BGH, Urteil vom 22.11.2012 - IX ZR 142/11
Fundstelle
openJur 2012, 132048
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 104.623,53 € nebst Zinsen verurteilt wurde.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. Juni 2010 dahin abgeändert, dass die Klage auf Zahlung in Höhe von weiteren 36.857,89 € abgewiesen wird.

Im Übrigen wird die Sache, auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Verwalterin in dem am 19. Oktober 2005 über das Vermögen der C. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.

Die Schuldnerin befand sich seit dem Jahre 2003 in finanziellen Schwierigkeiten. Wegen Steuerrückständen in erheblicher Höhe erließ das Finanzamt nachfolgend: Finanzamt) am 4. August 2004 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über ein von der Schuldnerin bei der P. AG (nachfolgend: P. ) unterhaltenes Konto. Von diesem Konto wurde am 6. August 2004 ein Betrag von 20.000 € und am 10. August 2004 ein Betrag von 9.857,89 € an das beklagte Land überwiesen. Mit Schreiben vom 12. August 2004 schränkte das Finanzamt die Pfändungs- und Einziehungsverfügung dahin ein, dass die P. ermächtigt war, von dem Konto Zahlungen unmittelbar an die Schuldnerin zu leisten. Im Zeitraum bis zum 14. Dezember 2004 kam es zu weiteren Banküberweisungen der Schuldnerin an den Beklagten, die einen von der Klägerin mit 152.117,95 € bezifferten Gesamtbetrag ergeben.

Das Landgericht hat die auf Erstattung dieser Gelder gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das Oberlandesgericht den Beklagten, der die empfangenen Gelder teilweise zurückgewährt hatte, zur Zahlung von weiteren 146.671,22 € verurteilt. Mit der von dem Senat teilweise zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte, die Klage in Höhe eines Betrages von 42.047,69 € abzuweisen.

Gründe

Die Revision hat im Umfang ihrer Zulassung Erfolg. Sie führt überwiegend zur Abweisung der Klage und im Übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 2 I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, im Blick auf die Zahlungen vom 6. und 10. August 2004 über insgesamt 29.857,89 € liege infolge der von ihr veranlassten Überweisungen jeweils eine Rechtshandlung der Schuldnerin vor. Da es sich um Überweisungen aus einem Guthaben handele, sei eine Gläubigerbenachteiligung gegeben. Rückgewähransprüche der Klägerin für Zahlungen am 6. und 8. Oktober 2004 bestünden nicht, weil der Beklagte die Erstattung dieser Beträge in substantiierter Form vorgetragen habe.

II.

Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht Stand.

1. Die auf § 133 Abs. 1 InsO gestützte Anfechtung der von der Schuldnerin am 6. und 10. August 2004 bewirkten Überweisungen in Höhe von 29.857,89 € ist unbegründet, weil der Beklagte bereits zuvor an dem Kontoguthaben ein unanfechtbares Absonderungsrecht (§ 50 Abs. 1 InsO) erlangt hatte.

a) Die Überweisungen stellen Rechtshandlungen der Schuldnerin dar.

Die Vorschrift des § 133 Abs. 1 InsO setzt als Rechtshandlung ein willensgeleitetes, verantwortungsgesteuertes Handeln des Schuldners voraus. Der Schuldner muss darüber entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt oder verweigert. Eine von dem Schuldner bewirkte Überweisung bildet eine Rechtshandlung, auch wenn zuvor zugunsten des Zahlungsempfängers Ansprüche auf 5 Auszahlung gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 179/08, WM 2011, 1343 Rn. 10). So verhält es sich im Streitfall.

b) Im Hinblick auf die bereits am 4. August 2004 seitens des beklagten Landes erwirkte Pfändung des Kontoguthabens fehlt es indessen an einer Gläubigerbenachteiligung. Diese Pfändung selbst unterliegt als Rechtshandlung des Anfechtungsgegners nicht der auf Rechtshandlungen des Schuldners beschränkten Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO).

aa) Der Insolvenzanfechtung sind gemäß § 129 Abs. 1 InsO nur Rechtshandlungen unterworfen, welche die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligen. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - IX ZR 74/09, WM 2011, 2293 Rn. 6).

bb) Eine solche Benachteiligung ist gegeben, wenn der Schuldner nach Aussetzung der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Finanzverwaltung über das gepfändete Konto verfügt. Die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung bewirkt, dass der materielle Regelungsgehalt der Pfändungsverfügung bis auf weiteres nicht mehr verwirklicht werden kann und rechtliche und tatsächliche Folgerungen aus der Pfändungsverfügung nicht mehr gezogen werden dürfen. Für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung der Pfändungsverfügung sind das Zahlungsverbot für den 10 Drittschuldner und das Verfügungsverbot für den Vollstreckungsschuldner unbeachtlich. Solange die Aussetzung der Vollziehung wirkt, kann der Schuldner wieder über das Kontoguthaben verfügen (BGH, Urteil vom 20. November 2008 - IX ZR 130/07, WM 2009, 129 Rn. 10). Eine Verfügung des Schuldners nach Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung liegt im Streitfall nicht vor. Tatsächlich wurden die Zahlungen am 6. und 10. August 2004 vorgenommen, als die erst am 12. August 2004 aufgehobene Pfändungsverfügung noch wirksam war.

cc) Angesichts der Zahlung aus dem gepfändeten Guthaben scheidet eine Gläubigerbenachteiligung aus, weil das beklagte Land zur abgesonderten Befriedigung berechtigt war. Das von der Beklagten im Wege der Forderungspfändung erlangte Pfandrecht ist nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil sein Erwerb nicht auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruht.

