VG des Saarlandes, Beschluss vom 07.09.2009 - 10 L 683/09
Fundstelle
openJur 2010, 2905
  • Rkr:

Sind im Falle des Widerrufs einer Fahrschulerlaubnis die Erfolgsaussichten des hiergegen erhobenen Rechtsbehelfs offen und wäre der betroffene Fahrlehrer bei Fortbestehen der sofortigen Vollziehung des Widerrufs gezwungen, seine Fahrschule endgültig aufzugeben, ohne dass aufgrund des festgestellten Sachverhalts die geordnete Ausbildung der Fahrschüler dieser Fahrschule gefährdet erscheint, vermag das öffentliche Interesse am Schutz angestellter Fahrlehrer oder am fairen Wettbewerb zwischen Fahrschulen das private Aufschubinteresse nicht zu überwiegen.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 31.7.2009 –SKO-FS 33- wird hinsichtlich der Fahrschulerlaubnisklassen BE und CE wiederhergestellt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 31.7.2009, mit welchem unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) die Fahrschulerlaubnis der Klassen BE, CE und DE nach § 21 Abs. 2 Fahrlehrergesetz (FahrlG) wegen persönlicher Unzuverlässigkeit widerrufen worden ist.

Sein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen diese Entscheidung rechtzeitig eingelegten Widerspruchs vom 5.8.2009 ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig und überwiegend begründet.

Zunächst leidet die im Bescheid ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit – was die Fahrschulerlaubnisklassen BE und CE anbelangt - an einem formellen Mangel. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.4 VwGO hat die Behörde gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Vorliegend ist der angefochtene Bescheid zwar mit einer schriftlichen Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen; diese ist jedoch nicht ordnungsgemäß. Eine rechtmäßige Vollziehungsanordnung erfordert eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses für die sofortige Vollziehbarkeit bzw. die Begründung dafür, weshalb ausnahmsweise das Interesse des Betroffenen, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden, hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse zurücktreten muss.

Vgl. dazu etwa Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 80 Rdnr. 85, 87 m.w.N.

Vorliegend begründet der Antragsgegner das besondere öffentliche Interesse unter Heranziehung des bisherigen Verhaltens des Antragstellers als Fahrschulinhaber, das gezeigt habe, dass dieser nicht bereit sei, gesetzliche Vorgaben für das Betreiben einer Fahrschule einzuhalten. Im Weiteren stellt er ab auf die Benachteiligung anderer Fahrschulen sowie darauf, dass der Antragsteller bei Fahrschülern weiterhin den Eindruck erwecke, in seiner Fahrschule auch die Ausbildung für die Klassen A1 und A zu betreiben, obwohl er für diese Klassen keine Fahrschulerlaubnis besitze, was auch für den Bereich der Ausbildung für die Klassen D/DE gelte. Weiter wird angeführt, dass durch das Verhalten des Antragstellers bei ihm beschäftigte Fahrlehrer geschädigt würden, indem diese das ihnen zustehende Gehalt nicht oder erst nach Intervention und verspätet erhielten. Sodann wird unter Hinweis auf die Befürchtung, dass der Antragsteller erneut gröblich gegen die einschlägigen Vorschriften des Fahrlehrergesetzes verstoßen werde, der Schutz der übrigen Fahrschulen und vor allen Dingen auch der Fahrschüler als Grund für die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse genannt. Betrachtet man diese Darlegungen am rechtlichen Maßstab des § 80 Abs. 3 VwGO, so wird in der Begründung zwar das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung verdeutlicht; es fehlt indes an jeglicher Berücksichtigung der privaten Belange des Antragstellers an der weiteren beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung als Fahrschulinhaber einschließlich der Frage der Belange der Fahrschüler, denen der Antragsteller vertraglich verpflichtet ist. Von daher ist der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auch keine Abwägung der widerstreitenden Interessen im oben beschriebenen Sinne zu entnehmen. Die Begründung ist daher rechtsfehlerhaft.

Darüber hinaus hat die materiell-rechtliche Überprüfung nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Ergebnis, dass die Erfolgsaussicht des Widerspruchs des Antragstellers – bezogen auf die Klassen BE und CE - als offen zu bewerten ist mit der Folge, dass bei hauptsacheoffener Abwägung der betroffenen Interessen dem privaten Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Wirkungen des Widerrufs seiner Fahrschulerlaubnis der Vorzug zu geben ist.

Hierfür ist zunächst maßgebend, dass ein Teil der dem Antragsteller zur Last gelegten, von diesem allerdings im Einzelnen bestrittenen Verhaltensweisen (widerrechtliche Ausbildung von Fahrschülern der Klasse A, Verstöße gegen die Fahrschüler-Ausbildungsordnung, Fehlen von Ausbildungsnachweisen) zwar geeignet erscheinen, gröbliche Pflichtverletzungen im Sinne des § 21 Abs. 2 FahrlG und damit einen Widerrufsgrund anzunehmen, die so dem Bescheid zugrundegelegten Rechtsverstöße aber bereits einige Zeit (August 2006 bzw. April 2007) zurückliegen und die damals sowie in der Folgezeit festgestellten Mängel aufgrund einer fahrschulrechtlichen Überprüfung der Fahrschule des Antragstellers vom 18.6.2008 als weitgehend abgestellt galten. Zwar ist der Antragsteller nach den Feststellungen des Antragsgegners auch danach durch Pflichtverletzungen aufgefallen (Nichtvorlage des Fahrlehrerscheins und in einem weiteren Fall eines Ausbildungsnachweises trotz behördlicher Aufforderung, Verweigerung einer weiteren Überprüfung seiner Fahrschule). Die Kammer vermag indes bei nur möglicher summarischer Prüfung nicht festzustellen, dass dieses Verhalten des Antragstellers mit hinreichender Sicherheit darauf schließen lässt, er sei aktuell im fahrschulrechtlichen Sinne unzuverlässig, zumal er den vom Antragsgegner aufgelisteten Pflichtverletzungen in seiner Antragsschrift im Einzelnen mit durchaus substanziierten Einwendungen entgegentritt. Angesichts dessen erscheint es nicht möglich, ohne weitere Ermittlungen bzw. Beweiserhebungenden Sachverhalt abschließend rechtlich zu beurteilen. Was schließlich die seitens des Antragsgegners verlangte erneute fahrschulrechtliche Überprüfung der Fahrschule des Antragstellers und dessen Weigerungshaltung anbelangt, erscheint es im Übrigen als angemessen, einen Widerruf der Fahrschulerlaubnis erst nach vergeblicher Anwendung von Verwaltungszwang für gerechtfertigt zu erachten.

Die somit gebotene hauptsacheoffene Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die durchaus gewichtigen öffentlichen Interessen, die der Antragsgegner in seinem Bescheid als Grund für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nennt, gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers daran, seine Fahrschule vorläufig weiter betreiben zu dürfen, zurücktreten müssen. Hierfür ist zum einen maßgebend, dass durch die sofortige Vollziehung in der Weise vollendete Tatsachen geschaffen würden, als der Antragsteller nach seiner glaubhaften – an Eides Statt versicherten – sowie unstreitigen Darstellung gezwungen wäre, seine Fahrschule endgültig aufzugeben, bevor eine (noch weitere Ermittlungen voraussetzende) Entscheidung in der Hauptsache ergehen könnte; hiervon wären auch eine größere Anzahl von Fahrschülern sowie insbesondere die beim Antragsteller beschäftigten Fahrlehrer betroffen. Zum anderen ist derzeit nicht erkennbar, dass die geordnete Ausbildung der Fahrschüler in der Fahrschule des Antragstellers gefährdet wäre und erscheinen die vom Antragsgegner im Übrigen genannten öffentlichen Interessen, insbesondere an einem fairen Wettbewerb zwischen den Fahrschulen, nicht geeignet, das dargelegte private Aufschubinteresse des Antragstellers zu überwiegen.

Die Kammer hat im Rahmen ihrer Abwägung noch nicht zum Nachteil des Antragstellers gewertet, dass dieser sich gegenüber dem Antragsgegner nicht kooperativ verhalten bzw. - nach Aktenlage - sein Verhalten erst nachträglich, im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens, in der gebotenen Weise zu erklären versucht hat. Aufgrund dessen wird darauf hingewiesen, dass auch ein derartiges passives Verhalten, wie es der Antragsteller zunächst gezeigt hat, die Unzuverlässigkeit eines Fahrschulinhabers begründen kann. Insbesondere erscheint das nachhaltige Verweigern einer - soweit hier ersichtlich - gerechtfertigten behördlichen Überprüfung einer Fahrschule als gröbliche Pflichtverletzung, die zum Widerruf derFahrschulerlaubnis führt. Mit anderen Worten können weitere diesbezügliche oder ähnliche Pflichtverletzungen des Antragstellers während des laufenden Widerspruchsverfahrens bzw. eines sich eventuell anschließenden Klageverfahrens einen Anlass bieten, die Sach- und Rechtslage im Rahmen eines Abänderungsverfahrens gemäß § 80 Abs. 7 VwGO abweichend zu beurteilen.

Nicht wiederherzustellen war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der vom angefochtenen Bescheid betroffenen Fahrschulerlaubnis der Klasse DE. Nach Erlöschen der dem Antragsteller befristet erteilten Fahrerlaubnis der Klasse DE durch Zeitablauf ist gemäß § 7 Abs. 2 FahrlG auch die Fahrlehrererlaubnis kraft Gesetzes teilweise, und zwar hinsichtlich dieser Klasse, erloschen. Aus diesem Grunde ergeben sich zum einen die vom Antragsgegner erwähnten Pflichten zur Vorlage des Fahrlehrerscheins (§ 5 Absatz ein Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 FahrlG) zwecks entsprechender Änderung und ist der Antragsteller zum anderen zur Ausbildung von Fahrschülern für die Fahrerlaubnisklasse DE nicht mehr berechtigt (vgl. §§ 1 Abs. 1, 5 FahrlG). Würde der Antragsteller dies missachten und dennoch für die Klasse DE ausbilden, wäre dies ordnungswidrig (vgl.§ 36 Abs. 1 Nr. 1 FahrlG). Darüber hinaus wäre der Straftatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 StVG erfüllt, denn der jeweilige Fahrschüler ist noch nicht im Besitz der Fahrerlaubnis und der Antragsteller ist nicht mehr Fahrlehrer für die Klasse DE im Sinne des § 2 Abs. 15 StVG. Angesichts dessen ist die Fahrschulerlaubnis des Antragstellers mit Blick auf die Fahrerlaubnisklasse DE unabhängig von der Frage von dessen persönlicher Zuverlässigkeit teilweise widerruflich nach Maßgabe des § 49 Abs. 2 Nr. 3 SVwVfG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 3 FahrlG, weil eine Voraussetzung für die Erteilung der Fahrschulerlaubnis kraft Gesetzes nachträglich entfallen ist. Deshalb werden durch die diesbezügliche Entscheidung des Antragsgegners im Ergebnis keine Rechte des Antragstellers verletzt.

Gleichfalls nicht in Betracht kommt unter diesen Umständen eine Aufhebung der Vollzugsanordnung wegen fehlerhafter Begründung der sofortigen Vollziehung (vgl. oben), denn hierfür fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller kraft Gesetzes nicht mehr zur Ausbildung von Fahrschülernfür die Klasse DE berechtigt ist und er bei rechtstreuem Verhalten von seiner Fahrschulerlaubnis diesbezüglich keinen Gebrauch mehr machen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO und berücksichtigt, dass der Antragsteller hinsichtlich des erfolglosen Teils seines Antrages lediglich geringfügig unterliegt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs.2 GKG unter entsprechender Heranziehung des zu Ziffer 54.2.1 – Gewerbeuntersagung - im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004) vorgeschlagenen Auffangwertes von 15.000,-- Euro, der für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist.