VG Karlsruhe, Urteil vom 20.04.2004 - 4 K 4638/02
Fundstelle
openJur 2013, 13333
  • Rkr:
Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2002 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.12.2002 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans der ehemaligen Gemeinde Reichenbach „Ortszentrum“ zur Errichtung einer Mobilfunkanlage auf dem Grundstück Flst.Nr. 3472 der Gemarkung Busenbach, Waldring 1a in Waldbronn zu erteilen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zum Zwecke der Errichtung einer Mobilfunkanlage.

Sie betreibt im Bundesgebiet das digitale Mobilfunknetz XX, das über Land sog. Funkbasisstationen benötigt, und beabsichtigt, auf dem Dach eines auf dem Grundstück Flst.Nr. 3472, Waldring 1a in Waldbronn errichteten viergeschossigen Altenwohnstifts eine derartige Funkbasisstation zu errichten. Die Anlage auf dem 11,69 m hohen Flachdach des Gebäudes soll einen ca. 9 m hohen Antennenträger aufweisen, an welchem insgesamt 4 Mobilfunkantennen sowie eine Richtfunkantenne vorgesehen sind. Zu der Anlage rechnen noch drei auf einem gemeinsamen Träger angebrachte Systemschränke, die jeweils etwa 1,5 m³ umfassen. Auf demselben Dach ist bereits eine Mobilfunkbasisstation mit Systemtechnik des Mobilfunkbetreibers XXX erstellt, deren Antennenträger eine Höhe von ca. 7,50 m aufweist.

Das Grundstück Flst.Nr. 3472 wird von dem Bebauungsplan der früheren selbständigen Gemeinde Reichenbach „Ortszentrum“ aus dem Jahr 1975 umfasst, der u.a. für das Grundstück und die weiteren, südlich an den Waldring angrenzenden Grundstücke ein Sondergebiet „Fremdenunterkünfte“ nach § 11 Abs. 2 BauNVO 1968 festsetzt. Nach den schriftlichen Festsetzungen sind in dem Gebiet „nur Gebäude zulässig, die dazu bestimmt sind, Fremde zu beherbergen, wie Sanatorien, Fremdenheime, Hotel Garni und ähnliche Einrichtungen. Von dieser Regelung ausgenommen sind Wohnungen der Inhaber und des Personals dieser Einrichtungen“.

Laut dem Protokoll der Eigentümerversammlung der Eigentümergemeinschaft des Grundstücks Waldring 1a vom 16.11.2000 haben die anwesenden Eigentümer mit einer Gegenstimme dafür gestimmt, den Verwalter zu ermächtigen, Miet- bzw. Pachtverträge mit Mobilfunkgesellschaften abzuschließen. Gegen diesen Beschluss wurde kein Rechtsmittel eingelegt.

Unter dem 13.08.2002 reichte die Klägerin beim Bürgermeisteramt der Beklagten für ihr Vorhaben einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ein, dem sie eine Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post    - Außenstelle Karlsruhe - vom 01.12.2000 beifügte. Danach wird für den Standort der geplanten Mobilfunkbasisstation ein Sicherheitsabstand von 10,39 m (ohne Winkeldämpfung) sowie von 2,11 m in vertikaler Richtung (mit Winkeldämpfung) festgelegt.

Nachdem der Bürgermeister der Beklagten das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben unter dem 14.08.2002 versagt hatte, lehnte das Bürgermeisteramt der Beklagten mit Bescheid vom 26.08.2002 den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung ab. Zur Begründung des Bescheids ist ausgeführt, dass es sich bei der Errichtung der Mobilfunkbasisstation um eine Nutzungsänderung handele, die mit den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans nicht vereinbar sei. Mit ihrer Errichtung erhalte das als Altenwohnstift genutzte Gebäude eine neue gewerbliche Nutzung.

Die Klägerin erhob am 03.09.2002 gegen die Entscheidung Widerspruch, den sie  damit begründete, dass selbst bei einer Einstufung des Vorhabens als Hauptanlage eine Befreiung von den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB zu erteilen sei. Zumindest würden Gründe des Allgemeinwohls die Erteilung einer Befreiung erfordern. Denn im Hinblick auf die Lizenzauflagen, die mit einer Mobilfunklizenz für das Betreiben des GSM- oder UMTS-Funknetzes verbunden seien, sei die Anlage erforderlich, um den Auflagen im Ortsbereich Reichenbach nachzukommen, wo bisher eine hinreichende Versorgung mit Mobilfunkdienstleistungen nicht gewährleistet sei. Es stehe außer Streit, dass eine funktionierende Mobilfunkversorgung einen wichtigen öffentlichen Belang darstelle und entsprechende Anlagen als Infrastruktureinrichtungen anerkannt seien. Da anderweitig eine Versorgung des Gebiets mit Mobilfunkleistungen im XX-Mobilfunknetz nicht hinreichend sicher gestellt werden könne, diene die geplante Anlage dem Wohl der Allgemeinheit. Die Gründe des Allgemeinwohls erforderten gerade die Erteilung einer Befreiung, weil Standortalternativen im Baugebiet nicht erkennbar seien. Die Anlage solle insbesondere das Ortszentrum und das Kurgebiet versorgen. Daneben sei eine Abweichung im vorliegenden Fall auch im Sinne von § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB städtebaulich vertretbar. Denn die Errichtung der Sendeanlage auf dem Gebäude des Altenwohnstifts ändere den Charakter des Gebäudes nicht in einer bauplanungsrechtlich relevanten Weise. Anders als eine herkömmliche gewerbliche Betätigung bringe die Anlage keine mit einem Gewerbebetrieb verbundene Beeinträchtigung mit sich. So bestehe nicht die Gefahr zusätzlichen Anlieger- oder Kundenverkehrs. Lärm- oder sonstige Emissionen seien nicht zu erwarten. Die Anlage halte auch die Grenzwerte der 26. BImSchV ein, so dass nach dem Stand der Wissenschaft und Forschung gesundheitliche Nachteile für die Bevölkerung ausgeschlossen seien. Grundzüge der Planung würden durch das Vorhaben nicht berührt. Vielmehr handele es sich um eine atypische gewerbliche Nutzung, die Infrastruktureinrichtungen gleichgestellt werden könne. Schließlich sei die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV nicht gegeben. Angesichts des Versorgungsauftrags, der mit der Anlage im Gemeindegebiet erfüllt werde, verdichte sich der nach § 31 Abs. 2 BauGB gegebene Ermessensspielraum der Gemeinde auf Null.

Mit Bescheid vom 06.12.2002 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Hierbei führte es aus, es fehle der Klägerin bereits an einem Sachbescheidungsinteresse, weil nicht sämtliche Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft der Errichtung einer Mobilfunkanlage zugestimmt hätten. Bei Wohnungseigentumsanlagen sei aber das Einverständnis aller Miteigentümer zur Aufstellung einer Mobilfunkanlage erforderlich. Wegen der bestehenden Ungewissheit über Gesundheitsgefahren durch Mobilfunksendeanlagen entstehe dem Wohnungseigentümer ein Nachteil im Sinne von § 14 WEG, den er nicht hinzunehmen habe, wenn eine Mobilfunkanlage ohne sein Einverständnis betrieben werde.

