LAG Hamm, Urteil vom 01.08.2012 - 5 Sa 27/12
Fundstelle
openJur 2013, 3516
  • Rkr:

Für die wirksame Vereinbarung von Kurzarbeit ist es erforderlich, dass in einer Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit, die normative Wirkung für die betroffenen Arbeitsverhältnisse entfalten soll, Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder die Abteilung sowie die Zeiträume, in denen die Arbeit ganz ausfallen soll, festgelegt werden, um dem für Rechtsnormen geltenden Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen im Anschluss an Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.11.2005 - 20 Sa 112/04, - juris -; Sächsische Landesarbeitsgericht, Urteil vom 31.07.2002 - 2 Sa 910/01, NZA-RR, 2003, 366; Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.1997 - 17/13 Sa 162/96, NZA-RR, 1997, 479; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.03.2006 - 11 Sa 609/05, - juris -; Arbeitsgericht Herford, Urteil v. 26.02.2010,

- 1 Ca 241/09, - juris -) .

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23.11.2011 - 1 Ca 1315/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers, die aus seiner Auffassung nach unwirksam angeordneter Kurzarbeit resultieren für den Zeitraum ab April 2011.

Der Kläger steht seit dem 18.05.1984 als Baggerfahrer in den Diensten der Beklagten, einem Unternehmen im Baugewerbe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Der durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst des Klägers beträgt 3.100,00 Euro.

Mit seiner am 29.06.2011 bei Gericht eingegangenen, im Laufe des Verfahrens erweiterten Klage, begehrt der Kläger von der Beklagten Zahlung von Arbeitsvergütung aus dem Rechtsgrund des Annahmeverzuges.

a)      für die Monate April und Mai 2011 in Höhe von 6.169,11 Euro brutto,

b)     für die Monate Juni und Juli 2011 in Höhe von 6.182,71 Euro brutto.

Auf diese Beträge lässt er sich die von der Beklagten für die einzelnen Monate gezahlte Nettovergütung anrechnen. Die Differenzbeträge erklären sich aus der Einführung und Durchführung von Kurzarbeit gegenüber dem Kläger und der daraus resultierenden geringer vergüteten Arbeitszeit auf der Grundlage von Kurzarbeitergeld.

Mit der Durchführung von Kurzarbeit im Klagezeitraum war der Kläger unstreitig nicht einverstanden. Unstreitig hat der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten erklärt, er wolle nach Beendigung der Saisonkurzarbeit ab April 2011 in arbeitsvertragsgemäßem Umfange weiter arbeiten. Die Höhe der Klageansprüche ist zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig.

Der Kläger hat beantragt,

1.      die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.169,11 Euro brutto abzüglich erhaltener 2.359,25 Euro netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus a) 2.967,01 Euro brutto abzüglich erhaltener 1.173,10 Euro netto nebst Zinsen     seit dem 15.05.2011,b) weiteren 3.202,10 Euro brutto abzüglich erhaltener 1.186,15 Euro netto     nebst Zinsen seit dem 15.06.2011,  

2.      die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.182,71 Euro brutto abzüglich erhaltener 3.110,46 Euro netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus a) 3.348,37 Euro brutto abzüglich erhaltener 1.673,64 Euro netto nebst Zinsen     seit dem 15.07.2011,b) weiteren 2.834,34 Euro brutto abzüglich erhaltener 1.436,82 Euro netto     nebst Zinsen seit dem 15.08.2011zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Teilurteil vom 23.11.2011 hat das Arbeitsgericht über die Ansprüche des Klägers für die Monate April und Mai 2011 entschieden und der Klage stattgegeben.

Es hat ausgeführt, dass für die Zeit vom 01.04.2011 - 31.05.2011 die Voraussetzungen des Annahmeverzuges vorgelegen hätten, da die Beklagte dem Kläger zuletzt am 28.03.2011 erklärt habe, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheinen solle, weshalb es eines Arbeitsangebotes des Klägers nicht mehr bedurft habe, vielmehr sei die Beklagte mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug geraten. Ob die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit gegeben waren, könne nicht geprüft werden, da jedenfalls die einseitige Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber nicht möglich sei. Vielmehr behalte der Arbeitnehmer in diesem Fall seinen Lohnanspruch.

Gegen das ihr am 06.12.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 06.01.2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.03.2012 mit am 06.03.2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie hat ein Schreiben, welches vom 31.03.2011 datiert, vorgelegt, mit folgendem Inhalt:

Vereinbarung zwischen der Fa. J1 GmbH und dem Betriebsrat der J1 GmbH über wirtschaftlichen Arbeitsausfall - Kurzarbeit

 Wegen der sich weiterhin extrem verschlechternden Auftragssituation wird mit den gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten der Fa. J1 GmbH in I1 die Aufnahme von Kurzarbeit ab dem 01. April 2011 vereinbart.

Vor dem 01. Januar bis zum 31. März 2011 wurde bereits Saison -  KUG aus wirtschaftlichen Gründen vom Arbeitgeber angeordnet bzw. vereinbart.

Bei Restarbeiten bzw. Neuarbeiten werden die Mitarbeiter in Abstimmung mit dem Betriebsrat eingesetzt.

I1, 31.03.2011

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen. (Bl. 73 d.A.).

Sie behauptet nunmehr, bereits am 31.03.2011 mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen zu haben, mit der die Aufnahme von Kurzarbeit ab dem 01.04.2011 vereinbart worden sei, wobei die Mitarbeiter in Abstimmung mit dem Betriebsrat bei Restarbeiten bzw. Neuaufträgen eingesetzt werden sollten.

In Umsetzung dieser Betriebsvereinbarung sei dann mit dem Betriebsrat jeweils abgestimmt worden, wie der Einsatz der Arbeitnehmer erfolgen solle. Dieser sei stundenweise erfolgt, ein vollschichtiger Einsatz von mehreren Kollegen des Klägers, wie vom diesem,  unter deren namentlicher Nennung behauptet, sei nicht erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23.11.2011 - 1 Ca 1315/11 - abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass die Betriebsvereinbarung erst zweitinstanzlich vorgelegt worden sei und behauptet, der Betriebsrat sei tatsächlich zu keinem Zeitpunkt in konkrete Umsetzungsmaßnahmen für den Einsatz der Arbeitnehmer einbezogen worden. Die Kurzarbeit sei auch zu Lasten des Klägers durchgeführt worden. So hätten von den insgesamt 18 beschäftigten Arbeitnehmern nur drei Kurzarbeit „Null" leisten müssen, die übrigen Mitarbeiter, insbesondere auch die anderen Baggerfahrer seien ab 01.04.2011 vollschichtig eingesetzt worden. Die tatsächliche Möglichkeit zum vollschichtigen Einsatz des Klägers habe auch bestanden, da der Kollege Schütt darum gebeten habe, „Kurzarbeit Null" durchführen zu dürfen, dies sei ihm abgeschlagen worden.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben.

Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung für die Monate April und Mai 2011 in ausgeurteilter, unstreitiger Höhe, da die Beklagte mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug geraten ist und zu einer Freistellung des Klägers unter Fortfall der Vergütung mangels einzelvertraglicher Abrede oder kollektivrechtlicher Bestimmung nicht berechtigt war.

Der Anspruch des Klägers bestimmt sich nach §§ 615 Satz 1, 611 BGB. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis verpflichtet, dem Arbeitnehmer im vertraglichen Umfang einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Unterlässt er dies, kommt er mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug und bleibt entsprechend §§ 615 Satz 1, 611 BGB zur Entgeltzahlung verpflichtet.

