LG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2012 - 8 O 78/12
Fundstelle
openJur 2012, 132232
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin fordert von dem Beklagten Schadensersatz wegen des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände bei einem Auswärtsspiel ihrer Mannschaft in Zürich.

Der Beklagte ist Inhaber einer bei der Klägerin bestellten und über diese bezogene Auswärts-Dauerkarte für alle Fußballspiele der Lizenzspielermannschaft der Klägerin in der Bundesliga und in den UEFA-Clubwettbewerben der Saison 2011/2012. Darüber hinaus ist er Mitglied des FC ... e.V. Bei Bezug der Auswärts-Dauerkarte durch den Beklagten ist dieser von der Klägerin mit dem als Anlage K 2 vorgelegten Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es - wie auch bei den Fußballspielen in der Allianz Arena in München und in allen weiteren Bundesligastadien in Deutschland - auch bei den Fußballspielen der UEFA-Clubwettbewerbe strengstens untersagt ist, pyrotechnische Gegenstände in die Stadien mitzunehmen und abzubrennen. Der Beklagte erhielt ein Ticket für das Qualifikationsspiel zur UEFA Champions League zwischen dem FC ... und dem FC ... am 23.08.2011 und hat dieses Spiel auch besucht.

Mit Bescheid vom 27.09.2011 (Anlage K 5) verhängte die Kontroll- und Disziplinarkammer der UEFA gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 15.000,00 €. Zur Begründung wurde angegeben, dass während des oben genannten Spiels die Anhänger des FC ... 29 Bengalische Feuer zündeten. Die Klägerin bezahlte diese Geldbuße.

Mit Schreiben vom 12.12.2011 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten mit Fristsetzung bis 28.12.2011 auf, an die Klägerin 15.000,00 € zu bezahlen. Mit Anwaltsschreiben vom 20.12.2011 (Anlage K 4) ließ der Beklagte ein Fehlverhalten bestreiten und lehnte die Zahlung ab.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe bei dem Spiel am 23.08.2011 Bengalische Feuer mit sich geführt und während des Fußballspiels abgebrannt. Sie ist der Auffassung, dass der Beklagte verpflichtet ist, die der Klägerin auferlegte Geldbuße als Schaden zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 15.000,00 nebst Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.12.2011 zu bezahlen.
II. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von € 755,80 nebst Zinsen i.H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt

die Abweisung der Klage.

Der Beklagte bestreitet, während des streitgegenständlichen Spiels pyrotechnische Gegenstände mit sich geführt und abgebrannt zu haben.

Der Beklagte ist der Auffassung, da von der Klägerin nicht vorgetragen werde, welches der 29 im Bescheid der UEFA erwähnten Bengalischen Feuer dem Beklagten zugerechnet werden solle und ob überhaupt eines ihm zugerechnet werden solle, fehle es an hinreichend konkretem Vortrag zur Kausalität.

Etwaige Verbandsstrafen nach der UEFA-Rechtspflegeordnung (RPO) dürften grundsätzlich nicht im Rahmen des Regresses wegen nebenvertraglicher Pflichtverletzung auf einen einzelnen Stadionbesucher übergewälzt werden, schon gar nicht in voller Höhe. Dies ergebe sich daraus, dass der einzelne Stadionbesucher keinerlei Beteiligungs/Akteneinsichts- oder Einspruchsrechte bezüglich des verbandsrechtlichen Verfahrens habe. Daher werde der betroffene Verein keine Motivation haben, gegen etwaige Strafen Einspruch einzulegen, wenn er ohnehin in voller Höhe Regress nehmen könne. Der Bescheid der UEFA sei Folge von Vereinbarungen mit der UEFA. Diese dürften nicht zu Lasten Dritter gehen. Da es bei "Rückfällen" - also Wiederholungsfällen - des betroffenen Vereins höhere Strafen gebe (Art. 18 RPO), würden dem in Regress genommenen sogar noch vorherige Fehlverhalten von anderen Personen erschwerend hinzugerechnet. Der Bescheid der UEFA stelle kein Verschulden der Klägerin fest. Derartige verschuldensunabhängige Vertragsstrafen seien systemwidrig. Sie widersprächen dem Schuldprinzip.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2012 (AS 89 ff.) verwiesen:

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C... H..., F... R... und G... H... . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar kann der vom Sportgericht bestrafte Verein vom störenden Zuschauer, mit dem ein Vertragsverhältnis besteht, Ersatz für die vom Sportgericht aus Anlass der Störung verhängte Geldstrafe verlangen (1.). Der Klägerin ist jedoch der Nachweis für ihre Behauptung, der Beklagte habe während des streitgegenständlichen Spiels Bengalische Feuer abgebrannt, nicht gelungen (2. ).

1. Zu Recht ist zwischen den Parteien nicht im Streit, dass auf den vorliegenden Sachverhalt deutsches Recht Anwendung findet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unterfällt dem Vertragsstatut, da er mit vertraglichen Pflichtverletzungen begründet wird (vgl. Art. 12 ROM I VO). Spätestens mit dem Kauf der Eintrittskarte für das streitgegenständliche Spiel ist zwischen den Parteien ein Werkvertrag zustande gekommen. Der von der Klägerin geschuldete Erfolg lag in der Ermöglichung des Zutritts zu dem Spiel (vgl. für den Vertrag zwischen Veranstalter und Besucher: Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., Einf. § 631 Rdn. 29). Da der Beklagte Verbraucher im Sinne des Art. 6 ROM I VO ist und die Tätigkeit der Klägerin u.a. auf Deutschland ausgerichtet ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 b) ROM I VO), findet deutsches Recht Anwendung.

Aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin folgte die vertragliche Nebenpflicht des Beklagten, es zu unterlassen, pyrotechnische Gegenstände zum Spiel mitzunehmen und abzubrennen. Dies ergab sich aus dem mit der Auswärts-Dauerkarte versandten Hinweis, wonach es bei den Spielen in den UEFA-Clubwettbewerben strengstens untersagt ist, pyrotechnische Gegenstände mitzunehmen und abzubrennen. Eine Verletzung dieser Verpflichtung führt gemäß § 280 BGB zur Schadensersatzpflicht. Wie das OLG Rostock (Urt. v. 28.04.2006 - 3 U 106/05, NJW 2006, 1819) in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, umfasst der von dem störenden Zuschauer zu ersetzende Schaden auch die von dem Sportgericht auferlegte Geldbuße, wenn und soweit das Verhalten des Zuschauers hierfür ursächlich war. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte insoweit auf die gegenteilige Auffassung des Landesgerichts Wien (Urt. v. 25.01.2011 - 34 R 163/10), welches eine Ersatzpflicht des Stadionbesuchers für Geldstrafen verneint und dies damit begründet, dass der hypothetische Wille der Parteien nicht dahin gehen könne, dass der Verein die Verpflichtung, Disziplinarmaßnahmen zu akzeptieren durch Überwälzung auf den sie verursachenden Fan untergraben wolle. Dem kann für das deutsche Recht nicht gefolgt werden. Die Argumentation verkennt bereits, dass es letztlich der Stadionbesucher selbst ist, der die Geldbuße bezahlt, da sich der Fußballverein u.a. durch die Eintrittskarten finanziert. Es trifft außerdem zwar zu, dass das Ziel der Verurteilung auch darin bestand, die Klägerin zum Schutz der Schiedsrichter und der Mannschaften zu angemessenen Sicherheitsbemühungen zu veranlassen, diese zu bewerten und zu kontrollieren. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die von dem Verein zu ergreifenden präventiven Maßnahmen sich darauf beschränken sollen (so aber wohl OLG Rostock aaO.). Zu den sinnvollen Maßnahmen gegen Pyrotechnik gehört auch, dass der Verein auf seine Mitglieder bzw. Fans einwirkt. Auch die Weitergabe der Strafzahlung an den störenden Fan hat eine präventive Wirkung, da dem Fan damit vor Augen geführt wird, dass der Einsatz von pyrotechnischem Material erhebliche Konsequenzen haben kann.

