1. Die sofortige Beschwerde des Auftraggebers gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 8. März 2012 zu Los 3 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner, die notwendigen Auslagen der Antragstellerin je zur Hälfte.
3. Der Beschwerdewert wird auf 531.000 € festgesetzt.
I.
1. Gegenstand der EU-weiten Ausschreibung im offenen Verfahren ist die Vergabe von Abfallentsorgungsleistungen. Die Gesamtleistung ist in 16 Lose ausgeteilt. Im jetzigen Beschwerdeverfahren geht es noch um das Los 3 (Sammlung und Beförderung von Bioabfall im Landkreis ...[A] unter Einsatz eines Behälteridentifikationssystems). Der Vertrag soll eine Laufzeit von 3 Jahren haben, optional ist eine zweimalige Verlängerung um jeweils zwei Jahre vorgesehen.
Nach der Leistungsbeschreibung sind Bioabfälle "biologisch verwertbare Küchenabfälle, insbesondere Obst-, Gemüse- und sonstige Speisereste sowie Grünabfälle wie Laub, Gras-, Baum- und Strauchschnitt mit einem Durchmesser von max. 8 cm", die von den Bürgern in auf den Hausgrundstücken bereitgestellte "braune Tonnen" (Abfallbehälter unterschiedlicher Größe mit einem Fassungsvermögen von 60 l bis 240 l) entsorgt werden.
Laut Bekanntmachung vom 30. Juni 2011 war mit dem Angebot u.a. eine "Auflistung von repräsentativen Referenzaufträgen der letzten 3 abgeschlossenen Geschäftsjahre für mit den angebotenen Leistungen vergleichbare Leistungen, mit Benennung der durchgeführten Dienstleistung, Durchführungszeitraum der Dienstleistung, Bezeichnung des Auftraggebers (Telefon- Nr.), und Vergütung pro Jahr" vorzulegen.
Weiter heißt es hinsichtlich der technischen Leistungsfähigkeit unter III.2.3) zu den Mindeststandards:
"Für die Lose 1 bis 3 ist mind. eine Referenz für die behältergestützte Sammlung und Beförderung von Abfällen im kommunalen Auftrag mit mind. 12 Monaten Vertragslaufzeit und für ein Entsorgungsgebiet mit mind. 40 000 Einwohnern vorzulegen."
Diese Forderung wird in den Vergabeunterlagen (Bewerbungsbedingungen) unter 7.11.2 wiederholt. Dazu heißt es im Vergabevermerk u.a.:
"Die Vergabestelle hat durch die Wahl der Mindestanforderungen einen objektiven Maßstab bereitgestellt, um beurteilen zu können, ab wann eine erbrachte Leistung als vergleichbar zu der ausgeschriebenen Leistung angesehenen wird."
2. Der Auftraggeber beabsichtigt, den Auftrag der Beigeladenen zu erteilen, die keinen dem Wortlaut der Bekanntmachung entsprechenden Referenzauftrag vorweisen kann. Sie hat stattdessen auf dem auszufüllenden Formblatt angegeben:
"Bezeichnung der durchgeführten Dienstleistung:
Sammlung und Beförderung von Bioabfällen
Durchführungszeitraum der Dienstleistung:
2003 - dato
Bezeichnung des Auftraggebers:
Landkreis ...[C]
Anschrift und Ansprechpartner des Auftraggebers:
...
Telefonnummer des zuständigen Ansprech-
partners des Auftraggebers:
...
Größe des Entsorgungsgebietes (Ew):
50 - 60.000
Vergütung der von dem Bieter erbrachten
Dienstleistung in €/Jahr:
600.000"
Der von der US-Army betriebene Truppenübungsplatz ...[B] liegt zwar im Gebiet des Landkreises ...[C] und unterliegt auch grundsätzlich den Regeln des deutschen Abfallrechts, ist aber vom Anschluss- und Benutzungszwang befreit mit der Folge, dass die US-Army selbst für das Sammeln, das Sortieren und den Abtransport von Abfällen/Wertstoffen aller Art verantwortlich ist. Mit der Durchführung hat sie die Beigeladene beauftragt. Der Landkreis ...[C] hat mit dem Entsorgungsvertrag nichts zu tun.
Auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes befinden sich Housing Areas mit Gaststätten, Kinos, Geschäften usw., in denen deutlich weniger als 10.000 Menschen - überwiegend Soldaten mit ihren Familien - dauerhaft leben. Dort werden Abfälle aller Art teils getrennt im Holsystem (z.B. Restmüll oder "Food Waste") mit festen Abholterminen, teils im Bringsystem über Großcontainer z.B. für Gartenabfälle entsorgt.
Daneben gibt es auf dem Gelände Baracken und bei Bedarf Zeltstädte für die übenden Truppen. Insoweit werden Abfallmenge und Entsorgungsfrequenz von Zahl, Dauer und Umfang der Übungen bestimmt, an denen in der Regel zwischen 3.000 und 10.000 Personen teilnehmen. Für die Dauer der Übungen stellt die Beigeladene auf Anforderung die jeweils notwendige Anzahl der Abfalltonnen für eine getrennte Sammlung im Gelände auf. Die Leerung richtet sich nach dem tatsächlichen Bedarf; abhängig von den Abfallarten kann es zeitweise sogar notwendig sein, täglich oder gar mehrmals täglich Entsorgungsleistungen zu erbringen.
Die jährlich von der Beigeladenen zu entsorgende Abfall- und Wertstoffgesamtmenge liegt bei rund 15.000 t. Dies entspricht dem Gewicht des Abfalls, der bei den Haushalten in einer Kommune mit rund 40.000 Einwohnern anfällt. Das angesichts der geringeren Personenzahl relativ hohe Gewicht erklärt sich daraus, dass der bei militärischen Übungen zu entsorgende Abfall eine andere Zusammensetzung als "Hausmüll" hat.
Auftraggeber und Beigeladene sind der Auffassung, der Referenzauftrag "Truppenübungsplatz ...[B]" genüge als Eignungsnachweis. Im Vergabevermerk heißt es dazu u.a.:
"Hätte die Vergabestelle von der Möglichkeit derartiger Aufträge, die behältergestützte Entsorgungsleistungen nach Tourenplan für ständig mehr als 40.000 stationierte Armeeangehörige umfassen, gewusst, hätte sie diese nicht durch die gewählte Formulierung in den Mindestbedingungen ("im kommunalen Auftrag") ausgrenzen wollen, sondern eine andere Formulierung gewählt. Im Ergebnis werden die beigebrachten Referenzen als gleichwertig zu der geforderten Mindestanforderung angesehen. Der Bieter hat durch die angegebenen Referenzaufträge nachgewiesen, dass er für eine ordnungsgemäße Durchführung der Leistungen für die Lose 1 - 3 die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit besitzt."
Auf Antrag der Beschwerdegegnerin hat die Vergabekammer dies anders gesehen und den Auftraggeber mit Beschluss vom 8. März 2012 verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen aus der Wertung zu nehmen.
Hiergegen wendet sich der Auftraggeber mit der sofortigen Beschwerde. Er beantragt,
den Beschluss der 2. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 8. März 2012 zu Los 3 aufzuheben und den Nachprüfungsantrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Antragstellerin (Beschwerdegegnerin) beantragt,
die sofortige Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag, hat sich aber mit Ausführungen zur Sach- und Rechtslage aktiv an der mündlichen Verhandlung beteiligt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die Verfahrensakte der Vergabekammer und die Vergabeakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. An der Feststellung, dass die US-Army kein kommunaler Auftraggeber, der Truppenübungsplatz ...[B] keine kommunale Gebietskörperschaft ist und Soldaten, die sich dort für Tage oder wenige Wochen zu Übungszwecken aufhalten, keine Einwohner sind, kommt man nicht vorbei. Weil die Beigeladene keinen anderen Referenzauftrag angegeben hat, genügt sie nicht dem vom Auftraggeber ordnungsgemäß bekanntgemachten Eignungsprofil. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob der Angebotsausschluss, wie von der Vergabekammer angenommen, aus § 19 Abs. 3 lit. a) EG VOL/A folgt, oder ob das Angebot, wozu der Senat neigt, wegen fehlender Eignung des Bieters (§ 19 Abs. Abs. 5 EG VOL/A) aus der Wertung zu nehmen ist.