Abgesehen hiervon sei von der Beklagten das Einvernehmen zu einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu Recht versagt worden. So sei § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht einschlägig, weil diese Vorschrift ein verstärktes Bedürfnis für die Errichtung der baulichen Anlage gerade in dem Plangebiet voraussetze. Ein solches sei von der Klägerin aber weder dargelegt worden, noch könne es sonst festgestellt werden. Zwar verbessere die geplante Station die Feldstärke großräumig in wesentlichen Teilen des Gemeindegebiets. Es sei aber kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Anlage gerade am vorgesehenen Standort errichtet werden solle. So sei nicht dargelegt worden, dass mit der Anlage nicht auf einen Standort außerhalb des besonders sensiblen Kurgebiets ausgewichen werden könne. Daneben lägen auch die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB nicht vor. Hiernach könne eine Befreiung erteilt werden, wenn die Planabweichung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sei. Eine Befreiung sei aber nicht möglich, wenn ernsthaft eine neue planerische Abwägung angezeigt sei. Dass eine Mobilfunkbasisstation von vielen Menschen aufgrund ihrer möglichen gesundheitlichen Auswirkungen skeptisch betrachtet werde, sei eine vernünftige Überlegung, die ggf. in eine planerische Lenkung von Mobilfunkanlagen einbezogen werden könne. Dies gelte um so mehr, als in einer Vereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und den Mobilfunkbetreibern über den Informationsaustausch und die Beteiligung der Kommunen beim Ausbau der Mobilfunknetze vom 05.07.2001 vorgesehen sei, dass die Mobilfunkbetreiber die Verbände über ihre Pläne zum Bau neuer Sendeanlagen informieren und von den Kommunen vorgeschlagene Alternativstandorte für Sendeanlagen vorrangig und ergebnisoffen prüfen würden. Eine Bereitschaft hierzu habe bei der Klägerin aber gerade nicht bestanden.

Jedenfalls aber sei das Ermessen der Beklagten, eine Befreiung zu erteilen, nicht auf Null reduziert. Dass die Klägerin nicht dazu bereit gewesen sei, den Standort ihrer Anlage in Absprache mit der Gemeinde festzulegen und dass die Beklagte aufgrund vorhandener Ängste die Anlage nicht in einem Gebiet zulassen wolle, das vorrangig der Unterbringung von Kurgästen diene, seien beachtliche sachliche Gründe, das Ermessen bei der Befreiungsentscheidung nicht im Sinne der Klägerin auszuüben.

Die Klägerin hat am 19.12.2002 Klage erhoben, mit der sie zunächst die Aufhebung der ergangenen Bescheide und die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung beantragt hat. Sie trägt zur Begründung der Klage ergänzend vor, ihr komme sehr wohl ein Sachbescheidungsinteresse an der Erteilung der Baugenehmigung zu. Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 16.11.2000 sei wirksam, weil er nicht nach § 23 Abs. 4 S. 1 WEG vom Amtsgericht für ungültig erklärt worden sei, was nur binnen eines Monats nach Beschlussfassung beantragt werden könne. Ein entsprechender Antrag sei aber nicht gestellt worden.

Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig. Mobilfunkanlagen seien zur Erfüllung der öffentlichen Versorgungsaufgabe der Mobilfunkunternehmen notwendig. Die Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen habe gem. Art. 87 f Abs. 1 GG Verfassungsrang. Mit einer Errichtung an dem streitbezogenen Standort würden bestehende Versorgungslücken im Ortsteil Reichenbach der Beklagten geschlossen. Bei der Planung seien auch topographische Gegebenheiten zu berücksichtigen gewesen. Alternativstandorte seien nicht erreichbar gewesen, da Grundstückseigentümer am westlichen Rand der Bebauung von Reichenbach nicht bereit gewesen seien, einen entsprechenden Nutzungsvertrag abzuschließen. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums führe das Vorhaben auch nicht zu einer bauplanungsrechtlich relevanten Änderung der Nutzung des Baugebiets. Eine funktionierende Mobilfunkversorgung gehöre gerade in Fremdenverkehrsgebieten zur notwendigen Infrastruktur. Die Nutzung des Sondergebiets werde in keiner Weise beeinträchtigt. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne von § 1 Abs. 5 BauGB seien gewahrt. Die Anlage falle auch optisch nicht ins Gewicht. Sie sei nur unwesentlich höher als die bereits seit 1998 in Betrieb befindliche Mobilfunkanlage des Betreibers XXX auf dem selben Gebäude und weise lediglich eine Höhe von gut 7 m über Oberkante der Attika des Fahrstuhlschachts auf. Nur dieser Teil des Antennenträgers werde optisch als eigenständige bauliche Anlage wahrgenommen. Der Träger sei von schmaler Gestalt, er weise neben anderen Antennenanlagen und Parabolantennen im Baugebiet keine darüber hinaus gehende städtebauliche Bedeutung auf. Das Ermessen der Beklagten, eine Befreiung zu erteilen, sei nach allem auf Null reduziert. Die vom Regierungspräsidium angesprochene Vereinbarung mit dem kommunalen Spitzenverbänden vom 05.07.2001 begründe keine Rechtspflicht, Standorte für eine Mobilfunkanlage einvernehmlich mit der Gemeinde zu vereinbaren. Die Vereinbarung sei in dem vorliegenden Fall aber auch nicht verletzt worden, weil die Planungs- und Akquisitionsphase für den streitbezogenen Standort bereits vor Abschluss der Vereinbarung begonnen habe.

