FG Hamburg, Urteil vom 24.06.2008 - 4 K 191/06
Fundstelle
openJur 2013, 405
  • Rkr:
Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als faktischer Geschäftsführer der ehemaligen A. GmbH haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden kann.

Die GmbH ließ in der Zeit vom 05.03.2002 bis 14.03.2002 die auf S. 2 der Einspruchsentscheidung im Einzelnen bezeichneten vereinfachten Zollanmeldungen bei verschiedenen Dienststellen des Hauptzollamtes Hamburg-1 Schuhe und Stiefel der Codenummern 6403 ... und 6401 ... zur Überführung in den freien Verkehr anmelden. Den Anmeldungen wurde jeweils entsprochen und die Waren wurden überlassen. Einfuhrabgaben waren zu den Zeitpunkten der Anmeldungen noch nicht zu errichten, da dem Anmeldevertreter ein Zahlungsaufschub gemäß Art. 226 Zollkodex (ZK) bewilligt worden war. Die von der GmbH selbst errechneten Abgabenbeträge (96.336,52 € Zoll-EU und 207.765,41 € EUSt) waren nach Abgabe unter der Registriernummer BSN-0764 ... erfassten ergänzenden Zollanmeldung vom 10.04.2002 gemäß Art. 227 Abs. 3 Buchstabe b) ZK spätestens am 16. des Monats zu entrichten, der auf den Kalendermonat der Überlassung folgt, hier also am 16.04.2002.

Der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer der GmbH, Herr B., hatte die Zahlung der vorgenannten Beträge am Freitag, den 12.04.2002 angewiesen. Diese Zahlung wurde am Montag, den 15.04.2002 auf Veranlassung des Klägers von der mit der Überweisung betrauten Bank zurückgerufen und von der damaligen Bank 1, bei der das Konto der Zollzahlstelle Hamburg-2 geführt wurde, unmittelbar zurückgegeben. Die Beträge wurden dem Konto der Zollzahlstelle nicht gutgeschrieben, sodass eine Zahlung nicht erfolgt war.

Mit dem Haftungsbescheid vom 01.08.2005 nahm das beklagte Hauptzollamt den Kläger als faktischen Geschäftsführer der inzwischen insolventen GmbH gem. § 191 Abs. 1 i. V. m. §§ 69, 35 und 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) für die Einfuhrabgaben einschließlich der seit Fälligkeit bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung entstandenen Säumniszuschläge in Anspruch. Die Inanspruchnahme erfolgte gesamtschuldnerisch mit dem im Fälligkeitszeitpunkt der Forderungen im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragenen Herrn B.. Gegen den Bescheid legte der Kläger fristgerecht am 05.09.2005 (Eingang) Einspruch ein. Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde am 30.08.2006 zur Post gegeben.

Am 04.10.2006 erhob der Kläger Klage.

Er verweist zunächst darauf, dass die Klage zulässig ist und trägt vor:

Er sei seit 1998 als Berater der Alleingesellschafterin der Abgabenschuldnerin, der A. GmbH, tätig gewesen. Bei der GmbH hätten sich zu Beginn des Jahres 2002 erhebliche Liquiditätsprobleme ergeben. Aus diesem Grunde habe sich die Gesellschafterin vorbehalten, von allen finanziellen Transaktionen in Kenntnis gesetzt zu werden. Die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer sowie die EU-Zölle seien zum 16.04.2002 fällig gewesen. Die Steuerschuld sei von dem Geschäftsführer der GmbH entgegen der Weisung der Gesellschafterin, also ohne vorherige Information, am 12.04.2002 somit vier Tage vor Fälligkeit angewiesen worden. Zu diesem Zeitpunkt seien die entsprechenden finanziellen Mittel jedoch dringend zur Begleichung einer Lieferantenforderung benötigt worden, um die Freigabe von Waren zu erreichen. Die Planung der Abgabenschuldnerin habe vorgesehen, dass die aus dem Kaufgeschäft erzielten Erlöse auch zur Begleichung der Steuerschuld dienen sollten. Der Kläger sei deshalb von der Gesellschafterin angewiesen worden, dafür Sorge zu tragen, dass der Geschäftsführer entsprechend dieser Vorgaben handelte. Dementsprechend habe er die Zahlungsanweisung durch Information der Bank per E-Mail rückgängig gemacht. Die Gesellschafterin habe zur Überbrückung der Zeitspanne zwischen Fälligkeit der Steuerschuld und Zahlungseingang auf die fakturierten Rechnungen die Anweisung von entsprechenden Geldmitteln zugesagt. Diese Zusage sei jedoch nicht eingehalten worden, da das Kaufgeschäft, dessen Erlöse der Begleichung der Steuerschuld dienen sollten, wegen Mangelhaftigkeit der Waren nicht abgewickelt werden konnte, sei zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden liquide Mittel nicht vorhanden gewesen. Da weitere liquide Mittel von der Gesellschafterin nicht zur Verfügung gestellt worden seien, habe der zwischenzeitlich als Geschäftsführer bestellte Kläger am 16.05.2002 einen Insolvenzantrag zu stellen gehabt.

