BFH, Urteil vom 06.04.2011 - IX R 29/10
Fundstelle
openJur 2013, 17985
  • Rkr:
Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr (2006) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im finanzgerichtlichen Verfahren war neben dem Zufluss von Einkünften nach § 18 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) das Entstehen eines Veräußerungsverlustes i.S. von § 17 Abs. 1, 4 EStG im Streitjahr sowie die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens hierauf (§§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, 3c Abs. 2 EStG) streitig.

Die Klägerin überwies am 7. Mai 1993 einen Betrag in Höhe von 2.050 DM an die Mitarbeiter-Beteiligungsgesellschaft bürgerlichen Rechts der Z-GmbH (im Folgenden GbR), deren Mitglied sie war. Am 23. Dezember 1998 erwarb sie zwei Geschäftsanteile in Höhe von insgesamt 4.800.000 DM zum Kaufpreis von 250.000 DM an der Z-Abwicklungsgesellschaft mbH i.L. (im Folgenden GmbH), am 15. Juni 2000 einen weiteren Geschäftsanteil an der GmbH im Nominalwert von 1.160.000 DM zum Kaufpreis von 77.450 DM. Am 18. September 2000 erwarb die Klägerin einen Geschäftsanteil an der GmbH in Höhe von 16.000 DM von der GbR ohne die Zahlung eines weiteren Kaufpreises. Nach der durch Gesellschafterbeschluss vom 20. November 2001 beschlossenen Währungsumstellung und Glättung der Nominalhöhe des Stammkapitals der GmbH betrug der Anteil der Klägerin daran 3.055.500 EUR entsprechend 49,8 %. Für die Anteilserwerbe hatte die Klägerin Notargebühren in einer Gesamthöhe von 2.618,29 DM zu entrichten.

Am 21. Mai 1999 beteiligte sich die M-Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden M) mit 800.000 DM als stille Gesellschafterin an der GmbH. Die Klägerin garantierte der M durch Mitunterzeichnung dieses Vertrages, dass ihrerseits von der ausstehenden Einlage ein Betrag von 100.000 DM und das Agio nach Auflösung der stillen Gesellschaft an die M bezahlt wird. Dieser Vertrag gelangte am 13. Dezember 2002 durch Rückzahlung der Beteiligungsmittel durch die GmbH zur Erledigung.

Auf Antrag vom 18. September 2006 wurde am ... November 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

Am 27. Dezember 2007 veräußerte die Klägerin ihre Geschäftsanteile an der GmbH zum Kaufpreis von 4.000 EUR an Herrn W und die W GmbH, den sie am 26. März 2008 von der W GmbH erhielt.

Mit Schreiben vom 14. März 2007 teilte der Insolvenzverwalter der GmbH der Klägerin mit, dass die zu erwartende Insolvenzmasse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht hinreichend sein werde, um im Rahmen der insolvenzrechtlichen Verteilung Zahlungen an die Gesellschafter vornehmen zu können. Unter dieser Prämisse schätze er die Gesellschaftsanteile der Klägerin an der GmbH als nicht werthaltig ein. Mit Schreiben vom 23. März 2010 an das Gericht teilte der Insolvenzverwalter mit, dass der gesamte Geschäftsbetrieb der GmbH auf einen Betriebserwerber übertragen worden sei.

Die Klägerin hatte gegenüber der GmbH aufgrund eines Vertrages vom 23. März 2005 Dienstleistungen erbracht. Dafür sollte die Klägerin eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.200 EUR erhalten. Diese Vergütung wurde von der GmbH über einen längeren Zeitraum nicht entrichtet, und die Klägerin erklärte im Streitjahr gegenüber der GmbH in Höhe eines Betrages von 29.414 EUR im Hinblick auf ein Darlehen, welches sie der GmbH schuldete, die Aufrechnung. Die Rechtmäßigkeit dieser Aufrechnungserklärung war Gegenstand des Rechtsstreites vor dem Landgericht zwischen dem Insolvenzverwalter der GmbH und der Klägerin, der durch gerichtlichen Vergleich vom 19. November 2009 beendet wurde. Danach verpflichtete sich die Klägerin, an den Insolvenzverwalter bis zum 31. Mai 2010  15.000 EUR zu zahlen, und der in dem dortigen Rechtsstreit Beklagte verpflichtete sich zum Erlass der Restschuld.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Veräußerungsverlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 220.939 EUR.