a) Wie sich (nicht nur) aus Art. 44 Abs. 2 VKR ergibt, ist der Auftraggeber berechtigt, das auftragsbezogene Eignungsprofil über Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit zu definieren. Gemäß §§ 7 Abs. 5 EG, 15 Abs. 1 EG VOL/A i.V.m. Art. 36 Abs. 1 VKR und dem Standardformular 2 (Anhang II der VO (EG) 1564/2005; siehe auch Anhang VII zu Art. 36 Abs. 1 VKR unter A Bekanntmachung Ziffer 17) hat der Auftraggeber in dem Formular für die Bekanntmachung unter III.2.3) in der rechten Spalte anzugeben, ob und welche Mindestanforderungen er an die technische Leistungsfähigkeit der potentiellen Auftragnehmer stellt. Dies hat der Beschwerdeführer hier dadurch getan, dass er unmissverständlich mindestens eine Referenz über "die behältergestützte Sammlung und Beförderung von Abfällen im kommunalen Auftrag ... für ein Entsorgungsgebiet mit mind. 40 000 Einwohnern" verlangt hat. Damit hat er sich zugleich dahingehend festgelegt, dass ein Bieter, der nicht mindestens einen derartigen Auftrag gerade ausführt oder in jüngere Vergangenheit ausgeführt hat, mangels Eignung nicht als Auftragnehmer in Frage kommt.
b) Diese Mindestanforderung, die im Übrigen von niemandem gerügt wurde, ist entgegen der jetzt vom Auftraggeber ergebnisorientiert vertretenen Auffassung nicht vergaberechtswidrig. Bei der Festlegung des auftragsbezogenen Eignungsprofils ist der Auftraggeber weitgehend frei. Er muss keine Mindestanforderungen festlegen (und sich damit selbst binden), aber er hat das Recht dazu. Die Grenze zur Rechtswidrigkeit ist erst überschritten, wenn eine Forderung unzumutbar ist - wobei sich die Unzumutbarkeit noch nicht allein daraus ergibt, dass ein Unternehmen zur Erfüllung nicht in der Lage ist - oder nicht mehr der Befriedigung eines mit Blick auf das konkrete Beschaffungsvorhaben berechtigten Informations- und/oder Prüfungsbedürfnisses dient, sondern ohne jeden sachlichen Grund ausgrenzend und damit wettbewerbsbeschränkend wirkt (siehe dazu auch Hausmann/Hoff in: Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, VOL/A, 2. Aufl., § 7 EG Rn. 21 f.).
Dies ist hier nicht der Fall. Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein entsorgungspflichtiger Landkreis sich bei der Erfüllung einer wichtigen öffentlichen Aufgabe nur eines Unternehmens bedienen will, das eine entsprechende Leistung zumindest schon einmal für eine andere kommunale Gebietskörperschaft mit einer bestimmten Größe erbracht hat oder derzeit erbringt. Die Prüfung der Zweckmäßigkeit einer derartigen Vorgabe gehört nicht zu den Aufgaben der Nachprüfungsbehörden.
c) Die Vorgabe in der Bekanntmachung ist eindeutig und keiner vom Wortlaut abweichenden Auslegung zugänglich. Für die vom Auftraggeber nunmehr vertretene Auffassung, das Eignungsprofil könne auch durch andere, der Mindestanforderung vergleichbare Referenzaufträge erfüllt werden, findet sich weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen irgendein Ansatz.