(1) Die Anfechtung einer Befriedigung ist nicht erfolgversprechend, wenn die Pfändung und Überweisung wirksam und insolvenzbeständig sind. Denn in diesem Falle wird die Gläubigergesamtheit durch die Erlangung der Befriedigung nicht benachteiligt. Der Pfändungspfandgläubiger erhält dadurch nur das, was ihm bereits aufgrund des Pfändungspfandrechts zusteht (BGH, Urteil vom 21. März 2000 - IX ZR 138/99, WM 2000, 1071, 1072). An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn der Anfechtungsgegner aufgrund eines Pfändungspfandrechts zur abgesonderten Befriedigung (§ 50 Abs. 1 InsO) aus dem überwiesenen Guthaben bei der Drittschuldnerin berechtigt war. Hat der Gläubiger ein anfechtungsfestes Pfandrecht erworben, so braucht er davon gedeckte Zahlungen nicht zurückzugewähren, weil sie die Gläubiger nicht benachteiligen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 - IX ZR 157/06, WM 2008, 168 Rn. 9).

(2) Im Streitfall ist das von der Beklagten im Wege der Forderungspfändung erwirkte Pfändungspfandrecht nicht selbständig anfechtbar. Die Anträge, die zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben, sind nach dem eigenen Vortrag der Klägerin erst ab April 2005 gestellt worden. Da die Forderungspfändung bereits am 4. August 2004 erfolgte, war die Frist der §§ 130, 131 InsO bis zur Antragstellung längst abgelaufen. Die zeitlich alleine noch in Betracht kommende Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO scheitert am Erfordernis einer Rechtshandlung des Schuldners. Zwangsvollstreckungshandlungen des Gläubigers sind ohne eine vorsätzliche Rechtshandlung oder eine ihr gleichstehende Unterlassung des Schuldners - woran es vorliegend ersichtlich fehlt - nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar (BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 ff, 154; vom 23. März 2006 - IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 Rn. 7).

2. Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerhaft (§ 286 ZPO) auf die Klageforderung bewirkte Zahlungen der Beklagten in Höhe von insgesamt 7.000 € nicht berücksichtigt.

Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend - wie auch die Klägerin einräumt - eine Erstattung der von der Schuldnerin am 6. und 8. Oktober 2004 in Höhe von 2.000 € und 5.000 € bewirkten Zahlungen durch den Beklagten in den Entscheidungsgründen erwähnt, es jedoch versäumt, in der Urteilsformel eine entsprechende Reduzierung der Klageforderung vorzunehmen. Die gebotene Kürzung ist auf die auch insoweit begründete Revision durchzuführen.

3. Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht entgegen § 286 ZPO weiteren erheblichen Sachvortrag des Beklagten außer Acht gelassen hat. 15 Das beklagte Land hat sich darauf berufen, auch die Zahlung der Schuldnerin vom 30. September 2004 über 5.000 € erstattet zu haben. Dieses Vorbringen hat es in der Berufungserwiderung wiederholt. Da das Berufungsgericht darauf nicht eingeht, besteht die nicht ausschließbare Möglichkeit, dass die Klageforderung um weitere 5.000 € zu vermindern ist.

Schließlich hat der Beklagte im Blick auf den außerdem angefochtenen Betrag in Höhe von 355,40 € substantiiert bestritten, eine Zahlung von mehr als 165,60 € erhalten zu haben. Dieses Bestreiten in Höhe von 189,80 € war erheblich, weil es Sache der Klägerin als Insolvenzverwalterin ist, den Eingang der angefochtenen Zahlungen bei dem Beklagten nachzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 - IX ZR 33/07, WM 2008, 413 Rn. 16; vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 79/07, WM 2009, 615 Rn. 8). Auch insoweit besteht die Möglichkeit einer Reduzierung der Klageforderung.

III.

Die Revision führt im Rahmen ihrer Zulassung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Klage ist bezüglich eines Betrages in Höhe von 36.857,89 € (29.857,89 € plus 7.000 €) abzuweisen, weil die Sache insoweit keiner weiteren Feststellungen bedarf und zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Im Blick auf die von dem Beklagten behauptete weitere Zahlung von 5.000 € und sein Bestreiten, über die Zahlung von 165,40 € einen weiteren Betrag von 189,80 € erhalten zu haben, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es insoweit wegen des 19 gegensätzlichen Sachvortrags der Parteien einer weiteren tatsächlichen Klärung bedarf.

Kayser Raebel Gehrlein Grupp Möhring Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 11.06.2010 - 2-4 O 221/09 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 31.08.2011 - 3 U 166/10 -