FG Hamburg, Urteil vom 07.10.2008 - 4 K 137/05
Fundstelle
openJur 2013, 560
  • Rkr:
Tatbestand

Die Klägerin ließ am 15.04.2002, am 24.06.2002 und am 27.06.2002 je eine Partie nachfüllbare Feuerzeuge der Warennummer ... mit Ursprung Philippinen zur Überführung in den zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich freien Verkehr anmelden. Die erste Partie umfasste 1.000.000 Stück, die anderen beiden Partien jeweils 940.000 Stück.

Nach Auswertung zollamtlicher Ermittlungen gelangte der Beklagte zu der Auffassung, der Ursprung der Feuerzeuge liege nicht wie angemeldet auf den Philippinen sondern in der Volksrepublik (VR) China. Nachfüllbare Feuerzeuge der genannten Warennummer mit Ursprung in der VR China unterliegen einem Antidumpingzollsatz in Höhe von 0,0065 Euro/Stück. Der Beklagte forderte daraufhin mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 09.06.2004 für die beiden in Rede stehenden Partien insgesamt 122.200 Euro Antidumpingzoll und 19.552 Euro Einfuhrumsatzsteuer gemäß Artikel 220 Abs. 1 Zollkodex. Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde am 20.09.2005 zur Post gegeben.

Mit der am 21.10.2005 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Nacherhebung der Einfuhrabgaben.

Sie trägt vor:

Die betroffenen Waren habe sie von zwei in A/Philippinen ansässigen Handelsgesellschaften (LTD. CO.) gekauft. Als Vermittler bzw. Einkaufsagent für die Klägerin habe jeweils eine Handelsgesellschaft mit Sitz in B gehandelt. Mit Schreiben vom 29.06.2005 habe der Vermittler bestätigt, dass er im Zusammenhang mit den Kaufgeschäften bezüglich bestimmter Feuerzeuge aus den Philippinen für die beiden philippinischen Gesellschaften tätig gewesen sei. Dies habe die als Einkaufsagent für die Klägerin handelnde C CO. LTD. auch gegenüber dem Customs And Excise Departement B, General Investigation and Systems Bureau bestätigt, wie sich aus dem Schreiben dieser chinesischen Zollbehörde vom 14.01.2005 ergebe.

Nach diesem Schreiben habe der Einkaufsagent der Klägerin lediglich die Umladung der betroffenen Feuerzeuge vom chinesischen Festland nach Hamburg übernommen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die C LTD. nicht etwa nur ein Exporteur von Feuerzeugen, sondern vertreibe als typische Handelsgesellschaft Artikel aller Art. Bei den Verkäufern in A/Philippinen handele es sich nicht um Scheinfirmen.

Auf der Grundlage der vorhandenen, die Einfuhrwaren begleitenden Frachtdokumente pp. habe die jeweilige Spedition als Ursprungsland der Feuerzeuge "Philippinen" angegeben. Für die Erhebung von Antidumpingzöllen ergebe sich weder aus dem Zollrecht noch aus anderen besonderen Gemeinschaftsregelungen eine Verpflichtung zur Vorlage von Ursprungszeugnissen. Es sei unerheblich, aus welchem Grund die betroffenen Ursprungszeugnisse von den zuständigen philippinischen Zollbehörden später als unzutreffend oder gefälscht zurückgenommen worden seien, denn die Klägerin habe sich in den hier betroffenen Einfuhrfällen nicht auf den Präferenzursprung Philippinen berufen. Entgegen der Auffassung des europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Schreiben vom 21.01.2005 sei nicht zweifelsfrei festgestellt worden, dass die in Rede stehenden Feuerzeuge tatsächlich ihren Ursprung in der VR China hätten und damit dem Antidumpingzoll unterlägen. Der Beklagte trage die Feststellungslast dafür, dass es sich in den vorliegenden Fällen um nachfüllbare Gasfeuerzeuge mit Ursprung in der VR China handele. Die bisherigen Erkenntnisse würden eine derartige Feststellung nicht tragen. Da sich die Klägerin im Streitfall nicht auf den Ursprung Philippinen berufen habe, um den Präferenzzollsatz "frei" in Anspruch nehmen zu können, müsse sie den philippinischen Ursprung der Einfuhrwaren auch nicht nachträglich - zwei Jahre nach der Einfuhr - nachweisen.

Die Klägerin beantragt,

den Einfuhrabgabenbescheid vom 09.06.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Bezüglich der angemeldeten Warenpartien seien - obschon hierfür keine Verpflichtung bestanden habe - die Ursprungszeugnisse Nr. ...17 vom 25.01.2002 und Nr. ...95 vom 27.06.2002 vorgelegt worden. Die Ursprungszeugnisse hätten für die angemeldeten Feuerzeuge den Warenursprung "Philippinen" ausgewiesen. Unabhängig von einer Vorlagepflicht von Ursprungszeugnissen bei Einfuhr von Feuerzeugen mit Ursprung Philippinen sei aus einem derartigen amtlichen Dokument ein Nachweis über den Ursprung bzw. die Herkunft der darin bezeichneten Ware zu entnehmen. Im Streitfall seien diese Ursprungszeugnisse durch die zuständige Stelle der Philippinen als gefälscht und nicht durch diese Behörde ausgestellt erklärt worden. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Feuerzeuge ihren Ursprung nicht auf den Philippinen hätten. Da es im Streitfall ausschließlich um die Beurteilung des nicht präferenziellen Ursprungs der Feuerzeuge als Grundlage für die handelspolitische Maßnahme "Antidumpingzoll" gehe, sei es unerheblich, ob sich die Klägerin durch Vorlage eines Präferenznachweises nach Formblatt GSP Form A auf den präferenziellen Ursprung Philippinen berufen habe oder nicht. Die im Zuge der angestellten Ermittlungen gewonnen Erkenntnisse ließen den sicheren Schluss zu, dass die Waren aus China stammten. Die Ursprungszeugnisse seien von den philippinischen Behörden als gefälscht und nicht durch diese Behörde ausgestellt erklärt worden. Die in den Zollanmeldungen bezeichneten Feuerzeuge seien in den Containern Nr. CB ...89 und CB ...93 nach Hamburg transportiert worden. Die mit den Feuerzeugen beladenen Container seien von D nach B verbracht und anschließend für den direkten Export nach Deutschland verladen worden. Die Ermittlungsbehörden in B hätten der europäischen Ermittlungsbehörde OLAF ebenfalls erklärt, dass die in den zuvor bezeichneten Containern befindlichen Waren tatsächlich ihren Ursprung in der VR China gehabt hätten. Für die betreffenden Sendungen seien von dem Importeur Handelserklärungen abgegeben worden, in denen dieser unter der Rubik "ORIGIN COUNTRY" bestätigt habe: "On the mainland of China".

Bei der Entladung in Hamburg am ...02.2002 sei die Sendung von der Wasserschutzpolizei kontrolliert und mit einem Beförderungsverbot belegt worden, weil in dem Container eine gefährlich hohe Gaskonzentration festgestellt worden sei. Die Klägerin habe sich daraufhin nicht mit der von ihr in den Anmeldepapieren als Versender der Ware angegebenen Firma E LTD. CO. A/Philippinen in Verbindung gesetzt, sondern sie habe sich an die Firma C in B, China, gewandt, um den Sachverhalt zu erörtern. Schließlich sei die Rechnung über die Feuerzeuge gegenüber der Firma E in B erfolgt. Versuche, mit der von der Klägerin angegebenen Firma E/A Kontakt aufzunehmen, seien erfolglos geblieben. Weder konnte eine E-Mail zugestellt werden, noch sei die Firma telefonisch erreichbar gewesen. Bei der Firma handele es sich daher nach den vorliegenden Erkenntnissen um eine Scheinfirma.

Eine Überprüfung des Containerlaufs habe anhand der Frachtbriefe erfolgen können. Die hier vorliegenden B/L´s sind von einer Reederei (F Line) in B ausgestellt worden. In die Transportpapiere seien lediglich Hinweise auf einen Vortransport von den Philippinen aufgenommen worden. Belege hierüber seien jedoch nicht vorgelegt worden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um durchgehende Sendungen handele, gäbe es nicht.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte die Einfuhrabgaben unter Berücksichtigung von Antidumpingzoll festgesetzt.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Antidumpingzoll ist Artikel 20 Abs. 3 g Zollkodex (ZK) i. V. m. Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22.12.1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern. Unter den Beteiligten ist nicht streitig, dass nach Durchführung des in Artikel 9 näher beschriebenen Verfahrens für die im Streitfall zu beurteilenden Waren, sofern sie aus der VR China eingeführt worden sind, Antidumpingzoll zu erheben ist.

