LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Urteil vom 12.09.2012 - L 7 KA 70/11
Fundstelle
openJur 2013, 3714
  • Rkr:

1. Bei der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen in einem gesperrten Planungsbereich ist eine Missbrauchskontrolle zulässig und ggf. auch geboten (hier: Erklärung der verbliebenen Partnerin einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft, nur mit einer über 70-jährigen Bewerberin, die seit 7 Jahren im Ruhestand ist, zusammen arbeiten zu wollen).

2. Lässt ein Zulassungsgremium einen von mehreren Bewerbern für einen nachzubesetzenden Vertragsarztsitz in einem gesperrten Planungsbereich zu, lehnt es damit zugleich die Anträge aller anderen Bewerber ab, auch wenn dies nicht im Entscheidungstenor zum Ausdruck kommt.

3. Die Frist von drei Monaten nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV beginnt trotz Zustellung des Zulassungsbeschlusses nicht, wenn die Zulassung mit einer noch nicht eingetretenen aufschiebenden Bedingung verbunden ist.

Tenor

Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 8) und 9) gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2011 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner Neubescheidung die Rechtsauffassung des Senats zugrunde zu legen hat.

Die Kosten des Berufungsverfahrens – einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 7) – tragen die Klägerin und die Beigeladenen zu 8) und 9) gesamtschuldnerisch. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 6) tragen diese selbst.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 8).

Dieser wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1992 als Arzt für Radiologie im damaligen Verwaltungsbezirk T zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit Juli 2005 übt er seine vertragsärztliche Tätigkeit in der A Straße im (jetzigen) Verwaltungsbezirk T- aus. Mit Wirkung zum 1. Januar 2010 genehmigte der Zulassungsausschuss (Beschluss vom 16. Dezember 2008, ausgefertigt am 19. Februar 2009 und zugegangen am 22. Februar 2010), ihm und der Beigeladenen zu 9), einer Fachärztin für Radiologische Diagnostik mit Vertragsarztsitz in der Estraße (ebenfalls Bezirk T-), das Führen einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) mit der Hauptbetriebsstätte am Vertragsarztsitz der Beigeladenen zu 9) und der Nebenbetriebsstätte am Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 8). Hierzu hatten diese beiden Beigeladenen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages vom 7. Dezember 2009 gegründet, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Blatt 132 bis 164 bzw. Blatt 409 der Gerichtsakte verwiesen wird.

Am 3. März 2010 schlossen die Beigeladenen zu 8) und 9) einen „Vertrag über den Erwerb von Gesellschaftsanteilen“ mit u. a. folgendem Inhalt:

Präambel

(Der Beigeladene zu 8) und die Beigeladene zu 9)) nehmen jeweils in Einzelpraxen an der privat- und vertragsärztlichen Versorgung in den Standorten AStraße 2 in Berlin bzw. Estraße in Berlin teil.

Die Parteien beabsichtigen nunmehr, zukünftig ihre privat- und vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam auszuüben und gründen hierzu eine Berufsausübungsgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die als überörtliche, fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaft innerhalb des Planungsbereiches Berlin zum 01.01.2010 errichtet wurde.

(Der Beigeladene zu 8)) beabsichtigt jedoch bereits zum jetzigen Zeitpunkt, im Jahre 2010 aus der Gesellschaft auszuscheiden, da er seine privat- und vertragsärztliche Tätigkeit beenden möchte. (Der Beigeladene zu 8)) wird daher seinen Vertragsarztsitz zur Nachbesetzung ausschreiben lassen.

(Die Beigeladene zu 9))beabsichtigt nach Gründung der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft, die Geschäftsanteile von (dem Beigeladenen zu 8)) käuflich zu erwerben und einen Facharzt für diagnostische Radiologie zu benennen, der sich auf den Vertragsarztsitz von (dem Beigeladenen zu 8)) bewirbt. Der von (der Beigeladenen zu 9)) noch zu benennende Facharzt für diagnostische Radiologie wird sich sodann mit ihr über den Beitritt zur überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft verständigen.

Zur Umsetzung dieser Nachfolge vereinbaren die Parteien im Einzelnen Folgendes:

§ 1

Übertragung der Gesellschaftsanteile

(1) Der Verkäufer überträgt der Erwerberin mit Wirkung zum Ablauf des 01.07.2010 seinen Anteil an der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie sein im Sonderbetriebsvermögen befindliches materielles und immaterielles Vermögen.

(2) Als Kaufpreis für die Übertragung der Gesellschaftsanteile zahlt die Erwerberin an den Verkäufer einen Betrag in Höhe von … (in Worten: ….).

(3) Der Kaufpreis ist bei Bestandskraft der vertragsärztlichen Zulassung des von der Erwerberin noch zu benennenden Dritten in Nachfolge des Verkäufers, spätestens jedoch am 01.07.2010 zur Auszahlung an diesen fällig.

§ 2

Verfahren und Bedingungen

(1) Den Parteien ist bekannt, dass infolge der Bedarfsplanung für die Zulassung des von der Erwerberin noch zu benennenden Dritten zur vertragsärztlichen Versorgung ein Verfahren nach § 103 Abs. 4, 6 SGB V durchgeführt werden muss.

Der Verkäufer überträgt der Erwerberin bereits mit Unterzeichnung dieses Vertrages unwiderruflich das in § 103 Abs. 4 SGB V begründete Recht auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes auf eine von der Erwerberin noch zu benennenden Dritten. Der Verkäufer verpflichtet sich ferner, auf seine Vertragsarztzulassung zu verzichten, ohne dass die Bedingung aufgestellt wird, dass ein Nachfolger für ihn gefunden wird. Die Erwerberin ist sodann berechtigt, in ihrem Namen alle die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes betreffenden Erklärungen gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sowie den Zulassungsgremien abzugeben. Unabhängig hiervon ist der Verkäufer verpflichtet, nach Weisung der Erwerberin alle erforderlichen Handlungen vorzunehmen und Willenserklärungen abzugeben, die zum Zwecke der Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes sachdienlich sind.

§ 5

Übernahme des Personals

(1) Den Vertragsparteien ist bekannt, dass der von ihnen in Aussicht genommene Gesellschafterwechsel grundsätzlich nicht die Identität der Berufsausübungsgemeinschaft zwischen dem Verkäufer und der Erwerberin ändert, sodass sich die Übernahme des von dem Verkäufer und der Erwerberin beschäftigten Personals nicht nach § 613 a BGB richtet. Die Mitarbeiterinnen bleiben daher weiterhin bei der Berufsausübungsgemeinschaft beschäftigt.

(2) Für den Fall, dass es sich vorliegend um einen Betriebsübergang handeln sollte, richtet sich die Übernahme des Personals des Verkäufers nach § 613 a BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültigen Fassung.

§ 6

Praxisräume

(1) Die Erwerberin wird zum 01.04.2010 die Praxisräume in der A Straße in B mit übernehmen. Der Verkäufer wird mit der Übergab der Praxis aus allen Pflichten des Mietvertrages entlassen. Die Erwerberin tritt in den Mietvertrag ein. Der Erwerberin sind der Mietvertrag und die hiermit verbundenen Rechte und Pflichten bekannt.

(2) Den Vertragsparteien ist bekannt, dass der Eintritt in die bestehenden Mietverträge durch die Erwerberin von der Zustimmung des Vermieters abhängig ist. Die Parteien werden daher darauf einwirken, dass der Vermieter dem Wechsel der Mietvertragsparteien zustimmt.

(3) Die Erwerberin ist darüber informiert, dass sich die Praxis des Verkäufers in einer Praxisgemeinschaft mit Frau Dr. Z, die ebenfalls Radiologin ist, befindet. Hieraus folgt, dass die Erwerberin am Praxisstandort A Str. in B nicht in Konkurrenz zur Nachbarpraxis von Frau Dr. Z in der Leistungserbringung auf dem Gebiet Mammografie, Mammosonografie und der farbkodierten Duplexsonografie treten darf. Insoweit verpflichtet sich die Erwerberin gegenüber dem Verkäufer zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots gegenüber Frau Dr. Z. Sollte die Erwerberin dieses Konkurrenzverbot nicht beachten, ist der Verkäufer berechtigt, seine Ansprüche gegenüber der Erwerberin auf Unterlassung dieser Leistungserbringung an Frau Dr. Z abzutreten. Hinsichtlich der Leistungserbringung auf dem Gebiet der Computertomografie wird auf die Regelung im Praxisvertrag (§ 17 des Mietvertrages vom 24.01.2006) verwiesen. Danach hat sich die Vermieterin verpflichtet, andere Praxen innerhalb des Gesamtobjektes während der Dauer des Mietvertrages nicht zum Betrieb einer konventionellen Röntgenpraxis einschließlich Mammografie, farbkodierter Duplexsonografie und Computertomografie zu vermieten. Schlussendlich stellt die Erwerberin den Verkäufer für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Vereinbarung nach Übernahme des Gesellschaftsanteils von möglichen Forderungen Dritter – notfalls im Innenverhältnis – aufs erste Anfordern frei.

§ 7

Übergang von Ansprüchen und Verbindlichkeiten

(1) Ab Übergabe der Praxis trägt die Erwerberin anstelle des Verkäufers sämtliche mit der Praxis verbundenen Ausgaben und Abgaben, insbesondere aus Versorgungsverträgen, Versicherungen und sonstigen Dauerschuldverhältnissen.

(2) Die Erwerberin stellte den Verkäufer diesbezüglich von allen Ansprüchen im Innenverhältnis ab Übergabe der Praxis frei.

(3) Vor dem Übergabetag begonnene Behandlungsmaßnahmen werden von dem Verkäufer nach den Vorschriften der HVV, EBM oder der GOÄ abgerechnet und stehen diesem zu.

(4) Für den Fall, dass der Verkäufer sich ab dem 01.04.2010 durch einen von der Erwerberin zu benennenden Dritten vertreten lassen sollte, stellt die Erwerberin den Verkäufer von sämtlichen Kosten betreffend des Standortes AStr. 2, Berlin im Innenverhältnis frei. Sämtliche Einnahmen stehen demgegenüber der Erwerberin zu.

Mit Schreiben vom 16. März 2010 an die S mbH erklärte der Beigeladene zu 8) seinen „Verzicht auf Fortführung“ seines Mietvertrages ab dem 1. April 2010 und bat zugleich darum, die notwendigen vertraglichen Regelungen mit der Beigeladenen zu 9) „zu diesem Zeitpunkt zu realisieren“. Unter dem 13. April 2010 bat das ebenfalls in der A Straße ansässige MVZ A durch seinen ärztlichen Leiter, den Facharzt für Neurologie und Radiologie Dr. R, in zwei Schreiben an die G GmbH bzw. die C GmbH um eine „optionale Vermietungszusage“ für diese Praxisräume bzw. gab „sachdienliche Hinweise“ zur Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 8). Am 21. Mai 2010 räumte die S GmbH der beim MVZ A angestellten Beigeladenen zu 7) eine Mietoption „zu gleichen Konditionen des derzeit bestehenden Mietverhältnisses“ mit dem Beigeladenen zu 8) ein.

Auf einem am 23. März 2010 von ihm unterschriebenen Vordruck, welcher bei der Beigeladenen zu 1) am 31. März 2010 einging, verzichtete der Beigeladene zu 8) unbedingt auf seinen Vertragsarztsitz mit Wirkung zum 30. Juni 2010 und beantragte zugleich die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes. Seinen am gleichen Tag gestellten Antrag auf urlaubsbedingte Vertretung für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 2010 durch die Klägerin genehmigte die Beigeladene zu 1) „für die Zeit vom 27. Mai 2010 bis zur Praxisübergabe, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2010“.

Im Planungsbereich „Berlin, Bundeshauptstadt“ galten im Jahre 2010 für die Fachgruppe der Röntgenärzte Zulassungsbeschränkungen (Beschluss des Landesausschusses vom 10. Februar 2010, KV-Blatt 03.2010, A 1199) bei einem Versorgungsgrad von 133,9 % (Basisbericht 2010/2011 – Gesundheitsberichterstattung Berlin, Daten des Gesundheits- und Sozialwesens, Hrsg.: Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, S. 95, Tabelle 6.2-1, verfügbar über http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/basis.html#BB2009).

