beklagten fortgesetzt werden. Der Geschäftsauftrag des Betriebes V. habe darin bestanden, Arbeitnehmern schnellstmöglich einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln. Die Bedingungen des Tarifvertrages TV Ratio seien daher stark vom Ziel einer erfolgreichen Vermittlung geprägt. So sei die Vermittlung von Dauerarbeitsplätzen in sogenannte Geschäftsmodelle vorgesehen. Dies sei u. a. die VTS mit entsprechenden konzerninternen Arbeitsplätzen gewesen. Da der Kläger in Anwendung der Anlage 8 des TV Ratio auf einen Dauerarbeitsplatz in die VTS GmbH & Co. KG vermittelt worden sei, setze dies denknotwenig und rechtskonstitutiv einen Vertragswechsel in dem Sinne voraus, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten endete und ein neues Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber begründet wurde. Ein Fortbestand des Dauerarbeitsplatzes beim neuen Arbeitgeber führe zu einer Doppelung der Arbeitsverhältnisse.

Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB stehe der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei ihr nicht entgegen, da diese tarifkonstitutiv mit Abschluss des entsprechenden Arbeitsvertrages mit der VTS GmbH & Co. KG erfolgt sei. Hinzu komme, dass ein Anspruch des Klägers verwirkt sei. Es lägen sowohl das Zeitmoment als auch das Umstandsmoment vor. Dies folgte daraus, dass der Kläger den Anspruch erst etwa vier Jahre nach Beendigung seiner Beschäftigung bei der Beklagten geltend gemacht hat. Das Schreiben der Beklagten vom 06.05.2005 habe er erhalten und unwidersprochen hingenommen.

Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 15.01.2010 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht. Gegen dieses am 10.03.2010 zugestellt Urteil hat die Beklagte am 29.09.2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist am 09.06.2010 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, ein Feststellungsinteresse für die Feststellungsklage sei nicht gegeben. Der Kläger erstrebe lediglich eine Klärung des Streitverhältnisses durch Rechtsgutachten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei beendet worden. Dies sei durch Abschluss des Arbeitsvertrages mit der VTS geschehen, auch wenn ein schriftlicher Auflösungsvertrag nicht zustande gekommen sei. Aus der Gesamtsystematik des TV Ratio folge, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und den von der Rationalisierung betroffenen Arbeitnehmern durch den Abschluss des sich auf den TV Ratio beziehenden Arbeitsvertrages beendet worden sei. Das sei „tarifkonstitutiv“.

Zudem habe die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2005 zum Ausdruck gebracht, dass das Arbeitsverhältnis mit dem 31.12.2004 geendet habe. Der Kläger habe hierauf nicht reagiert, was er hätte tun müssen, wenn er von einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ausgegangen wäre. Dass der Kläger sich auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses berufe, verstoße gegen Treu und Glauben. Er habe sich nicht gegen den Betriebsübergang auf die NSN gewandt, sondern habe widerspruchslos in einem anderen Arbeitsverhältnis gearbeitet.

Die Beklagte beantragt,

auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.01.2010 – 1 Ca 1212/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Ein Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage liege vor. Das Arbeitsverhältnis sei nicht beendet worden. Treuwidrigkeit könne ihm nicht entgegengehalten werden.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat nicht Erfolg. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Begründung des Arbeitsgerichts Bezug genommen, der sich die Kammer anschließt.

Lediglich ergänzend ist auszuführen:

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

1.1. Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, § 256 Abs. 1 ZPO. Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Zwar darf die Beantwortung der Frage nicht auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinauslaufen. Vielmehr ist ein konkretes Rechtsverhältnis festzustellen (BAG Urteil vom 11.11.2009 - 7 AZR 387/08 - NZA 2010,671).