Hinsichtlich der Berechnung dieses Veräußerungsverlustes machte die Klägerin neben den Kaufpreisen für die Gesellschaftsanteile an der GmbH sowie den Anschaffungsnebenkosten hierfür den an die GbR gezahlten Betrag in Höhe von 2.050 DM sowie den Betrag in Höhe von 100.000 DM für die gegenüber der M übernommene Garantie geltend und legte das Schreiben des Insolvenzverwalters der GmbH vom 14. März 2007 bei.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf ... EUR fest. Dabei berücksichtigte er den geltend gemachten Veräußerungsverlust nicht, weil die Klägerin trotz mehrfacher Erinnerung keine weiteren Unterlagen über die geltend gemachten Verluste vorgelegt hätte. Auf den Einspruch der Kläger setzte das FA im Einspruchsbescheid wegen nicht zugeflossener Einkünfte aus selbständiger Arbeit die Einkommensteuer auf ... EUR herab und wies im Übrigen den Einspruch zurück. Mit Blick auf § 17 Abs. 1 und 4 EStG habe die Klägerin noch mit Zahlungen aus der Veräußerung ihrer Anteile aufgrund des Geschäftsanteilsübertragungsvertrages vom 27. Dezember 2007 und dem ergänzenden Nachtrag vom 29. Februar 2008 zu rechnen. Insoweit stehe im Streitjahr die Höhe des Auflösungsverlustes noch nicht fest; dieser könne dementsprechend auch keine steuerliche Berücksichtigung finden.

Der hiergegen gerichteten Klage hat das FG z.T. stattgegeben. Das FA habe zu Unrecht Veräußerungsverluste in Höhe von 165.809,42 EUR nicht berücksichtigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom ... November 2006 sei über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst worden. Die Geschäftsanteile der Klägerin an der GmbH seien bereits am 31. Dezember 2006 mit hinreichender Sicherheit wertlos gewesen. Darüber bestehe zwischen den Beteiligten Einvernehmen.

Der im Streitjahr geltend gemachte Veräußerungsverlust der Klägerin sei um die im Jahr 2008 von der W-GmbH gezahlten Kaufpreise in einer Gesamthöhe von 4.000 EUR zu mindern.

Insgesamt betrage der Veräußerungsverlust --wie zwischen den Beteiligten unstreitig sei-- 165.809,42 EUR und sei in voller Höhe zu berücksichtigen; er unterliege nicht dem Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG, in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung, sei die Hälfte des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG steuerfrei. Fielen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, komme eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig trete die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein.

Der Veräußerungsverlust sei auch nicht deswegen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, weil die Klägerin im Jahre 2008 4.000 EUR für die Veräußerung der Anteile erhalte. Die in § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG gewählte Formulierung "unabhängig davon in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen", bezwecke nicht den Ausschluss vergeblicher Betriebsausgaben vom anteiligen Abzug. Bei der vom FA vertretenen Auslegung würde der Zufluss von 4.000 EUR dazu führen, dass Anschaffungskosten der Klägerin in Höhe von ./. 84.904,71 EUR steuerlich nicht berücksichtigt würden. Ein solches Ergebnis könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Im Übrigen sei der Zufluss dieses Betrages steuerlich nicht unberücksichtigt geblieben, sondern habe den Veräußerungsverlust reduziert.

Die volle Berücksichtigung des Verlustes erscheine dem erkennenden Senat im Ergebnis auch zutreffend, da die Klägerin die Erwerbsaufwendungen für die Beteiligung an der GmbH vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens getätigt habe.

Das Urteil des FG wurde vom FA durch den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 19. November 2010 umgesetzt, wobei das FA jedoch abweichend vom Urteil des FG weiterhin das Halbeinkünfteverfahren/Halbabzugsverbot anwendete.

Mit seiner Revision wendet sich das FA insoweit gegen das Urteil des FG, als dieses das Halbeinkünfteverfahren/Halbabzugsverbot nicht anwendet. Das FA rügt die Verletzung von §§ 3c Abs. 2, 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG. Eine Korrektur der Gesetzesanwendung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes geboten.

Es liege eine "unechte Rückwirkung" vor, da die Anteile bereits vor der Verkündung des Gesetzes am 23. Oktober 2000 erworben worden seien und der Tatbestand des § 3c Abs. 2 Satz 1  2. Halbsatz EStG über die Merkmale "Wert des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten" auf die im Streitfall bereits vollzogenen Erwerbsvorgänge zurückgreife. Für die danach erforderliche Abwägung sei hinsichtlich des Gesetzeszweckes auf die Grundentscheidung des Gesetzgebers verwiesen, die vom Bundesfinanzhof (BFH) als verfassungskonform und folgerichtig bewertet worden sei (BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 69/05, BFHE 218, 251, BStBl II 2008, 551). Im Streitfall seien die geltend gemachten Verluste bei der Verkündung des Gesetzes noch nicht realisiert gewesen. Zwar könne die Entscheidung der Kläger zum Erwerb der Anteile maßgeblich von der Erwartung bestimmt gewesen sein, dass künftige Verluste in vollem Umfang bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigt würden. Diese bloße Möglichkeit begründe jedoch keinen Vertrauensschutz.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen der GmbH die für den Erwerb der Beteiligung aufgewendeten 169.809,42 EUR nur zur Hälfte abzuziehen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

  II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als das Halbeinkünfteverfahren und das Halbabzugsverbot (§§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, 3c Abs. 2 EStG) bei der Ermittlung des im Übrigen unstreitigen Veräußerungsverlustes (§ 17 Abs. 1, 4 EStG) anzuwenden ist.

1. Die Vorentscheidung ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Sie hat über den Einkommensteuerbescheid vom 21. Februar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. August 2009 entschieden. Während des Revisionsverfahrens ist am 19. November 2010 ein geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ergangen. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr wirksamer Bescheid zugrunde, mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (BFH-Urteile vom 14. Januar 2004 IX R 55/03, BFH/NV 2004, 656; vom 27. Juli 2004 IX R 44/01, BFH/NV 2005, 188).

Der Senat entscheidet nach §§ 100, 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf der Grundlage der bestehen bleibenden tatsächlichen Feststellungen des FG in der Sache und sieht wegen Spruchreife der Sache von einer Zurückverweisung nach § 127 FGO ab (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BFH/NV 2011, 880, unter II.1.).

2. Zu Unrecht hat das FG §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, 3c Abs. 2 EStG im Streitfall nicht angewandt.

a) Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG ist die Hälfte des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen; denn nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 XI R 61/04, BFHE 210, 332, BStBl II 2006, 163).

Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Folgerichtig tritt die nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen, nicht ein (BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; BFH-Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627).

b) Wie der Senat mit seinem Urteil vom 6. April 2011 (IX R 40/10, BFHE 233, 442) entschieden hat, sind Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot auch anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige wegen lediglich geringfügiger Veräußerungseinnahmen im Ergebnis einen Verlust erwirtschaftet hat. Auf diese Entscheidung wird --um Wiederholungen zu vermeiden-- verwiesen.

3. a) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall die von der Klägerin aus der Veräußerung der GmbH im Insolvenzverfahren erlangten 4.000 EUR lediglich zur Hälfte steuerpflichtig (§ 3 Nr. 40 Buchst. c EStG). Dementsprechend sind die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen auf die Anteile der Klägerin (169.809,42 EUR) nur zur Hälfte anzusetzen.

b) Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin nach den finanzgerichtlichen Feststellungen die Aufwendungen für den Erwerb ihrer Anteile bereits in den Jahren 1998 und 2000, also vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens/Halbabzugsverbots im Jahr 2002 (§ 52 Abs. 4b Satz 1 Nr. 2, Abs. 8a Satz 1 EStG) getätigt hat. Lediglich im Veranlagungszeitraum 2001 --oder davor-- realisierte Auflösungsverluste wesentlich Beteiligter unterliegen ebenso wie Veräußerungsverluste noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren (im Einzelnen § 52 Abs. 4b Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG; BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 25/05, BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298).

Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1 EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises oder des gemeinen Werts i.S. des § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Satz 1 ist nach Satz 2 dieser Vorschrift entsprechend in den Fällen des § 17 Abs. 4 EStG anzuwenden. Diese Regelung ist nach § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621) erstmals auf Erträge i.S. des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c (Sätze 1 und 2) EStG nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, an der die Anteile bestehen, für das das Körperschaftsteuergesetz (KStG) i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes (BGBl I 2000, 1433) gilt, anzuwenden.

Bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr wird das neue Körperschaftsteuerrecht somit erstmals 2001 angewendet (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2009 IX R 57/08, BFHE 227, 431, BStBl II 2010, 607, unter II.2.a). Bei nicht dem Kalenderjahr entsprechendem Wirtschaftsjahr wird das neue Körperschaftsteuerrecht nach § 34 Abs. 2 KStG erstmals im Veranlagungszeitraum 2002 angewandt, wenn das erste im Veranlagungszeitraum 2001 endende Wirtschaftsjahr vor dem 1. Januar 2001 begonnen hat. Veräußerungen werden bei kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahren somit erstmals nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert, wenn die Veräußerung im Jahr 2002 erfolgt, bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr für Veräußerungen im Jahr 2003.