Aus den Abrechnungsdaten der Beigeladenen zu 1) ergeben sich für die o.g. üBAG folgende Daten:

        Leistungen in Punkten für Betriebsstätte der Beigeladenen zu 9)Leistungen in Punkten für Betriebsstätte des Beigeladenen zu 8)Anzahl der gemeinsam behandelten PatientenQuartal I/103.861.2051.680.36527    Quartal II/104.202.667,51.475.637,531    Auf die im Mitteilungsblatt der Beigeladenen zu 1) für Mai 2010 erfolgte Ausschreibung zur Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 8), welche den Hinweis „Praxissitz als Radiologie (GP)“ enthielt, bewarben sich die Klägerin und die Beigeladene zu 7).

Die im August 1939 geborene Klägerin ist seit Juni 1964 approbiert und erhielt im Januar 1976 ihre Anerkennung als Fachärztin für Radiologie. Von 1979 bis 1992 war sie in verschiedenen Polikliniken und vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 2002 als Leiterin der Röntgen-Abteilung im G GmbH, einer Einrichtung nach § 311 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – („311er-Einrichtung“), tätig. Seither ist sie Rentnerin. In der Folgezeit vertrat sie nach eigenen Angaben eine andere Vertragsärztin im Jahre 2003 an 29 Kalendertagen und den Beigeladenen zu 8) in den Jahren 2003 bis 2009 in Zeiträumen zwischen fünf und 24 Kalendertagen. Seit dem 1. Juni 2010 ist sie in das Arztregister des Zulassungsbezirks eingetragen. Unter dem 26. Juni 2010 bescheinigte ihr die Landesanstalt für Personendosimetrie und Strahlenschutzausbildung Mecklenburg-Vorpommern, an einem Kurs zur Aktualisierung der Fachkunde nach § 18 a Abs. 2 Röntgenverordnung regelmäßig teilgenommen und die Abschlussprüfung bestanden zu haben.

Die im Juli 1953 geborene Beigeladene zu 7) ist seit September 1979 approbiert und erwarb im April 1986 die Anerkennung als Fachärztin für Radiologie. Anschließend war sie bis 1991 zunächst in einer Betriebspoliklinik sowie anschließend im Röntgeninstitut der Charite Berlin tätig. Seit 1992 nimmt sie an der vertragsärztlichen Versorgung, zunächst im Bezirk der KV Brandenburg sowie seit 1994 im Bereich der Beigeladenen zu 1), teil. Seit 1. Januar 2009 ist sie im MVZ A, angestellt, seit dem 1. April oder 1. Juni 2009 nur noch im Umfang von 0,25.

Mit Beschluss vom 30. Juni 2010 ließ der Zulassungsausschuss die Klägerin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung als Fachärztin für Radiologie zum 1. Juli 2010 unter der aufschiebenden Bedingung zu, dass sie die bisherige Praxis des Beigeladenen zu 8) an dessen Vertragsarztsitz fortführe. Zugleich wurde der Zulassungsantrag der Beigeladenen zu 7) abgelehnt. Mit weiterem Beschluss vom gleichen Tage gab der Zulassungsausschuss dem Antrag der Klägerin und der Beigeladenen zu 9), eine üBAG in Form einer GbR zu führen, unter Auflagen statt, wegen deren Inhalts auf Blatt 170 der Gerichtsakte verwiesen wird.

Ebenfalls mit Beschluss vom 30. Juni 2010 beendete der Zulassungsausschuss die üBAG der Beigeladenen zu 8) und 9) mit Wirkung zum 30. Juni 2010. Ausweislich seiner beim Zulassungsausschuss eingereichten schriftlichen Erklärung vom 1. Juli 2010 übergab der Beigeladene zu 8) an diesem Tage seine Praxis an die Klägerin. Zum gleichen Zeitpunkt „trat“ diese in den die Überlassung der Praxisräume des Beigeladenen zu 8) betreffenden Mietvertrag „ein“, während der Beigeladene zu 8) mit Wirkung zum Vortag aus diesem Mietvertrag „ausgetreten“ war. Die dem zugrunde liegende Vereinbarung vom 22. Juni 2010, die „in Ergänzung des Mietvertrages vom 24.01.2006“ zwischen der Klägerin, dem Beigeladenen zu 8) und der G GmbH & Co. KG, vertreten durch die G GmbH, geschlossen wurde, enthält unter anderem folgenden Passus:

„2. Konkurrenzschutz im Objekt:

Der Mieter wird darauf hingewiesen, dass die Praxis nur in der bestehenden Form weiterbetrieben werden darf. In diesem Fall zum Betrieb einer konventionellen Röntgenpraxis, einschließlich Mammographie, Duplexsonographie und Computertomographie. Alle weiteren Fachrichtungen bedürfen der vorherigen Zustimmung des Vermieters, da sonst der Konkurrenzschutz anderer Mieter verletzt werden könnte.

Dennoch auftretende, etwaige Schadensersatzansprüche aus der Verletzung des Konkurrenzschutzes trägt der Mieter.“

Ferner sollte diese Vereinbarung unter der aufschiebenden Bedingung der Zulassung der Klägerin zur vertragsärztlichen Versorgung am Praxissitz A Straße in Nachfolge des Beigeladenen zu 8) stehen.

Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 7) gegen den o.g. Zulassungsbescheid vom 30. Juni 2010 änderte der Beklagte diesen Beschluss und ließ die Beigeladene zu 7) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung als Fachärztin für Radiologie ab dem 1. September 2010 unter der aufschiebenden Bedingung zu, dass sie die bisherige Praxis des Beigeladenen zu 8) an dessen Vertragsarztsitz fortführe sowie den Verkehrswert dieser Praxis an den Beigeladenen zu 8) bzw. dessen Rechtsnachfolger zahle. Ferner verband der Beklagte die Zulassung mit der Auflage, dass die vertragsärztliche Tätigkeit innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung seines Bescheides aufzunehmen sei, und ordnete die sofortige Vollziehung des Beschlusses an. Zur Begründung führte der Beklagte u. a. aus, dass die Beigeladene zu 7) zur Praxisnachfolge zuzulassen und der Zulassungsantrag der Klägerin abzulehnen gewesen sei. Bei der Berücksichtigung der beruflichen Eignung der Bewerberinnen sei nicht nur danach zu werten, ob überhaupt eine für die Übernahme der konkreten Praxis erforderlichen Qualifikationen vorhanden sei, sondern auch danach, wie sich den Zulassungsgremien, die für die Versicherten eine möglichst gute Versorgung erreichten sollten, die zukünftige Praxistätigkeit auf der Grundlage der vorhandenen Qualifikation darstelle. Insoweit sei bei der Beigeladenen zu 7) ein Vorteil darin zu sehen, dass sie seit 1992 im Bereich der ambulanten Versorgung tätig gewesen sei, hier insbesondere auch an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen habe und die für die Vertragsärzte verpflichtenden Fortbildungsmaßnahmen absolviert habe. Dem gegenüber sei die Klägerin ausschließlich – bis auf die Vertretungszeit beim Beigeladenen zu 8) – als Krankenhausärztin tätig gewesen. Dies möge bei relativ kurzen Tätigkeiten unerheblich sein, aber in einem anderen Licht erscheinen, wenn es sich im Grunde um ein gesamtes mit Eintritt in den Rentenbezug abgeschlossenes Berufsleben handele. Zudem sei die Dauer der beruflichen Tätigkeit von einem gewissen Zeitpunkt eher nachrangig, weil von diesem Zeitpunkt kaum mehr neue Erfahrungen gesammelt würden. Auch aus der Dauer der Tätigkeit werde aber deutlich, dass der „Verwertung“ vorhandener Erfahrungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung ebenfalls ein Vorteil zukomme. Der Zeitraum seit der Approbation könne zunächst als positives Kriterium insoweit zu werten sein, dass derjenige mit dem längeren Approbationsalter den Vorrang erhalte, insbesondere weil der Berücksichtigung dieses Umstandes auch eine soziale Komponente innewohne. Nach einem längeren Zeitraum seit der Approbation könne sich dies aber umkehren, denn die entsprechend mögliche Zeit des Erwerbs sozialer Sicherheit durch Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit verringere sich naturgemäß. Nach § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V könne im Rahmen der Ermessensausübung auch als einzig verfassungskonformer Zweck der Berücksichtigung des Approbationsalters die Ermöglichung einer ausreichend langen ärztlichen Tätigkeit des Bewerbers bis zum Eintritt ins Rentenalter bzw. zum Erwerb eines Anspruchs aus einem Versorgungswerk gesehen werden. Da die Klägerin bereits einen derartigen Anspruch aus ihrer Tätigkeit als Krankenhausärztin erworben habe, spreche die so verstandene Berücksichtigung ihres Approbationsalters gegen sie, zumal sie bereits seit 8 Jahren aus dem Berufsleben ausgeschieden sei. Im Rahmen von § 103 Abs. 6 SGB V sei nicht ein Vertragsverhältnis maßgeblich, sondern die konkrete Situation der Praxis des verzichtenden Arztes. Sinn dieser Vorschrift sei nicht, über die Gründung von üBAGen eine Nachfolge unter Übergehung anderer zu sichern, sondern die bisherige gemeinsame Tätigkeit der Praxis nicht durch das Hinzukommen unpassender Partner zu stören oder aber eine Gemeinschaftspraxis als solche fortführen zu können. Die Beigeladene zu 7) habe nie ausgeschlossen, sich an einer Gemeinschaftspraxis mit der Beigeladenen zu 9) zu beteiligen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass sich die Klägerin besser als die Beigeladene zu 7) für die Fortführung der Praxis auch im Rahmen einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft eignen könnte. Maßgeblich sei daher nur die berufliche Eignung für die konkret zu übernehmende Praxis des Beigeladenen zu 8). Allein für diese sei die Eignung der Klägerin als Radiologin nicht besser, da ihre zusätzlichen Qualifikationen hier nicht benötigt würden. Wenn allerdings nicht nur die Praxis des Beigeladenen zu 8), sondern diese im Zusammenhang mit der üBAG zu sehen sei, sei jedenfalls die Eignung der Beigeladenen zu 7) erheblich besser, denn sie verfüge über zusätzliche Qualifikationen, insbesondere in der Kernspintomographie. Sie könne deshalb besser als die Klägerin das Angebotsspektrum der üBAG ausfüllen, da die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beigeladenen zu 8) und 9) auch ein Tätigwerden in der jeweils anderen Praxis vorsähen sowie darüber hinaus die gegenseitige Vertretung in urlaubs- und fortbildungsbedingten Abwesenheitszeiten. Von schützenswerten gewachsenen Strukturen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne bei der vertraglich fixierten Gemeinschaft zwischen den Beigeladenen zu 8) und 9) keine Rede sein. Es werde nicht einmal ersichtlich, dass die Beigeladene zu 9) überhaupt im nennenswerten Umfang in der Praxis des Beigeladenen zu 8) tätig gewesen sei, noch dass seit Anfang 2010 überhaupt eine schützenswerte Bindung gemeinschaftlicher Tätigkeit entstanden sei. Die Beigeladene zu 7) sei auch bereit, den Verkehrswert der Praxis zu zahlen, wobei es zunächst Aufgabe des Praxisabgebers bzw. seiner Rechtsnachfolgerin/Gemeinschaftspartnerin sei, diesen Wert zu benennen.

Die sofortige Vollziehung sei im Interesse der Klägerin sowie der Beigeladenen zu 7) bis 9) anzuordnen gewesen, weil andernfalls nicht nur ein Wertverfall der Praxis drohe, sondern auch eine erhebliche wirtschaftliche Einbuße für diese Betroffenen. Denn nur wenn die Praxis auch betrieben werden könne, könnten auch Einkünfte erzielt werden, mit denen zum einen die Beigeladene zu 7) die Kaufpreisfinanzierung sicherstellen könne und zum anderen die Beigeladenen zu 8) bzw. 9) den Kaufpreis alsbald realisieren könnten.

Nach Erhebung der Klage erließ der Beklagte am 8. Dezember 2010 einen „Berichtigungs- und Ergänzungsbeschluss“, nach dessen Ziffer 1 sein Beschluss vom 18. August 2010 wegen offensichtlicher Unrichtigkeit durch Anfügen der Ziffer 6 (Ablehnung des Zulassungsantrages der Klägerin) berichtigt werde sowie auf Antrag der Beigeladenen zu 7) die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung „in Bezug auf die Auflage zur Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb von drei Monaten“ aufgehoben werde. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass aus seinem gesamten Beschluss vom 18. August 2010 hervorgehe, dass auch die Ablehnung der Zulassung der Klägerin gewollt und begründet worden sei. Die sofortige Vollziehbarkeit sei allein im überwiegenden Interesse der Beigeladenen zu 7) angeordnet worden und könne daher bei Wegfall dieses Interesses wieder aufgehoben werden. An diesem Beschluss wirkte auch Dr. R, der damalige Lebensgefährte und heutige Ehemann der Beigeladenen zu 7), mit.

Während des Klageverfahrens hat die Klägerin einen beim Sozialgericht gestellten Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 30. Juni 2010 wieder zurückgenommen. Den Antrag der Beigeladenen zu 1) auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses des Beklagten vom 18. August 2010 lehnte das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 17. März 2011 (Az.: S 83 KA 133/11 ER) ab.

Mit Urteil vom 4. Mai 2011 wies das Sozialgericht die Klage weitgehend ab und verpflichtete den Beklagten lediglich zur Neubescheidung unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung. Zur Begründung führte es aus:

Soweit die Klägerin die Feststellung begehre, dass sie bereits aufgrund Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 30. Juni 2010 bestandskräftig als Nachfolgerin des Beigeladenen zu 8) zugelassen sei, sei die Klage unbegründet, weil sich dem Beschluss des Beklagten vom 18. August 2010 mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lasse, dass die Zulassung der Klägerin unter entsprechender Änderung des Beschlusses des Zulassungsausschusses abgelehnt worden sei. Da nur ein Vertragsarztsitz ausgeschrieben gewesen und eine Sitzverdoppelung grundsätzlich ausgeschlossen sei, sei auch ohne ausdrückliche Tenorierung bereits aus dem Tenor des Beschlusses vom 18. August 2010 hinreichend deutlich erkennbar, dass an der Stelle der Klägerin die Beigeladene zu 7) zugelassen und die Zulassung der Klägerin konkludent abgelehnt worden sei. Jedenfalls ergebe sich dies unzweifelhaft aus der Begründung dieses Beschlusses. Dass es sich bei der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung um eine Statusentscheidung handele, bei der Rechtsklarheit von besonderer Bedeutung sei, stehe einer Heranziehung der für Verwaltungsakte allgemein geltenden Auslegungsgrundsätze nicht entgegen. Selbst wenn man dies anders sehe und allein den Tenor des Beschlusses als für die Auslegung maßgeblich zugrunde lege, sei zu berücksichtigen, dass der Beschluss des Beklagten entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG den Beschluss des Zulassungsausschusses vollständig ersetze. Vor diesem Hintergrund sei der Beschluss vom 18. August 2010 dahingehend auszulegen, dass allein maßgeblich die Ziffern 2 bis 5 seines Beschlusstenors seien und nicht der Beschluss des Zulassungsausschusses insoweit Bestand haben solle, als der Beschluss des Beklagten hiervon keine abweichende Regelung treffe.

Soweit die Feststellung begehrt werde, dass die Zulassung der Beigeladenen zu 7) nach § 19 Abs. 3 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) erloschen sei, sei die Klage unbegründet, weil die Zulassung auch unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Verkehrswert an den Beigeladenen zu 8) bzw. dessen Rechtsnachfolger gezahlt werde, ausgesprochen worden sei und diese Bedingung bislang noch nicht eingetreten sei. Insofern existiere noch keine Zulassung, die nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV enden könne. Vor Eintritt der aufschiebenden Bedingung habe die Beigeladene zu 7) ihre vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnehmen können und dürfen. Unabhängig davon, ob dies überhaupt Einfluss auf den Eintritt der Rechtsfolgen nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV habe, habe die Beigeladene zu 7) den Eintritt der aufschiebenden Bedingung der Verkehrswertteilung auch nicht treuwidrig vereitelt. Sie habe sich zeitnah um die für die Bestimmung des Verkehrswertes erforderlichen Unterlagen bemüht, sodass nicht ersichtlich sei, dass sie die Kaufpreiszahlung absichtlich herausgezögert habe. Dass es in der Folge zwischen den Beigeladenen zu 7) und 9) zu Streit darüber gekommen sei, ob der Kaufpreis an die Beigeladene zu 9) oder den Beigeladenen zu 8) zu zahlen sei und ob die Übersendung einer Vertraulichkeitserklärung durch die Beigeladene zu 7) erforderlich sei, spreche unabhängig von der rechtlichen Bewertung der gegenseitigen Standpunkte jedenfalls nicht für eine treuwidrige Vereitelung der Beigeladenen zu 7). Zudem sei auch bei sofortiger Übersendung der Vertraulichkeitserklärung und einer unterstellten zeitnahen Übersendung der für die Praxisbewertung erforderlichen Unterlagen nicht davon auszugehen, dass es der Beigeladenen innerhalb der Drei-Monats-Frist möglich gewesen wäre, den Verkehrswert zu ermitteln bzw. sich hierüber mit der Beigeladenen zu 9) zu einigen.

Auch der Antrag, den Beklagten zur Zulassung der Klägerin zu verpflichten, bleibe ohne Erfolg. Das Nachbesetzungsverfahren sei formell ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Beigeladene zu 8) habe wirksam auf seine Zulassung verzichtet und die Beigeladene zu 1) habe den freigewordenen Vertragsarztsitz ausgeschrieben. Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene zu 7) hätten ihre Bereitschaft bekundet, die Praxis in den ehemaligen Praxisräumen des Beigeladenen zu 8) fortführen zu wollen. Für die Glaubhaftigkeit dieser Aussage der Beigeladenen zu 7) spreche auch, dass sie sich ausdrücklich beim Vermieter eine Option für die ehemaligen Praxisräume des Beigeladenen zu 8) erbeten habe. Damit sei dem Interesse der Beigeladenen zu 8) und 9) an der Verwertung der Praxis ausreichend Rechnung getragen. Dass die Beigeladene zu 7) bei Scheitern der Verhandlungen über die Fortführung der üBAG mit der Beigeladenen zu 9) sowie der offenkundig bestehenden Konkurrenzsituation mit dem MVZ A und der partnerschaftlichen Verbindung mit Dr. R möglicherweise beabsichtige, ihre Zulassung in das MVZ A einzubringen, sei zwar naheliegend, stehe aber der beabsichtigten Fortführung der Praxis nicht entgegen. Der Grundsatz, dass einem Arzt, der die Tätigkeit des ausscheidenden Vertragsarztes in einer BAG nicht fortsetzen wolle, auf der Grundlage von § 104 Abs. 4 Satz 3 SGB V keine Zulassung erteilt werden dürfe, könne dann nicht gelten, wenn mit dem Ausscheiden des Vertragsarztes eine BAG tatsächlich nicht bzw. nicht in nennenswertem Umfang „gelebt“ worden sei. Der Ausschluss von Bewerbern, die von vornherein kein Interesse an der Fortführung der BAG hätten, diene den Interessen der in einer Gemeinschaftspraxis verbleibenden Vertragsärzte an der Fortführung dieser Gemeinschaftspraxis in einer bestimmten gewachsenen und im Hinblick auf die apparativ-technische und personelle Ausstattung der Praxis sowie die unter Berücksichtigung der Zahl der zu versorgenden Patienten angemessenen Größe. Von einer solchen „gewachsenen“ BAG mit gemeinsamer apparativ-technischer und personeller Ausstattung könne indes vorliegend keine Rede sein. Auch wenn – wie von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung dargelegt – eine Vereinheitlichung der Praxissoftware und ein Austausch des Personals der beiden Praxen zur gegenseitigen Einarbeitung vorgenommen worden sei, habe die Zusammenführung beider Praxen keinen erheblichen Umfang angenommen, der nicht ohne größere Schwierigkeiten wieder rückgängig gemacht werden könne. Denn die Ausstattung der Praxen sei hinsichtlich der Geräte unverändert geblieben und eine gemeinsame Patientenbehandlung habe nicht in nennenswertem Umfang stattgefunden. Es sei angesichts der tatsächlichen Abläufe und der zeitlichen Abfolge offensichtlich, dass die Gründung der üBAG allein dem wirtschaftlichen Interesse der Beigeladenen zu 9) an der Praxis der Beigeladenen zu 8) diene. Es könne in tatsächlicher Hinsicht keinen Unterschied machen, ob die Praxis zunächst in eine Gesellschaft eingebracht und anschließend (nur wenige Monate später) die eingebrachten Anteile vollständig auf den anderen Gesellschafter übertragen würden oder ob – entsprechend einem Kaufvertrag – die Praxis unmittelbar übertragen werde. Gehe es ausschließlich um das wirtschaftliche Interesse an der fortzuführenden bisherigen Einzelpraxis, sei es nicht gerechtfertigt, dem verbleibenden Partner der BAG ein faktisches Vetorecht bezüglich der Auswahl des Erwerbers einzuräumen, da ansonsten die nach § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V grundsätzlich maßgeblichen Auswahlkriterien im Rahmen des Einzelpraxisnachfolgeverfahrens durch eine allein zu diesem Zweck vorgenommene Gründung einer BAG umgangen werden könnten. In einem solchen – hier vorliegenden – Fall müsse sich das rechtlich schutzwürdige Interesse des verbleibenden Arztes auf das zuvor dem ausscheidenden Vertragsarzt zustehende wirtschaftliche Verwertungsinteresse in Höhe des Verkehrswertes beschränken, mit der Folge, dass von dem Bewerber zwingend nur verlangt werden könne, die Praxis am bisherigen Praxissitz fortführen und den Verkehrswert zahlen zu wollen. Die Beigeladene zu 7) sei daher nicht von vornherein als ungeeignete Bewerberin auszuschließen gewesen.

Der Beklagte habe das ihm zustehende Auswahlermessen indes nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Ausführungen des Beklagten zur Berücksichtigung des Approbationsalters seien allerdings zutreffend, sodass hierauf verwiesen werden könne. Dass das höhere Lebensalter der Klägerin nicht im Rahmen der beruflichen Eignung zu ihren Gunsten und der Aspekt der Ermöglichung einer Altersabsicherung zu ihren Lasten berücksichtigt worden sei, stelle auch keine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Erster Aspekt beinhalte keine Benachteiligung und der Versorgungsaspekt sei in § 10 Satz 3 Nr. 6 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausdrücklich als legitimer Zweck einer Differenzierung wegen des Alters erwähnt.

Rechtlich nicht zu beanstanden sei auch, dass die Beklagte nach dem oben Gesagten die Interessen der Beigeladenen zu 9) nicht als Vorteil zugunsten der Klägerin gewertet habe.

