LAG Hamm, Urteil vom 12.09.2012 - 3 Sa 308/11
Fundstelle
openJur 2013, 3040
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 03.02.2011 - 3 Ca 2933/10 - abgeändert:

Die Klage wird hinsichtlich des Antrags des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 22.660,- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.06.2009 abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Bonus für das Jahr 2008.

Der Kläger war seit dem 01.08.1987 bei der D1 Bank AG, zuletzt in der Funktion des Executive Relationship Manager Private Wealth Management beschäftigt.

Bei der D1 Bank AG handelte es sich um die Konzernobergesellschaft des D1-Bankkonzerns.

Die D1 Bank AG wurde auf die Beklagte, die zuvor Alleinaktionärin an der D1 Bank geworden war, verschmolzen. Die Verschmelzung wurde zum 11.05.2009 durch Eintragung in das Handelsregister wirksam. Seit diesem Zeitpunkt wird die D1 Bank als Marke innerhalb der Beklagten geführt.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete zum 30.06.2009 durch Eigenkündigung des Klägers.

Der Kläger war AT-Mitarbeiter.

Grundlage der Beschäftigung war ein Arbeitsvertrag vom 09./17.05.2000.

Ziffer 2. des Vertrages lautet wie folgt:

„2. Bezüge

Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge…

b) Variable Vergütung

Eine zusätzliche Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgelegt wird. Die Auszahlung erfolgt etwa Mitte Mai des folgenden Geschäftsjahres.

…

10. Sonstige Vereinbarungen

Bis zum Abschluss einer gesonderten Betriebsvereinbarung über die variable Vergütung beträgt die zusätzliche Vergütung nach Ziffer 1 b dieses Vertrages mindestens zwei Monatsgehälter. …"

Im Monat Februar 2008 schlossen die D1 Bank AG und der bei ihr bestehende Gesamtbetriebsrat rückwirkend zum 01.01.2007 eine Betriebsvereinbarung über das Bonussystem im Tarifbereich, mit der die Betriebsvereinbarung über die Einführung eines Bonussystems im Tarifbereich von September 2004 sowie eine Änderungsvereinbarung von März 2007 abgelöst wurde.

Die Grundsätze der außertariflichen Grundvergütung ergaben sich aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01.12.1999, geschlossen zwischen dem Vorstand der D1 Bank AG und dem Gesamtbetriebsrat.

Für außertarifliche Mitarbeiter mit Zielvereinbarung war als Grundlage des Zielvereinbarungssystems die Geltung der „Terms & Conditions" vereinbart.

Für das Geschäftsjahr 2007 erhielt der Kläger einen Bonusbetrag in Höhe von 40.300,00 € brutto, wie ihm von der D1 Bank AG mit Schreiben aus dem Monat März 2008 mitgeteilt worden war.

Betreffend das Bonusvolumen für das Geschäftsjahr 2008 veröffentlichte die D1 Bank AG am 28.10.2008 eine Mitteilung im Intranet an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit folgendem Wortlaut:

„Bonusvolumen 2008

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass der Vorstand für das Kalenderjahr 2008 ein Bonusvolumen in Höhe von 100 % des Bonusvolumens 2007 - angepasst an den Mitarbeiterstand 2008 - pro Funktion und Division (exclusive DKIB Frontoffice) zugesagt hat.

Mit dieser Entscheidung verbunden ist der Dank für Ihr Engagement und Ihren Einsatz für unsere Bank im laufenden Jahr, auf den wir auch in Zukunft vertrauen.

Die Festsetzung der individuellen Bonusbeträge erfolgt wie in den vergangenen Jahren leistungsabhängig. Über die individuelle Bonusfestsetzung werden die Führungskräfte ihre Mitarbeiter rechtzeitig in einem persönlichen Gespräch informieren.

Die Auszahlung der Bonus erfolgt im Frühjahr 2009.

…"

Ob diese Mitteilung auf einer Vorstandsentscheidung der D1 Bank AG vom 02.10.2008. basierte, ist unter den Parteien streitig.

Mit Mitarbeiterbrief vom 18.02.2009 teilten der Vorstand der Beklagten und der D1 Bank AG sodann mit, dass es für 2008 keinerlei Bonuszahlungen geben werde. Für AT-Mitarbeiter entfalle der individuelle Bonus.

Der Kläger erhielt in der Folgezeit die beiden Garantiegehälter gem. Ziffer 10 seines Arbeitsvertrags (insgesamt 11.600 Euro) sowie eine Prämie für besondere Belastungen im Jahr 2008 in Höhe von 6.040 Euro.

Mit Schreiben vom 13.04.2009 behielt sich der Kläger die Geltendmachung des Restbetrages vor.

Eine Geltendmachung vom 03.12.2009 auf Anerkennung der Pflicht zur Bonuszahlung in der Höhe wie 2007 blieb erfolglos.

Die Leistungen des Klägers wurden am 30.06.2009 in einem Mitarbeitergespräch mit dem Vorgesetzten beurteilt. Die Leistungen des Klägers waren jedenfalls nicht schlechter als im Jahr 2007.

Nachdem der Kläger zunächst mit am 28.06.2010 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage Zahlung eines Bonusbetrages begehrt hatte, hat er später im Wege der Stufenklage auf erster Stufe Auskunft über die Höhe des für das Kalenderjahr 2007 gezahlten Bonusvolumens, angepasst an den Mitarbeiterbestand im Jahr 2008 begehrt.

Diesem Auskunftsantrag ist mit Teilurteil vom 04.11.2010 stattgegeben worden und die Beklagte verurteilt worden, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die Höhe des den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der mit der Beklagten zum 11.05.2009 verschmolzenen D1 Bank AG für das Kalenderjahr 2007 gezahlten Bonusvolumens - angepasst an den Mitarbeiterstand 2008 - pro Funktion und Division (exklusive DKIB FrontOffice).

Mit nachfolgendem Teilvergleich vom 20.12.2010 haben die Parteien sich sodann darauf verständigt, dass ein Bonusbetrag im Falle des Bestehens eines Zahlungsanspruchs 28.700,- € brutto beträgt, wovon ein erhaltener Betrag von 6.040,- € in Abzug zu bringen ist. Etwaige Gerichtskosten sollten insoweit von der Partei zu tragen sein, die im Urteil unterliegt.

Zahlung eines Betrages von 22.600,- € brutto begehrt der Kläger nunmehr weiter.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch ergebe sich aus Ziffer 2 b des Arbeitsvertrags i. V. m. dem Schreiben des Vorstands vom 28.10.2008.

In der Erklärung vom 28.10.2008 sei eine Willenserklärung zu sehen, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, dass sich die Erklärung an alle Arbeitnehmer gerichtet habe.

Bei diesem Schreiben handele es sich um eine Gesamtzusage; dabei handele es sich um eine Zusage dem Grunde nach. Der Vorstand habe die Höhe des Bonusvolumens nicht nur in Aussicht gestellt, sondern verbindlich und ohne weiteren Vorbehalt zugesagt. Dieser Sichtweise stehe nicht entgegen, dass das Geschäftsjahr 2008 zu dem Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Denn dem Arbeitgeber stehe es frei, sich vorzeitig schon verbindlich über den Umfang des zur Verfügung zu stellenden Bonusvolumens festzulegen.

Für eine solche Zusage zu diesem Zeitpunkt habe es auch durchaus einen Grund gegeben. Für den Investmentbankbereich habe nämlich unwidersprochen der Vorstand bereits sehr früh einen Bonustopf bestätigt. Der Gesamtbetriebsrat habe dann in Gesprächen mit dem Vorstand darauf hingewiesen, dass es angesichts dieser Sachlage und dem extremen Einsatz der Beschäftigten im Jahr 2008 nicht hinnehmbar sei, nun beim „normalen Arbeitnehmer" zu sparen. Obwohl bereits Ende Oktober 2008 die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schlecht gewesen sei, habe sich der Vorstand dennoch entschlossen, eine vorbehaltlose und verbindliche Zusage hinsichtlich des Bonusvolumens für 2008 abzugeben.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Vorstand mit der Erklärung vom 28.10.2008 eine Leistungsbestimmung gemäß § 315 BGB vorgenommen habe, sei die Beklagte hieran gebunden, da eine solche nicht mehr widerrufbar sei.

Auch scheitere ein Anspruch, so hat der Kläger des Weiteren die Auffassung vertreten, nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Es sei insoweit schon fraglich, ob ein bestimmtes Geschäftsergebnis der Bank überhaupt Geschäftsgrundlage der Erklärung vom 28.10.2008 habe sein können. Was Inhalt einer Vereinbarung sei, könne nicht Geschäftsgrundlage sein.

Hierzu hat der Kläger zudem bestritten, dass sich die wirtschaftliche Lage der D1 Bank AG zwischen September 2008 und Ende 2008 tatsächlich dramatisch verschlechtert habe. Eine Verschlechterung habe sich nicht im Ertrag ergeben, sondern durch Anwendung einer anderen Bewertungsmethode z.B. hinsichtlich des Wertpapierbestandes.

Ausführungen der Beklagten zur Kernkapitalquote hat der Kläger mit Nichtwissen bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 22.660 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Mitteilung des Vorstandes vom 28.10.2008 stelle keine Gesamtzusage dar, da es schon an einem annahmefähigen Angebot fehle.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die D1 Bank AG habe sich durch die Mitteilung vom 28.10.2008 auch nicht im Hinblick auf die zukünftige individuelle Entscheidung über den Bonus des Klägers gebunden. Das Schreiben habe lediglich ankündigende Funktion.

Selbst wenn in der Mitteilung eine Ermessensausübung liege, sei zu berücksichtigen, dass eine Berechtigung bestanden habe, diese Ermessensentscheidung nachträglich abzuändern.

Zwar sei eine Ermessensausübung grundsätzlich unwiderruflich; es sei jedoch anerkannt, dass eine Änderung der Ermessensentscheidung oder eine Neubestimmung der Leistung geboten sein könne, falls sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse für die ursprünglich der Billigkeit entsprechende Ermessensausübung geändert hätten.

Hier habe es eine dramatische Änderung der tatsächlichen Umstände gegeben. Zum Zeitpunkt der Zusage sei nicht ersichtlich gewesen, wie sich die wirtschaftliche Situation zu einem späteren Zeitpunkt im 4. Quartal 2008 entwickelt habe.

Dies ergebe sich aus folgenden Gesichtspunkten:

Der Entschluss, der Belegschaft ein Bonusvolumen für das Geschäftsjahr 2008 in Aussicht zu stellen, sei, so hat die Beklagte behauptet, am 02.10.2008 durch den Vorstand gefasst worden. Zu diesem Zeitpunkt sei aufgrund einer Prognose aus dem Monat August 2008 davon auszugehen gewesen, dass es im Geschäftsjahr 2008 für die D1 Bank AG zu einem negativen Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit in Höhe von rd. 1,5 Milliarden Euro kommen werde. Vor dem Hintergrund der anstehenden Fusion mit der Beklagten habe der Vorstand der D1 Bank es zum damaligen Zeitpunkt für vertretbar gehalten, ein Bonusvolumen zu versprechen, dass dem des Vorjahres entspreche.

Danach habe sich die wirtschaftliche Entwicklung deutlich verschlechtert. Eine Prognose mit Stand vom 26.11.2008 habe ergeben, dass mit einem negativen operativen Ergebnis in Höhe von rd. 3,5 Milliarden Euro zu rechnen sei. Das vorläufige tatsächliche Ergebnis mit Stand vom 04.02.2009 habe dann ein negatives operatives Ergebnis in Höhe von 6,468 Milliarden Euro, das endgültige Ergebnis habe ein negatives operatives Ergebnis in Höhe von 6,560 Milliarden Euro ergeben. Der Verlust im operativen Bereich habe sich daher auf um mehr als das Vierfache des ursprünglich prognostizierten Betrages entwickelt. Von dem erheblichen Rückgang des Geschäftsergebnisses seien alle Geschäftsbereiche der D1 Bank betroffen gewesen, wobei die Investmentbanksparte allerdings die höchsten Verluste zu verantworten gehabt habe.

Richtigerweise trage der Kläger vor, dass die D1 Bank für Mitarbeiter aus dem Bereich der Investmentbank im August einen Bonuspool beschlossen habe. Diese Maßnahme habe jedoch einen besonderen Hintergrund gehabt. Sie habe auf Veranlassung der britischen Finanzaufsicht FSA für die Investmentbank DKIB, soweit sie deren Aufsicht unterstanden habe, ein Programm erarbeitet, um die Mitarbeiterstabilität der Investmentbanksparte DKIB aufrecht zu erhalten. Aufgrund des dramatischen Verlustes der D1 Bank habe die Bank jedoch auch den ursprünglich vorgesehenen Bonuspool gekürzt, die Mitarbeiter hätten nur 10 %, des unter Vorbehalt festgesetzten Betrages erhalten, mindestens aber ein Monatsgehalt.

