BGH, Beschluss vom 26.11.2012 - NotSt(Brfg) 2/12
Fundstelle
openJur 2012, 132073
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das ihm am 14. Juni 2012 zugestellte Urteil des Notarsenats des Oberlandesgerichts Celle zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 750 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist seit 1980 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 1994 zum Notar bestellt. Er ist disziplinarrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

In den Jahren 2005 und 2006 nahm er als Rechtsanwalt in einem Scheidungsverfahren ein Mandat für den beteiligten Ehemann wahr. Dessen Ehefrau war anwaltlich nicht vertreten. Die Ehe wurde im März 2006 einvernehmlich geschieden. Mit Ausnahme des Versorgungsausgleichs wurden Folgesachen 1 nicht geregelt. Sie waren auch nicht Gegenstand der anwaltlichen Beratung durch den Kläger.

Am 24. Juli 2008 beurkundete der Kläger als Notar einen Grundstücksübertragungsvertrag zwischen den geschiedenen Eheleuten. Die vormalige Ehefrau übertrug darin gegen die Verpflichtung zur Zahlung von 50.000 € ihrem früheren Gatten ihre ideelle Miteigentumshälfte an einem bislang gemeinsamen Grundstück. § 4 des Vertrags ("Gegenleistung") enthielt folgenden Absatz 7: "Die Vertragsparteien erklären, dass mit Erfüllung der Zahlungsverpflichtung sämtliche wechselseitigen etwaigen Zugewinnausgleichsansprüche erledigt sind."

Nachdem dieser Vertrag aufgrund eines Prozesskostenhilfeantrags der geschiedenen Ehefrau gerichtlich bekannt geworden war, leitete der Beklagte 2009 gegen den Kläger disziplinarrechtliche Vorermittlungen unter anderem wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BeurkG ein. Der Kläger ließ sich dahin ein, ein mandatsbezogener Zusammenhang zwischen dem Scheidungsverfahren und der Beurkundung bestehe nicht. Soweit die Vertragsparteien in einem Nebenpunkt den Zugewinn für erledigt erklärt hätten, habe dies lediglich deklaratorische Bedeutung gehabt. Eine inhaltliche Überschneidung zum Scheidungsmandat sei nicht gegeben gewesen. Der Beklagte hat diese Ausführungen nicht für durchgreifend erachtet. Nach weiteren Ermittlungen, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung nicht bestätigten haben, hat der Beklagte gegen den Kläger eine Disziplinarverfügung wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das in der vorgenannten Bestimmung statuierte Mitwirkungsverbot erlassen, mit der der Kläger mit einer Geldbuße von 750 € belegt wurde.

Widerspruch und Klage gegen diese Verfügung sind erfolglos geblieben. Mit seinem Antrag begehrt der Kläger die Zulassung seiner Berufung gegen das Urteil des Oberlandesgerichts.

II.

Der Antrag ist unbegründet. Es besteht keiner der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG und § 105 BNotO.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG und § 105 BNotO) nicht.

a) Dem Oberlandesgericht ist darin beizupflichten, dass der Kläger die Beurkundung des Grundstücksübertragungsvertrags vom 24. Juli 2008 unter Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BeurkG vornahm. Nach dieser Bestimmung soll ein Notar unter anderem an einer Beurkundung nicht mitwirken in Angelegenheiten einer Person, für die er außerhalb einer Amtstätigkeit in derselben Angelegenheit bereits tätig war. Die Vorschrift dient der strikten Trennung von notarieller und außernotarieller Tätigkeit (Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 5. Aufl., § 3 BeurkG, Rn. 71; Eylmann in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 3 BeurkG, Rn. 40). Sie ist deshalb von herausragender Bedeutung für das Anwaltsnotariat (Eylmann aaO).

aa) Mit Recht sind der Beklagte und das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund der Wahrnehmung seines anwaltlichen 5 Mandats zu Gunsten des früheren Ehemanns im Scheidungsverfahren bereits in "derselben Angelegenheit" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BeurkG tätig gewesen war, als er den Grundstücksübertragungsvertrag vom 24. Juli 2008 beurkundete. Der Begriff "derselben Angelegenheit" bedeutet, dass sich die außernotarielle Tätigkeit und das notarielle Urkundsgeschäft auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt beziehen müssen (z.B. OLG Schleswig, NJW 2007, 3651, 3652; Eylmann aaO Rn. 7; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 7. Aufl., § 16 Rn. 14, 76; Schäfer in Schippel/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 16 Rn. 47; Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 3 Rn. 114). Die eheliche Gemeinschaft ist der typische Fall eines solchen Lebenssachverhalts, so dass ein Anwaltsnotar, der einen Ehepartner in einer ehelichen Angelegenheit beraten oder vertreten hat, als Notar einen Ehe-, Unterhalts- oder Scheidungsfolgenvertrag nicht mehr beurkunden darf (vgl. z.B. Senat, Beschluss vom 22. März 2004 - NotZ 26/03, BGHZ 158, 310, 314; OLG Schleswig aaO; Armbrüster aaO, Rn. 76; Eylmann aaO, Rn. 47; Schäfer aaO; Winkler aaO).