Überwiegend rechtlich nicht haltbar seien indes die Ausführungen des Beklagten bezüglich der beruflichen Eignung beider Bewerberinnen. Zwar stehe dem Beklagten insoweit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Zutreffend habe der Beklagte die zusätzliche Qualifikation der Beigeladenen zu 7), insbesondere im Bereich der Kernspintomographie, und deren Bedeutung für die vertraglich vorgesehen wechselseitige Vertretung der Partner der üBAG hervorgehoben. Nicht nachvollziehbar seien hingegen die Ausführungen des Beklagten zur besseren beruflichen Eignung der Beigeladenen zu 7) aufgrund ihrer durchgehenden vertragsärztlichen Tätigkeit. Zwar habe der Beklagte seine – in tatsächlicher Hinsicht unzutreffenden – Ausführungen, die Klägerin sei ausschließlich als Krankenhausärztin tätig gewesen, in der mündlichen Verhandlung dahingehend ergänzt, dass sich diese lediglich auf die Unterscheidung einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt bzw. in einer ärztlichen Praxis im Sinne von § 1a Nr. 18 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bezogen und insbesondere die Eignung im Hinblick auf die ärztlichen Hauptpflichten betroffen habe, zu denen insbesondere auch organisatorische und abrechnungstechnische Angelegenheiten nach dem SGB V gehörten, sodass die Tätigkeit in einer Arztpraxis bzw. in einem MVZ praxisnäher sei als die Tätigkeit in einer Poliklinik, die in den Regelungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) ursprünglich nicht vorgesehen gewesen und nur über § 311 SGB V in den Regelungsbereich des SGB V einbezogen worden seien. Diese Ausführungen seien unabhängig von der Möglichkeit eines Nachschiebens von Gründen bezüglich der Ermessenausübung und der Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen im Rahmen des Klageverfahrens nicht nachvollziehbar. Die Klägerin sei nach ihren eigenen, von der Kammer nicht angezweifelten Angaben in ihrer Tätigkeit als Leiterin einer Röntgenabteilung in verschiedenen Polikliniken der DDR zwischen 1978 und 2002 auch verantwortlich für Personalführung, Organisation sowie Abrechnung und Gerätebeschaffung gewesen. Ehemalige DDR-Polikliniken nähmen jedoch nach § 311 Abs. 2 SGB V an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teil und seien letztlich auch Vorbild der zum 1. Januar 2004 eingeführten MVZen. Der einzige Unterschied der Klägerin zur Beigeladenen zu 7) habe darin bestanden, dass die Klägerin während ihres gesamten Berufslebens nur als angestellte Ärztin tätig gewesen sei. Dass und warum dies angesichts der im Übrigen identischen ärztlichen organisatorischen Tätigkeiten in verschiedenen vertragsärztlichen Organisationsformen die Klägerin als weniger geeignet erscheinen lasse, erschließe sich der Kammer nicht. Sofern der Beklagte darauf abgestellt habe, dass die Beigeladene zu 7) – im Gegensatz zur Klägerin – die für Vertragsärzte verpflichtenden Fortbildungsmaßnahmen absolviert habe, erscheine das zwar für die Zeit ab 2004 wegen der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Einführung von § 95 d SGB V nachvollziehbar, jedenfalls aber nicht für den vom Beklagten angeführten Zeitraum „seit 1992“. Zudem dürften sich § 95 d SGB V und die allgemeinen berufsrechtlichen Regelungen (vgl. § 4 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – MBO) bezüglich des Umfanges der Fortbildungspflichten nicht unterscheiden. Die allgemeinen berufsrechtlichen Fortbildungspflichten hätten auch die Klägerin – und zwar auch für die Zeit ab 2003, in der sie noch vertretungsweise ärztlich tätig gewesen sei – getroffen. Ob die Klägerin ihren Fortbildungspflichten ab 2003 tatsächlich nachgekommen sei, hätte der Beklagte – sofern er seine Entscheidung darauf hätte stützen wollen, ggf. ermitteln müssen. Unabhängig hiervon hätte es die Kammer als vertretbar angesehen, einen Nachteil hinsichtlich der beruflichen Eignung der Klägerin darin zu sehen, dass sie seit 2003 nur noch sporadisch für wenige Tage bzw. Wochen im Jahr ärztlich tätig gewesen sei, da es bei einem so geringen Umfang ärztlicher Tätigkeit über mehrere Jahre nahe liegend erscheine, dass hierunter mangels regelmäßiger praktischer Ausübung der medizinischen Tätigkeit und mangels ausreichender Möglichkeit der Befassung mit medizinischen und technischem Fortschritt auch die medizinischen ärztlichen Fähigkeiten leiden.

Gegen dieses ihnen am 13. Mai 2011 bzw. am 16. Mai 2011 zugestellte Urteil haben die Klägerin und die Beigeladene zu 9) am 15. Juni bzw. der Beigeladene zu 8) am 16. Juni 2011 Berufungen eingelegt.

Zur Begründung ihrer Berufungen haben die Klägerin und die Beigeladene zu 9) vorgebracht: Die Zulassung der Klägerin sei bereits durch den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 30. Juni 2010 bestandskräftig festgestellt. Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts unterscheide die Frage der funktionalen Zuständigkeit und damit die Frage nach der materiell-rechtlichen Entscheidungsbefugnis nicht davon, welche inhaltlichen Entscheidungen der Berufungsausschuss getroffen habe und welche Rechtsfolgen daran geknüpft seien. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Beschluss des Zulassungsausschusses durch Anrufen des Berufungsausschusses nicht automatisch aufgehoben werde. Im Umkehrschluss sei daher zu fordern, dass der Beklagte im Tenor seiner Entscheidung hinreichend deutlich mache, dass und vor allem wie er die Entscheidung des Zulassungsausschusses „ändern“ möchte. Bei der vom Sozialgericht dem Beklagten unterstellten Willen hätte er die Entscheidung des Zulassungsausschusses ausdrücklich „aufgehoben“, nicht jedoch nur „geändert“. Eine „konkludente“ Aufhebung einer Statusentscheidung sei nicht möglich. Ein ausschließlich in den Entscheidungsgründen erfolgter Hinweis, dass der Zulassungsantrag der Klägerin abzulehnen sei, genüge den Anforderungen an die vom BSG ausdrücklich geforderte „klare Regelung“ nicht. An der somit bestandskräftigen Zulassung der Klägerin ändere sich auch nichts dadurch, dass nur ein Vertragsarztsitz ausgeschrieben und eine Sitzverdoppelung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Dies spreche nicht gegen die Bestandskraft der Zulassung. Denn die Beschlüsse vom 30. Juni 2010 und 18. August 2010 hätten beide unter der aufschiebenden Bedingung der Fortführung der Praxis des Beigeladenen zu 8) gestanden. Da diese jedoch nur von einem der zugelassenen Bewerber fortgeführt werden könne, sei trotz dieser widersprüchlichen Entscheidungen sichergestellt, dass nur eine Nachfolgezulassung wirksam werden könne. Soweit durch Beschluss des Beklagten vom 8. Dezember 2010 der Verfügungssatz des Beschlusses vom 18. August 2010 um Ziffer 6 erweitert und der Zulassungsantrag der Klägerin abgelehnt worden sei, sei der entsprechende Beschluss durch die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben worden und stehe damit jedenfalls jetzt nicht mehr der Bestandskraft der Zulassung der Klägerin entgegen. Hilfsweise sei der Beschluss vom 8. Dezember 2010 aus weiteren Gründen rechtswidrig. Zum einen hätte Dr. R im Hinblick auf §§ 16 und 17 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) an der Beratung und Beschlussfassung nicht teilnehmen dürfen. Außerdem sei der Beschluss unter Verstoß gegen § 24 Abs. 1 SGB X (Anhörung) und § 37 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Ärzte-ZV (mündliche Verhandlung vor dem Berufungsausschuss) ergangen. Darüber hinaus verstoße er gegen den Grundsatz der reformatio in peius, da gegen den Beschluss vom 18. August 2010 nur die Klägerin Klage erhoben habe und die Entscheidung des Beklagten vom 8. Dezember 2010 nachträglich die Rechtslage zu ihren Lasten verschärfe.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Zulassung der Beigeladenen zu 7) drei Monate nach Zustellung des Beschlusses vom 18. August 2010 auch erloschen. An der diesbezüglichen Feststellung bestehe auch nach der Aufhebung der Beschlüsse des Beklagten vom 18. August und 8. Dezember 2010 aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse. Die unzulässige Umgehung von § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV könne auch durch eine bestandskräftige behördliche Entscheidung nicht legitimiert werden. Der Rechtsauffassung des Sozialgerichts stehe das Urteil des Senats vom 20. Juni 2007 (Az.: L 7 KA 7/04) entgegen. Wenn der Beklagte die Zulassung der Beigeladenen zu 7) unter die aufschiebende Bedingung der Zahlung des Verkehrswertes gestellt habe, liege eine unzulässige Umgehung der in § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV geregelten absoluten Ausschlussfrist vor. Hierdurch könne der Beginn und damit letztendlich auch der Ablauf der Drei-Monats-Frist jahrelang verzögert werden, was der mit der Ausschlussfrist verfolgten Zielsetzung, in überversorgten Bereichen den Weg für weitere Zulassungsbewerber schnellstmöglich wieder frei zu machen, ersichtlich zuwider verlaufe. Die Beigeladene zu 7) hätte daher entweder die vertragsärztliche Tätigkeit fristgemäß aufnehmen und den Verkehrswert zahlen oder aber Klage gegen die aufschiebenden Bedingungen erheben müssen. Da die Beigeladene zu 7) die Aussetzung der Vollziehung beantragt habe, stelle die vom Beklagten durch Beschluss vom 8. Dezember 2010 vorgenommene Aufhebung des Sofortvollzuges jedenfalls eine unzulässige Umgehung des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV dar. Im Übrigen bleibe es dabei, dass die Beigeladene zu 7) treuwidrig den Eintritt der aufschiebenden Bedingung verhindert habe. Die erforderlichen Unterlagen dürften der Beigeladenen zu 7) jedenfalls vorliegen, nachdem ihr Ehemann, Dr. R, im Jahre 2009 Verhandlungen mit dem Beigeladenen zu 8) über den Verkauf seiner Praxis geführt habe, diese jedoch daran gescheitert seien, dass Dr. R den vom Beigeladenen zu 8) gewünschten Kaufpreis nicht zahlen wollte, der dem Vernehmen nach unter dem nunmehr von der Beigeladenen zu 9) gezahlten Kaufpreis gelegen habe.

Ebenfalls entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe der Beklagte die Bewerbung der Beigeladenen zu 7) nicht berücksichtigen dürfen, da die Beigeladene zu 9) mit dieser nicht im Rahmen einer üBAG zusammenarbeiten werde. Vielmehr sei der Beklagte zu verpflichten, die Klägerin zuzulassen. Das Sozialgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass gegen eine Herauslösung des ehemaligen Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 8) aus der üBAG und Einbringung in das konkurrierende MVZ A unter gleichzeitiger Auflösung der üBAG keine Bedenken bestünden. Ob zwischen den Beigeladenen zu 8) und 9) zwischen Januar und Juni 2010 eine Gemeinschaftspraxis betrieben worden sei, sei nach der Rechtsprechung des BSG von den Zulassungsgremien im Nachbesetzungsverfahren nicht zu prüfen. Die Beigeladene zu 7) komme deshalb als Nachfolgerin des Beigeladenen zu 8) nicht in Betracht, weil es für die Beigeladene zu 9) als verbleibende Gesellschafterin der üBAG unzumutbar sei, dass ihr die Ehefrau des unmittelbaren Konkurrenten im MVZ A als Nachfolgerin des Beigeladenen zu 8) aufgezwungen werde. Die Beigeladene zu 9) müsse befürchten, dass die Beigeladene zu 7) die erstbeste Gelegenheit nutzen werde, die üBAG aufzukündigen und den radiologischen Vertragsarztsitz in das MVZ A zu überführen. Hierzu sei noch nicht einmal eine Genehmigung zur Sitzverlegung erforderlich. Des Weiteren steht die begründete Gefahr, dass die Beigeladene zu 7) alles dafür tun werde, dass die Zuweiserbindungen auf das MVZ A übergehe. Dies dürfte auch und gerade für MRT-Leistungen gelten, die im Rahmen der üBAG von der Beigeladenen zu 9) am Standort Estraße erbracht würden, sodass die berufliche und wirtschaftliche Existenz der Beigeladenen zu 9) auf dem Spiel stehe.

Die Schreiben des Dr. R an den Vermieter bzw. Verwalter der Praxisräume des Beigeladenen zu 8) dokumentierten, dass es ihm ausschließlich darum gehe, den ausgeschiedenen Vertragsarztsitz für sein MVZ A zu akquirieren. Eine Berücksichtigung der Bewerbung der Beigeladenen zu 7) verstoße im Ergebnis ferner gegen Art. 12 und Art. 14 Grundgesetz (GG). Die Beigeladene zu 7) sei im Übrigen auch deshalb als ungeeignet zur Praxisfortführung anzusehen, weil sie den Beigeladenen zu 8) und 9) im Verwaltungsverfahren regelrecht nachgestellt habe, um „Beweise“ für das Vorliegen einer „Scheinberufsausübungsgemeinschaft“ zu sammeln.