Will der Arbeitgeber Kurzarbeit einführen, so bedarf es hierzu entweder einer Individualabsprache mit dem Arbeitnehmer über eine Verkürzung der Arbeitszeit bei entsprechender Entgeltsenkung, einer ggf. eingreifenden tariflichen Regelung oder des Bestehens einer wirksamen Betriebsvereinbarung, durch die in das Gegenseitigkeitsverhältnis aus dem Arbeitsvertrag eingegriffen wird. Der Arbeitgeber ist danach nicht berechtigt, einseitig im Wege des Direktionsrechts die Arbeitszeit der Arbeitnehmer herabzusetzen, unabhängig davon, ob im Betrieb durchzuführende Kurzarbeit wirksam bei der Bundesagentur für Arbeit angezeigt und genehmigt worden ist. Diese Genehmigung betrifft lediglich die Frage, ob Kurzarbeitergeld gem. §§ 95 ff SGB III gewährt wird, nicht aber, ob Kurzarbeit wirksam im Arbeitsverhältnis umgesetzt worden ist. (siehe hierzu nur BAG, Urt. v. 16.12.2008, 9 AZR 164/08, NZA 2009, 689 m.w.N;  ständige Rechtsprechung).

a) Eine Individualvereinbarung ist unstreitig nicht getroffen worden, tarifvertragliche Regelungen für die Einführung von Kurzarbeit unabhängig von witterungsbedingten Einflüssen sind nicht ersichtlich.

b)Soweit sich die Beklagte erstmals zweitinstanzlich für die Rechtmäßigkeit der eingeführten Kurzarbeit auf eine Betriebsvereinbarung vom 31.03.2011 berufen hat, steht dieses den Ansprüchen des Klägers nicht entgegen.

Für die Entscheidung konnte auch dahinstehen, ob es sich bei entsprechender Auslegung überhaupt um eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Einführung von Kurzarbeit handelt. Der Wortlaut lässt hier Zweifel zu, da Abs. 1 des vorgelegten Textes ausführt, es wird mit den Mitarbeitern der Beklagten die Aufnahme von Kurzarbeit ab 01. April 2011 vereinbart, was dahingehend verstanden werden könnte, dass es sich hier noch gar nicht um eine Vereinbarung der Betriebsparteien handelt, sondern lediglich die Feststellung, dass Kurzarbeit geleistet werden soll und dies noch mit den Mitarbeitern (individuell) zu vereinbaren ist.

Da die Qualität des Schreibens, welches auf den 31.03.2011 datiert, als Betriebsvereinbarung zwischen den Parteien nicht streitig gestellt wurde, konnte dies für die Entscheidung letztlich offen bleiben.

Die Vereinbarung vom 31.03.2011 genügt nicht den Anforderungen an eine wirksame Betriebsvereinbarung im Sinne der §§ 87 Abs. 1 Nr. 3, 77 Abs. 4 BetrVG.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes gilt, dass  der Betriebsrat  gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen hat. Hierunter fällt  auch die Einführung von Kurzarbeit, und zwar auch dann, wenn Tage oder Wochen endgültig ausfallen und damit die Dauer der Arbeitszeit berührt wird (BAG, Urt. v. 16.12.2008, 9 AZR 164/08, NZA 2009, 689 unter Verweis auf BAG 14. Februar 1991 - 2 AZR 415/90 -, AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 4). Grundsätzlich bedarf die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG keiner förmlichen Betriebsvereinbarung gem. § 77 Abs. 2, 4 BetrVG, vielmehr kann auch durch eine Regelungsabrede das Mitbestimmungsrecht gewahrt werden. Dies gilt aber nicht im Fall der Herabsetzung der arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Arbeitszeit. Wegen der fehlenden normativen Wirkung einer Regelungsabrede kann diese nicht die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer ändern. (BAG, Urt. v. 16.12.2008, 9 AZR 164/08, a.a.O.; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24. Auflage, § 87 Rn. 158). Hierzu bedarf es einer Betriebsvereinbarung.