Dies ist vorliegend der Fall. Streitgegenstand ist hier der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, wie es das Arbeitsgericht im Tenor des angefochtenen Urteils – vom erstinstanzlichen Klagantrag abweichend und insoweit auslegend – festgestellt hat. Die Beklagte meint, das Arbeitsverhältnis habe mit Ablauf des 31.12.2004 geendet. Dies hat sie nicht nur mit Schreiben vom 06.05.2005 behauptet, sondern in diesem Rechtsstreit wiederholt. Wenn der Kläger hiergegen Feststellung verlangt, dass diese Auffassung unzutreffend ist, begehrt er die Feststellung des fortbestehenden Rechtsverhältnisses, nämlich des Arbeitsverhältnisses. Die Feststellung des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses stellt nicht eine lediglich abstrakte Rechtsfrage dar, sondern ist Basis der weiteren Entwicklung der Vertragsbeziehungen der Parteien. Mit der Feststellung steht fest, dass beide Seiten aus dem – derzeit ruhenden – Arbeitsverhältnis Rechte und Pflichten tragen. Eine evtl. in Betracht kommende Wiederaufnahme der Beschäftigung durch die Beklagte kann dazu gehören. Durch die gerichtliche Entscheidung wird Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zwischen den Parteien geschaffen.

Aktuell ergibt sich das Feststellungsinteresse auch daraus, dass bei der Rechtsnachfolgerin der VTS; der NSN, derzeit Kurzarbeit geleistet wird, von der der Kläger betroffen ist, wegen der regionalen Unterauslastung ein Personalanpassungsbedarf besteht und ein Interessenausgleich und Sozialplan geschlossen worden ist. Wie in der Berufungsverhandlung deutlich wurde, ist das Weiterbestehen des Betriebs in Flensburg ungewiss. Der Kläger ist also auf Klärung seines Rechtsverhältnisses mit der Beklagten dringend angewiesen. Eine andere geeignete Möglichkeit, Klarheit über das Rechtsverhältnis zu erreichen, besteht nicht.

1.2 Hinreichende Bestimmtheit des Klagantrags ist ebenfalls gegeben, § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO. Der Inhalt des fortzusetzenden Arbeitsvertrages ist dem Klageantrag

hinreichend zu entnehmen. Der Vertrag soll hinsichtlich der Arbeitsvergütung und der zurückgelegten Beschäftigungszeit unter Wahrung der vom Kläger im Arbeitsverhältnis erworbenen Besitzstände fortbestehen.

1.3 Subsidiarität der Feststellungsgegenüber der Leistungsklage kann dem Kläger nicht entgegen gehalten werden. Eine Leistungsklage ist derzeit angesichts des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der NSN nicht angebracht.

2. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagen fortbesteht, obwohl er zum 01.01.2005 ein Arbeitsverhältnis mit der VTS geschlossen hat und dieses am 01.01.2008 auf die NSN übergegangen ist.

Durch den Abschluss des Vertrages mit der VTS ist das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht beendet worden. Ein Beendigungstatbestand ist nicht ersichtlich.

2.1 Ein Arbeitgeberwechsel kraft Gesetzes gemäß § 613 a BGB scheidet aus. Die VTS hat nicht den Betrieb der Beklagten übernommen. Der Betriebsübergang von der VTS auf die NSN berührt aber nicht das Vertragsverhältnis der Parteien. Die NSN ist lediglich in die Rechte und Pflichten aus dem mit der VTS bestehenden Arbeitsverhältnis eingetreten.

2.2 Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auch nicht durch einzelvertragliche Vereinbarung der Parteien beendet worden.

2.2.1 Der Kläger hat den Abschluss des dreiseitigen Vertrages, in dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten vorgesehen war, nicht angenommen. Das ist ein eindeutiges Signal.

2.2.2 Es liegt auch nicht ein mündliches oder stillschweigendes Dreiecksgeschäft vor, das eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hätte herbeiführen können. Dem steht bereits die zwingende Formvorschrift des § 623 BGB entgegen.

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2.2.3 Die Beendigung ist auch nicht „tarifkonstitutiv“ erfolgt, wie die Beklagte meint. Zwar sieht § 1 TVG vor, dass die Tarifvertragsparteien in den Tarifverträgen den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln können. Ob dies auch in einem Fall der vorliegenden Konstellation überhaupt in Betracht kommt, begegnet erheblichen Bedenken, kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn der TV Ratio enthält nicht eine entsprechende eindeutige Regelung, dass bei Vermittlung auf einen anderen Arbeitsplatz das Arbeitsverhältnis zur Beklagten endet.

