LG Hamburg, Urteil vom 17.02.2009 - 324 O 828/08
Fundstelle
openJur 2013, 689
  • Rkr:
Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 15. 10. 2008 wird, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, bestätigt.

2. Der Antragsgegner hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand einer einstweiligen Verfügung.

Der Antragsteller ist Journalist und Autor des 1985 in erster Auflage erschienenen Buches „Der B M Komplex“. Der Antragsgegner ist ehemaliger Bundesanwalt und heute Generalstaatsanwalt. Der Antragsgegner äußerte sich in einem Interview mit der S. Zeitung über den Antragsteller im Zusammenhang mit den Selbstmorden von RAF-Gefangenen in St.hamm. Das Interview wurde in der Printausgabe sowie der Online-Ausgabe der S. Zeitung veröffentlicht (Anlagen ASt 1, ASt 2). Dieses Interview enthält die streitgegenständlichen Passagen.

Kurz vor Erscheinen der streitgegenständlichen Berichterstattung hatten unter anderen der Antragsgegner und der Antragsteller ein Streitgespräch bei dem Radiosender Radiosender 2 geführt, in dem es ebenfalls um die Selbstmorde in St.hamm gegangen war (Sendemitschrift, Anlage ASt 4).

Der Antragsteller hat in der Vergangenheit zum Thema „RAF“ mehrere Fernsehdokumentationen erstellt („Tod in St.hamm – der Weg der U M“ (1976), „St.hamm“ (1986), „B-M“ (1986)). Darüber hinaus hat er das Buch „Der B M Komplex“ (1985) verfasst. 1997 erschien „Der B M Komplex“ als erweiterte und aktualisierte zweite Auflage, 1998 als Taschenbuchausgabe und 2008 als völlig überarbeitete und ergänzte Neuausgabe.

Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner erfolglos ab (Anlagen ASt 7, 8, 9). Die Kammer erließ daraufhin eine einstweilige Verfügung, mit der dem Antragsgegner verboten wurde unter Bezugnahme auf den Antragsteller

1. zu verbreiten, Antragssteller habe Herrn Antragsgegner in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass er seine Meinung in Bezug auf die Selbstmorde in St.hamm geändert habe;

2. zu verbreiten, Antragssteller habe „in früheren Büchern und SPIEGEL-Artikeln ... die Vermutung geäußert, die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden.“;

3. zu verbreiten, Antragssteller sei „Nur deshalb plötzlich von seiner Mordversion abgerückt und auf die staatliche Seite gewechselt, weil aus der RAF heraus die Selbstmorde bestätigt worden sind.“;

4. zu verbreiten, „Herr W. L., ein Ex-Terrorist“ [habe Herrn Generalanwalt Antragsgegner] „mal heulend erzählt, dass er an Antragssteller Theorien [die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden] geglaubt habe und deshalb zur RAF gegangen sei.“;

5. unter Bezugnahme auf die Frage, „Also sind dem Aufklärer Antragssteller die Täter näher als die Opfer?“ die Antwort zu verbreiten: „Das riecht man ja schon an seinen Büchern“, soweit darin von mehreren Büchern des Antragstellers die Rede ist;

6. zu verbreiten, Antragssteller habe „Die Kinder von U M nach Italien gebracht, nachdem sie abgetaucht war“.

Hinsichtlich Ziffer 2) der einstweiligen Verfügung (der Antragsteller habe in früheren Büchern und SPIEGEL-Artikeln ... die Vermutung geäußert, die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden“) ist der Antragsgegner der Ansicht, der Antragsteller habe jedenfalls in der ersten Auflage seines Buches „Der B M Komplex“ (von 1985) die Ansicht vertreten, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die RAF-Terrroristen B., E. und R. in St.hamm ermordet worden seien. Dies ergebe sich bereits aus einer Zusammenschau des Buchinhalts und werde noch deutlicher, wenn man den Buchinhalt mit den Inhalten der beiden späteren Bücher (erweiterte und aktualisierte Ausgabe von 1997 und völlig überarbeite und ergänzte Neuausgabe von 2008) auch hinsichtlich der Änderungen an den Klappentexten und den Vorworten vergleiche.

Hinsichtlich der Buchinhalte bezieht sich der Antragsgegner insoweit insbesondere auf das Schlusskapitel 47 „Zeit der Mythen“, S. 581 bis 592 des Buches in der ersten Auflage (Anlage AG 1). Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass der Antragsteller dort zumindest 18 Umstände anführe, die für die „Mordthese“ sprächen. Hinsichtlich dieser 18 Umstände wird auf den Vortrag des Antragsgegners sowie Anlage AG 1 Bezug genommen.

Der Antragsteller habe durch Kommentierungen in diesen Passagen, wie „Einladung zur Spekulation“, „Widersprüchlichkeiten“ oder durch den Vorwurf, dass naheliegenden Fragen nicht nachgegangen worden sei und die Staatsanwaltschaft es unterlassen habe, „derartigen Erwägungen vorbehaltlos nachzugehen“, zu erkennen gegeben, dass er Zweifel an der „Selbstmordthese“ für begründet halte. Dadurch habe er sich zum Anhänger der „Mordthese“ gemacht. Erhärtet werde dies dadurch, dass der Antragsteller lediglich eine einzige sogenannte Legende als solche entlarve, nämlich, dass der Häftling B. heimlich nach Mogadischu ausgeflogen worden sei. Dieser Legenden-Entlarvung stünden die 18 Gegengründe gegenüber, die für die Mordthese sprächen.