Eine förmliche Betriebsvereinbarung im Sinne des § 77 Abs. 4 BetrVG wirkt wie eine Rechtsnorm auf Arbeitsverhältnisse und bestimmt deren Inhalte. Ohne Rücksicht auf den Willen der betroffenen Arbeitnehmer kann durch sie grundsätzlich eine Änderung der Arbeitsbedingungen auch hinsichtlich der Arbeitszeit und der Lohnzahlungspflichten erfolgen. Die betriebliche Arbeitszeit wird durch eine die Kurzarbeit einführende Betriebsvereinbarung verkürzt. Die Regelungskompetenz hierfür ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (BAG, Urt. v. 16.12.2008, 9 AZR 164/08, a.a.O. unter Verweis auf  BAG 12. Oktober 1994 - 7 AZR 398/93 -, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 66;  BAG 11. Juli 1990 - 5 AZR 557/89 -, BAGE 65, 260).

Höchstrichterlich noch nicht entschieden ist bisher die Frage, welchen Anforderungen der Inhalt einer Betriebsvereinbarung genügen muss, um Kurzarbeit wirksam mit Auswirkungen auf das individualrechtliche Vertragsverhältnis zu vereinbaren.

So wird zum Teil die Auffassung vertreten, eine Betriebsvereinbarung genüge den Anforderungen für eine wirksame Gestaltung von Kurzarbeit, wenn sie abstrakt die Einführung von Kurzarbeit aus einem bestimmten Anlass regele und die personelle Festlegung des Personenkreises einer formlosen Absprache der Betriebsparteien überlasse (so Thüringer Landesarbeitsgericht, Urt. v. 07.10.1999,  2 Sa 404/98,  - juris -; Landesarbeitsgereicht Brandenburg, Urt. v. 10.08.1994, 5 Sa 286/94, - juris -).

Nach Auffassung anderer Landesarbeitsgerichte ist für die wirksame Vereinbarung von Kurzarbeit erforderlich, dass in einer Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit, die normative Wirkung für die betroffenen Arbeitsverhältnisse entfalten soll, Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder die Abteilung sowie die Zeiträume, in denen die Arbeit ganz ausfallen soll, festgelegt werden, um dem für Rechtsnormen geltenden Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.11.2005 - 20 Sa 112/04, - juris -; Sächsische Landesarbeitsgericht, Urteil vom 31.07.2002 - 2 Sa 910/01, NZA-RR, 2003, 366; Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.1997 - 17/13 Sa 162/96, NZA-RR, 1997, 479; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.03.2006 - 11 Sa 609/05, - juris -;  Arbeitsgericht Herford, Urteil v. 26.02.2010, - 1 Ca 241/09, - juris -) .

Die Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Bei der Vereinbarung von Kurzarbeit wird in erheblicher Weise in das Individualarbeitsverhältnis eingegriffen. Insbesondere bei der Einführung von sog. „Kurzarbeit Null" ergeben sich für den Arbeitnehmer evidente Änderungen seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlagen. Wie wesentlich dieser Eingriff in die Grundbeziehung der Arbeitsvertragspartien ist, ergibt sich bereits daraus, dass eine so weitgehende Änderung des Inhaltes des Arbeitsverhältnisses auf Individualebene nur durch eine Änderungskündigung zu erreichen wäre.

