OLG Hamburg, Urteil vom 21.06.2011 - 7 U 28/11
Fundstelle
openJur 2013, 1712
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 334/10, vom 4.2.2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Der Kläger, Vorsitzender der Geschäftsführung des Unternehmens „K.. T... u.. N... F... GmbH“ (im Folgenden: „K.. “) verfolgt mit seiner Berufung das Ziel, ein Verbot gegen die Beklagte zu erwirken, mit dem dieser verboten wird, Filmaufnahmen mit dem Abbild des Wohnhauses unter Nennung des Namens des Klägers in Verbindung mit der Angabe, dass das Haus im Dortmunder Süden und/oder im Ortsteil Kirchhörde gelegen sei, zu zeigen. Er begehrt ferner weiterhin die Erstattung von Abmahnkosten, die ihm infolge der Veröffentlichung entstanden sind. Die Beklagte verbreitete am 7.4.2010 um 22.35 Uhr und – als Wiederholung – am 10.4.2010 um 8.30 Uhr in dem Fernsehsender „D.. E...“ im Rahmen des Magazins „P... - D.. R...“ einen Filmbeitrag, der sich mit dem Unternehmen „K.. “ befasst und insbesondere die niedrigen Löhne, die dieses Unternehmen seinen Mitarbeitern sowie insbesondere den Zulieferern aus Bangladesch zahlt, hervorhebt. In diesem Zusammenhang werden u.a. Interviews mit deutschen Mitarbeiterinnen und ferner die elenden Verhältnisse gezeigt, unter denen Näherinnen in Bangladesch arbeiten und leben, die für „K.. “ arbeiten. Im Rahmen dieses Beitrags wird von dem Reporter L... auch eine Straßenansicht des von dem Kläger und seiner Familie bewohnten geräumigen Hauses in Dortmund gezeigt mit der Erklärung, es liege im Dortmunder Süden. Ob das bei der Einfahrt in den Stadtteil Kirchhörde gezeigte Ortsschild zu entziffern ist, ist zwischen den Parteien umstritten.

Der Film wurde nach seiner Ausstrahlung für unbestimmte Zeit auch im Internet zum Abruf bereitgehalten.

Zum Sachverhalt im Einzelnen kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 4.2.2011 die Beklagte zu verurteilen,1. es bei Meidung gesetzlicher Zwangsmittel zu unterlassen,unter Bezugnahme auf den Kläger Filmaufnahmen seines Wohnhauses H... .., 4... Dortmund, in Verbindung mit den Angaben, dass das Haus im Dortmunder Sünden und/oder im Ortsteil Kirchhörde belegen sei, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen mit der Angabe, dass dies das Wohnhaus des Klägers und seiner Familie sei, wie am 7. April 2010 in dem Magazin „P... - D.. R...“ in dem Beitrag mit dem Titel „Die K.. -Story – Die miesen Methoden des Textildiscounters“ geschehen,2. dem Kläger die Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung in Höhe von 2.118,44 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Zurückweisung der Berufung.

Zu den Ausführungen der Parteien wird auf den Inhalt der in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die form- und fristgemäß eingelegte zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die bezeichnete Veröffentlichung des Abbildes des Wohnhauses des Klägers auch im Zusammenhang mit den Angaben zu dessen Lage den Kläger nicht gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 analog BGB i.V.m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Zwar ist anerkannt und vom erkennenden Senat auch mehrfach entschieden worden (vgl. Urteile vom 28.9.2004 (7 U 60/4), vom 14.2.2006 (7 U 92/05) und vom 31.1.2006 (7 U 108/06)), dass die Veröffentlichung des Abbildes eines Hauses insbesondere mit identifizierenden Angaben über dessen Bewohner und Lage einen Eingriff in die Privatsphäre der Bewohner darstellen kann. Dabei sind als Kriterien für den Grad der Beeinträchtigung insbesondere die Auffindbarkeit und der Wiedererkennungswert des jeweiligen Hauses, insbesondere die Präzision der Lagebeschreibung hervorzuheben. Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.5.2009 (GRUR 2009, 1089) ausgeführt hat, liegt der Kern der Beeinträchtigung in solchen Fällen darin, dass die Anonymität aufgehoben wird, so dass die Abbildungen einer Person zugeordnet werden können und dadurch die Gefahr besteht, dass das Wohnhaus in seiner Eignung als Rückzugsbereich individueller Lebensgestaltung beeinträchtigt wird, etwa wenn die Veröffentlichung geeignet ist, eine erhöhte Beobachtung des Anwesens durch Dritte hervorzurufen oder Schaulustige anzuziehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 2.5.2006, AfP 2006, 347 ff.).

Eine entstehende Beeinträchtigung ist indessen hinzunehmen, wenn ein besonderes Berichterstattungsinteresse auch an der Verbreitung der Hausansicht besteht, das durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist hier im Rahmen des gesendeten Beitrags von einem überwiegenden Berichterstattungsinteresse auszugehen, dass die Veröffentlichung der Abbildung des Hauses, wie geschehen, rechtfertigt.