Auch mit der abschließenden Feststellung in dem Kapitel („Fragen, Zweifel, Widersprüche bleiben“) mache sich der Antragsteller die Fragen, Zweifel und Widersprüche zu Eigen und distanziere sich nicht von der „Mordthese“.

In der erweiterten und aktualisierten Ausgabe von 1997 und der völlig überarbeiten und ergänzten Neuausgabe von 2008 habe der Antragsteller inhaltliche Änderungen vorgenommen, die „Mordthese“ abgeschwächt und stattdessen die neue „Abhör-These“ entwickelt (Anlagen AG 2, 3, 5). Auch in einem Interview zum Film (Anlage AG 4) habe er nicht die „Mordthese“ vertreten. Auch daraus, dass im zweiten und dritten Buch (Ausgaben von 1997 und von 2008) im Klappentext jeweils von Selbstmord die Rede sei (Anlage AG 6), ergebe sich, dass der Antragsteller jedenfalls im ersten Buch (Ausgabe von 1985) die „Mordthese“ vertreten habe, da eine solche Aussage im Klappentext des ersten Buches nicht enthalten gewesen sei (Anlage AG 7). Gleiches gelte für die Vorworte, wo nur im zweiten und dritten Buch von Selbstmord die Rede sei (Anlagen AG 8 - 10). Auch eine Bildunterschrift (erst) im dritten Buch unter einem Bild des toten B. („Genickschuss von eigener Hand“) zeige, dass der Antragsteller zwischenzeitlich von Selbstmorden der Gefangenen ausgehe.

Schließlich fänden sich auch in einem aktuelleren SPIEGEL-Beitrag des Antragstellers (38/07 vom 17. 9. 2007, S. 71 bis 81, Anlage AG 11) die mindestens 18 Indizien für die „Mordthese“, ohne dass sich der Antragsteller davon distanziert hätte.

Im Übrigen werde seine Interviewäußerung schon nicht richtig und vollständig wiedergegeben, sondern völlig aus dem Kontext gerissen. Vollständig laute seine Äußerung: „In früheren Büchern und `SPIEGEL`-Artikeln hatte er [Antragssteller] immer wieder Indizien aneinander gereiht und die Vermutung geäußert, die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden – eine ganz üble Geschichte.“ Die Äußerung sei ihm im Rahmen des Interviews quasi „entlockt“ worden.

Es liege eine gem. Art. 5 Abs. 1 GG zulässige Meinungsäußerung vor, da sie zumindest aus ihrem Kontext heraus durch Elemente des Meinens und Dafürhaltens geprägt sei. Das Interview sei auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kinofilm „Der B M Komplex“ und dessen Autor, dem Antragsteller, ausgerichtet gewesen. Auch der Nachsatz „eine ganz üble Geschichte“ mache deutlich, dass der Antragsgegner eine eigene Einschätzung abgebe. In den mindestens 18 Indizien aus dem Buch „Der B M Komplex“ (1985) lägen auch hinreichende Anknüpfungstatsachen für die Bewertung, der Antragsteller habe die Vermutung geäußert, die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden.

Hinsichtlich Ziffer 3) der einstweiligen Verfügung (Abrücken des Antragstellers von seiner Mordversion) liege eine zulässige Meinungsäußerung, hilfsweise eine wahre Tatsachenbehauptung vor. Auch insoweit rügt der Antragsgegner, dass die Passage aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Insbesondere fehle das Wort „letztlich“, aus dem deutlich werde, dass es sich um eine Meinungsäußerung handele. Dass eine Meinungsäußerung vorliege, werde auch dadurch deutlich, dass der Antragsgegner die streitgegenständliche Äußerung auf die Frage „Sehen Sie das auch sö“ getätigt habe – er habe lediglich seine kritische Meinung zu der vom Antragsteller vertretenen These geäußert. Schließlich ergebe sich aus der Grundkonstellation des öffentlichen Meinungsstreits zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner, dass lediglich eine Meinungsäußerung vorliege. Auch für diese Meinungsäußerung lägen Anknüpfungstatsachen vor, da der Antragsteller in seinem Buch „Der B M Komplex“ (erweiterte und aktualisierte zweite Ausgabe 1997) selbst davon ausgehe, dass die Selbstmorde aus der RAF heraus bestätigt wurden und von der Mordtheorie abrücke. Aus demselben Grund entspreche die streitgegenständliche Äußerung den Tatsachen und sei als Tatsachenbehauptung zulässig, weil wahr.

Bezüglich Ziffer 5) der einstweiligen Verfügung („mehrere Bücher des Antragstellers“) ist der Antragsgegner der Ansicht, aufgrund der vom Antragsteller veröffentlichten Bücher bzw. Drehbücher und Filme zum Thema „RAF“ („Tod in St.hamm – der Weg der U M“ (1976), „St.hamm“ (1986), „B-M“ (1986)‚ „Der B M Komplex“ (1985), „Der B M Komplex“ (erweiterte und aktualisierte zweite Auflage 1997; Taschenbuchausgabe 1998), „Der B M Komplex“ (völlig überarbeitete und ergänzte Neuausgabe 2008)) habe der Antragsteller mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht. Hinzu komme der Umstand, dass der Antragsteller Autor und Berater des Kinofilms zum Buch „Der B M Komplex“ gewesen sei.

