OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.08.2012 - 8 A 10344/12
Fundstelle
openJur 2013, 46601
  • Rkr:
Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 23. November 2011 und unter Aufhebung des Bescheids vom 4. November 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2011 wird der Beklagte verpflichtet, den Klägern den beantragten positiven Bauvorbescheid des Inhalts zu erteilen, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der geplanten Gerätehalle in einer das Rücksichtnahmegebot beachtenden Ausgestaltung festgestellt wird.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, die ein Weingut betreiben, begehren die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit zur Errichtung einer Gerätehalle.

Sie sind Eigentümer der in der Gemarkung F..., Flur ...+, gelegenen - etwa 1.050 qm großen - Flurstücke Nrn. ... und ... Die Grundstücke grenzen - durch die B...straße getrennt - an ihr Betriebsgrundstück an, das mit der Hauptzufahrt über die L... Gasse erschlossen ist. Im Süden des Betriebsgrundstückes befindet sich das in den 1930er Jahren errichtete Kelterhaus, das auch von der B...straße aus befahrbar ist. Die Kläger beabsichtigen die Errichtung einer eingeschossigen Pultdachhalle (Höhe im Norden: 6,84 m, im Süden: 4,35 m) mit einer Breite von 24,53 m und der Tiefe von 20,37 m sowie einem Vordach nach Norden von 3,81 m. Das Hallentor, das die einzige Öffnung bilden soll, ist im Nordwesten, unmittelbar gegenüber dem vorhandenen Kelterhaus vorgesehen. Außenwände und Dach sollen mit Stahltrapezblechen ausgeführt werden.

Für das Gebiet südlich der B...straße, einschließlich der beiden Baugrundstücke, hatte der Bebauungsplan "Hinter der Burg" ein Dorfgebiet festgesetzt, um das Gelände neben der in erster Linie beabsichtigten Wohnbebauung auch für "kleine Betriebserweiterungen zur Verfügung zu stellen" (so die Begründung zum Bebauungsplan vom 31. Januar 1983). Dieser Bebauungsplan wurde durch den am 14. Juni 2007 öffentlich bekannt gemachten Aufhebungsbebauungsplan mit der Begründung aufgehoben, dass der Bebauungsplan aus dem Jahr 1983 inzwischen vollständig realisiert und deshalb nicht mehr erforderlich sei. Auf den Einwand der Kläger im Rahmen des Aufhebungsverfahrens, sie sähen damit die im bislang festgesetzten Dorfgebiet mögliche Betriebserweiterung gefährdet, entgegnete der Rat, dass diese Betriebserweiterung auch bei einer Beurteilung nach § 34 BauGB wegen der im Bereich der B...straße vorhandenen Gemengelage weiterhin zulässig sei. Die Kreisverwaltung führte in ihrer Stellungnahme vom 7. Februar 2007 aus, dass von ihrer Seite keine Einwände gegen die Planaufhebung bestünden, sofern "künftig ... all die Nutzungen und -arten, die bisher im Geltungsbereich des Bebauungsplans zulässig waren, umsetzbar sein [sollten]".