Den Ausführungen des Sozialgerichts zur Ermessensentscheidung des Beklagten könne zunächst hinsichtlich der Berücksichtigung des Approbationsalters nicht gefolgt werden. In der bisherigen Praxis des Zulassungsausschusses für den Zulassungsbezirk Berlin und des Beklagten seien Auswahlentscheidungen regelmäßig allein nach dem Kriterium des Approbationsalters getroffen worden. Im Übrigen würde eine – prognostisch – längere vertragsärztliche Tätigkeit durch die Beigeladene zu 7) für die Versorgung der Patienten keinerlei Vorteile bieten, weil es in einer radiologischen Praxis in der Regel keine längerfristige Arzt-Patienten-Beziehung gebe. Die kontinuierliche Reduzierung der Arbeitszeit der Beigeladenen zu 7) dürfte darauf hindeuten, dass sie sich allmählich zur Ruhe setze.

Im Hinblick auf die Berücksichtigung zusätzlicher Qualifikationen der Beigeladenen zu 7) verhalte sich das Sozialgericht widersprüchlich. Denn einerseits solle die Beigeladene zu 7) ihre zusätzliche Qualifikation im Rahmen der gegenseitigen Vertretung mit der Beigeladenen zu 9) an deren Vertragsarztsitz zur Geltung bringen, andererseits solle den Beigeladenen zu 7) und 9) angesichts des Konkurrenzverhältnisses mit dem MVZ A nicht zugemutet werden können, eine ein besonderes Vertrauensverhältnis begründende Berufsausübungsgemeinschaft zu gründen. Weil aufgrund des mietvertraglichen Konkurrenzschutzes der Praxisnachfolger des Beigeladenen zu 8) kernspintomografische Leistungen nicht erbringen dürfe, sei die diesbezügliche Zusatzqualifikation der Beigeladenen zu 7) irrelevant.

Die Klägerin sei im Rahmen einer kontinuierlichen Vertretungstätigkeit auch nach dem Renteneintritt ambulant tätig gewesen. Sie profitiere, insbesondere durch den der Vertretung des Beigeladenen zu 8) von April bis Juni 2010, davon, dass sie die dortigen Abläufe, die Räumlichkeiten, die Geräte, das Personal und die Zuweiser kenne und daher mit den Besonderheiten dieser fortzuführenden Praxis bestens vertraut sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass unter ihrer Mitwirkung im Jahre 2010 das digitale Röntgen am Standort A Straße eingeführt worden sei. Zusätzlich sei die Klägerin für die Überwachung der Installation, die Ausbildung/Anleitung der Assistentin, die Durchführung der monatlichen Konstanzprüfungen sowie die tägliche Filmkontrolle verantwortlich gewesen. Im Übrigen habe sie den Standort im Rahmen der üBAG mit der Beigeladenen zu 9) von Juli 2010 bis einschließlich August 2011 ganz überwiegend privat- und BG-ärztlich fortgeführt. Einzelne Kassenpatienten habe sie in Form von Beratungen vertragsärztlich behandelt; weitere Leistungen seien nicht möglich gewesen, weil die Beigeladene zu 1) ihr die hierzu erforderlichen Abrechnungsgenehmigungen nicht erteilt habe. Angesichts der seit mehr als einem Jahr nicht mehr möglichen Behandlung von Kassenpatienten habe der Praxisbetrieb am Standort A Straße nunmehr allerdings aus wirtschaftlichen Gründen vorerst eingestellt werden müssen. Dass die Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus der Poliklinik im Jahr 2002 nicht als niedergelassene Vertragsärztin tätig geworden sei, habe ausschließlich an der zum damaligen Zeitpunkt noch geltenden Regelung gelegen, wonach sich Ärzte nicht (mehr) niederlassen durften, die bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatten. Nach Aufhebung der Zugangsgrenze und nach Aufhebung der Altershöchstgrenze von 68. Jahren habe sie sich intensiv um einen Vertragsarztsitz bemüht. Im Falle ihrer Zulassung sei die Dauer ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit offen. Es sei davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 7) zumindest seit 1995 keinerlei konventionelle Röntgenuntersuchungen mehr erbracht habe.

Das Sozialgericht habe auch nicht darauf abstellen dürfen, dass die üBAG zwischen den Beigeladenen zu 8) und 9) nur für einen Zeitraum von 6 Monaten bestanden habe. Die üBAG sei auch tatsächlich gelebt worden. Dass eine gemeinsame Behandlung von Patienten innerhalb eines Quartal durch beide Ärzte der üBAG in den Quartalen I/10 und II/10 nicht in einem größeren Umfang stattgefunden habe, sei der Besonderheiten einer radiologischen Praxis geschuldet. Denn für eine „gemeinschaftliche Patientenbehandlung“ im o.g. Sinn sei nur dann Raum, wenn der Zuweiser mehrere Untersuchungen anfordere und nur einer der Gemeinschaftspraxispartner über die jeweilige Abrechnungsgenehmigung verfüge.

Im Rahmen der Praxisgemeinschaft mit Dr. Z habe man sich nur den Wartebereich und die Toiletten geteilt.

Der Beigeladene zu 8) nimmt weitgehend Bezug auf die Berufungsbegründung der Klägerin und der Beigeladenen zu 9) und trägt ergänzend vor: Dass der Beklagte, wenn er einen Beschluss des Zulassungsausschusses insgesamt aufheben wolle, auch entsprechend tenoriere, zeige u.a. dessen Beschluss vom 14. Dezember 2005 in einer anderen Angelegenheit. Auf die aufschiebende Bedingung im Beschluss des Beklagten vom 18. August 2010 hinsichtlich der Aufnahme der Tätigkeit komme es nicht an, weil nach der gesetzlichen Regelung in § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV die aufschiebende Bedingung jedenfalls innerhalb der dortigen 3 Monatsfrist hätte eintreten müssen.

Die Klägerin und die Beigeladenen zu 8) und 9) beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2011

1a) festzustellen, dass die Klägerin bestandskräftig als Nachfolgerin des Beigeladenen zu 8) mit Vertragsarztsitz in der AStr. 2, Berlin, zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung als Fachärztin für Radiologie zugelassen ist,

b) festzustellen, dass die der Beigeladenen zu 7) erteilte Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV erloschen ist,

2) hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin zur Fortführung der Praxis der Beigeladenen zu 8) mit Vertragsarztsitz in der A Str., B, zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung als Fachärztin für Radiologie zuzulassen, sowie den Zulassungsantrag der Beigeladenen zu 7) abzulehnen,

3) äußerst hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Widerspruch der Beigeladenen zu 7) zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 7) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass, nachdem die Aufhebung seiner Beschlüsse vom 18. August 2010 und 8. Dezember 2010 nicht angegriffen worden sei, diese Beschlüsse nicht mehr existent und das Verfahren nunmehr in den Stand des Widerspruchsverfahrens zurückgetreten sei, sodass er wieder vollständig über die Nachfolgebesetzung zu entscheiden habe. Die vollständige Aufhebung dieser Bescheide stehe der Feststellung irgendwelcher Festlegungen durch diese Bescheide entgegen. Da § 38 SGB X die Berichtigung jederzeit ermögliche, wiederhole er – der Beklagte – nochmals die Berichtigung seines Beschlusses vom 18. August 2010 und die Ablehnung des Zulassungsantrages der Klägerin. Hinsichtlich des Klageantrages zu 1b) gelte, dass die von ihm – dem Beklagten – zugelassene Beigeladene zu 7) von ihrer Zulassung keinen Gebrauch mehr machen könne. Im Übrigen sei äußerst zweifelhaft, ob das Urteil des BSG vom 14. Dezember 2011 auf üBAGen anwendbar sei.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Gründe

Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 9) sind zulässig, aber nur insoweit begründet, als der Beklagte im Rahmen seiner Neubescheidung die Rechtsauffassung des Senats zu berücksichtigen hat. Die Berufung des Beigeladenen zu 8) ist mangels Rechtsschutzbedürfnis erfolglos.

A. Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 9) haben nur teilweise Erfolg.

I. Die Berufung der Beigeladenen zu 9) ist zulässig, obwohl sie gegen den auch sie belastenden Beschluss des Beklagten vom 18. August 2010 nicht geklagt hat. Denn die Rechtsmittelbefugnis fehlt nicht bereits dann, wenn der materiell beschwerte Beteiligte (hier: die notwendig Beigeladene zu 9) in einer früheren Instanz keinen Rechtsbehelf eingelegt hat (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 1999, Az.: B 12 KR 2/99 R, veröffentlicht in Juris).

II. Zu Recht hat das Sozialgericht die im Antrag zu 1) enthaltenen Feststellungsbegehren der Klägerin als unbegründet angesehen. Der Senat macht sich die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts insoweit zu eigen und verweist auf sie (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Berufungsvorbringen kein anderes Ergebnis rechtfertigt.

1) Für die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat der Senat die Bescheide des Beklagten vom 18. August 2010 und 8. Dezember 2010 als noch existent zu betrachten, auch wenn sie durch das angefochtene Urteil aufgehoben wurden und der hierdurch beschwerte Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hat.

Die Beschwer der Klägerin (und somit ihre Berufungsbefugnis) beruht im vorliegenden Fall darauf, dass das Sozialgericht ihrem Anliegen nicht vollständig entsprochen hat, sondern die Klage bezüglich der Hauptanträge und des ersten Hilfsantrag (Antrag zu 2) abgewiesen und ihr lediglich hinsichtlich des zweiten Hilfsantrag (Antrag zu 3) teilweise stattgegeben hat. Träfe die von einigen Beteiligten geäußerte Ansicht zu, wonach die beiden o.g. Bescheide im Berufungsverfahren nicht mehr überprüft werden dürften, weil sie durch das Sozialgericht aufgehoben worden seien und dessen Urteil insoweit rechtskräftig sei, wäre der Berufung der Klägerin der Boden entzogen, obwohl diese unstreitig beschwert ist (zur Rechtslage, wenn ein Kläger mit seinem Rechtsmittel lediglich die Berücksichtigung weiterer Beurteilungs- oder Ermessensgesichtspunkte erreichen will: BSG, Urteil vom 27. Juni 2007, Az.: B 6 KA 27/06 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Daher ist für Fälle der vorliegenden Art, zu denen die angefochtenen Bescheide trotz eines nur teilweisen Obsiegens des Klägers aufgehoben werden und anschließend nur der Kläger sein weitergehendes Begehren im Rechtsmittelverfahren verfolgt, die rechtliche Existenz der erstinstanzlich aufgehobenen Bescheide im Rechtsmittelverfahren zu fingieren.

812) Die Klägerin ist nicht bereits bestandskräftig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Auslegung des Bescheids des Beklagten vom 18. August 2010 ist nicht zu beanstanden, weil sie sich in Übereinstimmung mit den hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen befindet. Für Statusentscheidungen gilt insoweit kein grundsätzlich anderer Maßstab. Vielmehr stellt die Entscheidung eines Zulassungsgremiums, einen Bewerber zuzulassen und die Zulassungsanträge der anderen Bewerber abzulehnen, eine einheitliche Entscheidung dar und enthält insoweit keine Mehrheit gleichrangiger Regelungen (Verfügungssätze) i.S.v. § 31 SGB X, die einer isolierten Anfechtung zugänglich wären. Die Ablehnungen gegenüber den unterlegenen Bewerbern teilen als rechtlich notwendige Folgeregelung zur Zulassung des einen Bewerbers deren Schicksal (BSG, Urteil vom 5. November 2003, Az.: B 6 KA 11/03 R, veröffentlicht in Juris). Wenn der Beklagte im Bescheid vom 18. August 2010 zu Beginn seiner Entscheidungsgründe somit formuliert, der Antrag der Klägerin sei abzulehnen, kommt darin für jeden objektivierten Empfänger – auf dessen Sichtweise ist maßgeblich abzustellen – hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Beklagte nicht vom Prinzip der einheitlichen Entscheidung über Zulassung und Ablehnung abweichen wollte.