Hiergegen hat der Kläger verstoßen. Er hatte den Ehemann aufgrund des ihm erteilten Anwaltsmandats in dem 2006 abgeschlossenen Scheidungsverfahren vertreten. Der von ihm beurkundete Grundstücksübertragungsvertrag enthielt in seinem § 4 Abs. 7 eine Regelung über den Zugewinnausgleich und damit über eine Scheidungsfolge (vgl. § 623 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO a.F., § 137 Abs. 2 Nr. 4 FamFG, §§ 1372 ff. BGB).

Mit Recht hat das Oberlandesgericht insoweit ausgeführt, auch wenn die Klausel lediglich deklaratorische Wirkung habe, komme ihr im Hinblick auf etwaige Auseinandersetzungen über den Zugewinnausgleich rechtliche Bedeutung zu. Hiergegen erhebt der Kläger im Zulassungsverfahren auch keine Einwendungen mehr. 10 Entgegen seiner Auffassung ist es unbeachtlich, ob sein Anwaltsmandat im Scheidungsverfahren die Beratung oder Vertretung im Zusammenhang mit dem Zugewinnausgleich nicht erfasste. Es genügte, dass der Kläger als Rechtsanwalt zugunsten einer Partei in dem Eheverfahren mitwirkte und der von ihm als Notar beurkundete Vertrag eine Scheidungsfolgenregelung enthielt, da beide Tätigkeiten im Gesamtzusammenhang des einheitlichen Vorgangs, der Scheidung der beiden betroffenen Ehegatten, standen. Der Begriff der "selben Angelegenheit" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BeurkG ist nicht eng auszulegen (BGH, Urteil vom 25. Mai 1984 - V ZR 13/83, DNotZ 1985, 231, 232; Sandkühler aaO; Winkler aaO). Es reicht aus, wenn ein Gesamtzusammenhang innerhalb des einheitlichen Lebenssachverhalts besteht (Sandkühler aaO, Rn. 76; Winkler aaO). Dies erfordert der Schutzzweck der Vorschrift, die das Vertrauen in die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Notars gewährleisten soll (BGH aaO sowie Senat, Beschluss vom 22. März 2004 - NotZ 26/03, BGHZ 158, 310, 316 f.; Winkler aaO). Bereits der objektiv begründete Anschein, der Notar werde aufgrund seiner außernotariellen Vorbefassung sein Amt nicht entsprechend diesen Anforderungen ausüben, steht hiernach seiner Mitwirkung an dem betreffenden Urkundsgeschäft entgegen (Senat, Beschluss vom 22. März 2004 aaO, S. 317; Winkler aaO). Soweit die vom Kläger in Bezug genommene Kommentierung von Armbrüster (Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 5. Aufl., § 3 Rn. 75), in der ausgeführt ist, es sei stets zu fordern, dass sich die außernotarielle Vorbefassung bereits im Hinblick auf den Gegenstand der späteren Beurkundung konkretisiert habe, dahin zu verstehen sein sollte, dass engere Voraussetzungen für das Mitwirkungsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BeurkG gälten, wäre dem nicht beizutreten. Diese Auffassung wäre mit dem Schutzzweck der Bestimmung nicht in Einklang zu bringen. Die vom Kläger weiter zitierten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle 12 vom 8. Februar 2011 (Not 23/10) und des Oberlandesgerichts Schleswig vom 5. März 2007 (NJW 2007, 3651) greifen entgegen seiner Darstellung die Ausführungen von Armbrüster weder in der Formulierung noch dem Sinn nach auf.

Gerade auch in der vorliegenden Fallgestaltung kommt der Schutzzweck des Mitwirkungsverbots zum Tragen. Auch wenn der Kläger im Scheidungsverfahren noch nicht im Zusammenhang mit dem Zugewinnausgleich mandatiert war, war er jedoch - pflichtgemäß - einseitiger Interessenvertreter des Ehemanns. Bei objektiver Betrachtung bestand auch für eine vernünftige Partei die begründete Besorgnis, diese parteiliche Vorbefassung des Klägers werde bei der Beurkundung, die eine Regelung zu einer unmittelbaren Scheidungsfolge enthielt, noch fortwirken.

bb) Unbehelflich für den Rechtsstandpunkt des Klägers ist das von ihm vorgelegte Schreiben der Notarkammer Celle vom 5. August 2008. Dieses betraf einen nicht vergleichbaren Sachverhalt. Wie der Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 20. April 2004 (1 S 30/04, juris) zu entnehmen ist, lag der Stellungnahme der Notarkammer die Fallgestaltung zu Grunde, dass ein Anwaltsnotar zunächst einen Grundstücksübertragungsvertrag beurkundet hatte und sodann als Anwalt in einem Scheidungsverfahren tätig wurde. Die spätere anwaltliche Tätigkeit begründet - ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - nicht (ex post) den Anschein, der Notar sei bei der (vorangegangenen) Beurkundung nicht unabhängig und unparteilich gewesen.

b) Da die Fallgestaltung, die dem vorerwähnten Schreiben der Notarkammer - die im Übrigen in der vorliegenden Sache den Rechtsstandpunkt des Beklagten teilt - zugrunde lag, von dem hier zu beurteilenden Sachverhalt er-13 sichtlich abweicht, entfällt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht der Fahrlässigkeitsvorwurf.

c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen, abweichend von der Auffassung des Klägers, auch nicht im Hinblick auf die vom Beklagten verhängte und von der Vorinstanz bestätigte Sanktion.

Auch unter Berücksichtigung dessen, dass dem Kläger lediglich Fahrlässigkeit zur Last fällt und er disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, scheidet ein bloßer Verweis (§ 97 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. BNotO), der die mildeste Ahndung eines Dienstvergehens darstellt, als Disziplinarmaßnahme aus. Vielmehr war die Verhängung einer Geldbuße angemessen und insbesondere auch verhältnismäßig. Ein Verstoß gegen Mitwirkungsverbote, wie er dem Kläger zur Last fällt, zählt als solcher schon zu den gewichtigen Pflichtwidrigkeiten eines Notars, der ganz erhebliche Konsequenzen erlaubt und auch erforderlich macht (Senat, Beschluss vom 22. März 2004 - NotZ 26/03, BGHZ 158, 310, 315). Beurkundungsverbote haben als zentralen Zweck, das Ansehen des Notaramts in den Augen der Bevölkerung zu schützen. Der Notar ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer aller Beteiligten. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind die wichtigsten Prinzipien des notariellen Berufsrechts und rechtfertigen überhaupt erst das Vertrauen, das dem Notar entgegengebracht wird; sie bilden mithin das Fundament des Notarberufs (Senat aaO, S. 316 f.). Der Gesetzgeber hat deshalb in § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO die Amtspflicht des Notars festgeschrieben, jedes Verhalten zu vermeiden, das auch nur den Anschein eines Verstoßes gegen die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erzeugt, insbesondere den Anschein der Abhängigkeit und der Parteilichkeit. Das sich hieraus ergebende Gewicht der Mitwirkungsverbote des § 3 Abs. 1 BeurkG spiegelt sich 16 auch in § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO wieder. Danach führen wiederholte grobe Verstöße eines Notars gegen die Verbote des § 3 Abs. 1 BeurkG zwingend zur Amtsenthebung, wobei hierfür noch nicht einmal ein erheblicher Schuldvorwurf erforderlich ist (Senat aaO, S. 317).

Auch die Bemessung der dem Kläger auferlegten Geldbuße ist nicht zu beanstanden. Nach § 97 Abs. 4 Satz 1 BNotO kann die Geldbuße bis zu 50.000 € betragen. Den Kläger trifft ein schon schwerwiegenderer Fahrlässigkeitsvorwurf, da die anwaltliche Vorbefassung in einem Scheidungsverfahren einen typischen und offensichtlichen Anwendungsfall des Mitwirkungsverbots des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BeurkG für die Beurkundung von Verträgen, die Scheidungsfolgen regeln, darstellt (vgl. z.B. Senat aaO, S. 314; OLG Schleswig, NJW 2007, 3651, 3652; Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/ DONot, 5. Aufl., § 3 Rn. 76; Eylmann in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., Rn. 47; Schäfer in Schippel/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 16 Rn. 47; Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 3 Rn. 114). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger durch das inkriminierte Urkundsgeschäft Gebühren wenigstens in Höhe von 324 € zugeflossen sind (zwei Gebühren gemäß § 36 Abs. 2 KostO bei einem in der Urkunde angegebenen Geschäftswert von 70.000 €), die er bei Beachtung des Mitwirkungsverbots nicht eingenommen hätte. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des dem Beklagten zur Verfügung stehenden Sanktionsrahmens ist die Geldbuße von 750 € maßvoll und insbesondere verhältnismäßig.

2. Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG und § 105 BNotO besteht entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind - zu seinem 18 Nachteil - geklärt. Ihre Lösung ist ohne weiteres aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur abzuleiten.

Galke Herrmann Wöstmann Strzyz Frank Vorinstanz:

OLG Celle, Entscheidung vom 14.06.2012 - Not 1/12 -