OLG Koblenz, Beschluss vom 17.04.2012 - 7 UF 154/12
Fundstelle
openJur 2012, 135194
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Kreuznach vom 19. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Beschwerdewert wird auf 2.952,90 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Der Antragsteller begehrt mit dem am 01.06.2011 bei Gericht eingegangenen Antrag die Aussetzung der Kürzung seiner laufenden Versorgungsbezüge.

Durch Urteil des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 19.8.2008, rechtskräftig seit dem 07.10.2008, wurde die Ehe der Beteiligten zu 1) und 2) geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde entsprechend den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses geregelt.

Zuvor hatte sich der Antragsteller in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, an die Beteiligte zu 2) bis zu seinem 60. Lebensjahr einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 300,00 €, danach einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 150,00 €, befristet bis zum erstmaligen Rentenbezug der Beteiligten zu 2), zu zahlen. Weiter ist in dem Vergleich vereinbart worden, dass die gesetzlichen Abänderungsmöglichkeiten mit Ausnahme von Änderungen des Erwerbseinkommens, sowohl bei der Antragstellerin (Beteiligte zu 2) als auch bei dem Antragsgegner (Antragsteller im vorliegenden Verfahren), gelten.

Der Antragsteller bezieht seit dem 01.11.2011 eine infolge des durchgeführten Versorgungsausgleichs um 15,2774 Entgeltpunkte gekürzte Rente.

Nach den erstinstanzlich getroffenen und nicht angegriffenen Feststellungen beträgt das Nettoeinkommen des Antragstellers unter Berücksichtigung der gekürzten gesetzlichen Rente zumindest 3.833,87 €. Das Erwerbseinkommen der Beteiligten zu 2) beträgt 1.688,00 €.

Der Antragsteller hat beantragt, die Kürzung der laufenden Versorgung auszusetzen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben keinen Antrag gestellt.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers abgewiesen mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 VersAusglG seien nicht gegeben. Danach werde die Kürzung der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt, so lange die ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Versorgung erhalten könne und sie gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung des Versorgungsausgleichs einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch habe. Die Anpassung setze damit voraus, dass die Kürzung der Versorgung einen ansonsten bestehenden Unterhaltsanspruch der ausgleichsberechtigten Person beeinträchtige, dieser also infolge der Kürzung entfalle oder sich zumindest verringere. Die vom Versorgungsträger vorgenommene Kürzung müsse daher kausal für den Wegfall oder die Verringerung des Unterhalts sein. Der Anpassungsfall entfalle, wenn der Verpflichtete den geschuldeten Unterhalt unabhängig von der vorgenommenen Kürzung in voller Höhe erfüllen könne.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er weiterhin die Aussetzung der Kürzung seiner von der weiteren Beteiligten zu 3) bezogenen laufenden Versorgung begehrt.

Die Auslegung des Gerichts gehe über den Wortlaut der Norm weit hinaus. Eine Kausalität sei nicht zu fordern. Ausreichend sei vielmehr allein die Zahlung von Unterhalt. Er verweist auf die Entscheidungen des OLG Frankfurt, FamRZ 2011, 1595, und des OLG Karlsruhe vom 07.11.2011, 2 UF 227/10, recherchiert in juris.

Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses vom 19.01.2012 die Kürzung der laufenden Versorgung des Antragstellers gemäß §§ 33, 34 VersAusglG auszusetzen.

Die weiteren Beteiligten zu 2) und 3) stellen keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Die gemäß §§ 58, 63, 64, 228 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet hierüber ohne mündliche Verhandlung, nachdem alle Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben und es einer weiteren Erörterung der Sache nicht bedarf (§ 68 Ab. 3 FamFG).

Das Amtsgericht hat den Antrag zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, eine Aussetzung der Kürzung komme nicht in Betracht, weil der Unterhaltsanspruch in gleicher Höhe unabhängig von einer Kürzung bestehe.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine davon abweichende Entscheidung.

Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 VersAusglG liegen nicht vor.