Im Streitfall fehle es schon an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen dem vom Kläger veranlassten Rückruf der Überweisung und dem Steuerausfall. Denn im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer hätten die zur Begleichung der Steuerschuld erforderlichen Mittel nicht mehr zur Verfügung gestanden. Im Übrigen habe der Insolvenzverwalter eine Steuerzahlung anfechten können. Der Beklagte habe von der schwierigen wirtschaftlichen Situation der GmbH schon im Jahre 2001 Kenntnis erhalten, als die GmbH bezüglich einer Steuerschuld in Höhe von ca. 250.000 € einen Stundungsantrag gestellt und diesen mit der schlechten wirtschaftlichen Lage begründet habe. Auf Grund der Genehmigung der Stundung könne davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Fälligkeit des hier zu beurteilenden Steuerausfalls die Anfechtbarkeit gem. § 130 Abs.2 Insolvenzordnung habe erkennen müssen.

Der Kläger könne nicht als faktischer Geschäftsführer angesehen werden. Er habe im Streitfall allein auf Veranlassung der Gesellschafterin gehandelt und zudem den Geschäftsführer von der Weisung der GmbH in Kenntnis gesetzt. Die Rückrufmaßnahme sei allenfalls als ein mit Kenntnis des Geschäftsführers abgekürzter Weg der Auftragserteilung an die Bank durch eben den Geschäftsführer. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger seit 2001 über eine Kontovollmacht der GmbH verfügt habe. Allein die Bevollmächtigung, neben dem Geschäftsführer über ein Konto zu verfügen, sei für die Begründung einer Stellung als faktischer Geschäftsführer nicht ausreichend, denn ein "Auftreten nach Außen" habe nicht vorgelegen. Im Übrigen habe die Gesellschafterin den Kläger niemals ermächtigt, die Geschäftsführung der GmbH auszuüben, insbesondere nicht in Steuersachen tätig zu werden. Der Kläger habe allein den Auftrag erhalten, den Geschäftsführer anzuhalten, die Vorgaben der Gesellschafterin einzuhalten. Dies gehe auch aus dem Schreiben der Gesellschafterin vom 11.04.2002 hervor, in welchem der Kläger aufgefordert worden sei, den Geschäftsführer und die Bank zu informieren. Der Kläger habe nicht einen überwiegenden Teil der Geschäftsführertätigkeiten wahr genommen und könne als nicht Verfügungsberechtigter im Sinne der Vorschrift des § 35 AO in Anspruch genommen werden. Dem Kläger seien auch keine Verfügungsbefugnisse nach außen eingeräumt worden, und er sei auch weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage gewesen, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Im Innenverhältnis sei der Kläger ausschließlich befugt gewesen, in besonderen Einzelfällen auf Anweisung der Gesellschafterin von der Kontovollmacht Gebrauch zu machen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 01.08.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 29.08.2006 aufzuheben, sowie

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Der Kläger habe im Streitfall nicht nur im Innenverhältnis die Aufgabe erhalten, den Geschäftsführer von der Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten abzuhalten, sondern sei ausdrücklich beauftragt gewesen, sich im Außenverhältnis mit der Bank in Verbindung zu setzen. Damit habe er rechtlich wirksam über fremde Wirtschaftsgüter verfügen können und dies nach außen auch erkennen lassen. Durch sein Handeln habe der Kläger bewirkt, dass die Steuerschulden zum Fälligkeitstag nicht entrichtet worden seien. Den Steuerausfall habe er grob fahrlässig bewirkt. Er habe insbesondere die Überlegung unbeachtet gelassen, dass die Abgabenschulden vorrangig zu begleichen seien (Hinweis auf FG-Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.1993 11 K 39/90 und auf FG Köln, Urteil vom 12.09.2005 8 K 5677/01). Die Haftung des Klägers im Streitfall ergebe sich aus den rechtlichen Grundsätzen der BFH-Urteile vom 05.06.1985 VII R 57/82, BStBl II 1985, 688 und vom 07.07.1983 V R 197/81, BStBl II 1984, 70.

Die Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit der Steuerzahlung durch den Konkursverwalter seien im Streitfall nicht gegeben. Insbesondere habe der Beklagte keine Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit der GmbH gehabt. Der vom Kläger angeführte vormalige Stundungsantrag sei nicht beim Beklagten angebracht und auch nicht von ihm entschieden worden. Gegenüber dem Beklagten habe die GmbH keinen Stundungsantrag, der eine Prüfung ihrer wirtschaftlichen Lage ermöglicht hätte, gestellt. Sie habe vielmehr die Zahlung so veranlasst, dass sie ohne das Eingreifen des Klägers dem Konto des Beklagten am Tag der Fälligkeit (16.04.2006) gutgeschrieben worden wäre. Das angebliche Vertrauen des Klägers auf eine Liquiditätsüberbrückung durch die GmbH stehe der Haftung des Klägers nicht entgegen (Hinweis auf Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 15.03.2004 4 V 81/04). Im Übrigen sei von der Rechtsprechung (BFH Urteil vom 26.04.1984 VR 128/79) entschieden worden, dass ein Geschäftsführer die dem Steuergläubiger gegenüber bestehende Verpflichtung schon dann verletze, wenn er sich die Vorwegbefriedigung andrer Gläubiger oder in sonstiger Weise vorsätzlich oder fahrlässig außer Stande setze, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Im Übrigen habe der Kläger durch sein Auftreten in der Gesellschaft auch aus der Sicht Außenstehender ohne weiteres des Eindruck erweckt, als beherrsche er die Gesellschaft durch seine Geschäftsführung.

2 Leitzordner Verwaltungsakten haben vorgelegen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C und D. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 24.06.2008 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Haftung des Klägers als faktischer Geschäftsführer sind im Streitfall gegeben.

Die Klage ist zulässig. Die Klagfrist von einem Monat ist eingehalten. Die Einspruchsentscheidung wurde nach Aktenlage am 30. August 2006 mit einfachem Brief zur Post gegeben. Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt sie am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, eigentlich also am Sonnabend, den 02. September als bekannt gegeben. Nach der neueren Rechtsprechung verlängert sich die Dreitagesfrist zwischen der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post und seiner vermuteten Bekanntgabe, wenn das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder - wie hier - Sonnabend fällt, bis zum nächstfolgenden Werktag (BFH Urteil vom 14.10.2003 IX R 68/98, BStBl II 2003, 898). Im Streitfall verlängert sich die Dreitagesfrist deshalb bis Montag, den 04. September. Die einmonatige Klagfrist begann demgemäß am 05. September 2006 und endete am 04. Oktober 2006. An diesem Tag ist die Klage durch Telefaxschreiben beim Gericht fristgemäß eingegangen.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig.

Nach § 69 AO haften die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Gem. § 35 AO hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Auf dieser gesetzlichen Grundlage ruht das rechtliche Konstrukt der faktischen Geschäftsführung. Auch wer nicht als bestellter Geschäftsführer und damit Organ der Gesellschaft tätig ist, kann haftungsrechtlich gleichgestellt werden, wenn er als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist (BFH Urteil vom 21.02.1989 VII R 165/85, BStBl 1989, 491 und vom 11.03.2004, VII R 52/02, BStBL II 2004, 579). Nach der Rechtsprechung ist Verfügungsberechtigter im Sinne dieser Vorschrift jeder, der tatsächlich über Mittel, die einem anderen gehören, verfügen kann und als solcher auftritt (vgl. BFH Urteil vom 16.01.1980 I R7/77, BStBl II 1980, 526), besonders, wenn er auch nach außen so handelt. D.h., der Handelnde muss wie ein Geschäftsführer, also wie ein Organ der Gesellschaft nach außen auftreten. Es genügt nicht, dass er als Bevollmächtigter handelt. So hat die Rechtsprechung eine Haftung des Prokuristen der Gesellschaft, dessen weitgehende Vollmacht gesetzlich statuiert ist (§ 49 HGB) nicht als Gesellschaftsorgan angesehen, soweit der Prokurist im Außenverhältnis seinen Wirkungskreis nicht überschreitet (BFH Urteil vom 19.07.1984 VR 70/79, BStBl II 1985, 147).

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundsätze ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst davon auszugehen, dass in der Person des Klägers die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind.

Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs.1 AO zu treffende Ermessensentscheidung der Behörde an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen der Vorschrift des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02 a.a.O.)

Aufgrund der Aussagen der Zeugen C und D steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger wie ein Geschäftsführer gehandelt und auch so nach außen aufgetreten ist. So hat der Zeuge C bekundet, dass der Kläger nicht nur das gesamte kaufmännische Tätigkeitsgebiet der GmbH geleitet und auch alle operativen Entscheidungen für die Geschäftstätigkeit der Firma getroffen hat. Darüber hinaus hat der Kläger auch den Kontakt zur Steuerberaterfirma gestaltet und so gut wie ausschließlich die Bankverhandlungen geführt. Die Wahrnehmung dieser typischerweise zur Geschäftsführung gehörenden Tätigkeiten durch den Kläger hat der Zeuge einleuchtend damit erklärt, dass die Hausbank bereits diejenige der vom Kläger selbst geschäftsführend geleiteten Vorgängerfirma gewesen ist. Wie der Zeuge weiter ausgeführt hat, hat sich der Kläger auch vorbehalten, über die Gestaltung der Kundenbeziehungen im Einzelfall zu entscheiden, insbesondere wenn Zahlungen zu leisten waren. Ergänzend hierzu hat der Zeuge D, der vor dem Zeugen C bestellter Geschäftsführer der GmbH gewesen ist, bekundet, dass der Kläger "eigentlich Chef der Firma" gewesen sei. Übereinstimmend mit dem Zeugen C hat er ausgesagt, dass die wesentlichen operativen Gestaltungen, einschließlich der finanziellen, allein durch den Kläger erfolgt sind und er selbst - der Zeuge - hieran auch nicht als Gesprächspartner beteiligt war. Dies belegt eindrucksvoll und eindeutig, dass der Kläger faktisch die Stellung eines Geschäftsführers gehabt und auch so gehandelt hat. Widerlegt ist, dass der Kläger, wie er sinngemäß vorgetragen hat, lediglich als Berater im Hintergrund die Verbindung zur Muttergesellschaft gehalten hat. Beide Zeugen haben demgegenüber übereinstimmend bekundet, dass der Kläger aktiv die Gestaltung der geschäftlichen Beziehungen der GmbH beeinflusst hat. Auch der Zeuge D hat bekundet, dass die Kontakte zur Bank zwar über ihn, aber jeweils auf Anweisung des Klägers gelaufen sind und dass der Kläger unmittelbar mit der Bank kommuniziert hat.

Die Aussagen beider Zeugen erschienen glaubhaft. Die Aussagen wirkten weder gekünstelt noch etwa miteinander abgesprochen. Wenn sie teilweise Ähnlichkeiten aufwiesen, wird dies dadurch erklärt, dass beide Zeugen in etwa dieselben Bereiche der Geschäftsführung abdeckten und dass beide Zeugen zeitlich nachfolgend auf dieselbe Art und Weise dem Kläger als eigentlichem Geschäftsführer untergeordnet waren. An der Glaubwürdigkeit der Zeugen besteht kein Zweifel. Sie waren nicht erkennbar bestrebt, den Kläger zu belasten und zeigten auch keine Tendenz, ihren Anteil an der Geschäftsführung zu Lasten des Klägers einzuschränken.

Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse kann auf der Grundlage der Aussage beider Zeugen sicher davon ausgegangen werden, dass der Kläger wie ein Organ der Gesellschaft gehandelt und so auch nach außen aufgetreten ist. Als faktischer Geschäftsführer haftet der Kläger gemäß §§ 69, 35 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Der Kläger hat durch den Rückruf der bereits angewiesenen finanziellen Mittel eine Ursache dafür gesetzt, dass die Steuerschuld nicht erfüllt wurde. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt, denn auf Grund der ihm bekannten schwierigen finanziellen Lage der GmbH konnte er nicht sicher davon ausgehen, dass die Steuerschuld fristgerecht entrichtet werden konnte. Nicht nachvollziehbar ist die Erklärung des Klägers für den Rückruf, wonach der Zeuge C die erst am 16.04.2002 fällig gewesene Steuerschuld gewissermaßen zu früh, nämlich schon 4 Tage vorher überwiesen hat, sodass das Eingreifen des Klägers gerechtfertigt erschien. Denn der 12.04. fiel auf einen Freitag, sodass eine Überweisung an diesem Tag geboten war, um die Gutschrift beim Zahlungsempfänger am Fälligkeitstag sicherzustellen. Wenn der Kläger am 15.04. (Montag) in das Geschehen durch den Rückruf der Überweisung eingriff, war einer fristgerechte Zahlung der Abgaben nach Lage der Dinge kaum mehr möglich. Selbst wenn der Kläger von der Gesellschafterin der GmbH die Zusage erhalten haben sollte, dass weitere finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden würden, so hätte er die fristgerechte Begleichung der Steuerschulden nicht verhindern dürfen, ohne konkret Vorsorge dafür zu treffen, dass am Fälligkeitstag Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Das hat der Kläger jedoch unterlassen und damit seine Pflichten als faktischer Geschäftsführer verletzt.

Die Entscheidung, den Kläger als Haftenden in Anspruch zu nehmen, lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Die Ermessenserwägungen des Beklagten (S. 9 der Einspruchsentscheidung) lassen einerseits erkennen, dass der Beklagte von dem ihm zu Gebote stehenden Ermessen Gebrauch gemacht andererseits die Grenzen des Ermessens nicht überschritten hat. Fragen bezüglich des Auswahlermessens stellen sich im Streitfall nicht, da der Beklagten auch den Geschäftsführer haftungsrechtlich in Anspruch genommen hat.

Entgegen seiner Auffassung kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass bei fristgerechter Zahlung der Abgabenschuld eine Anfechtung durch den Insolvenzverwalter erfolgt wäre. Dabei brauchen die Voraussetzungen für ein Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters nicht im Einzelnen geprüft zu werden. Denn ein solcher hypothetischer Kausalverlauf hat haftungsrechtlich außer Betracht zu bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung besitzt § 69 AO Schadensersatzcharakter (BFH-Urteile vom 1. 08. 2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271; vom 5. 03. 1991 VII R 93/88, BStBl II 1991, 678; und vom 26. 07. 1988 VII R 83/87, BStBl II 1988, 859). Durch die pflichtwidrige Nichtabführung fällig gewordener Steuerbeträge wird eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt, so dass die Kausalität dieser Ursache für den Schadenseintritt durch eine gedachte Anfechtung des Insolvenzverwalters nicht rückwirkend beseitigt werden kann. Es bleibt dabei, dass durch die Pflichtverletzung des Haftungsschuldners dem Fiskus ein diesem geschuldeter Abgabenbetrag vorenthalten worden ist. Der vom Gesetzgeber § 69 AO beigemessene Schutzzweck und die vom BGH geforderte wertende Beurteilung lassen es nicht geboten erscheinen, den hypothetischen Kausalverlauf im Falle einer gedachten Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO im Rahmen der Schadenszurechnung zu berücksichtigen und infolgedessen die Haftung des von § 69 AO erfassten Personenkreises (vgl. § 34 und § 35 AO) entfallen zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 05.06.2007 VII R 65/07,BStBl II 2008,273).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen (§ 115 Abs. 2 FGO) nicht gegeben sind.

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