Der TV Ratio regelt nicht, dass ein Arbeitsverhältnis mit erfolgreicher Vermittlung in ein Geschäftsmodell oder sonstiger externer Vermittlung durch Arbeitsantritt beim neuen Arbeitgeber automatisch endet. § 7, insbesondere § 7 Abs. 3 TV Ratio i. V. m. seiner Anlage 8 enthält zwar detaillierte Regelungen zum Verfahren bei interner und externer Vermittlung des betroffenen Arbeitgebers in Geschäftsmodelle. Eine automatische, nicht schriftlich wechselseitig dokumentierte Auflösung findet sich dort nicht. § 7 Abs. 8 TV Ratio enthält zwar die Verpflichtung des Arbeitnehmers, einen ihm angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz anzunehmen und sich ggf. einer Qualifizierungsmaßnahme zu unterziehen. Bei einem Verstoß ist der Verlust der Ansprüche aus dem Tarifvertrag vorgesehen. Erst nach mehrfacher Ablehnung kann eine Kündigung in Betracht kommen. Das greift vorliegend aber nicht, da der Kläger sich hat vermitteln lassen.

Weiter sieht § 10 TV Ratio Abfindungen im Fall einer einvernehmlichen schriftlichen Auflösung vor. Die Beklagte behauptet aber nicht, dass ein solcher Fall vorliegt. Gerade diese Regelung im Tarifvertrag lässt aber deutlich werden, dass die Tarifvertragsparteien die Formvorschrift des § 623 BGB gesehen haben und ihr Rechnung tragen wollten. Hinzu kommt, dass § 623 BGB nicht tarifdispositiv ist.

2.2.4 Eine Beendigung ist auch nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 06.05.2005 eingetreten.

Dass es sich dabei um eine – rückwirkende (!) – Kündigung handeln sollte, behauptet die Beklagte nicht. Die Beklagte bedankt sich für die bisherige Tätigkeit des Klä- gers bei ihr und wünscht ihm alles Gute. Das Wort „Kündigung“ wird nicht gebraucht.

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Zudem wird darin nicht zum Ausdruck gebracht, dass das „Arbeitsverhältnis“ beendet sei, sondern dass die „Tätigkeit“ des Klägers bei der Beklagten ihr Ende gefunden habe. Das trifft auch zu, da der Kläger seither für die VTS bzw. später die NSN tätig geworden ist.

Der Kläger musste hierauf nicht reagieren. Dem Schreiben lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte eine Antwort erwartete. Zudem stellt Schweigen im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung dar. Der Satz aus dem kanonischen Recht „Qui tacet consentire videtur“ gilt, abgesehen von den Fällen, wo das Gesetz ausdrücklich passives Verhalten als stillschweigende Annahme fingiert, nur dann als lediglich dann als Zustimmung zu einer Offerte, wenn es im konkreten Fall, nach den konkreten Umständen, vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben nur als Akzept verstanden werden konnte, wenn der Schweigende also hätte reden müssen (Obliegenheit), um eine solche Deutung zu vermeiden (MüKo-Kramer, Rn. 25 Vorbem. Zu § 116 BGB). Das ist hier nicht der Fall.

2.2.5 Dem Kläger kann auch nicht Treuwidrigkeit, § 242 BGB, entgegengehalten werden, weil er sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform beruft.

Bei der Verwirkung handelt es sich um einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie dient dem Vertrauensschutz. Nicht wird damit der Zweck verfolgt, den Schuldner von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Es muss vielmehr noch das Umstandsmoment hinzutreten. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten muss das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (st. Rspr., u.a. BAG vom 18.12.2003 - 8 AZR 621/02 - BB 2004,1634 = NZA 2004,791 = DB 2004,2110; BAG vom 12.12.2006 - 9 AZR 747/06 - NZA 2007,396).

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Dieses Umstandsmoment fehlt hier. Der Kläger hatte den Abschluss des dreiseitigen Aufhebungsvertrags abgelehnt. Er hat keinerlei Tatbestände gesetzt, die bei der Beklagten das Vertrauen dahingehend hätten erwecken können, er halte an dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten nicht mehr fest. Die Beklagte konnte angesichts der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge und ihrer eigenen Praxis wie dem Angebot des dreiseitigen Vertrages auch nicht davon ausgehen, dass ein Mitarbeiter auf die Beachtung dieser Formalien verzichtete. Das gilt jedenfalls für den Kläger.

Der Kläger hat auch nicht durch die Hinnahme des Betriebsübergangs auf die NSN einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ruht. Eine Verpflichtung des Klägers, von sich aus an die Beklagte heranzutreten und mitzuteilen, wie sein Arbeitsverhältnis zur VTS bzw. NSN gestaltet ist, besteht nicht.

3. Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalles.