FG München, Beschluss vom 05.06.2012 - 14 V 1400/12
Fundstelle
openJur 2013, 2868
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Umsatzsteuer für die Jahre 2007 und 2008 im Schätzungswege festsetzen durfte.

Der Antragsteller betrieb einen Backshop, der im Jahr 2008 aufgegeben worden ist.

In seinen abgegebenen Steuererklärungen errechnete der Antragsteller für das Jahr 2007 eine negative Umsatzsteuer von 7.631,14 € und für das Jahr 2008 eine Umsatzsteuer von 176,09 €.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung (vgl. Bericht vom 25. Oktober 2011) stellte das FA fest, dass der Antragsteller Kassenbons und Kontoauszüge nicht vollständig vorlegen konnte. Die Finanzierung einer Einlage in die Kasse im Mai 2007 habe nicht vollständig aufgeklärt werden können, es habe sich ein erheblicher Kassenfehlbetrag ergeben.

Daraufhin erhöhte das FA die Umsätze für das Jahr 2007 in Höhe des ermittelten Kassenfehlbetrages und im Übrigen entsprechend der geltenden Richtsätze. Dabei ging es von einem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 245 % aus. Darüber hinaus wurde die Überführung der Ladeneinrichtung ins Privatvermögen im Jahr 2008 steuerlich berücksichtigt.

Mit Bescheid jeweils vom 10. November 2011 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2007 auf einen Negativbetrag von 5.256,14 € und für 2008 von 3.919,09 € fest.

Der beim FA gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde am 16. Dezember 2011 abgelehnt. Über den Einspruch hat das FA noch nicht entschieden.

Mit seinem bei Gericht gestellten Antrag bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass er den Backshop lediglich nebenberuflich und insgesamt zwei Jahre lang betrieben habe. Nachdem er festgestellt habe, dass die erhofften Gewinne ausblieben, die Ausgaben dagegen immer weiter angestiegen seien, habe er sich zur Aufgabe des Betriebs entschieden.

Die vom FA vorgenommenen Schätzungen von nahezu 245 % seien völlig realitätsfremd und überzogen. Er hätte seinen Betrieb niemals aufgegeben, wenn er die vom FA geschätzten Gewinne tatsächlich erzielt hätte.

Zu Unrecht werde ihm vorgeworfen, dass er seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Seinem Steuerberater habe er die Kassenbons vollständig vorgelegt, um Buchungen für die Umsatzsteuervoranmeldungen vorzunehmen.

Die Ausführungen des FA zu einem angeblichen Kassenfehlbetrag von 39.410,80 € zum 27. Mai 2007 könnten nicht nachvollzogen werden. Er habe seit 2003 als Angestellter gearbeitet. Da er sich schon seit längerer Zeit selbständig machen wollte, habe er viele Überstunden und Mehrarbeit geleistet. Von der dadurch erzielten Vergütung habe er im Monat durchschnittlich 250 € gespart. Das bis zum Jahr 2007 angesparte Guthaben von 8.000 € habe er bei sich zu Hause aufbewahrt. Außerdem habe er im Jahr 2007 sein Fahrzeug der Marke Hyundai Sport-Coupe für 1.800 € verkauft. Der Betrag von 4.677,42 € setzte sich aus einem Darlehen über 5.000 € zusammen, welches er von M erhalten habe.

Zu Unrecht gehe das FA davon aus, dass er bereits im Mai 2007 mit dem Warenverkauf begonnen habe, da zu diesem Zeitpunkt noch kein Stromanschluss vorhanden gewesen sei. Erst ab 14. September 2007 habe er seinen Geschäftsbetrieb eröffnet. Es treffe auch nicht zu, dass er das Anlagegut in sein Privatvermögen überführt habe. Vielmehr habe er nach Beendigung seiner Geschäftstätigkeit sämtliche Anlagegüter in seiner alten Wohnung in Unterhaching im Keller gelagert, um sie zu verkaufen. Nachdem er keine Interessenten gefunden und aus seiner Wohnung habe ausziehen müssen, habe er alle Gegenstände, insbesondere Ofen, Theke, Kühlschränke im Wertstoffhof entsorgt. In seiner neuen Wohnung in N wohne er nur zur Untermiete und verfüge über keine Unterstellmöglichkeit.

Im Übrigen seien dem Prüfer nicht alle Kassenbons vorgelegt worden, da diese beim Umzug verloren gegangen seien.

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 jeweils vom 10. November 2011 auszusetzen.

Das FA beantragt, den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung trägt es unter anderem vor, dass bei der Betriebsprüfung eine nicht ordnungsgemäße Kassenführung vorgefunden wurde. Laut vorgelegtem Kassenbuch sei zu Unternehmensbeginn eine Einlage von 50.000 € geleistet worden, mit der bis zum 31. August 2007 Aufwendungen von 48.460,80 € bezahlt worden seien. Die Mittelherkunft sei nach Angaben des Antragstellers über mehrere Darlehen erfolgt. Hierzu seien Darlehensbestätigungen vom 16. Mai 2007 der C.Bank über 35.522,58 € und vom 25. März 2008 der DKB über 5.000 € vorgelegt worden. Laut Kontoauszug der C Bank sei ein Teilbetrag von 25.900 € zum 16. Mai 2007 auf das Girokonto des Antragstellers überwiesen worden. Hiervon seien Barabhebungen von 5.000 € bis zum 18. Mai 2007 und 14.000 € zum 30. Mai 2007 vorgenommen worden. Weitere Nachweise hinsichtlich des Einlagebetrags von 50.000 € seien nicht vorgelegt worden. Dem gegenüber stünden Barzahlungen von 11.447,80 € zum 24. Mai 2007 und 32.963 € zum 27. Mai 2007. Insgesamt ergebe sich somit ein Kassenfehlbetrag zum 27. Mai 2007 von 39.410,80 €.

Da die Voraussetzungen für eine Schätzungsbefugnis somit gegeben waren, sei die amtliche Richtsatzsammlung herangezogen worden. Es sei festgestellt worden, dass der Rohgewinnaufschlagsatz des Antragstellers unter dem Mittelwert laut amtlicher Sammlung lag. Daraufhin sei eine Anpassung vorgenommen worden.

Da der Kassenfehlbetrag zum 27. Mai 2007 aber noch vor dem offiziellen Beginn des Unternehmens des Antragstellers gegeben war, entstehe der Anschein, dass bereits im Mai 2007 ein Warenverkauf stattgefunden habe bzw. in den beiden betroffenen Aufwandsrechnungen für die Ladeneinrichtung und –gestaltung ein zu hoher Betrag ausgewiesen worden sei.

Auch der Ansatz des Entnahmewertes der Ladeneinrichtung von 15.000 € sei nicht zu beanstanden, da kein Nachweis über die weitere Verwendung der Anlagegüter vorgelegt worden sei. Nachdem die Anschaffung erst im Mai 2007 erfolgt sei, wäre eine Entnahme in Höhe des Restbuchwertes ebenfalls möglich gewesen. Nachdem es sich bei der Ladeneinrichtung um Wirtschaftsgüter handle, die auch im privaten Lebensbereich verwendet werden können (Kühlschränke, PC, Einbauküche), sei ein Nachweis unerlässlich.

Insgesamt sei eine Neubeurteilung der Sachlage erst bei Vorlage weiterer Unterlagen möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

II. Der Antrag ist unbegründet.

Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298) und zwar aus folgenden Erwägungen:

Gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer im Schätzungswege bestehen bei summarischer Prüfung keine Bedenken:

Nach Aktenlage ist nicht zweifelhaft, dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung (AO) zu schätzen hatte, weil die Aufzeichnungen, die der Antragsteller nach den Steuergesetzen zu führen hatte, der Besteuerung nicht nach § 158 AO i.V.m. §§ 140 bis 148 AO zu Grunde gelegt werden konnten.

So sollen gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 AO Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festgehalten werden. Buchungsvorgänge sind deshalb grundsätzlich am selben Geschäftstag vorzunehmen (BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, BFH/NV 2005/6678 m. w. N.). Gleiches gilt für die Erfassung von Bareinnahmen und –ausgaben. Gerade an die Dokumentation von Bargeschäften sind erhöhte Anforderungen zu stellen, da im Gegensatz zu Banküberweisungen insoweit Fremdbelege fehlen und eine echte Kontrollmöglichkeit nicht gegeben ist. Insbesondere bei Betrieben, bei denen wie im Streitfall der Bargeldverkehr im Mittelpunkt der geschäftlichen Betätigung steht, sollen damit Manipulationen erschwert werden. Dabei werden von höchstrichterlicher Rechtsprechung auch Kassenfehlbeträge in nur geringer Höhe als wesentlicher Mangel der Buchführung angesehen, die eine Zuschätzung dem Grunde nach rechtfertigen (BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BStBl 1990, 109).

Nach § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO sind die Tagesendsummenbons mit Ausdruck des Nullstellungszählers (fortlaufende sog. "Z-Nummer" zur Überprüfung der Vollständigkeit der Kassenberichte), der Stornobuchungen (sog. Managerstornos und Nach-Stornobuchungen), Retouren, Entnahmen sowie der Zahlungswege (bar, Scheck, Kredit) und alle weiteren im Rahmen des Tagesabschlusses abgerufenen Ausdrucke der EDV-Registrierkasse im Belegzusammenhang mit dem Tagesendsummenbon aufzubewahren. Weiter sind gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, gesondert aufzubewahren (vgl. auch  BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 599).

Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze war das FA im Streitfall berechtigt, die Umsätze im Schätzungswege zu erhöhen. Denn die in den Gewinnermittlungen ausgewiesenen Umsätze des Antragstellers können für die Besteuerung nicht übernommen werden, da er nach den vorliegenden Erkenntnissen seinen Aufzeichnungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Bei der Dokumentation der Bargeschäfte unterliefen ihm nicht nur unerhebliche Fehler und Versäumnisse, da er keine ordnungsgemäßen Kassenabrechnungen vorgelegt hat und Fehlbeträge festgestellt worden sind. Diese Mängel machen die Buchführung formell und materiell ordnungswidrig. Der Antragsteller kann insoweit nicht zu seinen Gunsten einwenden, dass er die Kassenbons seinem Steuerberater vollständig vorgelegt habe. Entscheidend ist vielmehr, dass er seinen Aufzeichnungspflichten gegenüber dem FA nicht nachgekommen ist.

Das FA durfte daher bei der Nachkalkulation der Umsatzerlöse den Rohgewinnaufschlagsatz für Bäckereien zugrunde legen und ist dabei zutreffend entsprechend der amtlichen Richtsatzsammlung von einem Rohgewinnaufschlag von 245 % ausgegangen. Gegen die insoweit vorgenommene Erhöhung der Umsatzsteuer für 2007 um 2.375 € und für 2008 um 893 € bestehen daher keine Bedenken.

Im Übrigen ist das FA bei summarischer Prüfung auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller bereits im Mai 2007 mit dem Warenverkauf begonnen hat. Anhand präsenter Beweismittel, insbesondere den Rechnungen der Firma ABC jeweils vom 20. Mai 2007, ergibt sich, dass die Ladeneinrichtung bereits im Mai 2007 montiert worden ist. Außerdem hat der Antragsteller selbst in seinem Kassenbuch am 24. Mai 2007 Ausgaben für „Werbung/Internetseite“ erfasst. Dieser Umstand spricht dafür, dass er mit der Ausübung seines Unternehmens bereits begonnen hatte und dafür Werbung betrieben hat. Im Übrigen lässt sich auch der vom FA festgestellte Kassenfehlbetrag zum 27. Mai 2007 nur damit erklären, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Geschäftsbetrieb eröffnet hatte.

Darüber hinaus durfte das FA auch die Umsatzsteuer 2008 zusätzlich um die auf die Entnahme der Ladeneinrichtung entfallende Umsatzsteuer um 2.850 € erhöhen.

Gemäß § 3 Abs. 1b Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre gültigen Fassung (UStG) wird die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen, einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. Der Umsatz ist dabei gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand zum Zeitpunkt des Umsatzes zu bemessen.

Im Streitfall hat der Antragsteller die Ladeneinrichtung, die er seinem Unternehmen zugeordnet hatte, aufgrund der Betriebsaufgabe dem Unternehmen entnommen. Dabei spielt es keine Rolle, dass er die Gegenstände nicht weiter veräußert, sondern entsorgt hat, da er die Ladeneinrichtung jedenfalls für Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen, verwendet hat. In jedem Fall wird die Entnahme nach den oben dargestellten Grundsätzen einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. Soweit das FA die Bemessungsgrundlage anhand des Buchwerts der Ladeneinrichtung abzüglich eines Abschlags vorgenommen hat, bestehen keine Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

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