823) Die Zulassung der Beigeladenen zu 7) durch den Beschluss des Beklagten vom 18. August 2010 ist nicht im Hinblick auf § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV erloschen. Nach dieser Vorschrift endet die Zulassung, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird. Dass – wie von den Berufungsführern eingewandt – der Beklagte diese Regelung modifiziert hat, indem nach seinem o.g. Beschluss die Drei-Monats-Frist frühestens mit dem Wirksamwerden seiner Entscheidung, d.h. mit Zahlung des Verkehrswertes, beginnen konnte, mag wegen einer Abweichung von der gesetzlichen Regelung rechtswidrig sein. Dennoch bindet der insoweit anfechtbare und ggf. rechtswidrige Beschluss die Beteiligten bis zu seiner rechtskräftigen Aufhebung.

4) Mit Recht hat das Sozialgericht auch den ersten Hilfsantrag (Antrag zu 2), der auf die Verpflichtung des Beklagten, die Klägerin zuzulassen, gerichtet war, abgewiesen. Im Rahmen der Neubescheidung wird der Beklagten allerdings die Rechtsauffassung des Senats, welche von der des Sozialgerichts teilweise abweicht, zu berücksichtigen haben.

a) Die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes gemäß § 103 Abs. 4 (und 6) SGB V setzt voraus:

- einen freien bzw. freiwerdenden Vertragsarztsitz

- dessen Ausschreibung

- ein formell ordnungsgemäß durchgeführtes Nachbesetzungsverfahren

- eine fortführungsfähige vertragsärztliche Praxis und

- eine beurteilungsfehlerfreie Auswahlentscheidung.

Die vier zuerst genannten Voraussetzungen unterliegen der vollen gerichtlichen Überprüfung, die Auswahlentscheidung nur einer eingeschränkten. Insofern hat das Sozialgericht weitgehend zutreffend den Maßstab der gerichtlichen Überprüfung und die Grundlagen der Zulassungsentscheidung dargestellt. Hierauf sei zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

b) Allerdings bedarf es im Hinblick auf die Ausführungen des Sozialgerichts im Einzelnen geringer Korrekturen:

aa) Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (vom 22. Dezember 2011, BGBl. I, 2983ff) hat der Gesetzgeber § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2012 folgende Fassung verliehen:

„Bei der Auswahl der Bewerber sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1. die berufliche Eignung,

2. das Approbationsalter,

3. die Dauer der ärztlichen Tätigkeit,

4. eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Absatz 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat,

5. ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist,

6. ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde,

7. ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung definiert worden sind, zu erfüllen.“

Nach der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 456/11, S. 111) handelt es sich um „Ergänzungen, mit denen künftig bei der Entscheidung über die Nachbesetzung einer Vertragsarztpraxis Versorgungsgesichtspunkte stärker als bisher berücksichtigt werden sollen.“ Da jedoch die Ziffern 1 bis 3 sowie Ziffer 6 den bereits nach bisherigem Recht bei der Nachbesetzung zu berücksichtigenden Faktoren entsprechen, Ziffer 5 lediglich den Kreis der zu berücksichtigenden Familienangehörigen um eingetragene Lebenspartner ergänzt und wie bisher diese Vorschrift keine Rangfolge der im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens zu berücksichtigenden Faktoren enthält, deren Gewichtung vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Zulassungsausschusses liegt, bedeutet die geänderte Gesetzesfassung im vorliegenden Rechtsstreit keine Änderung der vom Sozialgericht angelegten Maßstäbe. Es ist auch nicht erkennbar, dass es sich in Abweichung von der bisherigen Rechtslage (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Januar 2011, Az.: L 11 KA 106/10 B ER; SG Berlin, Urteil vom 28. Juli 2010, Az.: S 79 KA 514/09, beide veröffentlicht in Juris) um einen abschließenden Kriterienkatalog handeln soll. Die Frage, auf welchen Zeitpunkt es zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ankommt (hierzu BSG, Urteil vom 23. Februar 2005, Az.: B 6 KA 81/03 R, veröffentlicht in Juris), stellt sich daher nicht.

bb) Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht angenommen, dass die genehmigte üBAG der Beigeladenen zu 8) und 9) nicht nur zum Schein bestanden habe. Dies ist allerdings im Nachbesetzungsverfahren grundsätzlich nicht mehr zu prüfen (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, Az.: B 6 KA 13/11 R, veröffentlicht in Juris).

cc) Ebenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht eine fortführungsfähige Vertragsarztpraxis in Gestalt einer üBAG bejaht. Hierfür genügt jedoch schon, dass unmittelbar vor dem Ende der dem Beigeladenen zu 8) erteilten Zulassung an beiden Betriebsstätten zumindest teilweise gemeinsam vertragsärztliche Leistungen in nicht nur unwesentlichem Umfang erbracht wurden (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2007, Az.: B 6 KA 26/07 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Dies war hier der Fall.

c) Hinsichtlich der im Rahmen der Auswahlentscheidung zu beachtenden Beurteilungsgesichtspunkte teilt der Senat die Rechtsauffassung des Sozialgerichts nur teilweise.

aa) Das Kriterium Approbationsalter, verstanden als Zeitraum zwischen der Approbation und der Entscheidung über einen Zulassungsantrag, zielt darauf ab, einen gewissen Erfahrungsstand und den dadurch erworbenen Standard zu berücksichtigen; dieser dürfte in den meisten ärztlichen Bereichen nach ca. fünf Jahren in vollem Ausmaß erreicht sein, sodass das darüber hinausgehende höhere Approbationsalter eines Bewerbers und eine noch längere ärztliche Tätigkeit keinen zusätzlichen Vorzug mehr begründen (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010, Az.: B 6 KA 36/09 R, veröffentlicht in Juris). Dass im Fachgebiet Radiologie etwas anderes gilt, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Das höhere Approbationsalter gereicht der Klägerin daher nicht zum Vorteil.

bb) Auch das Kriterium Dauer der ärztlichen Tätigkeit verfolgt dasselbe Ziel. Auch insoweit sind keine Besonderheiten im Bereich der Radiologie erkennbar. Allerdings wurde gegen die Berücksichtigung der Kriterien Dauer der ärztlichen Tätigkeit und Approbationsalter im Umfang von (allenfalls) ca. 5 Jahren mit Recht eingewandt, dass schon eine typischerweise mindestens fünfjährige Weiterbildung Voraussetzung für die Eintragung in das Arztregister (§ 95a Abs. 1 Nr. 2 SGB V; für die Dauer der allgemeinmedizinischen Weiterbildung: § 95a Abs. 2 SGB V) ist, sodass schon diese Eintragung die beiden genannten Kriterien regelmäßig leer laufen ließe (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. Februar 2012, Az.: L 4 KA 13/10, veröffentlicht in Juris, Revision beim BSG anhängig unter B 6 KA 19/12 R). Dem lässt sich jedoch dadurch begegnen, dass die Berechnung der Dauer der ärztlichen Tätigkeit erst mit der Facharztanerkennung beginnt. Da sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene zu 7) wesentlich länger als 5 Jahre fachärztlich tätig sind, führt dieses Kriterium bei beiden Bewerberinnen zu keinem Vorteil. Es muss daher auch nicht geklärt werden, wie die Zeit ab dem Rentenbeginn der Klägerin bei einem Vergleich im Rahmen dieses Kriteriums zu gewichten wäre.

Allerdings ist der Wortlaut von § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V sowohl in der alten als auch in der neuen Fassung (nF) bezüglich dieses Kriteriums offen, sodass auch die Dauer der künftigen ärztlichen Tätigkeit von einer Würdigung im Rahmen der Auswahlentscheidung nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Unter Versorgungsgesichtspunkten ließe sich ins Feld führen, dass die Bewerberin, die aller Voraussicht nach künftig am längsten an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen wird, am ehesten die Gewähr für eine langfristige und daher in der Regel stabile, auf Vertrauen gestützte Arzt-Patienten-Beziehung bietet. Da es im Bereich der Radiologie jedoch nach dem einleuchtenden Vorbringen der Berufungsführer keine längerfristigen Arzt-Patienten-Beziehungen gibt, kann die zu erwartenden Dauer der künftigen ärztlichen Tätigkeit im hiesigen Fall keine Rolle spielen.

Der vom Beklagten angeführte soziale Aspekt, wonach die längere Dauer der künftigen ärztlichen Tätigkeit eher eine soziale Absicherung der jeweiligen Bewerberin im Alter gewährleistet, kann nach Auffassung des Senats im Rahmen der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen in zulassungsbeschränkten Planungsbereichen keine Berücksichtigung finden, da er weder dem Verwertungsinteresse des bisherigen Inhabers noch dem Erhaltungsinteresse der verbleibenden Partner einer BAG sowie den Versorgungsinteressen der Versicherten entspringt.

cc) Beim Kriterium der beruflichen Eignung ist zunächst nach der Qualifikation und dem zu erwartenden Leistungsspektrum zu fragen (so für die Sonderbedarfszulassung: BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010, a.a.O.; die dortige Unterscheidung zwischen der primär zu berücksichtigenden Qualifikation und der sekundär zu beachtenden beruflichen Eignung ist indes wenig verständlich). Die Qualifikation ist zunächst anhand der Weiterbildungsordnung zu bemessen, insbesondere, ob zusätzlich zur Gebietsbezeichnung auch das Recht zum Führen von Schwerpunktbezeichnungen erworben wurde. Darüber hinaus dürfen Abrechnungsgenehmigungen, wissenschaftliche Tätigkeit oder Fachpublikationen Eingang in die Bewertung finden (Pawlita, in: jurisPraxiskommentar SGB V, 2.A., § 95 Rd. 81). All dies müssen die Zulassungsgremien jedoch nur berücksichtigen, wenn die entsprechenden Nachweise von den Bewerbern im Zusammenhang mit ihrem Zulassungsantrag eingereicht werden.

Die berufliche Eignung ist darüber hinaus stets bezogen auf den nachzubesetzenden Vertragsarztsitz zu prüfen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.2005, Az.: L 10 KA 29/05, veröffentlicht in Juris). Denn der Praxisübernehmer muss in der Lage sein, die Praxis im Wesentlichen fortzuführen, also den Teil der Sicherstellung der Versorgung zu gewährleisten, den zuvor der die Praxis abgebende Leistungserbringer erbracht hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juni 2010, Az.: L 11 B 26/09 KA ER, veröffentlicht in Juris). Neben den insoweit erforderlichen Schwerpunktbezeichnungen und Abrechnungsgenehmigungen darf daher auch auf eine Mitarbeit in der Praxis als Vertreter oder Assistent abgestellt werden, da unter Versorgungsaspekten auch die Kontinuität in der Betreuung der Patienten anerkennenswert sein kann (Pawlita a.a.O.).

Verfügt der Bewerber über eine höhere Qualifikation, als sie der ausscheidende Vertragsarzt besaß, darf dies ebenfalls berücksichtigt werden. Denn zum einen können ggf. erst diese die Vertretung eines höher qualifizierten Partners innerhalb einer BAG ermöglichen. Zum anderen sind auch im überversorgten Planungsbereich regelmäßig möglichst hoch qualifizierte Vertragsärzte im Interesse der Patientenversorgung, während dem Verwertungsinteresse des ausscheidenden Vertragsarztes und dem Erhaltungsinteresse der verbleibenden Partner einer BAG solche überschießenden Qualifikationen nicht entgegenstehen.

Zu Lasten eines Bewerbers darf freilich berücksichtigt werden, dass er bestimmte zu seinem Fachgebiet gehörenden Leistungen – warum auch immer – über einen längeren Zeitraum nicht mehr erbracht hat, weil insofern nach allgemeiner Lebenserfahrung in allen (auch nichtärztlichen) Berufsgruppen Kenntnisse und Fähigkeiten typischerweise in gewissem Umfang verloren gehen.

Für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutet dies, dass der Beklagte im Rahmen der Neubescheidung u.a. zu prüfen und zu werten hat,

- über welche förmlichen Qualifikationen (insbesondere Abrechnungsgenehmigungen für Großgeräte-Leistungen) die beiden Bewerberinnen verfügen,

- welcher Leistungsumfang die üBAG der Beigeladenen zu 8) und 9) geprägt hat.

