VG Hamburg, Urteil vom 27.03.2008 - 17 K 1063/06
Fundstelle
openJur 2013, 279
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 2.1.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 8.3.2006 verpflichtet, den Familiennamen der Kläger in "P" zu ändern.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Änderung ihres Familiennamens.

Der Kläger zu 1) wurde am 20.1.1982 geboren. Seine Mutter, eine geborene P, war zu der Zeit mit Hr. Kh verheiratet, von dem sie zwei weitere Kinder hat, die heute noch den Familiennamen Kh tragen. Sein Vater ist Herr Ka, demgegenüber die Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist. 1987 wurde eine weitere Halbschwester des Klägers geboren, die aus einer Beziehung seiner Mutter mit Herrn B stammt. Nach der Scheidung von Herrn Kh heiratete die Mutter des Klägers zu 1) 1991 Herrn S, dessen Name zum Familienamen wurde. Im Wege der Einbenennung nach § 1618 BGB wurde durch Erklärung der Mutter der Name des Klägers zu 1) und seiner Halbschwester in S geändert. Aus dieser Ehe stammt ein weiterer Halbbruder des Klägers zu 1).

Am 7.4.2005 beantragte der Kläger zu 1) die Änderung seines Nachnamens in „P“; dieser Antrag wurde nach der Geburt seines Sohnes, des Klägers zu 2), mit Zustimmung der Kindesmutter, um eine Änderung dessen Namens erweitert. Zur Begründung führte der Kläger zu 1) aus, dass er weder zu seinem leiblichen Vater, noch zu einem der anderen Partner seiner Mutter eine emotionale Beziehung habe aufbauen können. Er sei seit seiner Geburt im Umfeld der Familie „P“ aufgewachsen und habe sich daher stets als diesen zugehörig verstanden. Eine besonders enge Beziehung habe sich zu seinem Onkel, dem Zwillingsbruder seiner Mutter, entwickelt, welcher sich u.a. intensiv um das Kleinkind gekümmert habe, als Mutter und Onkel längere Zeit in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hätten. Auch als Heranwachsender habe er weiterhin viel Zeit bei seinem Onkel und anderen Verwandten der Familie „P“ verbracht.

Dagegen sei das Verhältnis zu seinem alkoholkranken Stiefvater bereits anfänglich belastet gewesen und mit seinem zunehmenden Lebensalter konfliktreicher und schwieriger geworden. Er habe deshalb soviel Zeit wie möglich außerhalb der elterlichen Wohnung, bei seinem Onkel und Tanten aus der Familie „P“, verbracht. Die häusliche Konfliktsituation sei auch ursächlich für einen mehrmonatigen stationären Aufenthalt in einer therapeutischen Einrichtung gewesen. Ein Abgleiten in die Jugendkriminalität sei letztlich durch den beharrlichen Einsatz des Onkels und der Tanten vermieden worden.

Das Verhältnis zu seinem Stiefvater sei von gegenseitiger Ablehnung gekennzeichnet und so gestört, dass er mit dem Namen „S“ nicht in Verbindung gebracht werden wolle. Vielmehr habe er sich immer als Mitglied der Familie „P“ vorgestellt. Mit der Geburt seines eigenen Sohnes wolle er seine Identität geklärt wissen und durch die beantragte Namensänderung seine Zugehörigkeit zur und Herkunft aus der Familie „P“ dokumentieren. Sein Sohn solle so die Möglichkeit erhalten, in diese Großfamilie hineinzuwachsen. Aus dem eingereichten Attest vom 4.4.2005 ergebe sich zudem, dass ein Namenswechsel aus nervenärztlicher Sicht der Stabilisierung des Klägers förderlich sei.

Die Beklagte teilte mit, es sei beabsichtigt den Antrag auf Namensänderung abzulehnen. Im Hinblick auf den restriktiven Charakter des Namensrechtes sei ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NÄG nicht zu erkennen. Abstammungsgesichtspunkte hätten hinter die Kennzeichnungsfunktion des Namens zurückzutreten. Ein geringes Bedürfnis, namensmäßig in eine bestimmte Familie eingebunden zu sein, lasse das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des überkommenen Namens nicht entfallen. Das Namensrecht biete keine Handhabe gegenüber unliebsamen Familienangehörigen sein Missfallen zu bekunden. Auch das Attest beinhalte keinen wichtigen Grund. Eine Namensänderung komme nur als letztes Mittel in Betracht und sei nicht als Ersatztherapie zu verstehen.

Hiergegen wendet der Kläger zu 1) ein, dass die Namensfrage für ihn, der gerade die Schwelle zum Erwachsenenalter überschreite, die wichtige Frage nach seiner persönlichen Identität sei. Er habe sehr unter seiner eigenen Vergangenheit gelitten, weshalb es sein dringender Wunsch sei für sich und seinen Sohn den Nachnamen „P“ anzunehmen. Er selbst habe aufgrund seiner Biographie erlebt, wie schwer es sei und wie sehr man darunter leide, sich nicht mit seinem Namensgeber identifizieren zu können, d.h. sich nicht dazugehörig und anerkannt zu fühlen. Da er sich bei persönlichen Krisen immer an Mitglieder der Familie „P“ habe wenden können, habe er erfahren wie wichtig es sei, sich auf eine Familie beziehen und verlassen zu können. Ein schutzwürdiges Interesse des Stiefvaters an der Beibehaltung des Nachnamens bestehe nicht, sicherheitspolizeilichen Erwägungen müsse nicht Rechnung getragen werden und das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Namens habe hinter dem Wunsch auf Namensänderung zurückzutreten.

Mit Bescheid vom 2.1.2006, zugestellt am 4.1.2006, lehnte die Beklagte die Namensänderung ab. Ergänzend zu den Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben führte sie aus, dass die öffentlich-rechtliche Namensänderung keine Maßnahme zur Linderung seelischer Konflikte des Antragsstellers sei. Der Kläger zu 1) habe, nach anfänglichen Schwierigkeiten, den Weg in die Zukunft erfolgreich bestritten, trotzdem er nicht mit seinem Familiennahmen einverstanden gewesen sei. Das von einem einmaligen Arztbesuch herrührende Attest habe nicht als Nachweis für eine, nicht anders als durch die begehrte Namensänderung zu beseitigende seelische Störung dienen können.

Am Montag den 6.2.2006 legten die Kläger hiergegen Widerspruch ein. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen, verwies der Kläger zu 1) darauf, dass er im Jahre 1991 als Kind keine Möglichkeit gehabt habe die Namensänderung durch Einbenennung gemäß § 1618 BGB a.F. zu verhindern. Nach der Neufassung des § 1618 BGB wäre er seinerzeit, aufgrund des ihm nunmehr zustehenden Persönlichkeitsschutzes, berechtigt gewesen die Annahme des von seiner Mutter nach der Wiederverheiratung geführten Ehenamens zu verweigern. Diese Ablehnung wäre auch erfolgt, da er den Ehemann seiner Mutter von Anfang an abgelehnt habe. Nunmehr müsse er als Erwachsener das Recht haben, über seinen zukünftig zu führenden Familiennamen zu bestimmen. Aus seiner besonders gewichtigen sozialen Beziehung zur Familie „P“ ergebe sich ein wichtiger Grund für die beantragte Namensänderung nach dem NÄG.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.3.2006, zugestellt am 10.3.2006, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kläger könnten keine Namensänderung beanspruchen, da hierfür kein wichtiger Grund vorläge. Die wiederholte Änderung des Rechts des Familiennamens im Bürgerlichen Recht sei auf Teilbereiche zur Förderung der sozialen Integration von Kindern beschränkt worden und dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein öffentliches Interesse an der Beibehaltung des Familiennamens auf dem Umwege einer weiten Auslegung des Begriffes „wichtiger Grund“ entwertet werde. Der Familiename der Kinder sei durch die Einbenennung unverwandelbar fixiert. Das klägerische Begehren einer Rückbenennung werde durch die familienrechtlichen Regelungen des §§ 1618 und 1617c Abs. 2 Nr.1 und 2 BGB explizit ausgeschlossen. Dieses Ergebnis stehe nicht zur Disposition des öffentlichen Namensrechtes.

Ob ein „wichtiger Grund“ vorläge, bestimme sich nicht nach dem subjektiven Empfinden des Klägers zu 1), sondern danach, ob bei objektiver Betrachtung ein Festhalten am überkommenen Familiennamen unzumutbar sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die von den Klägern begehrte Namensänderung aus Gründen eines seelischen Konfliktes eine notwendige und unerlässliche Voraussetzung für die weitere persönliche Lebensgestaltung sei.

Am 10.4.2006 wurde die Klage erhoben. Zur Begründung nehmen die Kläger auf das Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren Bezug, mit welchem das hohe Interesse an einer Änderung des Nachnamens dargelegt worden sei. Ergänzend führt der Kläger zu 1) aus, dass er schon während des Einbenennungsverfahrens gegen die Übertragung des ihm unliebsamen Namens seines von Anfang an abgelehnten Stiefvaters gewesen sei. Die Einbenennung sei ihm im Jahre 1991, im Alter von nicht einmal zehn Jahren, aufgezwungen worden, ohne dass er sich davor hätte schützen können. Diese Namensänderung habe einen empfindlichen Eingriff in seine biographische Entwicklung und Identität dargestellt, insbesondere da infolge der besonders wechselhaften Situation der Mutter, die Familie „P“ von Geburt an seine Bezugsfamilie gewesen sei.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 2.1.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.3.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten den Nachnamen der Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) von „S“ in „P“ zu ändern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzulehnen

und nimmt zur Begründung Bezug auf den Bescheid vom 2.1.2006, sowie den Widerspruchsbescheid vom 8.3.2006.

Mit Schriftsätzen vom 19.4.2006 (Bl. 14 und 18) haben die Beteiligten sich mit der Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen Sachakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

I.

Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II.

Die Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet.

Die Kläger zu 1) und 2) haben einen Anspruch auf Änderung ihres Nachnamens in den Namen „P“. Der angefochtene Ablehnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Änderung der Nachnamens für den Kläger zu 1) ist rechtlich geboten, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 NÄG vorliegen (1.) und die Sache spruchreif (2.) ist. Kraft Gesetzes ist damit auch die Klage seines Sohnes, des Klägers zu 2), begründet (3.).

1. Rechtsgrundlage für die Änderung des Familiennamens ist § 3 i.V.m. § 1 NÄG. Nach § 1 NÄG kann ein Familienname eines deutschen Staatsangehörigen auf Antrag geändert werden. Nach § 3 Abs. 1 NÄG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird ein wichtiger Grund nicht dadurch ausgeschlossen, dass die §§ 1616 ff. BGB die Rückbenennung eines nach der Wiederverheiratung eines Elternteils einbenannten Kindes ausschließen würden (gegen einen generellen Vorrang der zivilrechtlichen Vorschriften wohl: BVerwG, Urt.v. 26.3.2003, 6 C 26/02, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr 5). Hier liegt schon kein Fall der Rückbenennung vor, da der Kläger zu 1) nicht seinen vor der Einbenennung in die Familie „S“ geführten ursprünglichen Geburtsnamen „Kh“ sondern den Geburtsnamen seiner Mutter „P“ annehmen will.

Bei dem Begriff des wichtigen Grundes handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vollständig überprüft werden kann (BVerwG, Urt.v. 14.12.1962, 7 C 140/61, BVerwGE 15, 207, 208). Ein wichtiger Grund setzt zunächst voraus, dass ein schutzwürdiges Interesse des Namensträgers an der Änderung seines bisherigen Namens und der Führung eines neuen Namens gegeben ist. Das persönliche Interesse an der Namensänderung muss bei Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange die sich aus der sozialen Ordnungsfunktion des Namens ergebenden öffentlichen Interessen überwiegen (BVerwG, Urt.v. 5.9.1985, 7 C 2/84, und 24.4.1987, 7 C 120/86, Buchholz 402.10, § 3 NÄG, Nrn. 53 u. 60, st. Rspr.). Bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund für eine Namensänderung vorliegt, ist auf die konkreten Umstände des einzelnen Falles abzustellen. Nach diesen Maßstäben ist ein wichtiger Grund wegen eines überwiegenden persönlichen Interesses des Klägers zu 1) an der Änderung seinen Familiennamens „S“ in den beantragten Nachnamen „P“ gegeben.

Die Beklagte führt zutreffend aus, dass für die Beibehaltung des bisherigen Nachnamens „S“ die Ordnungsfunktion des Familiennamens als wichtiges Identifikationsmerkmal spricht und somit das bestehende öffentliche Interesse an einer Beibehaltung des überkommenen Namens grundsätzlich überwiegt, denn der Familienname steht nicht zur freien Verfügung des Namensträgers (vgl.: Ziffer 30 Abs. 1, 2, 4 Satz 1 NamÄndVwV). Von diesen Grundsätzen kann jedoch im Ausnahmefall abgewichen werden.

Der Beklagten ist dabei zuzugestehen, dass in der Person des Klägers zu 1) wohl keine derartig schwerwiegende seelische Störung anzunehmen vorliegt, dass alleine deswegen bereits ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NÄG anzunehmen wäre. Dafür ist das vorgelegte nervenärztliche Attest vom 4.4.2005 zu wenig aussagekräftig; auch bei der persönlichen Anhörung des Klägers zu 1) vor dem erkennenden Gericht am 27.3.2008 waren Anhaltspunkte hierfür nicht festzustellen.

Trotz der Gewichtigkeit der vorstehend aufgeführten Belange der Allgemeinheit, welche in der Regel die Beibehaltung des bisherigen Namens fordern, überwiegen, nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere der persönlichen Anhörung des Klägers zu 1) gewonnenen Überzeugung des Gerichts, bei der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Belange die Gründe, welche für eine Namensänderung sprechen. Diese ergeben sich entscheidungserheblich aus der grundrechtlichen Bedeutung des Namens als Bestandteil des durch Art. 2 Abs. 1 i .V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Die grundrechtlich geschützte Bedeutung des Namens für die Persönlichkeit muss wegen der Besonderheiten des hier zu beurteilenden Einzelfalls Vorrang vor dem Grundsatz der Namenskontinuität und der sozialen Ordnungsfunktion gegeben werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die engere persönliche Lebenssphäre, die Selbstdarstellung des Einzelnen in der Öffentlichkeit, seinen sozialen Geltungsanspruch sowie seine soziale Identität (zum Inhalt des grundrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit vgl. BVerfGE 35, 202, 220; 54, 148, 154 ff.; 65, 1, 41 f.). Im Rahmen dessen hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt, dass der Name eines Menschen nicht nur als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient, sondern darüber hinaus Ausdruck seiner Identität und Individualität ist und vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst wird (vgl. BVerfGE 78, 38, 49; 97, 391, 399).

Geschützt durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist der Name eines Menschen, der Ausdruck der Identität sowie Individualität des Namensträgers ist und sich als solcher nicht beliebig austauschen lässt. Er begleitet vielmehr die Lebensgeschichte seines Trägers, die unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar wird. Der Einzelne kann daher grundsätzlich verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und schützt. So beeinträchtigt eine Namensänderung die Persönlichkeit und darf nicht ohne gewichtigen Grund gefordert werden. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. BVerfGE 78, 38, 49; 84, 9, 22; 97, 391, 399). Dies gilt nicht nur für den von der Rechtsordnung zugelassenen und somit rechtmäßig erworbenen, sondern auch für den von einem Menschen tatsächlich geführten Namen, wenn sich mit diesem Namen eine Identität und Individualität des Namensträgers herausgebildet und verfestigt hat und sich im Vertrauen auf die Richtigkeit der Namensführung auch herausbilden durfte. Insofern ist auch der tatsächlich geführte Name jedenfalls dann vom Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst, wenn er über einen nicht unbedeutenden Zeitraum die Persönlichkeit des Trägers tatsächlich mitbestimmt hat und ein entsprechender Vertrauenstatbestand vorliegt (BVerfG Beschl.v. 11.4.2001, 1 BvR 1646/97, EuGRZ 2001, 340 ff.).

Die Grundrechte enthalten nicht nur Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber der öffentlichen Gewalt, sondern stellen zugleich Wertentscheidungen der Verfassung dar, die für alle Bereiche der Rechtsordnung gelten, aus denen sich Schutzpflichten für die staatlichen Organe ergeben und die Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung bilden (vgl. BVerfGE 7, 198, 204 f.; 49, 89, 141 f.; 56, 54, 73; 73, 261, 269; zuletzt für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht: Urt.v. 13.2.2007, 1 BvR 421/ 05, BVerfGE 117, 202 ff.). Daher sind die oben dargestellten Grundsätze zur namensrechtlichen Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch bei der Auslegung des Begriffs des wichtigen Grundes im Sinne von § 3 Abs. 1 NÄG zu berücksichtigen. Hat sich in schützenswerter Weise die Identität und Individualität einer Person unter einem bestimmten Namen herausgebildet, ist dies ein durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützter Belang, der sich auch gegenüber den Allgemeininteressen in der Form der sozialen Ordnungsfunktion des Namens durchzusetzen vermag.