Es ist zwar richtig, dass der Auftraggeber zunächst allgemein festgelegt hat, er wolle die Eignung anhand von Referenzaufträgen über der angebotenen Leistung vergleichbare Leistungen prüfen. Seinen recht weiten Beurteilungsspielraum hat er aber selbst freiwillig durch eine eindeutige und unmissverständliche Mindestanforderung an die Bieter erheblich eingeengt (siehe auch Hausmann/Hoff in: Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, VOL/A, 2. Aufl., § 7 EG Rn. 31 f.) Von dieser Mindestanforderung ist er jedenfalls vor Angebotsabgabe nie mehr abgerückt; Bekanntmachung und Vergabeunterlagen sind insoweit deckungsgleich.
Es ist also nicht so, wie der Auftraggeber jetzt glauben machen will, dass der Nachweis der Eignung auf der Grundlage der vorliegenden Ausschreibung auch allein durch Referenzen geführt werden kann, von denen keine einzige seinen eigenen Vorgaben genügt, wenn sie nur irgendwie vergleichbare Leistungen betreffen. Er selbst hat diese Möglichkeit bewusst und nach außen eindeutig ausgeschlossen. Ob der Auftraggeber, wenn er gewusst hätte, dass auch die US-Army in Deutschland Entsorgungsaufträge vergibt, anders als geschehen ausgeschrieben hätte, ist unerheblich; er hat es nicht getan.
Die gesamte Argumentation des Auftraggebers lässt außer Acht, dass es hier - anders als in dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 6. März 2008 (VII-Verg 53/07 - juris) - nicht um die mehr oder weniger beispielhafte Umschreibung der Vergleichbarkeit in den Vergabeunterlagen geht, sondern um eine ausdrücklich bekannt gemachte Mindestanforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit. Auch der vom Auftraggeber angeführten Entscheidung des Senats vom 15. Oktober 2009 (1 Verg 9/09 - VergabeR 2010, 696) lag eine völlig andere Fallgestaltung zugrunde. Der damalige Auftraggeber hatte sich, was nicht nur vergaberechtlich zulässig ist, sondern durchaus auch klug sein kann, gerade nicht durch enge Vorgaben selbst gebunden, sondern u.a. bekanntgegeben: "Sofern Sie noch nicht oder nicht über hinreichende Referenzen im Bereich abfallwirtschaftlicher Leistungen verfügen, können Sie weitere Angaben machen, warum Sie sich/Ihr Unternehmen für ausreichend fachkundig und leistungsfähig für die Erbringung der abgefragten Leistungen halten." Mit einer entsprechenden Bekanntmachung im jetzigen Verfahren wäre gegen die Beauftragung der Beigeladenen wahrscheinlich nichts einzuwenden gewesen.
d) Der Auftraggeber darf seine Anforderungen an die Eignung jedenfalls nach Angebotsabgabe weder verschärfen noch zugunsten einzelner Bieter auf die Erfüllung seiner Vorgaben verzichten. Folglich kommt die Beigeladene als Auftraggeberin nicht in Betracht.
e) Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Vergleichbarkeit zumindest sehr zweifelhaft ist. Entgegen den Ausführungen im Vergabevermerk gibt es auf dem Truppenübungsplatz ...[B] keine "behältergestützte(n) Entsorgungsleistungen nach Tourenplan für ständig mehr als 40.000 stationierte Armeeangehörige".
2. § 7 Abs. 5 Satz 2 EG VOL/A (Ersetzung geforderter Nachweismittel durch Vorlage anderer, aber inhaltlich gleichwertiger Urkunden u.ä.) ist hier nicht einschlägig.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 78 GWB. Der Festsetzung des Gegenstandswerts (§ 50 Abs. 2 GKG) wurden die von der Antragstellerin geforderte Grundvergütung zzgl. Mehrwertsteuer und eine (potentielle) Laufzeit von 7 Jahren zugrunde gelegt.