Zu der Bauvoranfrage vom Juli 2010 erteilte die Beigeladene ihr Einvernehmen mit der Maßgabe, dass unter anderem eine geräuschhemmende Dacheindeckung vorgenommen werden müsse. Die Kreisverwaltung lehnte die Bauvoranfrage indes mit Bescheid vom 4. November 2010 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass das Vorhaben sich nach der Art der baulichen Nutzung nicht in das in der näheren Umgebung vorhandene Wohngebiet einfüge. Die nördlich der B...straße vorhandenen landwirtschaftlichen Gebäude entfalteten keine prägende Wirkung für die Baugrundstücke. Die B...straße und der dort verlaufende markante Geländeversprung hätten trennende Wirkung. Es ergebe sich der Eindruck zweier deutlich unterschiedener Bau- und Nutzungsstrukturen. Das Vorhaben führe auch zu bodenrechtlichen Spannungen, weil erstmals sich eine gebietsfremde Nutzung über die skizzierte Grenzlinie hinaus in das Wohngebiet erstrecke, was mit den schutzwürdigen Ansprüchen der Eigentümer der benachbarten Hausgrundstücke nicht vereinbar sei.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 23. November 2011 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Das Bauvorhaben sei nach § 34 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig. Die ursprüngliche bauplanerische Festsetzung eines Dorfgebiets sei mittlerweile unwirksam. Dabei könne offenbleiben, ob der Aufhebungsbebauungsplan wegen fehlerhafter Bewertung der Bauinteressen des Klägers abwägungsfehlerhaft sei. Denn jedenfalls sei die vorherige Festsetzung eines Dorfgebiets infolge der im Plangebiet ausnahmslos errichteten Wohngebäude funktionslos geworden. Die im ursprünglichen Plangebiet allein noch unbebauten Grundstücke der Kläger eigneten sich schon aufgrund ihrer Größe nicht mehr für die Ansiedlung einer das Gebiet mitprägenden landwirtschaftlichen Nutzung. Im Übrigen erscheine eine solche Nutzung auch aus Gründen des Immissionsschutzes gegenüber der umliegenden Wohnbebauung kaum zulassungsfähig. Die nähere Umgebung der beiden Baugrundstücke stelle sich als faktisches Wohngebiet dar. Die nördlich der B...straße vorhandenen landwirtschaftlichen Anwesen prägten die Baugrundstücke nicht mit. Wie die Ortsbesichtigung ergeben habe, falle das Gelände an der nördlichen Seite der B...straße und des Fußwegs zur L... Gasse hin terrassenförmig mehrere Meter ab. Die trennende Wirkung werde durch die sich anschließenden Gartengrundstücke und den Scheunenkranz verstärkt. Das im Süden des Betriebsgrundstücks der Kläger gelegene Scheunengebäude entfalte keine prägende Wirkung, sondern stelle sich vielmehr als atypischer, untergeordneter Einzelfall dar. Auch das auf dem Grundstück Hinter der B... ... befindliche Gebäude präge nicht mehr die beiden Baugrundstücke, denn es liege mehr als 100 m hiervon entfernt und die dort vorhandene Hallenzufahrt sei nach Osten hin ausgerichtet. Der auf der Parzelle Nr. .../... vorhandene Raiffeisen-Markt entfalte ebenfalls keine prägende Wirkung für das nordöstlich davon gelegene faktische Wohngebiet.

Die Kläger tragen zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Der ursprüngliche Bebauungsplan aus dem Jahr 1983 sei zur Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens weiterhin maßgeblich. Der Aufhebungsbebauungsplan aus dem Jahr 2007 sei wegen fehlerhafter Beurteilung ihrer Einwendungen abwägungsfehlerhaft. Die Festsetzung eines Dorfgebiets sei auch nicht funktionslos geworden, da mit ihren beiden Parzellen weiterhin eine dörfliche Nutzung realisiert werden könne. Im Übrigen entfalteten die nördlich der B...straße vorhandenen Weingüter durchaus prägende Wirkung für das Baugrundstück. Darüber hinaus habe der Grundsatz von Treu und Glauben auch im öffentlichen Recht zu gelten. Den Klägern sei im Aufhebungsverfahren mitgeteilt worden, dass eine Betriebserweiterung weiterhin auf den Baugrundstücken möglich sei. Schließlich führe die geplante Halle auch nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen für die benachbarte Wohnbebauung. Denn es sei lediglich die Errichtung einer Halle zum Unterstellen von Geräten und Maschinen beabsichtigt. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens könne sichergestellt werden, dass von der beabsichtigten Nutzung keine Beeinträchtigungen ausgingen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 23. November 2011 und unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 4. November 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2011 den Beklagten zu verpflichten, ihnen den beantragten positiven Bauvorbescheid mit der Maßgabe zu erteilen, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Gerätehalle nur in einer das Rücksichtnahmegebot beachtenden Ausgestaltung festgestellt werden soll.

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie teilt die von den Klägern vorgenommene Bewertung der Eigenart der näheren Umgebung des Baugrundstücks, betont aber im Übrigen, dass die Abwägung bei Erlass des Aufhebungsplans wegen der beiderseits der B...straße vorhandenen Gemengelage gerade zutreffend erfolgt sei. Auch die Kreisverwaltung habe seinerzeit im Aufhebungsverfahren keine Einwände erhoben.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vornahme einer Ortsbesichtigung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21. August 2012 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, weil die Kläger einen Anspruch auf den begehrten Bauvorbescheid haben.

Rechtsgrundlage für den begehrten Bauvorbescheid ist § 72 i.V.m. § 70 Abs. 1 LBauO. Die Bauvoranfrage der Kläger ist darauf gerichtet, für die auf den Parzellen Nrn. ... und ... geplante Gerätehalle die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit hinsichtlich der Art der Nutzung festzustellen. Dabei beschränkt sich das Klagebegehren im Kern darauf, die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem das Baugrundstück prägenden Gebietscharakter festzustellen und die Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Rücksichtnahmegebots dem Baugenehmigungs-verfahren vorzubehalten. Dies haben die Kläger in der Begründung ihrer Berufung und schließlich durch ihre Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt.