Vor diesem Hintergrund liegt für den Kläger zu 1) ein wichtiger Grund für den beantragten Namenswechsel vor, da in seinem Einzelfall die soziale Ordnungsfunktion des Namens hinter die wertentscheidende Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers zu 1) und die Abstammungsfunktion des Namens zurückzutreten hat.

Der Nachname „P“ ist derjenigen Name, der die grundrechtlich geschützte Identität und Individualität des Klägers zu 1) bestimmt und nach außen kenntlich macht, da seine Persönlichkeit ganz entscheidend durch den Einfluss der Mitglieder der Familie „P“ geprägt wurde. Dies folgt aus der Biographie des Klägers zu 1), von der sich das Gericht bei seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung ein unmittelbares und umfassendes Bild machen konnte. Seine Identität wurde durch den Familienverband der Mutter von Geburt an geprägt. Dieser stand dem Kläger zu 1) auch in kritischen Lebensphasen bei und gab ihm dabei immer wieder einen Halt und eine Orientierung, die für seinen weiteren Lebensweg entscheidend sein dürfte.

Er ist seit seiner Geburt bis heute im Umfeld der Familie „P“ aufgewachsen, Kontakte zu seinem leiblichen oder Stiefvater bestehen nicht. Insbesondere sein Onkel, mit dem er als Kleinkind zusammen mit seiner Mutter zeitweilig in einem gemeinsamen Haushalt aufgewachsen ist, hat sich wie ein Vater um ihn gekümmert, während sein leiblicher Vater in abgelehnt hat. Auch als Heranwachsender blieb der Lebensmittelpunkt des Klägers die Familie „P“, so dass er sich so häufig wie möglich bei ihr aufgehalten hat. Zudem beruht das Verhältnis des Klägers zu 1) zu seinem Stiefvater, dessen Nachname auf ihn im Wege der Einbenennung überging, bereits anfänglich auf gegenseitiger Ablehnung. Durch diese familiäre Situation, die durch eine kleine Wohnung und die neugeborenen Halbgeschwister noch verschärft wurde, ist die Prägung der Persönlichkeit des heranwachsenden Klägers zu 1) zur Familie „P“ noch enger geworden. Dieser Anbindung an die Familie „P“ ist es auch zu verdanken, den Kläger zu 1) in einer Krise seiner Persönlichkeitsentwicklung stabilisiert zu haben.

Der Kläger zu 1) hat bereits in seiner Antragsbegründung ausgeführt, dass er der Namensänderung die Bedeutung beimisst seine Herkunft aus der Familie „P“ kenntlich zu machen, weil er sich dieser Familie zugehörig fühle und sich mit dieser identifiziere. Damit beruft er sich auf die Abstammungsfunktion des Familienamens, der auch im Hinblick auf die soziale Ordnungsfunktion des Namens ein anzuerkennender Belang bleibt (vgl. BVerwG, Beschl.v. 17.3.1987, 7 B 42/87, NJW 1987, 2454 f.).

Zu berücksichtigende Interessen Dritter an der Beibehaltung des bisherigen Familiennamens liegen nicht vor. Insbesondere ist kein Interesse des Stiefvaters an einer Beibehaltung der namensmäßigen Anbindung des Klägers zu 1) an dessen Familie zu erkennen.

2. Der Kläger zu 1) hat auch einen Anspruch auf die begehrte Namensänderung, weil die Sache spruchreif ist. Da mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage erfüllt sind, eröffnet sich auf der Rechtsfolgenseite eine Ermessensentscheidung über die Namensänderung. Aufgrund der Bedeutung des im konkreten Fall betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, reduziert sich dies der Beklagten grundsätzlich zustehende Ermessen auf den Erlass der begehrten Namensänderung.

3. Gemäß § 4 NÄG erstreckt sich die Änderung des Familiennamens des Klägers zu 1) auch auf seine Kinder und damit auf den Kläger zu 2). Mit der Zustimmung seiner Mutter in die Namensänderung, mit welcher sich der Kläger zu 1) das elterliche Sorgerecht teilt, ist auch diese Klage erfolgreich.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.