OLG Hamburg, Urteil vom 14.08.2008 - 9 U 92/08
Fundstelle
openJur 2013, 465
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4.4.2008, Az. 319 O 42/08, wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils EUR 1.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.10.2007 zu zahlen.

Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger € 316,18 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.2.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

1. Den Klägern steht nach §§ 651d Abs. 1, 638 Abs. 4 BGB ein Anspruch auf Minderung des Reisepreises in Höhe von jeweils € 1.500,00 zu.

Die von den Klägern bei der Beklagten ausweislich Anl. K 1 gebuchte Reise durch die Nordwest-Passage war mangelhaft im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB, weil das in der Katalogbeschreibung der Beklagten (Anl. K 2) angepriesene und durch Photos dargestellte „meterdicke Packeis“ auf der vorgesehenen und tatsächlich auch durchfahrenen Route unstreitig nicht vorhanden war. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Reiseveranstalter für außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Naturereignisse und Wetterverhältnisse nicht haftet. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Reiseveranstalter durch besondere Erklärungen oder Photos im Katalog den Reisenden in den Glauben versetzt wird, er könne auf der gebuchten Reise mit entsprechenden Witterungsbedingungen rechnen (vgl. Palandt-Sprau, § 651c Rdnr. 2; Führich, Reiserecht, 5. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 249). Macht sich der Reiseveranstalter die Witterungsbedingungen durch Anpreisungen zunutze, ist er zur Durchführung der Reise mit dem im Prospekt beschriebenen Inhalt verpflichtet und trägt das volle unternehmerische Risiko dafür, dass er diese Verpflichtung auch erfüllen kann (Staudinger – Eckert, BGB, 11. Aufl. 2003, § 651c Rdnr. 51f.). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat vorliegend in ihrem Katalog für die am 21., 22., 29., 30. und 31.7.2007 zu durchfahrenden Reiseabschnitte ausdrücklich und anschaulich das Durchqueren von meterdickem Packeis geschildert und damit durch die Gestaltung des Kataloges das Vorhandensein von meterdickem Packeis zugesichert. Zwar hat sie sich durch die der Reisebeschreibung vorangestellten „Hinweise“ „Änderungen des Reiseverlaufs und des Programms ... aufgrund der extremen Wetter- und Eisverhältnisse... ausdrücklich vorbehalten“. Durch diesen Hinweis wird beim Leser des Kataloges aber sogar noch der Eindruck verstärkt, dass sich in der Nordwest-Passage zur angebotenen Reisezeit im Juli 2007 zumindest das angepriesene „meterdicke Packeis“ befinden werde. Der Hinweis auf „extreme“ Wetter- und Eisverhältnisse lässt sich nämlich nur dahin verstehen, dass es möglicherweise extrem viel Packeis geben könne, nicht aber, dass auch mit extrem wenig oder gar keinem Packeis zu rechnen sei.

Damit liegt ein Reisemangel vor, denn „meterdickes Packeis“ wurde an den fünf Tagen, für die laut Katalogangaben ein Durchfahren bzw. ein Fahren in Sichtweite von Packeis beschrieben worden ist, nicht vorgefunden; Packeis wurde nur im Rahmen eines kurzen Abstechers für einige Stunden lang „gesichtet“.

Die Kläger haben den Reisemangel auch angezeigt (§ 651d Abs. 2 BGB). Die Reiseleitung hat hierauf zwar mit einem Abstecher in ein Gebiet mit Packeis zu reagieren versucht; die Weiterfahrt durch Packeis musste allerdings wegen Nebels abgebrochen werden.

Die Kläger haben schließlich ihre Ansprüche innerhalb der Frist des § 651g Abs. 1 BGB bei der Beklagten geltend gemacht.

Das Gericht hält eine Minderung von € 1.500,00 pro Kläger, mithin rund 10% auf den Reisepreis für angemessen, aber auch ausreichend.

In diesem Zusammenhang war zu berücksichtigen, dass bei einem Durchqueren der Nordwest-Passage das Vorhandensein von Packeis für die Kläger ersichtlich von Bedeutung war und die Beklagte dieses in ihrem Katalog auch besonders herausgestellt hat. Allerdings wird das Durchfahren bzw. Fahren in Sichtweite von Packeis nach der Katalog-Beschreibung lediglich an fünf der insgesamt 21 Reisetage in Aussicht gestellt. Die zugesprochene Minderung von 10% auf den Gesamtreisepreis entspricht einer Minderung von rund 40% des auf diese fünf Tage entfallenden Reisepreises. Im Übrigen ist die Reise entsprechend dem geplanten und angepriesenen Reiseverlauf durchgeführt worden und die Kläger haben auch an den fünf Tagen, an denen immerhin an einem Tag kurzzeitig Packeis gesichtet werden konnte, sämtliche weiteren Reiseleistungen in Anspruch genommen.

2. Soweit die Kläger eine weitere Minderung des Reisespreises verlangen, ist die Berufung zurückzuweisen. Die von den Klägern im Übrigen geltend gemachten „Mängel“ der Reise rechtfertigen keine weitere Minderung des Reisepreises.

So hat die Beklagte mit ihren Prospektangaben entgegen der Auffassung der Kläger weder eine Reise mit „Expeditionscharakter“ zugesichert, noch ergibt sich ein Mangel daraus, dass an der Reise auch gehbehinderte und ältere Personen teilgenommen haben.

Auch die Durchführung des Transfers zur „K. K.“ mit einem Fischkutter statt per Hubschrauber stellt keinen Mangel der Reise dar, weil es sich nur um eine unwesentliche Abweichung vom angekündigten Reiseprogramm gehandelt hat. Die Art des Transportmittels bei diesem Transfer hatte keine besondere Bedeutung für den Gesamtcharakter der Reise. Sie war angesichts der im weiteren Verlauf der Reise vorgesehenen und durchgeführten Ausflüge per Hubschrauber nur von untergeordneter Bedeutung: Zudem ist ausweislich des Reiseleiterberichtes (Anl. B 1) am 2.8.2007 auch einmal anstelle der per Z. geplanten Ausschiffung eine Ausschiffung durch einen nicht im Programm enthaltenen und damit zusätzlichen Hubschrauberflug erfolgt.

3. Der Zinsanspruch hinsichtlich des Minderungsbetrages beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB steht den Klägern Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von € 316,18 (1,3 Geschäftsgebühr nach §§ 2 Abs. 2, 13 Abs. 1 i.V.m. Nr. 2300 VV RVG nach einem Gegenstandswert von € 3.000,00, zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) zu. Hinsichtlich der darüber hinaus verlangten Anwaltskosten war die Berufung zurückzuweisen.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Anwaltskosten beruht auf §§291, 288 Abs. 1 BGB.

4. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.