Hingegen ist nach § 34 Abs. 11 Satz 1 KStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858) und nach § 34 Abs. 14 Satz 1 KStG i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23. Juli 2002 (BGBl I 2002, 2715 --dort inhaltsgleich übernommen--) das neue Körperschaftsteuerrecht erstmals auf Liquidationen anzuwenden, deren Besteuerungszeitraum im Jahr 2001 endet (dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298, m.w.N. zum Streitstand). Bereits im Veranlagungszeitraum 2001 entstandene Auflösungsverluste sind ebenso wie offene Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne/-verluste in voller Höhe steuerlich zu berücksichtigen. Weder die auf die Beteiligung gemachten Anschaffungskosten noch der hierdurch erwirtschaftete Gewinn stehen bei einem im Jahr 2001 realisierten Auflösungsverlust in einem Zusammenhang mit dem Halbeinkünfteverfahren (vgl. Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2005, 1517, 1531). Der Gesetzgeber geht wie bei der Veräußerung des Anteils von einer Totalausschüttung aus (BFH-Urteil in BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298).

Der Liquidationsverlust ist im Rahmen der besonderen stichtagsbezogenen Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG auf den Zeitpunkt seiner Entstehung --endgültig-- zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654).

Die steuerliche Belastung oder im Falle eines Verlustes die Entlastung hat der BFH (in BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298) nach dem Zeitpunkt der Realisation des Veräußerungsgewinns/ -verlustes oder Auflösungsgewinns/-verlustes ausgerichtet. Die hälftige Einbeziehung von Aufwendungen in die Berechnung des danach dem Halbeinkünfteverfahren und in der Konsequenz auch dem Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG unterliegenden Veräußerungsverlustes im Streitfall, die bereits vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens getätigt wurden, entspricht der Stichtagsbesteuerung gemäß § 17 EStG. Zwar hat der BFH angenommen, dass ein die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG eröffnender wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit vom Halbeinkünfteverfahren erstmals (2002) erfassten offenen Gewinnausschüttungen grundsätzlich erst dann gegeben ist, wenn der Gesellschafter die Aufwendungen im Jahr 2002 geleistet hat (BFH-Urteile vom 27. März 2007 VIII R 10/06, BFHE 217, 502, BStBl II 2007, 866, sowie VIII R 23/06, BFH/NV 2007, 1842). Dies ist dem Umstand geschuldet, dass § 52 Abs. 8a EStG dem Wortlaut nach lediglich von einem "wirtschaftlichen Zusammenhang" zwischen Aufwendungen und Erträgen spricht, d.h. die in § 3c Abs. 2 EStG enthaltene ergänzende Regelung "... unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die ... Einnahmen anfallen ...", fehlt; dies deshalb, weil --anders als im Anwendungsbereich des § 52 Abs. 8a EStG-- die Eindämmung von Steuergestaltungen keine Bedeutung hat, so dass das gegenüber § 3c Abs. 2 EStG offener gefasste Merkmal "wirtschaftlicher Zusammenhang" nicht überperiodisch zu verstehen ist. Hieraus folgt aber nicht, dass auch bei Berechnung eines Veräußerungsverlustes Aufwendungen, die vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens getätigt wurden, voll anzusetzen wären, weil es am wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen fehlte, für die das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden ist. Dieser wirtschaftliche Zusammenhang wird durch die stichtagsbezogene Besteuerung des Veräußerungsgewinns bzw. -verlustes gemäß § 17 Abs. 1, 2, 4 EStG hergestellt.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Vertrauensschutzaspekten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Vertrauen des Steuerpflichtigen darauf, dass er Wertsteigerungen von Anteilen steuerfrei veräußern kann, bis zur Verkündung des dies ändernden Gesetzes für schutzwürdig erachtet und § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, S. 402) für nichtig erachtet, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 am 31. März 1999 entstanden sind und die entweder --bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt-- nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder --bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes-- sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010  2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BFH/NV 2010, 1976). Jedoch kommt eine Parallelbehandlung dieser steuerfreien Gewinnrealisierung und der vollen Ansetzbarkeit der Aufwendungen im Streitfall nicht in Betracht, da es hier um die Korrespondenz von Aufwendungen und Einnahmen im Rahmen der stichtagsbezogenen Gewinnermittlung geht.