OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 31.10.2012 - 4 WF 167/12
Fundstelle
openJur 2013, 4010
  • Rkr:

Im Rahmen des Kostenansatzverfahrens ist der Kostenschuldner einer Kindschaftssache mit Einwänden gegen die Auswahl des bestellten Verfahrensbeistands jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn kein geeigneter ehrenamtlicher Verfahrensbeistand zur Verfügung stand. Mit Einwänden gegen die Art und Weise der Tätigkeit des Verfahrensbeistands ist er ebenfalls ausgeschlossen. Die durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands verursachten Kosten sind wegen unrichtiger Sachbehandlung lediglich dann nicht zu erheben, wenn die in § 158 Abs. 1 FamFG normierten Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrensbeistands ersichtlich nicht vorlagen.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Kostenansatz vom 19.4.2012 wird auf die Erinnerung vom 9.5.2012 dahingehend abgeändert, dass die vom Antragsteller zu tragenden Gerichtskosten des ersten Rechtszugs mit 297,25 Euro angesetzt werden.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Kostenansatz in einer Kindschaftssache.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 27.1.2012 beim Amtsgericht, die "Bestätigung des gemeinsamen Sorgerechts, so wie es das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 03.12.2009 und des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland vom 21.07.2010 vorsieht!" Er ist der nichteheliche Vater des betroffenen Kindes; eine gemeinsame Sorgeerklärung haben die Eltern nicht abgegeben.

Das Amtsgericht leitete daraufhin ein Sorgerechtsverfahren ein und bestellte dem betroffenen Kind auf Empfehlung der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28.2.2012, zu welcher der Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt, die im Tenor genannte Rechtsanwältin als Verfahrensbeiständin und stellte fest, dass diese ihr Amt berufsmäßig ausübt. Es gab der Verfahrensbeiständin auf, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken.

Der Beschwerdeführer brachte anschließend seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass für das Sorgerechtsverfahren und ein parallel anhängiges Umgangsverfahren zwei verschiedene Verfahrensbeistände bestellt werden. Weitere Vorbehalte gegen die erfolgte Bestellung äußerte er nicht. Die bestellte Verfahrensbeiständin nahm noch vor dem für den 21.3.2012 anberaumten Anhörungs- und Erörterungstermin schriftlich Kontakt zu beiden Eltern auf, woraufhin es am 6.3.2012 zu einem Telefongespräch mit dem Vater und am 16.3.2012 zu einer persönlichen Vorsprache von Mutter und Kind in ihrer Kanzlei kam. Die Verfahrensbeiständin nahm außerdem am Termin am 21.3.2012 teil und fertigte am selben Tag einen schriftlichen Bericht, auf dessen Inhalt, Bl. 39ff., Bezug genommen wird.

Nachdem die Voraussetzungen einer gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts durch beide Eltern im Termin am 21.3.2012 erläutert und dem Antragsteller erklärt worden waren, nahm dieser seinen diesbezüglichen Antrag mit Schriftsatz vom 23.3.2012 zurück. Mit Beschluss vom 10.4.2012 ordnete das Amtsgericht daraufhin an, dass die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden und setzte den Verfahrenswert auf 3.000,- Euro fest. Der Antragsgegnerin wurde mit Beschluss vom selben Tage ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Mit Kostenansatz vom 19.4.2012 stellte der Kostenbeamte des Amtsgerichts dem Antragsteller eine volle, sich aus einem Verfahrenswert von 3.000,- Euro ergebende Gebühr von 44,50 Euro sowie die volle für die Verfahrensbeiständin angefallene Pauschalvergütung von 550,- Euro in Rechnung. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 9.5.2012 "Beschwerde" ein. Zur Begründung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, führte er im Wesentlichen aus, die Verfahrensbeiständin habe im ganzen Verfahren ihre Unabhängigkeit vermissen lassen und ihre Aufgaben völlig unzureichend ausgeführt. Er sei nicht bereit, für eine solch oberflächliche, an Arbeitsverweigerung grenzende Arbeitsweise Zahlungen zu leisten.

Der Kostenbeamte half der als Erinnerung gegen den Kostenansatz auszulegenden "Beschwerde" nicht ab und legte sie dem zuständigen Richter des Amtsgerichts vor. Dieser wies sie durch Beschluss vom 15.5.2012 mit der Begründung zurück, für den Anfall der Gebühr nach § 158 Abs. 7 FamFG reiche es aus, dass die ihr Amt berufsmäßig ausübende Verfahrensbeiständin in dem Verfahren tätig wurde. Wie sie ihre Tätigkeit ausgeübt habe, sei unerheblich.

Gegen den Beschluss vom 15.5.2012 richtet sich die am 30.6.2012 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des Antragstellers, mit welcher er seine Einwände gegen den Ansatz der Vergütung der Verfahrensbeiständin aufrecht erhält. Er trägt vor, die Verfahrensbeiständin sei auf Grund ihrer Freundschaft mit der Bevollmächtigten der Mutter befangen gewesen. Im Übrigen sei sie nicht qualifiziert, die von ihm vorgetragene massive Beeinflussung der Tochter durch die Mutter zu beurteilen. Ein persönliches Gespräch mit ihm habe sie verweigert.

Da der Beschwerdeführer außerdem gerügt hat, die Verfahrensbeiständin sei nicht in der Lage gewesen, einen schriftlichen Bericht vorzulegen, ist ihm der Bericht vom 21.3.2012 nochmals übersandt worden.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde unter Verweis auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Bezirksrevisorin beim Landgericht Hanau ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Sie hat auf entsprechenden Hinweis des Senats mitgeteilt, gegen eine Ermäßigung der in Ansatz gebrachten Kosten auf die Hälfte bestünden im Hinblick auf die getroffene Kostenentscheidung keine Bedenken. Im Übrigen ist sie der Beschwerde entgegen getreten.

II.

Die nach § 57 Abs. 2 FamGKG zulässige Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet und führt - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde - zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung des Kostenansatzes.

Der angefochtene Kostenansatz ist insoweit fehlerhaft, als dem Beschwerdeführer die angefochtenen Gerichtskosten voll in Rechnung gestellt worden sind, obwohl die vom Amtsgericht angeordnete Kostenaufhebung dahingehend auszulegen ist, dass die beteiligten Kindeseltern die angefallenen Gerichtskosten je hälftig und die Beteiligten ihre Aufwendungen im Übrigen selbst tragen (vgl. die Definition der Kostenaufhebung für das zivilprozessuale Verfahren in § 92 Abs. 2 ZPO sowie die diesbezüglichen Regelungen für Ehesachen in § 150 FamFG). Zwar haftet der Beschwerdeführer als Antragsteller und damit als so genannter Veranlassungsschuldner unabhängig von der vom Gericht getroffenen Kostenentscheidung grundsätzlich für die vollen Gerichtskosten (§ 21 Abs. 1 Satz 1 FamGKG). Der Geltendmachung der auf die Antragsgegnerin als so genannte Entscheidungsschuldnerin nach § 24 Nr. 1 FamGKG entfallenden Hälfte der Gerichtskosten beim Antragsgegner steht hier allerdings § 26 Abs. 3 Satz 1 FamGKG entgegen, wonach die Haftung eines anderen Schuldners nicht geltend gemacht werden darf, soweit dem (nach § 26 Abs. 2 FamFGKG ohnehin vorrangig in Anspruch zu nehmenden) Entscheidungsschuldner - wie hier - Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Der Kostenansatz ist daher auf die Hälfte und somit auf 297,25 Euro zu reduzieren.

Soweit sich die Beschwerde dagegen richtet, dass überhaupt Kosten für die Verfahrensbeiständin in Ansatz gebracht werden, ist ihr der Erfolg hingegen zu versagen.

Die Vergütung des Verfahrensbeistands rechnet gemäß Ziffer 2013 der Anlage zu § 3 Abs. 2 FamGKG zu den anzusetzenden Gerichtskosten. Nach § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG beläuft sich die dem berufsmäßig tätigen Verfahrensbeistand zustehende Vergütung auf pauschal 550,- Euro, wenn das Gericht dem Verfahrensbeistand die zusätzliche Aufgabe überträgt, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Die seit dem 1.9.2009 geltende Fallpauschale hat die bis dahin geltende aufwandsbezogene Vergütung ersetzt. Der Vergütungsanspruch entsteht, sobald der Verfahrensbeistand im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist (vgl. BGH, FamRZ 2010, 1896, FamRZ 2011, 558).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall unzweifelhaft erfüllt. Die anwaltliche Berufsverfahrensbeiständin hat Gespräche mit beiden Eltern und dem betroffenen Kind geführt, am Anhörungs-und Erörterungstermin am 21.3.2012 teilgenommen und am selben Tag einen schriftlichen Bericht verfasst.

Der Beschwerdeführer kann sich im vorliegenden Fall auch nicht darauf berufen, dass überhaupt kein Verfahrensbeistand hätte bestellt werden dürfen oder jedenfalls ein ehrenamtlicher Verfahrensbeistand hätte bestellt werden müssen.

Zwar hält der Senat jedenfalls den Einwand des Fehlens der Voraussetzungen der Bestellung eines Verfahrensbeistands im Verfahren der Erinnerung bzw. Beschwerde gegen den Kostenansatz durchaus für beachtlich, weil von einer Erhebung der mit der Bestellung eines Verfahrensbeistands verbundenen Kosten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG wegen unrichtiger Sachbehandlung abgesehen werden müsste, wenn die in § 158 Abs. 1 FamFG normierten Voraussetzungen der Bestellung eines Verfahrensbeistands nicht vorgelegen hätten (a. A. OLG München, Beschluss vom 25.11.2011, 11 WF 1577/11, RPfleger 2012, 205, zitiert nach juris). Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrensbeistands waren hier im Hinblick auf den zu befürchtenden Interessenkonflikt zwischen dem betroffenen Kind und seiner allein sorgeberechtigten Mutter jedoch unzweifelhaft gegeben.

Ob der Bestellung eines ehrenamtlichen Verfahrensbeistands Vorrang vor der Bestellung eines berufsmäßigen Verfahrensbeistands genießt, was sich dem Wortlaut des § 158 FamFG so nicht entnehmen lässt, und ob die Bestellung eines Berufsverfahrensbeistands an Stelle eines geeigneten ehrenamtlichen Verfahrensbeistands eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG begründet, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil das Vorhandensein eines geeigneten ehrenamtlichen Verfahrensbeistands nicht ersichtlich ist.

Die Bestellung eines berufsmäßigen Verfahrensbeistands stellt auch nicht deswegen eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 FamGKG dar, weil das Familiengericht in der parallel anhängigen Umgangssache einen anderen berufsmäßigen Verfahrensbeistand bestellt hat. Auf die Höhe der in beiden Verfahren anzusetzenden Gerichtskosten wirkt sich dieser Umstand nämlich nicht aus, weil die Pauschalvergütung nach § 158 Abs. 7 FamFG auch einem für beide Verfahren bestellten Verfahrensbeistand zweimal zustünde (vgl. BGH, NJW 2012, 3100).

Da das Vorhandensein eines geeigneten ehrenamtlichen Verfahrensbeistands nicht ersichtlich ist, ist es für das Kostenansatzverfahren unerheblich, ob die Auswahl der bestellten berufsmäßigen Verfahrensbeiständin verfahrensfehlerhaft erfolgte. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG bleiben nämlich nur solche Kosten außer Ansatz, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Da hier auch bei richtiger Sachbehandlung ein berufsmäßiger Verfahrensbeistand zu bestellen gewesen wäre, wäre die Vergütung für die hier bestellte Verfahrensbeiständin daher selbst dann anzusetzen, wenn ihre Auswahl fehlerhaft erfolgt wäre. Die Geltendmachung einer fehlerhaften Ausübung des dem Familiengericht bei der Auswahl des Verfahrensbeistands eingeräumten Ermessens kann daher allenfalls mit dem gegen die Sachentscheidung des Familiengerichts statthaften Rechtsbehelf geltend gemacht werden, ohne dass sich dies auf die Höhe der in Ansatz zu bringenden Gerichtskosten auswirken würde (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.11.2011, 11 WF 1577/11, RPfleger 2012, 205, zitiert nach juris). Ein entsprechender Rechtsbehelf ist hier mangels Sachentscheidung des Familiengerichts nicht gegeben, nachdem der Beschwerdeführer seinen Sorgerechtsantrag - der Einschätzung des Familiengerichts, des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin folgend - zurückgenommen hat.

Mit seinen Einwänden gegen die Art und Weise der Tätigkeit der Verfahrensbeiständin ist der Beschwerdeführer im Kostenansatzverfahren ebenfalls ausgeschlossen (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.11.2011, 11 WF 1577/11, RPfleger 2012, 205, zitiert nach juris). Eine unrichtige Sachbehandlung des Familiengerichts könnte damit ohnehin nur dann verbunden sein, wenn das Gericht für die Verfahrensbeiständin eine ihr auf Grund der Art und Weise ihrer Tätigkeit nicht zustehende Vergütung festgesetzt hätte. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Wie bereits ausgeführt, entsteht der Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistands, sobald der Verfahrensbeistand im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist (vgl. BGH, FamRZ 2010, 1896, FamRZ 2011, 558). Der Verfahrensbeistand schuldet dabei ebenso wenig eine sachliche Unbefangenheit wie einen bestimmten Erfolg seiner Tätigkeit. Er wird in Kindschaftssachen einseitig als Interessenvertreter des Kindes tätig (§ 158 Abs. 4 Satz 1 FamFG, vgl. auch Lorenz in Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 158 FamFG, Rdnr. 1 unter Verweis auf BGH, FamRZ 2010, 1060). Die Art und Weise seiner Aufgabenerfüllung steht in seinem freien Ermessen. Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Verfahrensbeistands, Tatsachen festzustellen oder das Kind kinderpsychologisch zu untersuchen (so Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 1. Aufl. 2009, § 158 FamFG, Rdnr. 14 unter Verweis auf BGH, FamRZ 2007, 1548). Vielmehr muss das Gericht selbst im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlung beurteilen, welche Tatsachen es als Grundlage der von ihm zu treffenden Entscheidung feststellen muss und ob insoweit die Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens erforderlich ist. Soweit ein Beteiligter oder das Gericht die sachliche Einschätzung des bestellten Verfahrensbeistands nicht teilen, wirkt sich dies auf den Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistands oder die Höhe der anzusetzenden Gerichtskosten nicht aus. Folgt das Gericht einer von einem Beteiligten als fehlerhaft empfundenen Einschätzung des Verfahrensbeistands, kann dies ausschließlich mit dem gegen die Sachentscheidung statthaften Rechtsbehelf angefochten werden. Für die Höhe der anzusetzenden Kosten ist es hingegen ohne Belang.

Eine Kostenentscheidung ist im vorliegenden Verfahren nicht veranlasst. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 57 Abs. 8 FamGKG).