LG Hamburg, Urteil vom 02.05.2008 - 331 O 323/07
Fundstelle
openJur 2013, 345
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 125,65 Euro (hundertfünfundzwanzig 65/100) zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis vom 3.8.2007. Er ist Halter und Eigentümer eines Fahrzeugs, das in einen Unfall verwickelt worden ist, an dem ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug beteiligt gewesen ist. Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.

Das klägerische Fahrzeug erlitt bei dem Unfall einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert laut Gutachten betrug 6800 € brutto (6664 € netto) und hatte einen Restwert in Höhe von 3890 €. Zudem entstanden Sachverständigenkosten in Höhe von 662,88 € und Mietwagenkosten in Höhe von 1067,43 €. Mit Schreiben vom 16.8.2007 (Anlage K 2) übersandte der Kläger das Schadensgutachten und forderte die Beklagte auf, die in dem Gutachten kalkulierten Reparaturkosten und die Sachverständigenkosten auszugleichen. Zudem teilte er über seine Prozessbevollmächtigten mit, dass er sein Fahrzeug werde reparieren lassen. Der Kläger ließ sein Fahrzeug reparieren. Die Reparaturkosten betrugen 7911,30 €. Die Beklagte regulierte den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 2774 € sowie Sachverständigenkosten und die Mietwagenkosten. Mit Schreiben vom 27.8.2007 mahnte der Kläger die Kostenpauschale in Höhe von 20 € und die Differenz der Reparaturkosten zu dem bereits bezahlten Betrag in Höhe von 5137,30 € an. Die Beklagte regulierte die Kostenpauschale. Den Differenzbetrag hinsichtlich des Fahrzeugschadens beglich sie zunächst nicht. Der Kläger nutzte sein Fahrzeug weiter und nutzt es auch zum jetzigen Zeitpunkt noch. Für die Reparatur des Fahrzeugs nahm er einen Kredit auf. Die entstandenen Kreditzinsen begehrt er von der Beklagten.

Der Kläger ist der Ansicht, der Differenzbetrag sei sofort fällig geworden und könne nicht davon abhängen, ob er das Fahrzeug noch sechs Monate weiternutze oder nicht. Die Berechnung der Anwaltsgebühren nach einer 1,8 Gebühr sei im vorliegenden Fall angemessen. Es sei einige Korrespondenz mit der Beklagten erforderlich gewesen. Die Frage mit der Sechsmonatsfrist sei eine Spezialproblematik.

Nachdem er zunächst den Differenzbetrag und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1064,81 € (berechnet nach einer 1,8 Gebühr) geltend gemacht hat, hat die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits den Differenzbetrag, Zinsen in Höhe von 17,29 € sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 775,64 € (berechnet nach einer 1,3 Gebühr) beglichen. Hinsichtlich der gezahlten Beträge haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn restliche Zinsen in Höhe von 139,32 € sowie weitere Anwaltskosten in Höhe von 289,17 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt insoweit,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe den Differenzbetrag erst nach Ablauf von sechs Monaten zahlen müssen. Zudem sei die Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nur in Höhe einer 1,3 Gebühr angemessen.

Im Einverständnis der Parteien ist das schriftliche Verfahren angeordnet worden. Der Tag, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, ist auf den 25.4.2008 anberaumt worden. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die noch anhängige Klage ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 125,65 €.

Die Beklagte schuldete dem Kläger gemäß § 249 BGB den erforderlichen Geldbetrag, der notwendig ist, um den Zustand herzustellen, der vor dem Unfallereignis bestanden hat. Im vorliegenden Fall lag zwar ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Auch in diesem Fall ist Voraussetzung für den Ersatz von Reparaturkosten, dass der Geschädigte sein Fahrzeug sach- und fachgerecht reparieren lässt und sein Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutzt (vgl. BGH, VersR 2008, 135 ff.). Allerdings sind diese Umstände keine Fälligkeitsvoraussetzungen, sondern dienen nur dazu, das Integritätsinteresse des Geschädigten deutlich zu machen. Der Anspruch entsteht gemäß § 249 BGB mit dem Schadensereignis und dem Willen des Geschädigten, das Fahrzeug im Rahmen der sogenannten 130 %-Grenze reparieren zu lassen. Andernfalls würde dies für den am Unfall völlig unschuldigen Geschädigten bedeuten, dass er gegebenenfalls sechs Monate lang die Differenz zwischen der von der Haftpflichtversicherung gezahlten Totalschadensabrechnung und dem Reparaturbetrag selbst vorfinanzieren müssen. Dies würde den Grundsatz der Naturalrestitution gemäß § 249 BGB verwässern (vgl. Poppe, Juris PraxisReport, Anmerkung zum Urteil des LG Hagen vom 16.5.07, Erscheinungsdatum 19.3.2008; zitiert nach Juris). Die Tatsache, dass der Geschädigte in den ersten sechs Monaten sein Integritätsinteresse unter Umständen nicht hinreichend nachweisen kann, steht einer Fälligkeit des Anspruchs nicht entgegen (vgl. auch OLG Nürnberg, DAR 2008, 27 ff).

Allerdings macht der Kläger hier Kreditzinsen für den aufgenommenen Reparaturbetrag und damit nicht einen unmittelbaren aus dem Unfallereignis resultierenden Schaden, sondern vielmehr einen Verzugsschaden geltend. In Verzug befand sich die Beklagte jedoch erst aufgrund des Mahnschreibens vom 16.8.2007. Mit diesem wurde der Fahrzeugschaden angemahnt. Für den Zeitraum vom 16.8.-17.12.2007 sind dann Zinsen in Höhe von 142,94 € entstanden. Abzüglich der gezahlten 17,29 € steht dem Kläger der tenorierte Betrag zu.

Der Kläger hat keinen weiteren Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Gemäß § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Im vorliegenden Fall erachtet das Gericht die Bestimmung einer 1,8 Gebühr als unbillig und daher nicht verbindlich. Nr. 2300 VV schreibt vor, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Es handelt sich bei diesem Wert um eine sogenannte Schwellengebühr. Selbst wenn die höhere Mittelgebühr von 1,5 angefallen ist, darf ein die Schwellengebühr überschreitender Geschäftswert nur angesetzt werden, wenn alternativ die zusätzlichen Merkmale des Umfangs und der Schwierigkeit der Tätigkeit vorliegen (vgl. OLG München, Urteil vom 15.6.2007, Az.: 10 U 5176/06; zitiert nach Juris). Dabei erscheint es nicht unbillig, wenn der Rechtsanwalt bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall eine Gebühr von 1,3 bestimmt (vgl. BGH, ZfS 2007, 102 ff.). Aus der eingereichten Korrespondenz ergibt sich keine andere rechtliche Würdigung. Die Haftung der Beklagten war dem Grunde nach unstreitig. Bei den von dem klägerischen Prozessbevollmächtigten erstellten Schreiben handelt es sich vom Umfang her nicht um Schreiben, die über den Umfang bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall hinausgehen. Die Frage der Sechsmonatsfrist ist unter Umständen noch nicht eindeutig höchstrichterlich geklärt. Es liegt aber keine besonders schwierige Rechtsfrage vor. Zudem ist nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen, dass der vorliegende Fall von der Bedeutung und den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers vom Durchschnitt abweicht.

Die Kostenentscheidung folgt §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91 a ZPO. Die Beklagte hat hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils ihre Kostentragungspflicht anerkannt. Sie hat gemäß einer entsprechenden Anwendung des § 92 ZPO insgesamt die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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