Selbst wenn man die Bücher „Der B M Komplex“ als ein Buch mit drei Auflagen bezeichnen wolle, handele es sich um drei unterschiedlich aufgemachte und von den Lesern auch als unterschiedlich wahrgenommene Bücher. Im Übrigen liege, selbst wenn man von einer unwahren Tatsachenbehauptung ausgehe, keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da es sich hier um eine Ungenauigkeit ohne persönlichkeitsbeeinträchtigenden Charakter handele.

Hinsichtlich Ziffer 6) der einstweiligen Verfügung (der Antragsteller habe die Kinder von U M nach Italien gebracht) rügt der Antragsgegner wiederum, die Passage sei aus dem Kontext gerissen worden. Es sei dabei nur um eine Einschätzung der Täternähe des Antragstellers gegangen, dafür sei es gar nicht darauf angekommen, ob der Antragsteller die Kinder von U M nach Italien gebracht habe, er habe mit seiner Antwort – quasi symbolisch – die Nähe des Antragstellers zu U M festgemacht. Damit liege eine Meinungsäußerung vor, da die Äußerung durch Elemente des Dafürhaltens und des Meinens geprägt sei.

Davon abgesehen entspreche es den Tatsachen, dass der Antragsteller die Kinder von Meinhof nach Italien gebracht habe. Ausweislich des Buchs „Der B M Komplex“ (völlig überarbeitete und ergänzte Neuausgabe 2008) habe der Antragsteller die Kinder von U M von Sizilien nach Rom gebracht und dort ihrem Vater übergeben, so dass er die Kinder auf das italienische Festland, demnach nach Italien gebracht habe. Auch als Tatsachenbehauptung sei sie damit zulässig, weil wahr. Selbst wenn man eine unwahre Tatsachenbehauptung unterstelle, handele es sich wiederum um eine Ungenauigkeit ohne persönlichkeitsbeeinträchtigenden Charakter.

Bezüglich der Ziffern 1) und 4) der einstweiligen Verfügung, hinsichtlich derer er Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben habe, seien dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da von vornherein kein Unterlassungsanspruch bestanden habe.

Hinsichtlich Ziffer 1) der einstweiligen Verfügung (der Antragsteller habe dem Antragsgegner in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass er seine Meinung in Bezug auf Selbstmorde in St.hamm geändert habe) trägt der Antragsgegner vor, dass sich die streitgegenständliche Formulierung auf die Radiodiskussion beim ... (Anlage ASt 4) bezogen habe. Aus dem Gesamtzusammenhang dieses Gesprächs gehe hervor, dass der Antragsteller sich nicht mehr an der von ihm in seinem Buch „Der B M Komplex“ (1985) vertretenen Mordthese habe festhalten lassen wollen und daher insbesondere dem Antragsgegner gegenüber eine Meinungsänderung in Bezug auf die Selbstmorde in St.hamm mitgeteilt habe. Jedenfalls habe der Antragsgegner den Antragsteller so verstanden.

Hinsichtlich Ziffer 4) der einstweiligen Verfügung (Herr W. L. habe erzählt, dass er an Antragssteller Theorien geglaubt habe und deshalb zur RAF gegangen sei) rügt der Antragsgegner wiederum, dass die Äußerung aus dem Kontext gerissen sei. Aus dem Zusammenhang der gesamten Interview-Passage werde deutlich, dass der Antragsgegner mit „Antragssteller Theorien“ keine explizit vom Antragsteller vertretenen Theorien gemeint habe, sondern diese Wendung als Synonym für die auch von Teilen der RAF vertretenen „Mordtheorie“ verwendet habe. Es liege eine zulässige Meinungsäußerung vor.

Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2008 den Rechtsstreit hinsichtlich der Anträge zu Ziffern 1 und 4 nach Abgabe von strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärungen durch den Antragsgegner übereinstimmend für erledigt haben,

beantragt der Antragsgegner nunmehr,

die einstweilige Verfügung nach Maßgabe der Erledigterklärung aufzuheben und den ihr zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung nach Maßgabe der Erledigterklärung zu bestätigen.

Der Antragsteller ist der Ansicht, es handele sich bei den streitgegenständlichen Passagen um unwahre Tatsachenbehauptungen. Bereits aus dem vom Antragsgegner eingereichten Kapitel der ersten Auflage von „Der B M Komplex“ (Anlage AG 1) werde deutlich, dass der Antragsteller niemals die „Mordthese“ vertreten habe. Selbst wenn er Zweifel an der Selbstmordtheorie veröffentlicht hätte, hätte er damit nicht die „Mordtheorie“ vertreten. Das vom Antragsgegner zitierte Kapitel sei darüber hinaus nicht dasjenige, in dem der Antragsteller die Selbstmordnacht beschreibe, sondern ein Kapitel, in dem er Versäumnisse der Staatsanwaltschaft kritisiere. Jedenfalls aus dem gesamten Buch „Der B M Komplex“ in der ersten Auflage (Passagen gem. Anlagen ASt 10 bis 17) ergebe sich, dass er sich nicht der sog. „Mordthese“ angeschlossen habe.

