OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.11.2012 - 13 UF 128/12
Fundstelle
openJur 2012, 131684
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen (Ems) vom 24. Oktober 2012 geändert und für das minderjährige Kind M … L …, geb. am ………………, eine Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis „Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren“ angeordnet. Zum Pfleger wird das Jugendamt des Landkreises Emsland bestellt.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 ist das eheliche Kind der Beteiligten zu 2 und 3. Deren Ehe wurde am 05.01.2012 durch das Amtsgericht Lingen rechtskräftig geschieden (- 23 F 110/12 -). Das Sorgerecht für das Kind üben die Eltern weiterhin gemeinsam aus.

In dem Verfahren zur Geschäftsnummer …………. des Amtsgerichts Lingen begehrt der Beteiligte zu 2 die Feststellung, dass er nicht der Vater des Kindes M… L ….. ist. Seinen Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft zur Vertretung des beteiligten Kindes im Abstammungsverfahren hat der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts durch den angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.03.2012 (- XII ZB 510/10 -, FamRZ 2012, 859 ff.) mit der Begründung abgewiesen, die Mutter des Kindes sei im Abstammungsverfahren nur dann von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen, wenn sie mit dem anfechtenden Kindesvater verheiratet sei. Da die Eltern M…. rechtskräftig geschieden seien, bedürfe es der Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht. Der Antragsteller hält die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht für einschlägig. Entscheidend sei, dass die Eltern die gemeinsame Sorge innehätten. Eine Alleinvertretung durch die Mutter sei deshalb nicht möglich.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 11 RPflG, 58 ff. FamFG zulässig. Bei der angefochtenen Entscheidung des Rechtspflegers handelt es sich um eine Endentscheidung in einer Kindschaftssache nach § 151 Nr. 5 FamFG.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Kindesmutter ist gemeinsam mit dem Kindesvater sorgeberechtigt und daher daran gehindert, das Kind im Abstammungsverfahren allein zu vertreten.

Nach Inkrafttreten des FamFG und der damit verbundenen Herauslösung der statusrechtlichen Verfahren aus der ZPO war die Erforderlichkeit einer Pflegerbestellung für das Kind streitig geworden. Zum einen wurde die Auffassung vertreten, dass Abstammungssachen nunmehr keinen - kontradiktorischen - Rechtsstreit im Sinne von § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB darstellten und die Eltern daher nicht länger von einer Vertretung ausgeschlossen seien (vgl. Helms/Balzer ZKJ 2009, 348 ff.). Andere sprachen sich für eine erweiternde Auslegung des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB dahingehend aus, dass nach dem Rechtsgedanken der §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB eine Vertretung der Eltern sowohl im Feststellungs- als auch im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen sei (vgl. MünchKomm FamFG/Coester-Waltjen/Hilbig, 3. Aufl., § 172 Rn. 33 ff.). Nach einer dritten Ansicht waren die unter altem Recht entwickelten Grundsätze unverändert geblieben, weil sich durch die Umgestaltung des Verfahrensrechts an der materiellrechtlichen Vertretungsbefugnis der Eltern nichts geändert habe (vgl. MünchKomm BGB/Wagenitz § 1795 Rn. 34 und MünchKomm BGB/Wellenhofer § 1600a Rn. 9 ff.). Der Bundesgerichtshof hat den Streit im Sinne der letztgenannten Auffassung entschieden (Beschluss vom 21.03.2012, - XII ZB 510/10, zitiert nach juris). Den Änderungen im Verfahrensrecht habe der Gesetzgeber keine Ausstrahlung auf die gesetzliche Vertretung zugedacht (BGH a.a.O., Rn. 13). Der in §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke sei für den Ausschluss des rechtlichen Vaters von der Vertretungsbefugnis weiter anzuwenden. Der Vater könne nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes sein, wenn das Verfahren auf Beseitigung des zwischen ihm und dem Kind bestehenden Statusverhältnisses gerichtet sei (BGH a.a.O. Rn. 12). Auch die Kindesmutter sei entsprechend § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, wenn sie - wie in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalt - mit dem Kindesvater verheiratet sei (BGH a.a.O. Rn. 21).