Diese dramatische Verschlechterung gegenüber der Prognose von August 2008 sei für die D1 Bank nicht vorhersehbar gewesen. Ein wesentlicher Grund für die unsicheren und späten Ergebnisprognosen sowie der verzögerten Feststellung des Jahresabschlusses der D1 Bank AG hätten an illiquiden Wertpapierpositionen gelegen, welche die D1 Bank AG in einem ganz erheblichen Umfang gehalten habe. Zutreffend sei insoweit, dass die Unsicherheit der Ergebnisprognosen zum Teil aus der Bewertung der illiquiden Wertpapiere hergerührt hätte. Die dramatische Lage der D1 Bank sei dabei auch vor dem Hintergrund der Entwicklung der Kernkapitalquote zu betrachten. Diese habe sich in einem Bereich bewegt, der als kritisch anzusehen gewesen sei. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass sie zur Stärkung der Kernkapitelquote der D1 Bank zusätzliches Kapital in Höhe von 4 Milliarden Euro zugeführt habe. Damit habe sichergestellt werden sollen, dass die Kernkapitalquote der D1 Bank dauerhaft die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen erfülle.

Sie selbst wiederum habe unwidersprochen in zwei Tranchen eine Unterstützung von insgesamt 18,2 Milliarden Euro des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung in Anspruch genommen. Neben der öffentlichen Diskussion über Bonuszahlungen sei auch die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes von erheblicher Bedeutung für die Entscheidung, keine Bonuszahlungen zu leisten, gewesen. Die globale Finanzmarktkrise habe zum Ende des Jahres 2008 dramatische Höhepunkte erreicht. Ohne finanzielle Unterstützung Dritter sei die D1 Bank nicht lebensfähig gewesen.

Zur Neubestimmung des Bonusvolumens sei sie ihrer Meinung nach darüber hinaus aus dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage aufgrund der dargestellten wirtschaftlichen Entwicklung berechtigt gewesen.

Mit Schlussurteil vom 03.02.2011 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 22.600,- € brutto nebst Zinsen zu zahlen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Zahlung eines Bonus für das Jahr 2008 ergebe sich zwar nicht aus einer Gesamtzusage der D1 Bank AG, wohl aber aus § 611 Abs. 1 BGB und dem Arbeitsvertrag i. V. m. der Erklärung des Vorstands der D1 Bank AG vom 28.10.2008.

Die Mitteilung des Vorstands der D1 Bank AG vom 28.10.2008 stelle eine Willenserklärung dar und nicht eine bloße unverbindliche Mitteilung mit lediglich ankündigender Funktion. Die Mitteilung vom 28.10.2008 erfüllt alle Merkmale einer Willenserklärung.

Die Mitteilung vom 28.10.2008 stelle zwar keine Gesamtzusage dar, ein Anspruch ergebe sich aus seinem Arbeitsvertrag i. V. m.  der verbindlichen Zusage vom 28.10.2008, ein Bonusvolumen für 2008 zur Verfügung zu stellen, das - angepasst an den Mitarbeiterstand im Jahr 2008 - 100 % dem Bonusvolumen für 2007 zu Grunde legt.

Mit Ziffer 2 des Arbeitsvertrags sei ein Leistungsbestimmungsrecht zwischen den Parteien vereinbart worden, § 315 BGB. Die D1 Bank AG habe in ihrer Mitteilung vom 28.10.2008 ein Bonusvolumen zugesagt und damit die Leistungsbestimmung im Hinblick auf den Punkt „Ertragslage der Bank" getroffen. Sie habe das Leistungsbestimmungsrecht dem Grund nach abschließend ausgeübt.

Von dieser Leistungsbestimmung habe der Vorstand der D1 Bank AG entgegen der Auffassung der Beklagten in der Folgezeit nicht mehr abrücken können.

Ermessensentscheidungen i. S. v. § 315 BGB seien bindend. Eine Änderung der Ermessensentscheidung komme vorliegend nicht in Betracht. Habe der zur Leistungsbestimmung Berechtigte für eine einmalige Zahlung den Dotierungsrahmen festgelegt, bestehe kein Grund, aus Gründen der Billigkeit eine Neubestimmung zu gestatten. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn die Bestimmung der Leistung bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem eine Notwendigkeit für eine solche Zusage noch gar nicht bestand. Alleine die - nach dem streitigen Beklagtenvortrag später eingetretene - fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit könne einen Ausschluss dieser Ansprüche nicht rechtfertigen.