Der Antragsteller versichert an Eides Statt, nur ein Buch über die RAF geschrieben zu haben, das erstmals 1985 erschienen sei. Vorher gebe es auch keinerlei Spiegel-Artikel von ihm. Er sei nie der Auffassung gewesen, dass St.hammer Häftlinge von staatlicher Seite ermordet worden seien, auch habe er dies zu keiner Zeit behauptet oder publiziert. Er habe nie gegenüber dem Antragsgegner erklärt, dass er seine Meinung bezüglich der St.hammer Selbstmorde geändert habe. Er habe die Kinder von U M nicht nach Italien gebracht, im Gegenteil habe er sie aus Sizilien befreit und zu ihrem Vater gebracht. (Vgl. Eidesstattliche Versicherung, Anlage ASt 3.)

Die Veränderungen insbesondere in den Vorworten und Klappentexten der Folgeauflagen des Buches „Der B M Komplex“ gäben nichts dazu her, dass der Antragsteller in der ersten Auflage die „Mordthese“ vertreten habe, ebenso wenig das Fehlen des Begriffs „Selbstmord“ in der ersten Auflage. Entscheidend sei allein der Inhalt der ersten Auflage selbst.

Da er nie die „Mordtheorie“ vertreten habe, sei er auch nicht auf die „Selbstmordtheorie“ umgeschwenkt.

Hinsichtlich des Ex-Terroristen Herr W. L. (Ziffer 4 der einstweiligen Verfügung) verweist der Antragsteller unbestritten darauf, dass dieser sich bereits 1977 der RAF angeschlossen und diese bereits 1980 wieder verlassen habe, wohingegen sein Buch „Der B M Komplex“ erstmalig 1985 erschienen sei. Damit habe das Buch schlechterdings nicht der Grund für dessen Eintritt in die RAF sein können.

Hinsichtlich Ziffer 5) der einstweiligen Verfügung handele es sich nicht um eine unwesentliche Falschdarstellung, da der Antragsgegner durch die Verwendung des Plurals versuche, seinen ehrverletzenden Aussagen Nachdruck zu verleihen, dies also als Waffe gegen den Antragsteller verwende.

Hinsichtlich Ziffer 6) der einstweiligen Verfügung trägt der Antragsteller unbestritten vor, die Kinder von U M seien von der RAF entführt und versteckt worden und hätten kurz vor der Abschiebung in ein palästinensisches Kinderheim gestanden, als er sie befreit und zu ihrem Vater zurückgebracht habe, der zufällig in Rom geweilt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 13. 2. 2009 Bezug genommen.

Gründe

I. Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung war die einstweilige Verfügung vom 15. 10. 2008, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben, zu bestätigen. Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, denn die angegriffenen Interviewäußerungen des Antragsgegners verletzen bei fortbestehender Wiederholungsgefahr sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.

1) So hat der Antragsteller einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der mit Ziffer 2) der einstweiligen Verfügung verbotenen Passage. Bei der dort verbotenen Äußerung handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des durchschnittlichen Rezipienten der objektiven Klärung zugänglich ist, weil er als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offen steht, er also mit den Mitteln der Beweiserhebung überprüfbar ist (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., 2003, 4. Kapitel Rn 43 ff. mwN; Soehring, Presserecht, 3.Aufl., 2000 Rn 14.3 ff. mwN). Die Frage, ob der Antragsteller in früheren Büchern und SPIEGEL-Artikeln die Vermutung geäußert hat, die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden, ist einer objektiven Klärung zugänglich und im Wege der Beweiserhebung überprüfbar.

Zwar enthält die Formulierung „die Vermutung geäußert“ eine gewisse Unschärfe. Jedoch enthält sie den Tatsachenkern, dass der Äußernde eine eigene Stellungnahme und Bewertung in Bezug auf den Sachverhalt, zu dem er sich äußert, abgibt, sich also selbst positioniert und nicht lediglich neutral einen Sachverhalt darstellt. Die Frage, ob der Antragsteller dies in seinen früheren Büchern und SPIEGEL-Artikeln getan hat, ist dem Beweise zugänglich, da sich anhand dieser Texte feststellen lässt, ob der Antragsteller eine derartige eigene Positionierung vorgenommen hat.

Darüber hinaus ist auch deshalb von einer Tatsachenbehauptung auszugehen, weil hinsichtlich der mit Ziffer 2) der einstweiligen Verfügung untersagten Passage das Verständnis möglich und damit im Rahmen des Unterlassungsanspruchs ausreichend (vgl. BVerfG NJW 2006, 207 (209) - Stolpe) ist, dass in früheren Büchern und SPIEGEL-Artikeln des Antragstellers die konkrete Formulierung enthalten ist, „vermutlich wurden die St.hammer Häftlinge von staatlicher Seite ermordet“, dass also der Antragsteller selbst ausdrücklich diese Vermutung formuliert hätte.

Dagegen ist die Äußerung nicht „aus dem Kontext gerissen“. Hinsichtlich der Auslegung einer Äußerung ist zwar der Kontext, in dem sie sich befindet, zu berücksichtigen. Dagegen ist dieser Kontext in den konkreten Verbotstenor nicht aufzunehmen, da diese Äußerungen aus dem Kontext gerade nicht dem Verbot unterliegen.

Durch die Berücksichtigung des Kontexts (im Rahmen des Verbots der konkreten Passage) wird die streitgegenständliche Äußerung jedoch nicht zu einer zulässigen Meinungsäußerung. Insbesondere macht die Bewertung des Antragsgegners, die sich der streitgegenständlichen Passage anschließt „...eine ganz üble Geschichte“ die vorangegangene Passage nicht zu einer Meinungsäußerung. Vielmehr schließt sich die Bewertung des Antragsgegners erst der Mitteilung der konkreten Tatsachenbehauptung an, ohne mit ihr als eine untrennbare Gesamtäußerung verbunden zu sein. Der Antragsgegner bewertet mit dieser Aussage lediglich die zuvor von ihm behauptete (und hier streitgegenständliche) Tatsache.

Auch aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews als kritischer Auseinandersetzung mit dem Film „Der B M Komplex“ und der Person des Antragstellers ergibt sich nicht, dass die streitgegenständliche Passage als Meinungsäußerung anzusehen wäre. Zwar ist ist eine Äußerung immer in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist, sie darf nicht aus dem Kontext gelöst und einer isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGHZ 132, 13 (20) mwN; BGH NJW 2000, 656 (657); vgl. auch BVerfG NJW 1994, 2943 (2944)). Allein der Umstand, dass eine Äußerung im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung erfolgt, macht diese aber nicht per se zur Meinungsäußerung. Im vorliegenden Fall enthält die streitgegenständliche Passage jedoch die dargelegte konkrete Behauptung, die sich von den Bewertungen des Antragsgegners trennen lässt und nicht mit ihnen eine untrennbare Einheit bilden würde, deren Meinungscharakter überwiegt. Auch ergibt sich aus dem Umstand, dass die konkrete Behauptung im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Film „Der B M Komplex“ und der Person des Antragstellers erfolgte kein abweichender Aussagegehalt. Damit verbleibt es auch im Gesamtzusammenhang der Äußerung bei einer Tatsachenbehauptung.

Unerheblich ist insoweit auch, ob die Äußerungen dem Antragsgegner quasi „entlockt“ wurden, zumal es hier nicht um Äußerungen aus einem „Live-Interview“ geht, bei dem längeres Nachdenken vor der Antwort oder nachträgliche Korrekturen nur erschwert möglich sind.

Darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet dafür, dass die Tatsachenbehauptung wahr ist, ist der Antragsgegner. Im Ausgangspunkt trägt zwar derjenige die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die Unwahrheit einer Behauptung, der sich gegen die Äußerung wendet. Entgegen dieser im Zivilprozess grundsätzlich geltenden Regel, dass derjenige, der einen Anspruch geltend macht, dessen tatbestandliche Voraussetzungen zu beweisen hat, muss nach der ins Zivilrecht transformierten Beweislastregel des § 186 StGB derjenige, der Behauptungen aufstellt oder verbreitet, die geeignet sind, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder sonstwie seinen sozialen Geltungsanspruch zu beeinträchtigen, im Streitfalle ihre Richtigkeit beweisen (Soehring, Presserecht 3. Auflage. 2000, Rn 30.24). So liegt es auch hier, da über den Antragsteller behauptet wird, er habe dem Staat die Begehung von Morden an Häftlingen vorgeworfen, was geeignet ist, den Antragsteller in der öffentlichen Meinung erheblich herabzusetzen.

Der Antragsgegner hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller in früheren Büchern und SPIEGEL-Artikeln die Vermutung geäußert habe, die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden.

Hinsichtlich des möglichen Verständnisses der Passage, dass der Antragsteller sich selbst konkret in dieser Weise geäußert hätte, hat der Antragsgegner bereits nicht vorgetragen, dass eine derartige Passage in früheren Büchern oder SPIEGEL-Artikeln enthalten wäre. Schon aufgrund dieses jedenfalls möglichen Verständnisses, wonach dem Antragsteller ein Zitat zugeordnet wird, das nicht von ihm stammt, so dass er zum „Zeugen gegen sich selbst“ gemacht wird, war das Verbot zu Ziffer 2) aus der einstweiligen Verfügung zu bestätigen.

Aber auch durch sämtliche der von dem Antragsgegner zitierten Passagen aus den Büchern des Antragstellers (insbesondere aus dem letzten Kapitel der ersten Auflage des Buches von 1985) wird die Wahrheit der streitgegenständlichen Tatsachenbehauptung nicht glaubhaft gemacht.

Sämtlichen vom Antragsgegner angeführten 18 Umständen aus dem letzten Kapitel der ersten Auflage des Buches von 1985 (S. 581 bis 592, Anlage AG 1) ist gemein, dass sie sich kritisch mit den Ermittlungen zu den Todesfällen, insbesondere durch das Bundeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft auseinandersetzen und insoweit auf Widersprüche, Unklarheiten und Versäumnisse hinweisen. So wird auf Widersprüche in Untersuchungsberichten (insbesondere im Hinblick auf die Tatwaffen und die Entfernung, aus der die tödlichen Schüsse abgegeben wurden) hingewiesen. Es wird kritisiert, dass der Schlussbericht der Staatsanwaltschaft auf diese Widersprüche nicht eingeht und kriminaltechnische Untersuchungen, die Anlass zu Zweifeln gegeben hätten, nicht erwähnt. Es findet sich wiederholt die Floskel: „Einladung zur Spekulation“. Der vom Antragsgegner zitierte Satz „Da aber bei B. eine Pistole ohne Schalldämpfer gefunden worden war, müsste es sich dann um Mord gehandelt haben“, findet sich im Anschluss an eine solche Formulierung von „Einladung zur Spekulation“.

Der Antragsteller kritisiert damit in dem Kapitel, auf das sich der Antragsgegner beruft, die Ermittlungen des Bundeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft. Der Antragsteller erhebt damit durch diese Passage den Vorwurf, dass die zuständigen staatlichen Stellen bei den Ermittlungen zur Todesursache nicht sorgfältig und auf Unvoreingenommenheit bedacht gearbeitet hätten, so dass hinsichtlich der Todesursache letzte Zweifel nicht hätten ausgeräumt werden können. So heißt es etwa auf S. 584 des letzten Kapitels der ersten Auflage: „Wie sorgfältig auch immer die Todesermittlung geführt worden wäre – alle Spekulationen und Verdächtigungen hätte man damit nicht beseitigt. Wer glaubt, was er glauben will, läßt sich auch durch Indizien nicht überzeugen. Und doch wäre ein Großteil der Spekulationen über die Todesnacht von St.hamm bei gründlicherer Untersuchung, bei weniger Voreingenommenheit der Ermittler möglicherweise gar nicht erst entstanden.“ (Anlage AG 1).

Sämtlichen 18 Indizien, auf die sich der Antragsgegner beruft, lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass der Antragsteller darüber hinaus als eigene Position vertritt, der Staat habe die Häftlinge ermordet. Auch der Passage auf der letzten Seite des Buches in der ersten Auflage: „Fragen, Zweifel, Widersprüche bleiben“ (der sich noch ein Brecht-Zitat anschließt), lässt sich nicht entnehmen, dass der Antragsteller hinsichtlich der „Mordthese“ einen eigenen Standpunkt einnimmt. Der Antragsteller legt sich in dieser Frage auch ausweislich sämtlicher vom Antragsgegner zitierten Passagen weder in die eine noch in die andere Richtung fest. Er weist lediglich auf Umstände hin, die Anlass zu Zweifeln an der staatlichen Variante geben und kritisiert die nach seiner Meinung unzureichenden Ermittlungen der Behörden. Hinsichtlich der „Mordthese“ nimmt der Antragsteller dagegen auch in der ersten Auflage des Buches keinen eigenen Standpunkt ein. Gleiches gilt für den SPIEGEL-Beitrag des Antragstellers vom 17. 9. 2007 (SPIEGEL 38/07, S. 71 bis 81), der dieselben Anhaltspunkte benennt (Anlage AG 11).

2) Auch bei der mit Ziffer 3) der einstweiligen Verfügung untersagten Passage handelt es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Ob der Antragsteller „plötzlich von seiner Mord-Version abgerückt und auf die staatliche Seite gewechselt ist, weil aus der RAF heraus die Selbstmorde bestätigt wurden“, ist dem Beweise zugänglich. Auch diese Passage ist nicht aus dem Zusammenhang gerissen, insoweit gilt das bereits unter 1) Gesagte auch hier. Der Kontext der Passage führt ebenfalls nicht zur Einordnung als Meinungsäußerung. Auch aus der (in dem Verbotstenor nicht enthaltenen) Formulierung, „er ist 'letztlich' nur deshalb plötzlich von seiner Mordversion abgerückt...“ ergibt sich nicht, dass eine Meinungsäußerung vorliegen würde. Allein die Floskel „letztlich“ macht angesichts des überwiegenden Tatsachenkerns aus dieser Passage keine Meinungsäußerung. Einschübe wie "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit", "sollen angeblich", "ich meine, dass", "so viel ich weiß" oder "offenbar" stehen einer Qualifizierung als Tatsachenbehauptung nicht prinzipiell entgegen, da der Äußernde es andernfalls in der Hand hätte, allein durch solche Einschübe aus seinen Tatsachenbehauptungen zivilrechtlich weniger angreifbare Meinungsäußerungen zu machen (vgl. BGH Urteil vom 22. 4. 2008, Az. VI ZR 83/07, www.bundesgerichtshof.de Abs. 18). So liegt es auch hier.

Diese Tatsachenbehauptung ist wiederum geeignet, den Antragsteller erheblich in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, da ihm unterstellt wird, seine Ansichten an den Standpunkten der RAF auszurichten und jedenfalls vormals vertreten zu haben, der Staat habe die Häftlinge in St.hamm ermordet.

Die Tatsachenbehauptung hat wiederum als unwahr zu gelten. Da mangels Glaubhaftmachung durch den Antragsgegner prozessual davon auszugehen ist, dass der Antragsteller bereits nicht in der Vergangenheit die Vermutung geäußert hatte, dass die St.hammer Häftlinge von staatlicher Seite ermordet worden seien, scheidet schon aus diesem Grunde aus, dass der Antragsteller später von diesem Standpunkt abgerückt und „auf die staatliche Seite gewechselt“ sein könnte.

Darüber hinaus wird in dieser Passage vom Antragsgegner nicht nur behauptet, der Antragsteller habe „die Vermutung geäußert“, die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden, sondern darüber hinausgehend, der Antragsteller sei „von seiner Mord-Version“ abgerückt. Damit wird in der mit Ziffer 3) der einstweiligen Verfügung untersagten Passage dem Antragsteller noch sehr viel deutlicher als in der mit Ziffer 2) der einstweiligen Verfügung untersagten Passage unterstellt, er habe als eigene Meinung die „Mordversion“ vertreten. Jedenfalls eine derart deutliche eigene Positionierung des Antragstellers lässt sich den Indizien aus der ersten Auflage des Buches (vgl. dazu unter 1)) aber keinesfalls entnehmen.

3) Auch die mit Ziffer 5) der einstweiligen Verfügung untersagte Passage verletzt den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, da wiederum eine Tatsachenbehauptung vorliegt, die prozessual als unwahr zu gelten hat.

Insoweit ist der Antragsteller für die Unwahrheit der Behauptung darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet. Die Frage, ob er ein oder mehrere Bücher zu der Thematik der RAF geschrieben hat, ist nicht geeignet, ihn im öffentlichen Ansehen herabzuwürdigen.

Der Antragsteller hat mit eidesstattlicher Versicherung vom 10. 10. 2008 (Anlage ASt 3) glaubhaft gemacht, dass es außer dem Buch „Der B M Komplex“ keine weiteren Bücher von ihm über die RAF gibt. Dem ist der Antragsgegner nicht mit Glaubhaftmachungsmitteln entgegengetreten. Der Antragsgegner hat sich – ohne dies glaubhaft zu machen – lediglich pauschal auf drei weitere Werke ('Tod in St.hamm – der Weg der U M' (1976), 'St.hamm' (1986), 'B-M' (1986)) des Antragstellers berufen, ohne einzeln für die drei Werke zu erläutern, ob es sich dabei um ein Buch handele. Dem substantiierten Vortrag des Antragstellers, dass es sich hierbei um drei Fernsehdokumentationen handele, ist der Antragsgegner nicht entgegengetreten.

Auch aus dem Umstand, dass das Buch „Der B M Komplex“ später in einer zweiten und dritten Auflage (im Fall der dritten Auflage in einer „Völlig überarbeiteten und ergänzten Neuausgabe“) erschienen ist, vermag es nach Ansicht der Kammer nicht zu begründen, dass mehrere Bücher des Antragstellers zu dem Thema vorlägen. Unter der Formulierung „mehrere Bücher“ versteht ein durchschnittlicher Rezipient mehrere eigenständige, nebeneinander stehende Werke und nicht mehrere Auflagen desselben Buches. Zumindest ist das Verständnis der Äußerung des Antragsgegners, dass der Antragsteller mehrere völlig voneinander unabhängige Bücher verfasst habe, möglich, was im Rahmen des Unterlassungsanspruchs ausreicht (vgl. BVerfG NJW 2006, 207 (209) - Stolpe).

Zwar ist die persönlichkeitsrechtliche Relevanz hinsichtlich der Frage, ob der Antragsteller ein oder mehrere Bücher zu dem Thema der RAF geschrieben habe, eher gering. Allerdings ist sie nicht derartig untergeordnet, dass allein aus diesem Grunde eine unwahre Tatsachenbehauptung über den Antragsteller von ihm hingenommen werden müsste. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Antragsgegner den Plural („das riecht man ja schon an seine n Bücher n “) konkret auf die Frage hin verwendet, ob dem Antragsteller die Täter näher als die Opfer seien, so dass die Verwendung des Plural den Standpunkt des Antragsgegners stützt und damit nicht gänzlich belanglos ist.

4) Schließlich verletzt auch die mit Ziffer 6) der einstweiligen Verfügung untersagte Passage den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Auch hier liegt eine Tatsachenbehauptung vor, die prozessual als unwahr zu gelten hat.

Auch unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerung, wenn man zugunsten des Antragsgegners annimmt, dass dieser mit dieser Passage lediglich eine Täternähe des Antragstellers belegen wollte, liegt hier eine Tatsachenbehauptung vor. Ob der Antragsteller „die Kinder von U M nach Italien gebracht hat, nachdem sie abgetaucht war“, ist dem Beweise zugänglich und damit eine Tatsachenbehauptung. Vor welchem Hintergrund und mit welchem Motiv der Antragsgegner eine Tatsachenbehauptung aufstellt, ist für die rechtliche Einordnung der Äußerung unerheblich.

Die Tatsachenbehauptung, der Antragsteller habe die Kinder von U M nach Italien gebracht, ist unstreitig unwahr. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Antragsteller die Kinder von Meinhof von Sizilien nach Rom gebracht und dem Vater übergeben hat. Damit hat der Antragsteller die Kinder jedoch nicht „nach Italien“ gebracht, was vorausgesetzt hätte, dass die Kinder sich zuvor in einem anderen Land befunden hätten.

Auch ist eine nicht unerhebliche persönlichkeitsrechtliche Relevanz für den Antragsteller gegeben. Die vom Antragsgegner gewählte Formulierung assoziiert eine „Verbringung“ der Kinder ins Ausland, wohingegen unstreitig der Antragsteller die Kinder, die in ein palästinensisches Kinderheim gebracht werden sollten, zu ihrem Vater brachte.