Aus dieser Entscheidung kann entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht der Schluss gezogen werden, die Kindesmutter sei nur dann von der Vertretung im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen, wenn sie mit dem Kindesvater verheiratet ist.

Der Ausschluss der Kindesmutter ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem gemeinsamen Sorgerecht. Gemeinsam sorgeberechtigte Eltern vertreten das Kind nach § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB gemeinschaftlich. Der Grundsatz der Gesamtvertretung bedeutet, dass nur beide Eltern befugt sind, das Kind zu vertreten (vgl. MünchKomm BGB/Huber § 1629 Rn 11). Entfällt die Vertretungsbefugnis eines Elternteils nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB, so wächst dem anderen nicht etwa ein Alleinvertretungsrecht zu. Dieser ist vielmehr ebenfalls von der Vertretung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob auch in seiner Person ein Ausschlussgrund im Sinne von § 1795 BGB vorliegt oder nicht (BGH NJW 1972, 1708 ff). Gemäß § 1795 Abs. 1 BGB sind zwar nur verheiratete Eltern ausgeschlossen. Bei der Entstehung des § 1795 BGB gab es jedoch noch kein gemeinsames Sorgerecht nach der Scheidung oder bei nichtehelich geborenen Kindern, so dass seinerzeit für diese Fälle keine gesetzliche Regelung erforderlich war (vgl. Wolf, NJW 2005, 2417, 2421). Allen Konstellationen gemeinsamer elterlicher Sorge ist aber die gleiche Konfliktlage gemein. Das Kind wäre rechtlich vertreten von einem Elternteil, der mit dem kraft Gesetzes ausgeschlossenen Elternteil gemeinsam sorgeberechtigt ist. Daher war § 1795 Abs. 1 BGB erweiternd auszulegen. Die gemeinsam sorgeberechtigte Mutter war auch nach der Scheidung nach der bislang herrschenden Meinung von der gesetzlichen Vertretung des Kindes ausgeschlossen (vgl. MünchKomm BGB/Wellenhofer § 1600a Rn. 10; Beck-OK BGB/Veit § 1629 Rn. 20; Wolf NJW 2005, a.a.O.).

An dieser Rechtslage hat sich nach Auffassung des Senats auch durch die Einführung des FamFG nichts geändert. Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21.03.2012 hervorgehoben hat, hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Verfahrens die gesetzliche Vertretung in Abstammungssachen nicht geändert. Aus der Neuregelung des Verfahrens könnten sich nur in solchen Fällen Änderungen ergeben, in denen die gesetzliche Vertretung durch die sorgeberechtigten Eltern und deren Ausschluss nach der Rechtslage vor dem 1. September 2009 maßgeblich von den Besonderheiten des früheren Verfahrensrechts abhingen (BGH a.a.O., Rn. 11). Dies ist für den Ausschluss der Kindesmutter von der Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren des mitsorgeberechtigten anderen Elternteils nicht der Fall. Dass die Kindesmutter das Kind nicht allein vertreten kann, beruht allein auf Gründen des materiellen Rechts. Durch die Änderung der Verfahrensordnung hat sich an dem abstrakten Interessengegensatz zwischen Kind und anfechtendem Elternteil sowie des mit diesem das Sorgerecht gemeinsam ausübenden anderen Elternteil, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind, nichts geändert. Der nach bisherigem Recht gegebene Vertretungsausschluss der Kindesmutter bei gemeinsamer Sorge wird in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.03.2012 zwar nicht erwähnt. Daraus ergibt sich aber nicht, dass Zweifel an der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage bestehen (vgl. Zorn RPflStud 2012, 129, 131). Da die Eltern in dem vom BGH entschiedenen Fall miteinander verheiratet waren, kam es auf die Frage einer erweiternden Auslegung des § 1795 Abs. 1 BGB auf gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nach der Scheidung nicht an.

Es war daher für das Abstammungsverfahren eine Ergänzungspflegschaft anzuordnen und für das betroffene Kind ein Pfleger zu bestellen. Der Senat hat dabei das Jugendamt ausgewählt, das sich bereits gegenüber dem Amtsgericht zur Übernahme des Amts bereit erklärt hat.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 81 Abs. 2 FamFG. Die Wertfestsetzung folgt aus den §§ 40, 46 Abs. 2 FamFG.