Auch über die Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage habe sich die D1 Bank AG nicht von der Leistungsbestimmung lösen können. Die Voraussetzungen, unter denen ein Vertrag nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage angepasst werden könne, lägen nicht vor.

Gegen das unter dem 15.02.2011 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 24.02.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.05.2011 unter dem 09.05.2011 begründet.

Zutreffend habe das Arbeitsgericht zwar das Vorliegen einer Gesamtzusage verneint, zu Unrecht aber angenommen, sie habe durch die Mitteilung vom 28.10.2008 ihr Leistungsbestimmungsrecht dem Grunde nach ausgeübt.

Die arbeitsvertragliche Regelung enthalte ein Leistungsbestimmungsrecht unter Berücksichtigung zweier Elemente, gleichwohl sei die Ermessensauübung einstufig ausgestaltet. Daher stelle sich die Festsetzung eines Bonusvolumens lediglich als interne Vorbereitungshandlung dar. Die Mitteilung sei daher auch nicht als Willenserklärung einzustufen, sondern lediglich als unverbindliche Ankündigung eines Bonusvolumens gegenüber der gesamten Belegschaft. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Festlegung eines Bonusvolumens für die verschiedenen Mitarbeitergruppen unterschiedliche Bedeutung wegen der Unterschiedlichkeit der einer Bonuszahlung zu Grunde liegenden Regelungen gehabt habe. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Vorstand eine Erklärung habe abgeben wollen, die für einen Teil der Belegschaft ein Bonusvolumen verbindlich festlege, für einen anderen Teil überhaupt keine rechtliche Bedeutung habe.

Zudem scheitere eine Leistungsbestimmung schon daran, dass eine Bonusfestsetzung unmittelbar gegenüber dem Kläger vorzunehmen gewesen sei, dazu gehöre aber auch die Mitteilung der Höhe einer Zahlung.

Selbst wenn in der Mitteilung eine Ermessensausübung liege, sei sie infolge der von ihr dargestellten nicht vorhersehbaren Änderung der wirtschaftlichen Lage, so verbleibt die Beklagte bei ihrer Auffassung, berechtigt gewesen. Eine Abänderungsmöglichkeit sei nicht auf wiederkehrende Leistungen beschränkt.

Ebenso verbleibt die Beklagte bei ihrer Auffassung, jedenfalls über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu einer Abänderung berechtigt gewesen zu sein. Das Ergebnis der D1 Bank sei dabei Geschäftsgrundlage der Mitteilung vom 28.10.2008 gewesen.

Zudem verweist die Beklagte darauf, dass das Bundesarbeitsgericht über einen identischen Sachverhalt bereits mit Urteil vom 12.10.2011 im Verfahren 10 AZR 165/11 entschieden und einen Anspruch eines AT-Mitarbeiters ohne Zielvereinbarung verneint habe.

Die Beklagte beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 03.02.2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.

Richtig sei, dass die Beklagte bei der jährlichen Festlegung der Bonuszahlung zwei Elemente bewerten müsse. Dabei sei es unerheblich, ob zuerst ein Bonusvolumen festgesetzt werde und dann individuelle Leistungsgesichtspunkte zusammengetragen würden; ebenso sei es unerheblich, ob es sich bei der Festlegung des Bonusvolumens um eine interne Vorbereitungshandlung handele. Denn jedenfalls stehe es der Bank frei, diese grundsätzlich nur interne Vorbereitungshandlung separat zu veröffentlichen und sich damit zu verpflichten, das Element der Ertragslage in Form des zugesagten Bonus zu berücksichtigen.

Insoweit verbleibt der Kläger bei seiner Auffassung, die Erklärung vom 28.10.2008 stelle eine Willenserklärung dar, mit der ein bestimmtes Bonusvolumen zugesagt worden sei. Inhalt der Willenserklärung sei nur nicht die Festlegung des individuellen Anteils am Bonusvolumen.

Eine Verbindlichkeit sei dabei jedenfalls gegeben, egal, ob es sich um eine Gesamtzusage oder eine Leistungsbestimmung nach § 315 BGB handele. Richtigerweise sei aber das Vorliegen einer Gesamtzusage anzunehmen. Sei es eine Leistungsbestimmung, sei das Ermessen bezüglich des Kriteriums der Ertragslage ausgeübt worden. Eine Abänderung komme insoweit nur bei wiederkehrenden Leistungen in Betracht.