Auf der Grundlage der in der Sache nicht streitigen zollamtlichen Feststellungen gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass die Waren nicht wie angemeldet aus den Philippinen, sondern aus der VR China stammen. Gegen den Ursprung Philippinen spricht zunächst, dass das von der Klägerin vorgelegte Ursprungszeugnis von den philippinischen Behörden als gefälscht widerrufen worden ist. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Klägerin nicht zur Vorlage eines Präferenzpapiers verpflichtet war. Im Streitfall geht es - wovon auch die Klägerin zu Recht ausgeht - nicht um eine Präferenzgewährung im Hinblick auf den Warenursprung, sondern allein darum, ob es wegen des Herkunftslandes VR China gerechtfertigt ist, die Ware mit Antidumpingzoll zu belegen. Hierfür ist der Beklagte beweisbelastet.

Der Widerruf der Ursprungszeugnisse begründet zwar noch keine Vermutung für den Warenursprung VR China, kann aber als Indiz dafür herangezogen werden, dass die Feuerzeuge jedenfalls nicht wie angegeben aus den Philippinen stammten.

Im Rahmen der weiteren Beweiswürdigung berücksichtigt der Senat allerdings zunächst zugunsten der Klägerin, dass die in Containern verbrachten Waren mangels einer direkten Schiffsverbindung von den Philippinen nach Europa in der Regel in B oder G auf Schiffe im Europalinienverkehr umgeladen werden. Die hierdurch eröffnete Möglichkeit, dass die Waren bereits in den Philippinen erstmals verschifft worden sind und somit von dort stammen, kann jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, denn es sprechen gewichtige Umstände dafür, dass die Waren tatsächlich erst in B verschifft worden sind, sodass als Ursprungsland nur die VR China in Betracht kommt.

Hierfür sprechen zunächst die im Rahmen der Durchsuchung gefundenen Zahlungsaufträge im Außenwirtschaftsverkehr. Die Bezahlung von zwei Warenpartien erfolgte auf Konten der Firmen E in B bzw. der Firma H in B, obwohl zumindest im ersten Fall Versenderfirma die Firma E/A gewesen sein soll. Eine plausible Erklärung für diesen ungewöhnlichen und auffälligen Zahlungsweg, der auf einen chinesischen Lieferer hinweist, hat die Klägerin nicht darzulegen vermocht.

Unstreitig ist, dass die in den Zollanmeldungen vom 24.06.2002 und vom 27.06.2002 bezeichneten Feuerzeuge in den Containern Nr. CB ...89 und CB ...93 nach Hamburg transportiert worden sind. Diese Container wurden - auch das ist in diesem Verfahren nicht streitig - nachweislich von D (VR China) nach B verbracht und anschließend für den direkten Export nach Deutschland verladen. Auch dieser Umstand ist auffällig und deutet auf den Ursprung VR China hin, ohne dass es sich insoweit bei isolierter Betrachtung völlig ausschließen lässt, dass der Container vorher von den Philippinen nach D transportiert worden ist.

Auffällig ist jedoch weiterhin, dass sich die Vertreter der Klägerin nach Kontrolle der Sendung durch die Wasserschutzpolizei nicht mit der in den Anmeldepapieren als Versender der Ware angegebenen Firma E LTD. CO. A/Philippinen in Verbindung gesetzt hat, sondern sich vielmehr an die Firma C in B gewandt hat, um mit dieser den Sachverhalt zu erörtern. In diesem Zusammenhang gewinnt die von den Behörden gewonnene Erkenntnis Gewicht, wonach Kontaktaufnahmen mit der Firma E LTD. CO. A/Philippinen erfolglos blieben, was im Zusammenhang mit der vorgenannten Feststellung die naheliegende Möglichkeit eröffnet, dass es sich bei dieser Firma um eine Scheinfirma gehandelt hat, während der wirkliche Versender die in B ansässige Firma gewesen ist.

Von gewisser Bedeutung ist auch, dass die Frachtbriefe (Bills of Lading - B/L) vom 15.01. und 14.05.2002 von einer Reederei in B ausgestellt worden sind. Zwar finden sich in den Transportpapieren Hinweise auf einen Vortransport von den Philippinen, Belege hierüber sind allerdings nicht vorgelegt worden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um durchgehende Sendungen handelt, gibt es nicht.

Diese Indizien mögen zwar einzeln betrachtet, von unterschiedlicher Überzeugungskraft sein. In ihrer Gesamtheit - gewissermaßen als Indizienkette - führen sie jedoch mit hoher an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu der Schlussfolgerung, dass die Waren aus China stammen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

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