Das Formerfordernis des § 77 Abs. 2 BetrVG ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Gebot der Normenklarheit. Die schriftliche Niederlegung soll zum einen die Betriebsparteien veranlassen, die getroffene Vereinbarung präzise niederzulegen, um spätere Zweifel und Streitigkeiten möglichst zu vermeiden. Sie soll aber auch den normunterworfenen Arbeitnehmern ermöglichen, die sich aus der Betriebsvereinbarung ergebenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu erkennen. (Fitting u.a., a.a.O., § 77 Rz. 21; in diesem Sinne auch LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.11.2005, - 20 Sa 112/04, a.a.O.;  Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.1997 - 17/13 Sa 162/96, a.a.O.)  Die Vereinbarung von Kurzarbeit kann daher wirksam nur schriftlich und nur unter Festlegung der für die einzelnen Arbeitnehmer geltenden Bedingungen hinsichtlich Dauer und Inhalt der Kurzarbeit vereinbart werden. Nur so kann die Betriebsvereinbarung die ihr zugesprochene normative Wirkung für das einzelne Arbeitsverhältnis entfalten. Würde dem Arbeitgeber stattdessen, ggf. auch in formloser Absprache mit dem Betriebsrat, das Recht eingeräumt, für die einzelnen Arbeitnehmer bezogen auf einzelne Zeitabschnitte jeweils die entsprechende Kurzarbeit festzulegen, läge diesbezüglich eben keine schriftliche Betriebsvereinbarung gem. § 77 Abs. 2 BetrVG vor, sondern lediglich eine Regelungsabrede. Dass diese nur den Anforderungen an die Erfüllung der Mitbestimmungsrechte gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG genügt, nicht aber denen für eine wirksame Absenkung der Arbeitszeit und damit den Lohnanspruch des Arbeitnehmers nicht berührt, ist in Rechtsprechung und Literatur soweit ersichtlich Konsens (siehe nur Fitting u.a., a.a.O., § 87 Rn. 158; BAG, Urt. v. 14.02.1991, - 2 AZR 415/90, NZA 91, 607).

Diesen Anforderungen wird die unter dem Datum 31.03.2011 festgehaltene Regelung nicht annähernd gerecht.

Sie enthält, außer dem beabsichtigten Beginn, keinerlei Regelungen über die Durchführung der Kurzarbeit. Weder ist erkennbar, welche konkreten Umstände für die Einführung verantwortlich sind und damit, weshalb und wann das Erfordernis hierfür entfällt, noch ist erkennbar, in welchem Umfang überhaupt noch Arbeitsbedarf herrscht oder Arbeitsbedarf entfallen ist. Auch ist nicht festgelegt, welche Personen oder Personengruppen in welchem Umfang nach welchen Kriterien in die Kurzarbeit einbezogen werden.

Damit genügt die Vereinbarung nicht den o.g. Anforderungen an eine normativ wirkende Betriebsvereinbarung und ändert die Arbeitsbedingungen des Klägers nicht.

Da die Beklagte somit mangels wirksamer Absenkung der individuellen Arbeitszeit des Klägers verpflichtet war, ihn im arbeitsvertraglichen Umfang einzusetzen, dies aber nicht tat, ist sie mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug geraten. Eines tatsächlichen Arbeitsangebotes des Klägers ab 01.04.2011 bedurfte es nicht, da die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers bereits im März 2011 für die Zukunft abgelehnt hatte, wörtlich hatte der Kläger seine Arbeitsleistung unstreitig angeboten (§ 295 Satz 1 BGB).

Die Höhe der Ansprüche des Klägers ist auch in der zweiten Instanz unstreitig geblieben. Die Ansprüche des Klägers bestehen somit in der von dem Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe. Die Berufung war mit der Kostenfolge des  § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

III.

Die gegen die Entscheidung des Thüringer Landesarbeitsgericht eingelegte Revision endete durch sonstige Erledigung, die gegen die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde verworfen, wobei die Entscheidung selbst den Anspruch  wegen einer schon nicht formwirksam vereinbarten Betriebsvereinbarung zugesprochen hatte, die Entscheidung über die Revision gegen das Urteil des LAG Baden-Württemberg musste sich lediglich mit der Frage auseinandersetzen, ob dem Personalrat überhaupt ein Mitbestimmungsrecht bei Kurzarbeit zusteht.

Da es sich um eine durch das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschiedene Frage handelt und widersprechende Urteile einzelner Landesarbeitsgerichte vorliegen, war die Revision zuzulassen.