5) Hinsichtlich sämtlicher streitgegenständlicher Äußerungen besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird durch die Erstbegehung indiziert, es wurde keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die eine Wiederholungsgefahr entfallen lassen könnten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Ziffern 1) und 4) der einstweiligen Verfügung), entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, dem Antragsgegner auch insoweit die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da dieser – hätte er keine Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben – unterlegen wäre.

Die mit Ziffer 1) der einstweiligen Verfügung untersagte Formulierung, der Antragsteller habe dem Antragsgegner in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass er seine Meinung in Bezug auf die Selbstmorde in St.hamm geändert habe, stellt eine Tatsachenbehauptung dar, die prozessual als unwahr zu gelten hat. Insoweit hat der Antragsteller mit eidesstattlicher Versicherung vom 10. 10. 2008 glaubhaft gemacht, dass er zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Antragsgegner erklärt habe, dass er seine Meinung in Bezug auf die Selbstmorde in St.hamm geändert habe (Anlage ASt 3). Dem ist der Antragsgegner allein mit dem Vortrag entgegengetreten, dass er diese Formulierung auf die Äußerungen des Antragstellers während einer ...-Radiodiskussion bezogen habe (Anlage ASt 4). In dieser Radiodiskussion hat der Antragsteller aber an keiner Stelle erklärt, dass er seine Meinung in Bezug auf die Selbstmorde in St.hamm geändert habe. Vielmehr hatte der Antragsteller auf den Vorhalt des Antragsgegners, dass er früher die Ansicht vertreten habe, es würde mit großer Wahrscheinlichkeit ein Mord in St.hamm vorgelegen haben, erklärt: „Das ist einfach schlichtweg nicht wahr...“ und „Sie sagen die Unwahrheit. Es tut mir schrecklich leid.“ sowie „Sie sagen die Unwahrheit und das finde ich unredlich, muss ich wirklich sagen. Ich habe niemals behauptet, weder direkt noch indirekt und in keiner Auflage des Buches, nicht in der ersten, nicht in der zweiten, nicht in der dritten, dass die Gefangenen in St.hamm ermordet worden sind. Das ist einfach nicht wahr. Es stimmt einfach nicht.“ (Anlage ASt 4).Auf Vorhalt durch den Antragsgegner, er habe es in den Raum gestellt, diese Möglichkeiten, hatte der Antragsteller erwidert: „Ich habe es nicht in den Raum gestellt, ich habe es auch nicht geschrieben, es ist einfach nicht wahr.“ (Anlage ASt 4).

Damit hat der Antragsteller in dem Streitgespräch im ... gegenüber dem Antragsgegner wiederholt deutlich erklärt, dass er seine Meinung gerade nicht geändert habe und er insbesondere niemals die Ansicht vertreten habe, dass die Gefangenen in St.hamm ermordet worden seien. Gerade da der Antragsgegner dezidiert erklärt hatte, er habe niemals behauptet, die Gefangenen in St.hamm seien ermordet worden, kann keine Rede davon sein, dass der Antragsteller in diesem Streitgespräch dem Antragsgegner erklärt habe, er habe seine Meinung insoweit geändert.

Auch hinsichtlich Ziffer 4) wäre die einstweilige Verfügung zu bestätigen gewesen, wenn nicht der Antragsgegner eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hätte. Bei der Äußerung des Antragsgegners, dass ihm der Ex-Terrorist Herr W. L. „mal heulend erzählt, [habe], dass er an Antragssteller Theorien [die St.hammer Häftlinge seien von staatlicher Seite ermordet worden] geglaubt habe und deshalb zur RAF gegangen sei.“ handelt es sich wiederum um eine Tatsachenbehauptung, die prozessual als unwahr zu gelten hat. So ist unstreitig, dass das Buch des Antragstellers „Der B M Komplex“ erstmalig 1985 erschien, Herr W. L. jedoch bereits 1977 in die RAF eingetreten war und diese 1980 wieder verlassen hatte. Damit kann eine vermeintliche Theorie des Antragstellers aus der ersten Auflage seines Buches, wonach die Stammheimer Häftlinge von staatlicher Seite ermordet worden waren, schon vom Ansatzpunkt her nicht Anlass für Herr W. L. Eintritt in die RAF gewesen sein. Dass der Antragsteller diese These zuvor an anderer Stelle geäußert oder verbreitet hätte, behauptet auch der Antragsgegner nicht.

Auch ergibt sich aus dem Kontext der untersagten Passage nicht, dass der Antragsgegner die Formulierung „Antragssteller Theorien“ lediglich als „Synonym“ für die auch von Teilen der RAF vertretene „Mordtheorie“ verwendet hätte. Zwar nennt der Antragsgegner Herr W. L. als Beispiel für jemanden, der von der sogenannten „Mordtheorie“ in die Arme der RAF getrieben worden sei. Allerdings zitiert er dabei Herr W. L. damit, dass dieser ihm „heulend erzählt“ habe, „dass er an „Antragssteller Theorien geglaubt habe“. Damit muss ein durchschnittlicher Leser die Passage zwingend so verstehen, dass der Ex-Terrorist Herr W. L. sich gerade auf die „Mordtheorie“ des Antragstellers bezogen habe. Insoweit wäre hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs bereits ein möglicher Eindruck ausreichend gewesen (vgl. BVerfG NJW 2006, 207 (209) - Stolpe).

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