Unabhängig davon berühren Überlegungen über den Zweck der Disziplinarmaßnahme nicht die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung des Zuschauers für den Schaden. Zweifelsfrei haften auch Zuschauer nach allgemeinen Regeln für Sach- und Personenschäden, die sie auf dem Spielfeld oder im Stadion anrichten. Es besteht kein Grund, Zuschauer, die den die Eintrittskarte zur Verfügung stellenden Verein schädigen, von der Haftung für die Vermögenseinbußen zu befreien, die dieser infolge ihres vertragswidrigen Verhaltens erleidet (vgl. OLG Rostock aaO.).

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zweifelsfrei fest, dass der Beklagte ein oder mehrere Bengalische Feuer bei dem Spiel in Zürich mit sich geführt und abgebrannt hat. Nach den übereinstimmenden Aussagen aller vernommenen Zeugen wurden die Personalien des Beklagen nicht während bzw. unmittelbar nach dem Spiel in Zürich am 23.08.2011 festgestellt. Vielmehr erfolgte seine Identifizierung lediglich anhand des Erinnerungsvermögens der Zeugen R... und H... und der Merkmale kurze bis keine Haare, Tätowierung "FCBM" auf dem Rücken und kräftige Statur. Erstmals beim Spiel gegen Hoffenheim am 01.10.2011 hat der als Zeuge vernommene Polizeibeamte C... H... die Personalien des Beklagten festgestellt, nachdem ihm eine Person, welche er in dem Beklagten wiedererkannt haben will, am 14.09.2011 beim Spiel in Villarreal als derjenige gezeigt worden war, der in Zürich ein Bengalisches Feuer abgebrannt haben soll. Die Zeugen F... R... und G... H..., welche den Beklagten beim Spiel in Zürich beobachtet haben wollen, gaben an, den Beklagten deshalb dort wiedererkannt zu haben, weil er eine Tätowierung mit der Aufschrift "FCBM" auf dem Rücken und kurze bis keine Haare hatte (Prot. v. 08.05.2012, S. 5 [AS 97] und S. 9, AS 105). Bei dem Auswärtsspiel gegen Schalke am 18.09.2011 war sich der Zeuge G... h... noch nicht "absolut sicher", ob es sich bei dem Beklagten um denjenigen handelte, der in Zürich ein Bengalisches Feuer angezündet hatte. Der Zeuge F... R... will ihn dagegen schon an diesem Tag wiedererkannt haben.

Bei dieser Beweislage bleiben erhebliche Zweifel, ob es sich bei dem Beklagten tatsächlich um den in Zürich beobachteten Fan, welcher ein Bengalisches Feuer angezündet hat, handelte. Es ist nicht auszuschließen, dass es weitere Fans der Klägerin gibt, die eine kräftige Statur, kurze bis keine Haare und eine Tätowierung "FCBM" haben. Zwar wollen die Zeugen R... und H... den Beklagten beim Spiel in Villarreal wieder erkannt haben. Das Erinnerungsvermögen der Zeugen ist jedoch nicht derart zuverlässig, dass darauf eine Verurteilung des Beklagten gestützt werden könnte. Das belegt das Geschehen in der Sitzung in anschaulicher Weise. Sowohl der Zeuge F... R... als auch der Zeuge G... H... haben spontan und ungefragt als den Beklagten und damit den angeblich in Zürich beobachteten Täter einen im Sitzungssaal anwesenden Rechtsanwalt aus K... identifiziert.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen §§ 708, 709 ZPO zugrunde.