Der Bericht befasst sich u.a. mit niedrigen Löhnen und insbesondere mit den erbärmlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der Näherinnen in Drittweltländern, die für das von dem Kläger geleitete Unternehmen arbeiten. Dass es im Rahmen eines solchen Berichts von allgemeinem Interesse ist, zu erfahren, in welchen Verhältnissen der Kläger lebt, wird auch vom Kläger im Grunde nicht in Abrede genommen. Der Kläger selbst hat in einem vorausgegangenen Interview in der Zeitung D.. W... vom 23.3.2009 (Anl. B 1) zu den von dem Unternehmen „K.. “ gezahlten Niedriglöhnen Ausführungen gemacht und damit die Diskussion um das Geschäftsmodell des Unternehmens am Laufen gehalten. Es war daher naheliegend, in diesem Zusammenhang die Frage aufzuwerfen, wie der Kläger selbst lebt, wobei nicht nur die Ansicht des ihm gehörenden und von ihm bewohnten Hauses, sondern auch die Qualität des Stadtteils, in welchem sich dieses befindet, von Interesse war, da auch hieraus Schlüsse über dessen Wert und die Wohnqualität gezogen werden konnten. Dass mit dieser Veröffentlichung möglicherweise Nachbarn oder Anwohnern erstmals die Identität der Hausbewohner und der berufliche Wirkungskreis des Klägers bekannt gemacht worden ist, ist in diesem Zusammenhang hinzunehmen, da niemand einen Anspruch auf absolute Anonymität auch in seinem persönlichen Umfeld für sich in Anspruch nehmen kann. Hinzu kommt, dass das Haus ohnehin derart aufwendig gestaltet ist, das es für Anwohner nahelag, selbst Erkundigungen über die Person des Eigentümers bzw. Bewohners anzustellen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist, nicht anzunehmen, dass durch den Beitrag für eine Vielzahl von Zuschauern ein Anreiz geschaffen worden ist, das Haus des Klägers aufzusuchen, und dass es anhand der Ortsangabe ohne weiteres leicht aufgefunden werden könnte.

Nach mehrfacher Betrachtung der maßgeblichen Filmpassage ist der Senat der Auffassung, dass das Ortsschild „Kirchhörde“, welches kurz im Bild zu sehen ist, auch als Standbild nicht klar zu entziffern ist. Insofern bedarf es keines Sachverständigengutachtens. Die Behauptung, im Fernsehbeitrag sei das Bild schärfer, ist in diesem Zusammenhang unsubstantiiert. Der Kläger hat auch kein Standbild der Fernsehfassung des Films vorgelegt, das dies belegen könnte. Allerdings dürfte der Ortskundige, dem der Ortsname „Kirchhörde“ geläufig ist, anhand des Standbildes den Ortsnamen jedenfalls erraten können. Dem Filmbeitrag ist allerdings nicht klar zu entnehmen, dass das Anwesen des Klägers in diesem Stadtteil liegt, da es nicht in unmittelbarem Anschluss an die Einblendung des Schildes gezeigt wird. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, wird dem Zuschauer vielmehr zuvor das Navigationsgerät des Fahrzeugs des Reporters L... gezeigt, welches die Ruhrallee anzeigt, die tatsächlich gerade nicht zum Wohnhaus des Klägers, sondern von Dortmund weg in Richtung Brünninghausen führt. Da im späteren Verlauf des Beitrags über die Unterstützung des Fußballvereins Brünninghausen durch den Kläger berichtet wird, liegt es für den Zuschauer daher eher nahe, dass dieser Ort der Wohnort des Klägers ist. Auch die Ortsangabe „gehobenen Wohngegend im Dortmunder Süden“ ist nicht so spezifisch, dass damit das Haus ohne weiteres gefunden werden könnte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um einen Film handelt, so dass ein etwaiger Interessent vor Beginn seiner Suche zunächst ein Standbild von der Abbildung des Hauses machen müsste, um sodann anhand des Bildes das Haus aufzufinden. Dass ein Zuschauer diese Mühe aufwenden würde, um – in welcher Absicht auch immer – das Wohnhaus des Klägers im Raum Dortmund Süd oder im südlichen Umkreis von Dortmund zu suchen, erscheint extrem unwahrscheinlich. Hierbei ist auch zu bedenken, dass die Berichterstattung sich auf aktuelle Ereignisse bezog, an denen regelmäßig kein anhaltendes Interesse besteht, während die genannten vom Senat entschiedenen Fälle, insbesondere in der Sache 7 U 60/04, die Wohnung populärer Künstler betrafen, deren Privatleben über viele Jahre im Blickpunkt des allgemeinen Interesses standen.

Dem steht auch nicht der Vortrag des Klägers entgegen, dass nach Ausstrahlung der Sendung Unbekannte den Verwalter des Hauses beschimpft bzw. auf die Sendung angesprochen hätten und erklärt hätten, das Haus aufgrund des Fernsehbeitrags wiedererkannt zu haben. Hieraus ergibt sich nicht, dass die genannten Personen aufgrund der Ortsangaben das Haus gefunden haben und dass es sich überhaupt um Ortsfremde handelte, die bis dahin den Namen des Bewohners nicht gekannt hatten. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass es sich hier um Menschen gehandelt haben kann, denen zwar der Name des Hauseigentümers und Bewohners zuvor bekannt gewesen war, die aber erstmals durch den Beitrag auf dessen Tätigkeit bei „K.. “ und das Geschäftsgebaren dieses Unternehmens informiert worden waren.

Da somit die beanstandete Veröffentlichung von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt und damit nicht rechtswidrig war, besteht weder ein Anspruch auf Unterlassung noch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil es sich um einen speziellen Einzelfall handelt, da die Rechtssache daher keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).