Danach wird die Kürzung der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt, so lange die ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte.

Der Antragsteller bezieht zwar seit dem 01.11.2011 eine nach dem Versorgungsausgleich gekürzte Rente von der weiteren Beteiligten zu 3), also aus einem nach § 32 Nr. 1 VersAusglG anpassungsfähigen Anrecht. Ebenso bezieht die weitere Beteiligte zu 2) aus dem übertragenen Anrecht noch keine Versorgung und kann auch eine solche mangels Erreichen der Regelaltersgrenze gegenwärtig nicht beziehen.

Der Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, da trotz der vorgenommenen Rentenkürzung infolge des Versorgungsausgleichs noch ein Unterhaltsanspruch in gleicher Höhe besteht, die Kürzung also keine Auswirkungen auf die Höhe des gesetzlich geschuldeten Unterhalts hat.

Die Beteiligte zu 2) hat gegen die ausgleichspflichtige Person, den Antragsteller, auch ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch in gleicher Höhe, nämlich in Höhe der gerichtlich vereinbarten und titulierten 150 €.

Ob eine Anpassung nach § 33 VersAusglG auch erfolgen kann, wenn der Ausgleichspflichtige den Unterhalt auch nach erfolgter Kürzung zahlen kann, ist umstritten. Nach einer in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung (Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Auflage, Rn 951; Borth, Versorgungsausgleich, 6. Auflage, Rn 964; Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 33 VersAusglG, Rn 5; MünchKomm/Gräper, BGB, 5. Aufl., § 33 VersAusglG Rn 13) kommt eine Anpassung in Abweichung von der früheren Rechtslage jedenfalls dann nicht (mehr) in Betracht, wenn der Unterhaltsanspruch in voller Höhe unabhängig von der Kürzung besteht. Nach anderer, überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.11.2011, 2 UF 227/10, rech. in juris; OLG Frankfurt, FamRZ 2011, 1595 ff; Bergner, Das Unterhaltsprivileg der §§ 33, 34 VersAusglG, NJW 2010, 3545) reicht allein das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs aus, unabhängig davon, ob eine Anpassung - Kürzung - der Rente Auswirkungen auf dessen Höhe hat (weitere Nachweise vgl. OLG Frankfurt, a.a.O).

Der Senat folgt der erstgenannten Auffassung jedenfalls in den Fällen, in denen der Verpflichtete den gesetzlich geschuldeten Unterhalt unabhängig von der vorgenommenen Kürzung voll erfüllen kann.

Ob eine Anpassung auch in den Fällen ausscheidet, in denen sich der Unterhaltsanspruch des Berechtigten infolge der gekürzten Versorgungsbezüge lediglich verringert, was aufgrund des reduzierten gemeinsamen Bedarfs und des geringeren Einkommens der Pflichtigen regelmäßig der Fall sein wird, da der Unterhaltsanspruch dann nicht mehr in voller Höhe besteht, bedarf hier keiner Entscheidung.

Für den hier zu entscheidenden Fall folgt dies jedenfalls aus der nach Auffassung des Senats eindeutigen Fassung des Wortlaut des Gesetzes, der entgegen der vom OLG Karlsruhe und OLG Frankfurt vertretenen Auffassung jedenfalls in Fällen wie dem hier zu entscheidenden keiner verfassungskonformen Einschränkung bedarf. Entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe und ihm folgend des Antragstellers ist der Gesetzeswortlaut eindeutig, wenn gefordert wird, dass die ausgleichsberechtigte Person gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte. Danach ist erforderlich, dass sich die Kürzung der Rente auf die Höhe des gesetzlich geschuldeten Unterhalts, wenn auch nur teilweise in Bezug auf dessen Höhe, auswirkt (so auch Borth, Versorgungsausgleich, 6. Aufl., Rn. 964 f.).

Dabei mag es durchaus ausreichend sein, dass sich der gesetzliche Unterhaltsanspruch infolge der Rentenkürzung auch nur zum Teil verringert. Dies wird auch regelmäßig der Fall sein, weil der Unterhaltsanspruch maßgeblich von den eheprägenden Einkommensverhältnissen des Verpflichteten, wozu grundsätzlich auch die gesetzlichen Versorgungen zählen, beeinflusst wird. Derartige Fallgestaltungen lagen auch den Entscheidungen des OLG Karlsruhe und des OLG Frankfurt zugrunde.

In dem hier zu entscheidenden Fall wird der Unterhaltsanspruch in Abweichung der vorgenannten Fälle nicht von der Höhe der Einkommen der geschiedenen Ehegatten bestimmt. Denn der Antragsteller hat mit der weiteren Beteiligten zu 2) in dem gerichtlich protokollierten Vergleich vom 19.08.2008 zulässigerweise vereinbart, dass der ab dem 01.11.2011 zu zahlende Unterhalt 150,00 € beträgt. Eine gesetzliche Abänderungsmöglichkeit für den Fall der Änderung des Erwerbseinkommens haben die Beteiligten zulässigerweise ausdrücklich ausgeschlossen.

Aufgrund der Vereinbarung beträgt der gesetzlich geschuldete Unterhalt demzufolge für die Zeit ab 01.11.2011 monatlich 150,00 €. Denn ein vollstreckbarer Unterhaltstitel konkretisiert den gesetzlich geschuldeten Unterhalt jedenfalls dann, wenn eine Abänderung nach den gesetzlichen Vorschriften nicht in Betracht kommt (OLG Hamm, FamRZ 2011, 815; OLG Frankfurt, FamRZ 11, 1596; Borth, a.a.0., Rn. 972). Die sich aus §§ 238, 239 FamFG ergebende Bindung nimmt unmittelbar Einfluss auf den Begriff des gesetzlichen Unterhalts, der nicht losgelöst von den bestehenden Festsetzungen verstanden werden kann.

Dies folgt auch aus dem Regelungszweck des § 33 VersAusglG, der es dem Unterhaltspflichtigen ermöglichen soll, den rechtlich geschuldeten Unterhalt zu leisten. Nur soweit ein Unterhaltstitel einer Abänderung nach §§ 238, 239 FamFG zugänglich ist, ist dieser im Rahmen des § 33 VersAusglG zu modifizieren (Borth, a.a.O.). Kommt eine Abänderung des Unterhaltstitels demgegenüber nicht in Betracht, entspricht der vergleichsweise geschuldete Unterhalt dem gesetzlich geschuldeten.

Würde man den Begriff des gesetzlichen Unterhalts losgelöst von den Abänderungsvoraussetzungen der §§ 238, 239 FamFG definieren, hätte dies zur Konsequenz, dass zwar einerseits ein titulierter, nicht abänderbarer Unterhalt in Höhe von lediglich 150,00 € geschuldet würde, die Anpassung jedoch in Höhe des Kürzungsbetrages zu erfolgen hätte, da rein rechnerisch, ohne die die Beteiligten bindende, vergleichsweise Vereinbarung ein darüber hinausgehender Unterhaltsanspruch gegeben wäre.

Entgegen der gegenteiligen Auffassung führt dies nicht zu einer Doppelbelastung des Antragstellers, da dieser ohne weiteres in der Lage ist, aus seinen sonstigen Einkünften den geschuldeten Unterhalt zu zahlen. Zudem ist offensichtlich die Minderung seiner Einkünfte im Hinblick auf die anstehende Verrentung in dem am 19.08.2008 abgeschlossenen Vergleich durch die Herabsetzung des vereinbarten Unterhalts berücksichtigt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Entscheidung über den Beschwerdewert auf § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde war nach § 70 Abs. 2 FamFG zuzulassen, da der Frage, ob die Aussetzung der Kürzung nach § 33 Abs. 1 VersAusglG ausscheidet, wenn die Kürzung der Rente keinen Einfluss auf die Höhe des geschuldeten Unterhalts hat, grundsätzliche Bedeutung zukommt.