Ohnehin hätten sich die tatsächlichen Voraussetzungen nicht unvorhersehbar im nachfolgenden Zeitraum geändert. Der Kläger bestreitet insoweit weiterhin, die wirtschaftliche Situation habe sich zwischen 28.10.2008 oder 02.10.2008 und 31.12.2008 unvorhersehbar verschlechtert. Ebenso bestreitet der Kläger mit Nichtwissen, der Vorstand habe die zugrunde liegende Entscheidung am 02.10.2008 getroffen und der Entscheidung habe eine Prognose vom 20.08.2008 mit einem negativen operativen Ergebnis von 1,533 Mrd. € zugrunde gelegen. Eine mögliche Verschlechterung der Ertragslage sei jedenfalls lediglich auf die Anwendung verschiedener Bewertungsmethoden zurückzuführen. Ausführungen zur Kernkapitalquote bestreitet der Kläger weiterhin mit Nichtwissen.

Eine Störung der Geschäftsgrundlage habe das Arbeitsgericht zudem zutreffend verneint.

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.10.2011 im Verfahren 10 AZR 165/11 sei nicht zu folgen: Es treffe nicht zu, dass eine Selbstbindung bei nachträglich veränderten Umständen keine Bindung mehr sei. Diese Rechtsprechung widerspreche auch der Rechtsprechung des 3. und 5. Senats.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.

A.

Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.

Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.

Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.

B.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Der Kläger hat weder einen Anspruch aus einer Gesamtzusage, noch aus Ziffer 2.b) des Arbeitsvertrages in Verbindung mit der Mitteilung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 28.10.2010.

I.              Das Schreiben der Rechtsvorgängerin vom 28.10.2010 stellt jedenfalls keine Gesamtzusage dar.

1.              Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung des in der Gesamtzusage liegenden Angebots wird nicht erwartet, ihrer bedarf es auch nicht. Das in der Gesamtzusage liegende Angebot wird über § 151 BGB ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrages (BAG 18.03.2003, EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 39; BAG 28.06.2006, EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 7).

2.               Dafür, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Bekanntgabe des Bonusvolumens gegenüber einem Teil der Beschäftigten eine selbstständige, von den arbeitsvertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen unabhängige Grundlage für einen Bonusanspruch schaffen wollte, gibt die abgegebene Erklärung keine Anhaltspunkte (BAG 12.10.2011, 10 AZR 165/11).

Dies hat die Kammer im Verfahren 3 Sa 854/10 hinsichtlich der Klage einer Tarifbeschäftigten bereits auch so gesehen.

II.               Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch aus Ziffer 2.b) seines Arbeitsvertrages in Verbindung mit der Mitteilung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 28.10.2008, weil bei der späteren Festsetzung des geringeren Bonusvolumens billiges Ermessen gemäß § 315 BGB gewahrt worden ist.

1.              Unter den Parteien besteht kein Streit darüber, dass nach den vertraglichen Regelungen der Parteien die zusätzliche variable Vergütung unter Berücksichtigung der Ertragslage der Rechtsvorgängerin der Beklagten individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festzulegen war. Die Regelungen überlassen damit der Arbeitgeberin ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB.

2.               Eine Bestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dies geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (BAG 24.02.2011, DB 2011, 2094; BAG 28.09.1977, EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 3; BAG 25.10.1989, EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 9, jeweils zur entsprechenden Bestimmung des § 315 BGB ).

Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber seine Entscheidung trifft (BAG, 15.09.2009, EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).

3.              Soweit die Parteien im vorliegenden Verfahren darüber streiten, ob mit der Mitteilung vom 28.10.2008 überhaupt eine Willenserklärung abgegeben worden ist, ob damit eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB getroffen worden ist und die Beklagte berechtigt war, von einer möglichen Selbstbindung durch nachträgliche Umstände abzugehen, hat das Bundesarbeitsgericht zu dem identischen Sachverhalt bereits eine Entscheidung im Verfahren 10 AZR 165/11 getroffen.