Für die Auswahlentscheidung ist unerheblich, ob aufgrund von privatrechtlichen Beschränkungen, z.B. einem mietvertraglichen Wettbewerbsverbot, in den Praxisräumen des Beigeladenen zu 8) nur Röntgen-Leistungen erbracht werden dürfen. Denn bei der Bestimmung der Praxisstruktur des ausscheidenden Vertragsarztes bzw. der BAG, der er zuletzt angehört hat, sind nur öffentlich-rechtliche Beschränkungen relevant, z.B. in der Form von Leistungs- und Abrechnungsverboten wegen fehlender diesbezüglicher Genehmigungen, nicht hingegen privatrechtliche. Unabhängig davon, dass solche den Zulassungsgremien regelmäßig nicht bekannt sind  oder offenbart werden, wären diese andernfalls gehalten, u.U. komplizierte zivilrechtliche Fragen im Rahmen ihrer Zulassungsentscheidungen klären zu müssen, was wenig praktikabel und dem Ziel einer zeitnahen Nachbesetzung abträglich wäre (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1998, Az.: B 6 KA 70/97 R, veröffentlicht in Juris, zu komplizierten gesellschaftsrechtlichen Fragen). Der vorliegende Fall belegt dies eindrücklich, da nach dem bisherigen Sachstand z.B. unklar ist, wer Vermieter der vom Beigeladenen zu 8) genutzten Praxisräume ist, die C GmbH, die G GmbH & Co. KG oder die S GmbH.

dd) Insbesondere bei der Beurteilung der Interessen der Beigeladenen zu 9) kann dem vom Sozialgericht gefundenen Ergebnis nicht gefolgt werden.

Zwar ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes in einer BAG nur ein Bewerber zum Zuge kommen kann, der auch zur Tätigkeit in der BAG bereit ist (BSG, Urteil vom 29. September 1999, Az.: B 6 KA 1/99 R, veröffentlicht in Juris). Darüber hinaus gehend können aber – wie schon vom Beklagten verkannt wurde – nur solche Bewerber zugelassen werden, mit denen die verbleibenden Partner der BAG zusammenarbeiten wollen (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, a.a.O., m.w.N.). Dies schließt die Zulassung der Beigeladenen zu 7) im Grundsatz aus, weil die Beigeladene zu 9) mit dieser nicht im Rahmen einer üBAG zusammenarbeiten will.

119Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes kommt allerdings z.B. bei einem offensichtlichen Eignungsmangel (BSG. a.a.O.) oder in Missbrauchsfällen in Betracht – etwa wenn durch die Gründung einer üBAG nur die Nachbesetzung einer Einzelpraxis umgangen werden soll, weil letztere weniger Einflussmöglichkeiten auf die Person des Nachfolgers eröffnet (Bäune/Meschke/Rothfuß, a.a.O., § 16b Rd. 94). Ob eine solche Ausnahmekonstellation hier gegeben ist, wird der Beklagte im Rahmen der Neubescheidung zu prüfen haben.

Für einen offensichtlichen Eignungsmangel bestehen nach dem derzeitigen Sachstand keine Anhaltspunkte, sofern hierbei ausschließlich auf das Kriterium der beruflichen Eignung im Sinne des unter cc) Gesagten, d.h. im Hinblick auf die fachliche Qualifikation der Klägerin, abgestellt wird. Fasst man hierunter jedoch auch die Fortführungsbereitschaft der Klägerin, erscheint die Annahme einer Ausnahmekonstellation nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Bereitschaft des zuzulassenden Bewerbers zur Fortführung der BAG muss zwar nicht darauf gerichtet sein, ggf. Jahrzehnte lang in dieser Kooperationsform tätig zu bleiben. Vielmehr wird es genügen, wenn damit zu rechnen ist, dass die BAG Bestand haben wird (BSG, Urteil vom 5. November 2003, a.a.O.) und nicht bei der nächsten gesellschaftsvertraglich zulässigen Gelegenheit beendet wird. Hinzukommen muss darüber hinaus die Bereitschaft, langfristig an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 R, Az.: B 6 KA 20/11 R, veröffentlicht in Juris). Dies kann bei Ärzten, die schon 65 Jahre oder älter sind – somit auch bei der nunmehr 73-jährigen Klägerin –, äußerst zweifelhaft sein (vgl. BSG, a.a.O.). Der Beklagte ist – dem Gericht fehlt die Kompetenz zu Nachermittlungen (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010, a.a.O.) – daher gehalten, die Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die Dauer ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit sei im Fall ihrer Zulassung offen, vor dem Hintergrund der übrigen Umstände (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15. Mai 2008, Az.: L 4 B 369/08 KA ER, veröffentlicht in Juris) zu würdigen. Bloße Lippenbekenntnisse dürfen nicht den Ausschlag für die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes geben. Daher ist die Klägerin detailliert nach ihrer Motivation für eine Bewerbung auf einen Vertragsarztsitz mit vollem (!) Versorgungsauftrag zu befragen, nachdem sie in den ersten 7 Jahren seit ihrem Renteneintritt nie länger als 29 Kalendertage jährlich vertretungsweise tätig war. Zweifel an der Fortführungsbereitschaft bzw. Eignung der Klägerin könnten auch deshalb bestehen, weil sie in der mündlichen Verhandlung auf die Frage des Senats, welche Leistungen sie in der Zeit ihrer (nicht-vertragsärztlichen) Praxistätigkeit zwischen Juli 2010 und Juni 2011 erbracht habe, erst nach längerem Zögern und Nachdenken antworten konnte.

Gewichtige Anhaltspunkte bestehen – wie bereits vom Sozialgericht zutreffend beschrieben – für das Vorliegen eines Missbrauchsfalls. Zwar dürfte es generell legitim sein, dass ein Vertragsarzt, der beabsichtigt, seine vertragsärztliche Tätigkeit aufzugeben, seinen Einzelvertragsarztsitz dergestalt verwertet, dass er sich zunächst in eine (ü)BAG begibt, alsbald danach auf seine Zulassung verzichtet und das Nachbesetzungsverfahren einleitet. Rechtlich unzulässig wird dieses Vorgehen nach Auffassung des Senats, wenn es nur deshalb gewählt wird, um sich bei einer Nachbesetzung aus der BAG heraus das o.g. faktische Veto-Recht der verbleibenden Partner der BAG oder die durch § 103 Abs. 4b SGB V eröffnete Möglichkeit, den Vertragsarztsitz in eine Stelle für einen angestellten Arzt „umzuwandeln“, zu Nutze zu machen und hierdurch z.B. die Chancen auf einen möglichst hohen Verkaufserlös zu maximieren. Wären die Zulassungsgremien bei Nachbesetzungen nach § 103 Abs. 6 SGB V darauf beschränkt, den vom verbleibenden Partner einer BAG ausgewählten Bewerber zuzulassen, ohne über ein Korrektiv in Missbrauchsfällen zu verfügen, wären Ergebnisse absehbar, die dem geltenden Vertragsarztrecht zuwider liefen. So könnte ein aufgabewilliger Vertragsarzt in einem gesperrten Planungsbereich seinen Vertragsarztsitz in eine üBAG mit demjenigen Vertragsarzt einbringen, der ihm – de facto nach Art einer Versteigerung – hierfür die lukrativsten Bedingungen bietet. Scheidet der aufgabewillige Vertragsarzt unmittelbar nach der Genehmigung der üBAG aus, könnte wiederum der verbleibende Partner sich den zahlungskräftigsten Bewerber im Nachbesetzungsverfahren aussuchen und durch die Erklärung, nur mit diesem zusammenarbeiten zu wollen, dessen Zulassung quasi erzwingen. Bei einer unmittelbar anschließenden, u.U. von Anfang an beabsichtigten Auflösung der üBAG durch einen oder beide Partner würde das vom Sozialgericht zutreffend beschriebene Interesse an der Fortführung des bisherigen BAG (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 1999, a.a.O.), welches die einzige Rechtfertigung für den durch § 103 Abs. 6 SGB V dem verbleibenden Partner einer BAG eingeräumten Einfluss im Nachbesetzungsverfahren bildet, nur als Vorwand dienen. Insgesamt müssten die Zulassungsgremien zwei faktische Zulassungsverkäufe billigen, obwohl diese – eigentlich – unzulässig sind (BSG, a.a.O.). Legt man im hiesigen Fall das Vorbringen der Berufungsführer zugrunde, wonach der Beigeladene zu 8) zunächst mit Dr. R über einen Praxisverkauf verhandelte und die Verhandlungen an unterschiedlichen Vorstellungen über den Kaufpreis scheiterten, liegt es nahe, dass die anschließende Gründung der üBAG mit der Beigeladenen zu 9) im Wesentlichen auf dem o.g. Missbrauchsgedanken beruhte. Auffällig am zeitlichen Ablauf ist insbesondere, dass zum einen der o.g. „Vertrag über den Erwerb von Gesellschaftsanteilen“ am 3. März 2010, d.h. nur wenige Tage nach Erhalt des Bescheids über die Genehmigung der üBAG, geschlossen wurde, und der Beigeladene zu 8) seine Verzichtserklärung am 23. März 2010, somit nur einen Tag nach der Bestandskraft dieses Bescheids, unterzeichnete. Hinzukommt die Tatsache, dass es sich bei der von der Beigeladenen zu 9) als verbleibender Partnerin der BAG „erwählte“ Bewerberin um eine über 70-jährige Rentnerin handelt, deren Vertretungstätigkeit in den zurückliegenden Jahren in keiner Weise den Schluss zu lässt, sie sei intensiv bestrebt, ihre ärztliche Tätigkeit auch im Ruhestand in möglichst weitem Umfang weiter betreiben zu können. Folgende weitere Unstimmigkeiten legen nach Ansicht des Senats einen Missbrauchsfall nahe:

- § 6 des o.g. Vertrages vom 3. März 2010 erwähnt eine Praxisgemeinschaft des Beigeladenen zu 8) mit der ebenfalls in der A Straße ansässigen Radiologin Dr. Z, zu deren Gunsten ein Wettbewerbsverbot in Bezug auf Mammografie, Mammasonografie und Duplexsonografie bestehe. Ungeachtet des Umstands, dass diese Praxisgemeinschaft im weiteren Verlauf des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt thematisiert wurde – was auf eine fehlende Unterrichtung der Beigeladenen zu 1) entgegen § 33 Abs. 1 Ärzte-ZV schließen lassen könnte –, hätte die künftige Zusammenarbeit innerhalb dieser Praxisgemeinschaft im Vertrag über die Gründung der BAG vom 7. Dezember 2009 wohl geregelt werden müssen;

- nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des o.g. Vertrages vom 3. März 2010 übernahm die Beigeladene zu 9) die Praxis des Beigeladenen zu 8) bereits zum 1. April 2010 und trat zugleich – vorbehaltlich der Zustimmung des Vermieters – in den die Praxis betreffenden Mietvertrag ein. Demgegenüber will der Beigeladene zu 8) ausweislich seiner schriftlichen Erklärung vom 1. Juli 2010 seine Praxis an die Klägerin übergeben haben, und dies auch erst an diesem Tag.

5) Der Beklagte wird bei der Neubescheidung ferner auf eine zwingende rechtliche Verknüpfung zwischen der Zulassung einer der beiden Bewerberinnen auf den Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 8) einerseits und der Genehmigung der üBAG zwischen dieser Bewerberin und der Beigeladenen zu 9) andererseits zu achten haben.

a) Der vorliegende Fall belegt anschaulich, dass die Beigeladene zu 7) bei Bestandskraft des Bescheids des Beklagten vom 18. August 2010 nach Zahlung des Verkehrswertes unter ihrer bisherigen Anschrift – nur diese kennzeichnet nach der bisher verbreiteten Praxis den Vertragsarztsitz, nicht aber bestimmte Räumlichkeiten innerhalb der unter dieser Anschrift vorzufindenden Gebäude – als Nachfolgerin der Beigeladenen zu 8) auf „dessen“ Vertragsarztsitz vertragsärztlich tätig werden könnte und dürfte. Eine kooperative Tätigkeit in einer BAG mit der Beigeladenen zu 9) könnte weder von dieser noch von den Zulassungsgremien erzwungen werden, obwohl die Ausschreibung auf eine vertragsärztliche Tätigkeit in einer BAG eingegrenzt war. Gleiches wäre denkbar, wenn es einem Bewerber, der im Nachbesetzungsverfahren für einen Vertragsarztsitz in einer BAG isoliert zugelassen würde, d.h. ohne gleichzeitige Genehmigung der BAG, gelänge, unter der gleichen Anschrift wie der ausgeschiedene Vertragsarzt, aber in anderen Räumlichkeiten eine Praxis zu eröffnen. In diesen Fällen käme es trotz entsprechender Ausschreibung nicht zur Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in einer BAG. Die von einem Nachfolger fortzuführende „Praxis“ wäre gerade nicht die Beteiligung an einer BAG mit deren verbleibenden Partnern (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 1999, a.a.O.).

Dieser Gefahr können die Zulassungsgremien auf zweierlei Weise begegnen: Entweder entscheiden sie – was wohl der Regelfall ist (vgl. Bäune/Meschke/Rothfuß a.a.O., § 16b Rd. 96) – gleichzeitig über die Nachfolgezulassung und die Genehmigung der BAG. Dies würde allerdings voraussetzen, dass bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Nachbesetzung ein Gesellschaftsvertrag zwischen dem Nachfolger und den verbleibenden Partnern der BAG vorgelegt werden kann (zu diesem Erfordernis: BSG, Urteil vom 16. Juli 2003, Az.: B 6 KA 34/02 R, veröffentlicht in Juris). Ob aus dem Fehlen eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages regelhaft schon darauf geschlossen werden kann, es fehle überhaupt an einer Einigung über die gemeinschaftliche vertragsärztliche Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 1999, a.a.O.), kann hier dahinstehen. Jedenfalls dürfte die Vorlage eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages in etlichen Fällen angesichts der Ungewissheit über die Person des Nachfolgers einen erheblichen Aufwand verursachen, insbesondere, wenn die verbleibenden Partner nicht nur mit einem einzigen Bewerber die BAG weiterführen würden.

Dies vermeidet die zweite Handlungsoption: die Zulassungsgremien können die Zulassung des Nachfolgers mit einer gem. § 32 Abs. 2 SGB X zulässigen Nebenbestimmung versehen, die gewährleistet, dass der Nachfolger von seiner Zulassung ohne die spätere Genehmigung der BAG nicht dauerhaft Gebrauch machen kann.

b) An dieser Stelle nicht entscheiden muss der Senat, ob noch von einer Fortführung „der“ BAG die Rede sein kann, wenn aus einer aus zwei Vertragsärzten bestehenden BAG einer ausscheidet und die gesellschaftsvertraglichen Regelungen – wie im vorliegenden Fall – zum Anwachsen des Gesellschaftsanteils des ausscheidenden Partners beim anderen führen. In diesem Fall besteht wegen der Unzulässigkeit der Ein-Personen-GbR keine Gesellschaft mehr. Das Anwachsen beim letzten verbleibenden Gesellschafter führt zur Beendigung der GbR, ohne dass eine Liquidation durchzuführen wäre (Ulmer/Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, vor § 723, Rd. 9, 17 m.w.N). Der neuen BAG zwischen dem letzten Gesellschafter der bisherigen BAG und dem nunmehr zugelassenen Nachfolger könnten völlig andere Regelungen als bei der bisherigen BAG zugrunde gelegt werden, die mit „der“ fortzuführenden BAG nur noch wenig gemein haben, sodass im Ergebnis eher die (unzulässige) Neugründung einer BAG erfolgen würde (Fiedler NZS 03, 575). Dem lässt sich zwar entgegenhalten, dass die Partner einer BAG nach deren Genehmigung stets weitgehend frei sind, wenn sie ihre bisherigen gesellschaftsvertraglichen Bindungen neu strukturieren wollen. Ob der Regelungszweck von § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V, die Vermeidung einer Existenzgefährdung „der“ BAG, in derartigen Fallgestaltungen noch die weitgehenden Einflussmöglichkeiten des verbleibenden Partners der bisherigen BAG rechtfertigt, erscheint fraglich.

6) Der Senat verkennt nicht, dass sein dem Beklagten für die Neubescheidung aufgegebenes Prüfungsprogramm möglicherweise einer baldigen Nachbesetzung des vom Beigeladenen zu 8) aufgegebenen Vertragsarztsitzes entgegen und somit im Widerspruch zur jüngsten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. Dezember 2011, Az.: B 6 KA 13/11 R, a.a.O.) stehen könnte, wonach auch Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 (und ggf. Abs. 6) SGB V zügig durchzuführen sind und für umfangreiche und aufwändige Überprüfungen kein Raum sei. Ausgangspunkt ist hierbei der die Vorschriften über die vertragsärztliche Bedarfsplanung prägende Grundsatz, wonach Überversorgung zu vermeiden und soweit als möglich abzubauen ist (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, Az.: B 6 KA 39/10 R, veröffentlicht in Juris). In Planungsbereichen, in denen wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen gelten, fallen freiwerdende Vertragsarztsitze daher grundsätzlich weg und werden nur ausnahmsweise fortgeführt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, Az.: B 6 KA 13/11 R, a.a.O.). Für Zulassungsbewerber, die noch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, bedeutet diese nur auf einen einzelnen Planungsbereich bezogene Beschneidung seiner Marktzugangschancen lediglich einen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit. Diese Einschränkung dient der Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung und ist somit durch einen Gemeinwohlbelang von hinreichendem Gewicht gerechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2001, Az.: 1 BvR 1282/99; BSG, Urteil vom 23. Februar 2005, a.a.O.; BSGE 82, 41; für einen nur an Art. 3 GG zu messenden Schutz des übergangenen Bewerbers: BSG, Urteil vom 5. November 2003, a.a.O.). Das vom BSG angeführte „Interesse des bisherigen Praxisinhabers an bestmöglicher Realisierung des wirtschaftlichen Wertes der Praxis“ ist im vorliegenden Fall zu vernachlässigen, da der Beigeladene zu 8) aufgrund des o.g. Vertrags vom 3. März 2010 sämtliche Rechtspositionen im Zusammenhang mit der Nachbesetzung seines Vertragsarztsitzes auf die Beigeladene zu 9) übertragen hat (s. hierzu auch sogleich unter B). Dem „Versorgungsinteresse in Gestalt möglichst kontinuierlicher Praxisfortführung“ (BSG, a.a.O.) entspricht die Zulassung der Klägerin angesichts ihres zu bezweifelnden Willens an einer längerfristigen vertragsärztlichen Tätigkeit nach dem oben Gesagten eher nicht. Der Senat teilt auch die Einschätzung, dass ein längeres Offenhalten eines Vertragsarztsitzes bzw. einer Arztstelle aus der Sicht sachgerechter Bedarfsplanung sowie realitätsnaher Berechnung des Versorgungsgrades schwerlich tolerabel wäre. Denn Arztstellen, die vorhanden sind, aber nicht besetzt werden, in der Bedarfsplanung wohl wie besetzte Stellen gewertet werden müssten, würden dadurch den Versorgungsgrad rechnerisch – aber der Realität zuwider – erhöhen und somit das Bild der tatsächlichen Versorgung verfälschen (BSG a.a.O.). Angesichts eines Versorgungsgrades von 133,9 % – wie im hiesigen Fall – fällt indessen ein einzelner Vertragsarztsitz, dessen Nachbesetzung wegen eines Konkurrentenstreits verzögert wird, nicht wesentlich ins Gewicht. Auch das regelmäßig bestehende öffentliche Interesse an einer zeitnahen Zulassungsentscheidung (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, a.a.O.) kann im Bereich der grundsätzlich unerwünschten Überversorgung, deren Abbau ein Ziel von hohem Rang darstellt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, Az.: B 6 KA 39/10 R, a.a.O.), allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein.

B. Die Berufung des Beigeladenen zu 8) ist mangels Rechtsschutzbedürfnis erfolglos.

Hierbei kann dahinstehen, ob der Beigeladene zu 8) einfach oder notwendig beigeladen wurde (§ 75 Abs. 1 und 2 SGG). Für eine notwendige Beiladung könnte sprechen, dass die Entscheidung über die Nachbesetzung seines Vertragsarztsitzes auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann, weil seine wirtschaftlichen Interessen vor dem aus Sicht des Gesetzgebers (BT-Drs. 12/3937) bestehenden verfassungsrechtlichen Hintergrund (a.A. insoweit Steiner, NZS 2011, 681) eingeschränkt zu berücksichtigen sind (§ 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung). Gleiches könnte wegen der erforderlichen zivilrechtlichen Vereinbarungen bezüglich der Praxisübergabe gelten. Für diesen Fall dürfte der notwendig beigeladene ausgeschiedene Vertragsarzt regelmäßig beschwert und daher rechtsmittelbefugt sein, wenn die Nachbesetzungsentscheidung nicht zugunsten des von ihm favorisierten Bewerbers ausfällt. An seiner solchen typischen Beschwer fehlt es hingegen, wenn der ausgeschiedene Vertragsarzt nur einfach beigeladen wird.

Der Senat kann zugunsten des Beigeladenen zu 8) eine notwendige Beiladung unterstellen. Jedenfalls fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis für sein mit einem Antrag im Klageverfahren sowie mit der eingelegten Berufung verfolgtes Begehren. Diese allgemeine Sachurteilsvoraussetzung resultiert aus der Aufgabe der Gerichte, Bürgern und Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig ist. Es ist daher stets zu prüfen, ob angesichts der besonderen Umstände des Falls die Klageerhebung deswegen nicht erforderlich ist, weil der Kläger seine Rechte auf einfachere Weise verwirklichen kann oder die Klage aus anderen Gründen unnütz ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., vor § 51 Rd. 16a m.w.N.). Im Rechtsmittelverfahren ist das Rechtsschutzbedürfnis in der Regel allerdings gleichbedeutend mit der Beschwer; nur in seltenen Ausnahmefällen, etwa bei Beschreitung des Rechtsweges ohne schutzwürdiges Interesse, kann trotz vorhandener Beschwer des Rechtsschutzbedürfnis fehlen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Sozialgerichtsgesetz, a.a.O., vor § 143 Rd. 5 m.w.N.).

Im Falle des Beigeladenen zu 8) ist die Beschreitung des Rechtsweges nicht erforderlich, da sich seine Rechtsposition auch bei Erfolg seines Antrags nicht verbessert. Denn die Auswahl für die Nachbesetzung seines Vertragsarztsitzes tangiert weder seine rechtlichen noch seine finanziellen Interessen. Dies resultiert daraus, dass für ihn aufgrund des o.g. Vertrages vom 3. März 2010 keinerlei Rechte oder Pflichten im Zusammenhang mit der Nachbesetzung mehr bestehen. Der Beigeladene zu 8) hat nicht nur seinen Gesellschaftsanteil an die Beigeladene zu 9) verkauft und hierfür bereits den Kaufpreis erhalten, sondern ihr auch das Recht zur Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes übertragen. Durch die Übergabe der Praxisräume an die Klägerin, die auch zur Folge hat, dass die Beigeladene zu 9) nunmehr alle mit der Praxisführung verbundenen Lasten zu tragen und den Beigeladenen zu 8) von möglichen Ansprüche freizustellen hat (§ 7 des o.g. Vertrages), ist dieser spätestens für die Zeit ab dem 1. Juli 2010 von allen vertragsärztlichen Bindungen und Berechtigungen befreit. Welche Bewerberin in seiner Nachfolge mit der Beigeladenen zu 9) eine BAG bildet, ist für seine Interessen ohne jede Bedeutung.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Senat hierfür die zivilrechtlichen Vereinbarungen des Beigeladenen zu 8) heranzieht. Denn für die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses ist – anders als bei der o.g. Frage, ob es für die Eignung eines Bewerbers auf zivilrechtliche Bindungen der nachzubesetzenden Praxis ankommt – stets auf die individuellen Verhältnisse des Rechtsschutzsuchenden abzustellen.

C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.