FG Hamburg, Beschluss vom 28.07.2008 - 4 V 125/08
Fundstelle
openJur 2013, 447
  • Rkr:
Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben.

Im März 2008 führte die Antragstellerin als Vertreterin der Firma A in B, aus Thailand eine als "gefr. "Barbecue Set", 10 x 650 g / Lachs (32%), Oncorhynchus Mykiss, Thunfisch Steak (22%), Thunnus spp. rohe Garnelen (12%), Penaeus V., blanch. Garnelen 10%, "Red Snapper" (9%), ssp. Wasser 15%" bezeichnete Warenzusammenstellung ein und gab die Warennummer 0303 1900 92 0 an.

Die Überprüfung einer Warenprobe durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt Hamburg ergab laut Einreihungsgutachten vom 14.03.2008 die Einreihung in die Codenummer 0304 2945 90 0. In dem Einreihungsgutachten heißt es, es handele sich um eine Warenzusammenstellung in Aufmachung für den Einzelverkauf als "Seafood Grillpfanne", bestehend aus einer einfachen Grillpfanne aus Aluminium sowie verschiedenen tiefgefrorenen Fisch- und Garnelenprodukten. Es wurden zwei Proben untersucht. Im Einzelnen handele es sich um ein rohes Steak vom Lachs mit Haut und Wirbelsäule und einem Gewichtsanteil von etwa 26% bzw. 23% der Position 0303, ein rohes sog. Steak vom Thunfisch (Filet) ohne Haut mit einem Gewichtanteil von etwa 27% der Position 0304, sechs rohe Garnelenschwänze mit Panzer mit einem Gewichtsanteil von etwa 16% bzw. 17% der Position 0306 sowie zwei Fischspieße bestehend aus jeweils zwei rohen Filetstücken vom Lachs (etwa 11% bzw. 10%) der Positionen 0304, zwei rohen Filetstücken vom Red Snapper (etwa 10% bzw. 13%) der Position 0304 sowie vier blanchierten Garnelen ohne Panzer (etwa 10%) der Position 0306. Bei der Warenzusammenstellung überwögen nach Umfang und Gewicht die Fischfiletanteile der Position 0304 gegenüber den Erzeugnissen der anderen aufgeführten Positionen. Innerhalb der Position 0304 bestimme das Thunfischsteak (Filet) gewichtsmäßig den Charakter der Ware.

Dem Einreihungsgutachten folgend erhob der Antragsgegner mit Bescheid vom 11.03.2008 Einfuhrabgaben in Höhe von 15.286,25 € (9.831,05 € Zoll und 5.455,20 € Einfuhrumsatzsteuer). Dieser Bescheid war gerichtet an die A, vertreten durch die Antragstellerin.

Am 14.03.2008 hat die Antragstellerin gegen den Einfuhrabgabenbescheid Einspruch eingelegt und zugleich die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Die Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 28.03.2008 ab.

Am 02.05.2008 hat die Antragstellerin im eigenen Namen einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie meint, die Ware sei in die Codenummer 0303 einzureihen. Es handele sich um eine Warenzusammenstellung, bei der das Thunfischsteak gewichtsmäßig den Charakter bestimme. Das Thunfischsteak könne nicht als Thunfischfilet in die Position 0304 eingereiht werden. Es weise nicht die typischen, aus dem Steak-Schnitt resultierenden kurzen Muskelsegmente auf. Zur Frage der Tarifierung fügt sie eine Stellungnahme des Sachverständigen für Qualitätskontrollen von Fischen, Fischwaren und Fischfeinkost C bei. Mit Schriftsatz vom 25.06.2008 hat sie eine Vollmacht der A zur Akte gereicht, wonach sie berechtigt ist, die Firma A auch im finanzgerichtlichen Verfahren zu vertreten.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides vom 11.03.2008 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hält den Antrag bereits für unzulässig, da die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Die Antragstellerin habe lediglich als Vertreterin der Firma A gehandelt. Anmelderin und damit Zollschuldnerin im Sinne von Art. 201 Abs. 3 Zollkodex sei daher die Firma A. Die Aussetzungsentscheidung vom 28.03.2008 sei der Antragstellerin lediglich als Vertreterin der Abgabenschuldnerin bekanntgegeben worden. Nur diese könne die Aussetzung der Abgaben beantragen. In der Sache trägt er vor, die Einreihung habe nach der Allgemeinen Vorschrift 3 b zu erfolgen. Maßgeblich sei also der Bestandteil, der der Ware ihren wesentlichen Charakter verleihe. Nach den Erläuterungen würden Fischfilets und anderes Fischfleisch von der Position 0303 nicht umfasst. Unter Berücksichtigung des Wortlautes der Positionen 0303 und 0304 und der dazu ergangenen Erläuterungen seien das Thunfischsteak, dass Lachsfilet und das Filet vom Red Snapper der Position 0304 und das Lachssteak, das noch mit Wirbelsäulenknochen behaftet sei, der Position 0303 zuzuweisen. Die Garnelen, mit oder ohne Schale, gehörten zur Position 0306. Gewichtsmäßig überwögen jeweils Waren der Position 0304, diese Waren stellten dann auch den Charakter bestimmenden Anteil dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der gem. § 69 Abs. 3 FGO i.V.m. Art 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex, ZK) zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin (gemäß § 40 Abs. 2 FGO analog) antragsbefugt. Materiell betroffen von den angefochtenen Bescheiden ist die Firma A, der gegenüber die Einfuhrabgaben erhoben werden. Zutreffend hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass in der Antragsschrift lediglich die Antragstellerin bezeichnet war, ohne dass ein Vertretungsverhältnis für die Firma A ersichtlich gewesen wäre. Es ist jedoch eine Vertretung nach § 62 FGO möglich. Das Vorliegen einer derartigen Vertretung hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin auch durch Vorlage einer entsprechenden Vollmacht nachgewiesen. Eine derartige Vertretung ist auch wirksam, wenn sie noch nicht in der Antragsschrift offen gelegt worden ist.