Danach

-          hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten noch keine verbindliche Leistungsbestimmung für einen Bonus in 2008 durch Bekanntgabe einer Vorstandsentscheidung mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 über ein Bonusvolumen in Höhe des Bonusvolumens 2007 i.S.v. § 315 BGB vorgenommen, weil sich aus der Höhe des Volumens für den Kläger die Höhe seines individuellen Bonus weder ganz noch teilweise bestimmen lässt, es sich bei der Festlegung des Volumens lediglich um einen - nach den anwendbaren Regelungen nicht notwendigen - Faktor handelt, der in die spätere Leistungsbestimmung einzubeziehen ist,

-          ist die Festsetzung des Bonusvolumens und deren Bekanntgabe an die Arbeitnehmer zwar nicht ohne rechtliche Bedeutung, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten sich dadurch verpflichtet hat, dieses Bonusvolumen bei der Ausübung ihres Ermessens als einen wesentlichen Faktor zugrunde zu legen.

-          hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten alle nach der vertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Regelung wesentlichen Umstände in ihre Abwägung einbezogen und angemessen gewichtet.

-          musste die Rechtsvorgängerin zunächst die Zusage eines Bonusvolumens in Höhe des Volumens des Jahres 2007 als wesentlichen Umstand in ihre Erwägungen einbeziehen und war daher durch ihre Zusage gehindert, von diesem Volumen als Ausgangsbasis für die Bestimmung des individuellen Bonus abzuweichen, ohne dass dafür besonders gewichtige Umstände vorlagen.

-          liegen solche Umstände aber mit einem negativen operativen Ergebnis von 6,56 Mrd. Euro vor, weil es sich dabei sich nicht nur um ein negatives Ergebnis, von dessen Ausgleich im Folgejahr auszugehen war und das eine Kürzung der Bonuszahlungen verzichtbar erscheinen ließ, handelt, sondern auch die Zufuhr von Kapital in Höhe von 4 Mrd. Euro durch die Beklagte, die wiederum Mittel im Umfang von etwa 18,2 Mrd. Euro aus dem SoFFin in Anspruch nahm, deutlich macht , dass es sich nicht um eine Situation im Rahmen des normalen Geschäftsverlaufs oder üblicher Schwankungsbreiten handelte. Diese Ausnahmesituation lässt es auch unter Berücksichtigung der Leistung des Klägers nicht unangemessen erscheinen, den auszuschüttenden Bonusanspruch gegenüber dem zugesagten Volumen zu reduzieren

Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts insoweit an.

4.              Die Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren können zu keiner anderen Beurteilung führen.

a)              Dabei ist es unerheblich, von wann der Vorstandsbeschluss der Rechtsvorgängerin der Beklagten herrührt, der der Mitteilung vom 28.10.2008 zugrunde lag; jedenfalls ergibt sich aus der Natur der Sache, dass er von einem Datum vor dem 28.10.2008 herrührt.

b)              Ebenso ist es unerheblich, worauf die Entwicklung der Ertragslage zum Zeitpunkt der Ausübung des Ermessens mit der Festsetzung des Bonus für 2008 zurückzuführen ist: Selbst wenn dies auf eine andere Bewertung insbesondere illiquider Mittel zurückzuführen ist, spiegelt das endgültige Jahresergebnis die maßgebliche Ertragslage wieder, die sich mehr als bedrohlich darstellte.

Im Übrigen bleibt auch insoweit zu berücksichtigen, dass unwidersprochen erhebliches Kapital durch die Beklagte zugeführt werden musste und diese wiederum erhebliche Mittel aus dem SoFFin in Anspruch genommen hat.

c)              Zwar mag es weiterhin überlegenswert sein, von einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Umstände hinsichtlich der Entwicklung der Ertragslage zu sprechen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Erklärung nicht nur ein erhebliches negatives Ergebnis zu prognostizieren war, darüber hinaus offenkundig eine völlig unsichere Lage der Finanzmärkte gegeben war und gleichwohl eine Erklärung zum Bonusvolumen abgegeben wird:

Die Kammer will sich gleichwohl den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts anschließen.

d)              Ein Abweichen von der Entscheidung ist auch nicht deswegen geboten, weil nach Auffassung des Klägers die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von der Rechtsprechung anderer Senate abweicht. Es ist davon auszugehen, dass Fragen der Bindungswirkung an eigene vorhergehende Erklärungen berücksichtigt worden sind. 

C.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger als unterlegene Partei nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Dabei waren infolge der Vereinbarung im Teilvergleich auch insoweit die Kosten dem Kläger aufzuerlegen.

Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nicht, nachdem das Bundesarbeitsgericht die maßgeblichen Rechtsfragen bereits mit der angesprochenen Entscheidung vom 12.10.2011 entschieden hat.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte