LG Hamburg, Urteil vom 18.03.2008 - 312 O 837/07
Fundstelle
openJur 2013, 269
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 21.11.2007 wird in der Kostenentscheidung – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung - aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Antragstellerin trägt auch die im Widerspruchsverfahren angefallenen Kosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Auf Antrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner mit Beschluss der Kammer vom 21.11.2007 verboten worden,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Internet-Handelsplattform www. e..de Artikel seines Sortiments zum Abschluss von Fernabsatzverträgen gegenüber Verbrauchern zu bewerben und zum Verkauf anzubieten, und dabei im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Widerrufsbelehrung über eine Frist zur Ausübung des Widerrufsrechts von zwei Wochen zu belehren, wenn den Verbrauchern vor Vertragsschluss die Belehrung über das Widerrufsrecht nicht in Textform zugehen wird.

In dem Beschluss sind dem Antragsgegner die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens aus einem Streitwert von 7.500,- EUR auferlegt worden.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner am 31.12.2007 Kostenwiderspruch eingelegt.

Der Antragsgegner behauptet, er sei von der Antragstellerin vor Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht abgemahnt worden. Wäre diese geschehen, hätte er auf die Abmahnung reagiert, Rechtsrat eingeholt und die verlangte Unterlassungserklärung abgegeben. Er habe darum keine Veranlassung zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegeben.

Er – wie aber auch sämtliche Mitarbeiter seines Büros - habe insbesondere am 24.10.2007 kein abmahnendes Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin per Telefax und danach auch keinen Brief gleichen Inhalts erhalten. Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, allein die Vorlage eines Faxprotokolls belege nicht den Zugang des Telefaxes.

Außerdem behauptet der Antragsgegner, bei der Aufgabe eines Schreibens als Einwurf-Einschreiben erhalte der Absender von der Deutschen Post einen Einlieferungsbeleg, auf dem durch den Postmitarbeiter der Name des Empfängers vermerkt werde. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, der Umstand, dass die Antragstellerin bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter diesen Einlieferungsbeleg nicht vorlegen könnte, spreche dafür, dass – absichtlich oder versehentlich – die Abmahnung nicht zur Post gegeben worden sei.

Der Antragsgegner beantragt,

der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Kostenwiderspruch zurückzuweisen.

Die Antragstellerin behauptet, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe den Antragsgegner mit Schreiben vom 24.10.2007 abgemahnt. Das Schreiben sei dem Antragsgegner noch am 24.10.2007 per Telefax und außerdem am selben Tag per Einwurf-Einschreiben postalisch übermittelt worden. Der Antragstellervertreter habe den Brief persönlich mit anderen Sendungen zur Post gebracht. Da er die Abmahnung als Einwurf-Einschreiben aufgegeben habe, habe er von der Deutschen Post nur einen „bonartigen Schein mit einer ID-Nummer erhalten“. Von Seiten des Postmitarbeiters werde auf diesem Bon der Name des Briefempfängers nicht notiert; diesen könne nur der Absender selbst vermerken. Davon habe ihr Verfahrensbevollmächtigter jedoch aus Zeitgründen abgesehen.

Gründe

Auf den zulässigen Kostenwiderspruch des Antragsgegners ist die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung vom 21.11.2007 aufzuheben.

Die Kosten des Verfügungsverfahrens sind gemäß § 93 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen.

Der Antragsgegner hat mit der Einlegung des auf die Kosten beschränkten Widerspruches gegen die einstweilige Verfügung vom 21.11.2007 i.S.d. § 93 ZPO den Verfügungsanspruch in der Sache sofort anerkannt.

Er hat auch glaubhaft gemacht, der Antragstellerin durch sein vorprozessuales Verhalten keine Veranlassung zur Einreichung des Verfügungsantrags gegeben zu haben.

Insbesondere hat er nicht auf eine Abmahnung der Antragstellerin abweisend oder gar nicht reagiert und damit den Eindruck erweckt, die Antragstellerin könne ihr Unterlassungsbegehren nur mittels gerichtlicher Hilfe durchsetzen. Es ist nämlich aufgrund des Vortrags der Parteien und den von ihnen vorgelegten Mitteln zur Glaubhaftmachung davon auszugehen, dass der Antragsgegner von der Antragstellerin nicht abgemahnt worden ist.

Es ist allerdings im Prozessrecht anerkannt, dass für eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO grundsätzlich der Beklagte bzw. im einstweiligen Verfügungsverfahren der Antragsgegner darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen hat, dass er vor dem sofortigem Anerkenntnis keinen Anlass zur Klage gegeben hat (BGH, Beschluss vom 21.12.2006, Az. I ZB 17/06 m.w.N., MDR 2007, 1162).

Bei der Ausgestaltung der den Antragsgegner treffenden Darlegungs- und Beweislast ist nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2006, a.a.O., m.w.N.) jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem darzulegenden und glaubhaft zu machenden Umstand um eine negative Tatsache (hier: kein Zugang eines Abmahnungsschreibens) handelt. Daraus ergibt sich für den Kläger bzw. hier für die Antragstellerin eine sekundäre Darlegungslast, nach der sie nach dem auch im Prozessrecht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben ausnahmsweise verpflichtet ist, dem einfachen Bestreiten des Zugangs einer Abmahnung mit eigenem qualifizierten Vortrag entgegenzutreten. Der Kläger bzw. Antragsteller ist darum gehalten, die genauen Umstände der Absendung der Abmahnung vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen bzw. glaubhaft zu machen. Im Anschluss daran muss der darlegungspflichtige Beklagte bzw. der Antragsgegner seinen Vortrag konkretisieren und detailliert – gegebenenfalls unter Beweisantritt – auf das Bestreiten der Gegenpartei eingehen. Er hat so die Möglichkeit, den Umstand, dass ihm kein Abmahnschreiben zugegangen ist, durch Benennung von Zeugen – beispielsweise von Büropersonal – unter Beweis zu stellen. Gelingt dem Beklagten bzw. Antragsgegner dieser Nachweis, ist grundsätzlich Raum für eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO. Denn das Risiko, dass ein abgesandtes Abmahnschreiben auf dem Postweg verloren geht, trägt der Kläger bzw. Antragsteller.

Bei Zugrundelegung dieser Vortrags- und Beweislastregelung ist es im vorliegenden Fall glaubhaft, dass dem Antragsgegner keine Abmahnung der Antragstellerin zugegangen ist.

Der Antragsgegner hat den Zugang der Abmahnung sowohl per Telefax als auch per Briefpost bestritten und sich zur Glaubhaftmachung auf eine eigene eidesstattliche Versicherung (Anlage AG2) sowie auf die eidesstattlichen Versicherungen sämtlicher in seinem Büro beschäftigter Mitarbeiter (S. E., Anlage AG3; S. G., Anlage AG4; F. B., Anlage AG5) berufen.

Könnte die Antragstellerin allerdings glaubhaft machen, dass die Abmahnung sowohl als Brief als auch als Telefax an den Antragsgegner abgegangen ist, erschiene das Bestreiten des Zugangs der Abmahnung in einem wenig glaubhaften Licht (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2006, a.a.O.). Es ist sehr unwahrscheinlich, dass beide Übermittlungsversuche scheitern.

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Die Antragstellerin hat zwar ihre Behauptung, sie habe dem Antragsgegner das Abmahnschreiben vom 24.10.2007 noch am selben Tag per Telefax übersandt, mit einem Fax-Protokoll (vgl. Anlage A2 zum Schriftsatz vom 13.01.2008) glaubhaft gemacht. Aus dem Protokoll ergibt sich, dass ein auf den 24.10.2007 datierter Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an diesem Tag um 16.17 Uhr an die - unstreitig für dem Antragsgegner geschaltete – Telefonnummer übermittelt und die „Übertragung abgeschlossen“ worden ist. Bei dem erkennbaren Teil des Schriftsatzes handelt es sich dem Inhalt nach auch um den Beginn eines Abmahnschreibens.

Der Vortrag und die Glaubhaftmachungen der Antragstellerin zur Absendung der Abmahnung per Briefpost ist jedoch nicht geeignet, die mit eidesstattlichen Versicherungen untermauerte Behauptung des Antragsgegners, er habe einen solchen Brief nicht erhalten, zu erschüttern.

Die Kammer verkennt nicht, dass die anwaltliche Versicherung des Antragstellervertreters, er habe den Brief selbst per Einwurf-Einschreiben zur Post gegeben, Mittel zur Glaubhaftmachung ist.

Da die Antragstellerin jedoch auch vorträgt, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe am selben Tage „eine Vielzahl von weiteren Einschreiben, Normalpost und Paketpost zur Post gebracht“ und der unstreitig – insoweit kommt es auf die Eintragung des Em-pfängernamens nicht an - von der Deutschen Post bei Aufgabe eines Einwurf-Einschreibens ausgegebene, mit einem Code versehene Einlieferungsbeleg nicht vorgelegt wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Abmahnschreiben entgegen der Erklärung des Verfahrensbevollmächtigen der Antragstellerin versehentlich nicht zur Absendung gelangt ist.

Ist aber nicht davon auszugehen, dass die Abmahnung per Briefpost an den Antragsgegner abgesandt worden ist, lässt allein die Absendung der Abmahnung per Telefax den Zugang der Abmahnung nicht glaubhaft sein.

Denn das Sendeprotokoll bestätigt grundsätzlich nur die Herstellung einer Verbindung, nicht die Übermittlung bestimmter Daten (vgl. Zöller-Stöber/Greger, ZPO, 23. Aufl., Vor § 230 Rdn. 2 m.w.N.). Angesichts der eidesstattlichen Versicherung des Antragsgegners und seiner Mitarbeiter, es sei kein entsprechendes Telefax im Büro des Antragsgegners angekommen, ist davon auszugehen, dass der Übermittlungsvorgang nicht gelungen ist.

Die weitergehende Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.