Indes ist der Antrag unbegründet. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes geklärt, dass im Geltungsbereich des Zollkodex auch im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO die Vorschriften des Art. 244 Unterabs. 2 ZK über die Aussetzung der Vollziehung im Verwaltungsverfahren anzuwenden sind (vgl. nur BFH, Beschl. v. 11.07.2000, VII B 41/00). In Art. 244 Unterabs. 2 ZK ist bestimmt, dass die Zollbehörden die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aussetzen, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Begründete Zweifel im Sinne des Art. 244 Unterabs. 2 ZK bestehen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der angefochtenen Entscheidung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen auch gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die eine Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH, Beschl. v. 22.11.1994, VII B 140/94, BFHE 176, 170). Keine dieser Alternativen ist im Streitfall gegeben:

Nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vermag der Senat nicht festzustellen, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einfuhrabgabenbescheides vom 11.03.2008 bestehen. Nach summarischer Prüfung nach Aktenlage dürfte die von der Antragstellerin eingeführte Ware in die Unterposition 0304 2945 einzureihen sein.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 20.06.1996, Rs. C-121/95, EuGHE 1996, I-3047 Rz. 13; BFH, Urt. v. 18.11.2001, VII R 78/00, v. 09.10.2001, VII R 69/00, v. 14.11.2000, VII R 83/99, v. 05.10.1999, VII R 42/98 und v. 23.07.1998, VII R 36/97, juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urt. v. 09.12. 1997, Rs. C-143/96, EuGHE 1997, I-7039 Rz. 14, und v. 19.05.1994, Rs. C-11/93, EuGHE 1994, I-1945 Rz. 11 und 12). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urt. v. 14.11.2000, VII R 83/9 und v. 05.10.1999 VII R 42/98, juris; Beschl. v. 24.10.2002, VII B 17/02, juris). Kommen für die Einreihung von Waren zwei oder mehr Positionen in Betracht, geht nach der Allgemeinen Vorschrift 3 lit. a) die Position mit der genaueren Warenbezeichnung der Position mit der allgemeineren Warenbezeichnung vor. Die Allgemeine Vorschrift 3 lit. b) sieht vor, dass für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 lit. a) nicht eingereiht werden können, nach dem Bestandteil eingereiht werden, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht.

Übereinstimmend und zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass eine Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 3 lit. a) nicht in Betracht kommt, weil es sich bei den in der Grillpfanne zusammengefügten Waren um solche handelt, die unterschiedlichen Positionen - nämlich den Positionen 0303, 0304 und 0306 - zuzuordnen sind, wobei keine Warenbezeichnung genauer ist. Folglich ist die Allgemeine Vorschrift 3 lit. b) anzuwenden.

Aus Sicht des Senats spricht Überwiegendes dafür, die Ware in die Unterposition 0304 2945 einzureihen. Die von der Antragstellerin angenommene Position 0303 bezeichnet Fische, gefroren, ausgenommen Fischfilets und anderes Fischfleisch der Position 0304. Von der Position 0304 umfasst sind Fischfilets und anderes Fischfleisch (auch fein zerkleinert), Fisch, gekühlt oder gefroren. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System (Erl. HS) zur Position 0303 (Randziffer 01.0) i.V.m. Erl. HS zur Position 0302 (Randziffer 01.1 und 01.0) gehören zur Position 0303 neben ganzen Fischen auch solche ohne Kopf, ausgenommen oder in Stücken, die Knochen, Knorpel oder Gräten enthalten. Zu dieser Position gehören jedoch nicht Fischfilets und anderes Fischfleisch der Position 0304. In die Position 0303 gehören also nur Fische oder Teile von Fischen, sofern sie Knochen, Knorpel oder Gräten enthalten.

Präzisiert wird dies in den Erl. HS zur Position 0304 (Randziffern 01.0 bis 11.0). Danach werden als Fischfilets die parallel zur Wirbelsäule des Fisches entnommenen Fleischstreifen, die die rechte oder linke Hälfte eines Fisches darstellen, bezeichnet, sofern sie von Kopf, Eingeweide, Flossen und Gräten befreit sind und beide Hälften nicht miteinander zusammenhängen (Randziffer 03.0). Unschädlich für die Einreihung als Fischfilet ist das Vorhandensein von Haut sowie von Stehgräten und anderen kleineren Gräten, die nicht vollständig entfernt worden sind (Randziffer 04.1). Anderes Fischfleisch ist solches, von dem die Knochen und Gräten entfernt worden sind, auch hier gilt, dass das Vorhandensein kleiner, nicht vollständig entfernter Gräten keinen Einfluss auf die Einreihung hat (Randziffern 07.0). Anders als die Antragstellerin meint, ist die Schnittführung bei der Zerteilung des Fisches für die Einreihung unerheblich, da hierauf weder in der Warenbeschreibung des Zolltarifs noch in den dazu ergangenen Erläuterungen abgestellt wird.

Der Senat geht bei der Tarifierung davon aus, dass die verschiedenen Bestandteile der Grillpfanne in dem Einreihungsgutachten vom 14.03.2008 zutreffend beschrieben worden sind. Auch die Antragstellerin hat Gegenteiliges weder in ihrer Einspruchsbegründung noch im vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes behauptet. Sie ist lediglich der Auffassung, aus der festgestellten Warenbeschreibung seien die falschen tarifrechtlichen Schlüsse gezogen worden. Geht man von der Warenbeschreibung in dem Einreihungsgutachten aus, überwiegen gewichtsmäßig Bestandteile, die der Position 0304 zuzuordnen sind, so dass diese der Warenzusammenstellung auch ihren wesentlichen Charakter verleihen.

Von der ersten Warenprobe kann in die Position 0303 nur das Steak vom Lachs (Gewichtsanteil 26%) eingereiht werden, da es ein Stück Wirbelsäule enthält. Alle anderen Fischteile (Thunfisch, Filetstücke vom Lachs und vom Red Snapper mit einem Gewichtsanteil von insgesamt 48%) weisen soweit ersichtlich weder Gräten noch sonstige Bestandteile auf, die nach der Position 0303 vorhanden sein müssen und sind insoweit als Fischfilets oder anderes Fischfleisch in die Position 0304 einzureihen. Die Garnelen mit einem Gewichtsanteil von 26% fallen in keine dieser Positionen.

Von der zweiten Warenprobe kann in die Position 0303 ebenfalls nur das Steak vom Lachs (Gewichtsanteil 23%) eingereiht werden, da es ein Stück Wirbelsäule enthält. Alle anderen Fischteile (Thunfisch, Filetstücke vom Lachs und vom Red Snapper mit einem Gewichtsanteil von insgesamt 50%) weisen soweit ersichtlich weder Gräten noch sonstige Bestandteile auf, die nach der Position 0303 vorhanden sein müssen und sind insoweit als Fischfilets oder anderes Fischfleisch in die Position 0304 einzureihen. Die Garnelen mit einem Gewichtsanteil von 27% fallen in keine dieser Positionen.

Dass das Thunfischsteak etwa Knochen, Knorpel oder Gräten enthalten hätte, so dass eine Einreihung in die Position 0303 in Betracht käme, behauptet auch die Antragstellerin nicht. Sie stützt sich in ihrer Argumentation lediglich auf die Art der Zerlegung, die tarifrechtlich aber, wie ausgeführt, ohne Bedeutung ist.

In beiden Warenproben dominieren also gewichtsmäßig Fischteile der Position 0304, so dass mangels anderweitiger Anknüpfungspunkte davon ausgegangen werden kann, dass diese Fischteile der Warenzusammenstellung auch ihren wesentlichen Charakter verleihen. Innerhalb dieser Warenzusammenstellung dominiert mit einem Gewichtsanteil von 26% bzw. 27% der Thunfisch, so dass - wiederum in Anwendung der Allgemeine Vorschrift 3 lit. b) - die Einreihung in die Unterposition 0304 2945 zutreffend ist.

Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 128 Abs. 3 i.V.m. 115 Abs. 2 FGO.

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