Die Kläger haben einen Anspruch auf den begehrten Bauvorbescheid, weil ihr Bauvorhaben - vorbehaltlich zusätzlicher Anforderungen aus dem Rücksichtnahmegebot - mit den Vorgaben der §§ 30 ff. BauGB zur Art der baulichen Nutzung in Einklang steht.

Rechtsgrundlage für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ist § 34 Abs. 1 BauGB.

Denn der ursprüngliche Bebauungsplan aus dem Jahr 1983, ausgefertigt und neu bekanntgemacht im Dezember 1997, mit der Festsetzung eines Dorfgebietes ist inzwischen wirksam aufgehoben worden. Der Aufhebungsbebauungsplan ist gültig. Er leidet - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an einem Abwägungsfehler. Die im Rahmen der Abwägung vorgenommene Wertung des Gemeinderats, dass sich für das Betriebserweiterungsinteresse der Kläger durch den Wegfall des ursprünglichen Bebauungsplans wegen der dann gegebenen Gemengelage keine Nachteile ergeben, erweist sich als fehlerfrei, wie die Ortsbesichtigung durch den Senat ergeben hat und nachfolgend näher ausgeführt werden wird. Aber auch wenn sich diese Bewertung entsprechend der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts als fehlerhaft erwiesen hätte, hätte dies an der Gültigkeit des Aufhebungsbebauungsplans nichts geändert. Denn der dann vorliegende Mangel in der Bewertung der Abwägungsbelange wäre nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 BauGB unbeachtlich geworden. Denn innerhalb der danach maßgeblichen Frist von einem Jahr seit Bekanntmachung des Aufhebungsbebauungsplans hat niemand den Fehler schriftlich gegenüber der Beigeladenen unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht. Auf § 215 BauGB ist bei der Bekanntmachung des Aufhebungsbebauungsplans hingewiesen worden.

Die geplante Gerätehalle ist gemäß § 34 Abs. 1 BauGB nach der Art der baulichen Nutzung zulässig, weil sie sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

Die nähere Umgebung im Sinne von § 34 BauGB reicht einmal so weit, wie sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens so weit, wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 -, BauR 1999, 32). Hiernach wird man zur näheren Umgebung jedenfalls auch die unmittelbar benachbarten Grundstücke zu zählen haben, im vorliegenden Fall also auch das dem Baugrundstück unmittelbar gegenüberliegende Betriebsgrundstück der Kläger.

Allerdings lassen sich die Grenzen der näheren Umgebung nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Dies kann bedeuten, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 - 4 B 74.03 -, juris, Rn. 2). Auch ein unmittelbar benachbartes Grundstück kann dann nicht mehr zur näheren Umgebung gezählt werden, wenn es wegen eines Höhenunterschiedes voneinander getrennt ist; die Berücksichtigung solcher topografischer Gegebenheiten kann ergeben, dass unmittelbar aneinandergrenzende bebaute Grundstücke gleichwohl zwei unterschiedlichen Baugebieten angehören (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1998, a.a.O., juris, Rn. 5 und 8 [Steilhang von etwa 10 bis 15 m]).

Nach diesen Maßstäben teilt der Senat zunächst die Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts, dass die entlang des Kastanienwegs, der Straße "Hinter der B..." und nördlich der Do...straße entstandene Wohnbebauung eine einheitliche Bau- und Nutzungsstruktur aufweist. Der Senat hat ebenfalls erkannt, dass dieser von Wohnnutzungen geprägte Bebauungskomplex gegenüber der nördlich anschließenden dörflichen Baustruktur im alten Ortskern durch den entlang des Fußwegs verlaufenden Geländeversprung und den sich daran anschließenden Scheunenkranz deutlich abgegrenzt wird.

Diese klare topografische Zäsur führt nach Auffassung des Senats allerdings nicht dazu, auch dem Baugrundstück allein den Charakter eines Wohnbaugrundstücks beizumessen. Dies würde den prägenden Einfluss der Kelterhalle im rückwärtigen Teil des Betriebsgrundstücks der Kläger gerade für die gegenüberliegenden Parzellen Nrn. ... und ...außer Acht lassen. Während diese beiden Parzellen nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung weder durch die Raiffeisen-Warenzentrale noch die betriebliche Nutzung der Unterstellhalle des Weinguts Bernhard-Räder auf der Parzelle Nr. .../... in ihrem Gebietscharakter geprägt werden, ist dies für die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Kelterhalle gänzlich anders zu bewerten. Dieses Kelterhaus ist seit den 1930er Jahren integrierter Bestandteil des Betriebs der Kläger, und zwar gerade auch mit der Zufahrt über die B...straße. Hierüber erfolgte und erfolgt bis heute die Anlieferung der Trauben während der Weinernte. Die erste Bearbeitung der Trauben (Entrappen, Keltern und Maischegärung) erfolgt noch im Obergeschoss, woran sich die weitere Kellerarbeit im Mittelgeschoss anschließt; das Abfüllen und Etikettieren der Flaschen erfolgt schließlich im Untergeschoss. Die rückwärtige Andienung des Betriebsgrundstücks ist seit Jahrzehnten Teil des Betriebsablaufs des Weinguts. Sie prägt zwangsläufig auch die unmittelbare Nachbarschaft. Zwar ist diese intensive Nutzung des rückwärtigen Zugangs zum Betriebsgrundstück nach Auskunft der Kläger derzeit nur während der Weinlese nach außen stärker wahrnehmbar. Die prägende Wirkung der Kelterhalle mit ihrer rückwärtigen Zufahrt tritt für die Nachbarschaft jedoch auch unabhängig davon allein durch das große Holztor und durch die gerade hierfür bis zum Ende des Kelterhauses fortgeführte B...straße mit einer Breite von 4 m deutlich zutage. Das Baugrundstück der Kläger auf den Parzellen Nrn. ... und ...wird daher nicht nur von der im Westen, Osten und Süden vorhandenen Wohnbebauung geprägt, sondern auch von der im Norden in unmittelbarer Nachbarschaft betriebenen landwirtschaftlichen Nutzung. Wie von der Beigeladenen - im Planaufhebungs- und im jetzigen Bauvorbescheidsverfahren - vertreten, ist das Baugrundstück der Kläger damit durch eine Gemengelage geprägt, die auch eine landwirtschaftliche Nutzung zulässt.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hält der Senat es nicht für gerechtfertigt, der landwirtschaftlichen Nutzung der Kelterhalle ihre prägende Wirkung als atypischer, untergeordneter Einzelfall abzusprechen. Zwar ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass nicht jegliche vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung auch deren Charakter bestimmt. Bei der Erfassung ihrer Eigenart muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden. Dabei muss außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 4 B 50.08 -, ZfBR 2009, 693 und juris, Rn. 6). Ein generelles Gebot zum Ausblenden singulärer Anlagen lässt sich dem indes nicht entnehmen. Für die Bewertung der Eigenart der näheren Umgebung kommt es entscheidend immer auf die besonderen Umstände des jeweiligen Falles an. Insofern kommt nach Auffassung des Senats der langjährig überkommenen Nutzungsstruktur im rückwärtigen Bereich des Weinguts der Kläger eine besondere Bedeutung zu. Diese ist seit den 1930er Jahren bis heute weitgehend unverändert. Eine Erweiterung des Betriebs auf die im Süden vorhandenen Grundstücke im Besitz des Weinguts lag durchaus nahe. Die mittlerweile herangerückte Wohnbebauung hat ihr Baurecht aufgrund eines Bebauungsplans erworben, der das Baugebiet gerade wegen des Erweiterungsinteresses der nördlich angrenzenden Winzerbetriebe als Dorfgebiet ausgewiesen hatte. Angesichts dessen hält der Senat es für verfehlt, die landwirtschaftliche Nutzung der Kelterhalle im Bereich der B...straße als Fremdkörper zu bewerten und ihr die prägende Kraft für die unmittelbare Nachbarschaft abzusprechen. Vielmehr ist die bauliche Situation auf den Parzellen Nrn. ... und ... durch das Aufeinandertreffen von überkommener landwirtschaftlicher Nutzung im Norden und neuer Wohnbebauung im Westen, Osten und Süden geprägt. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch verfehlt, von einem erstmaligen Ausgreifen einer landwirtschaftlichen Nutzung in ein homogen entstandenes Wohngebiet zu sprechen.

Steht somit fest, dass die beabsichtigte landwirtschaftliche Nutzung der Parzellen Nrn. ... und ... dem Grunde nach durchaus mit der vorhandenen Gemengelage in Einklang steht, so sind die Kläger bei der konkreten Ausgestaltung ihres Bauvorhabens gehalten, auf die berechtigten Interessen der inzwischen herangerückten Wohnnutzer Rücksicht zu nehmen. Dem haben sie zum einen bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Halle lediglich zum Unterstellen landwirtschaftlicher Geräte dienen soll und die Ein- und Ausfahrt an der Nordwestecke des Bauplatzes, also unmittelbar gegenüber des Tores der vorhandenen Kelterhalle gewählt wurde. Darüber hinaus besteht im Baugenehmigungsverfahren ausreichend Gelegenheit, durch ergänzende Planungen bzw. zusätzliche Auflagen der Bauaufsichtsbehörde sicherzustellen, dass unzumutbare Beeinträchtigungen der benachbarten Wohnnutzungen vermieden werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es besteht kein Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie ihrerseits mangels Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.