Nach Inkrafttreten der Änderung der Nr. 30 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO durch das Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung für Baden-Württemberg vom 29.10.2003 (GBl. S. 695) beantragt die Klägerin,

die Beklagte unter Aufhebung ihres entgegenstehenden Bescheids vom 26.08.2002 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.12.2002 zu verpflichten, ihr eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans der ehemaligen Gemeinde Reichenbach „Ortszentrum“ zur Errichtung einer Mobilfunkanlage auf dem Grundstück Flst. Nr. 3472 der Gemarkung Busenbach, Waldring 1a in Waldbronn zu erteilen;

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Befreiungsantrag zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, der Bauantrag sei wegen des fehlenden Sachbescheidungsinteresses der Klägerin unzulässig. Die beantragte Baugenehmigung wäre für die Klägerin nutzlos, da sie das Vorhaben aus zivilrechtlichen Gründen eindeutig und offenkundig nicht ausführen dürfe.

Das Vorhaben widerspreche aber auch bauplanungsrechtlichen Vorschriften. Es berühre die Grundzüge der städtebaulichen Planung. So umfasse der Bebauungsplan „Ortszentrum“ nicht nur das sich von West nach Ost erstreckende Kursondergebiet, sondern auch die nördlich, südlich und westlich gelegenen Wohngebiete. Für das Kursondergebiet und die angrenzenden Wohngebiete seien nach dem Bebauungsplan gehobene gestalterische Anforderungen vorgegeben, so etwa Grundstücksgrößen von über 1.000 m².  Entsprechend diesen Vorgaben sei ein Wohngebiet gehobenen Niveaus südlich des Kurgebiets entstanden. Die Wohngebiete bildeten zusammen mit dem Kurgebiet optisch und gestalterisch eine städtebauliche Einheit. Die insgesamt 9 m hohe Antennenanlage sei fast so hoch wie das Gebäude, auf dem sie errichtet werden solle. Als technische und gewerbliche Anlage stelle sie einen Fremdkörper dar, der aus der gestalterischen und städtebaulichen Harmonie des Kurgebiets und der angrenzenden Wohngebiete herausfalle. Die Anlage werde den Gesamteindruck des Gebietes nachhaltig beeinträchtigen und seinen Charakter verändern. Sie greife deshalb massiv in die Grundzüge der Planung ein. Hieraus ergebe sich, dass das Vorhaben auch gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB städtebaulich nicht vertretbar sei. Im Übrigen erforderten auch Gründe des Wohls der Allgemeinheit keine Erteilung einer Befreiung. Die Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen sei in Waldbronn gewährleistet; insbesondere sei nicht erforderlich, dass im Gemeindegebiet ein weiteres Telekommunikationsunternehmen die sog. Indoor-Versorgung anbieten könne. Dies sei vor allen Dingen dann nicht erforderlich, wenn die Bürger der Gemeinde Gesundheitsgefahren durch die Mobilfunktechnik befürchteten. Schließlich sei eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen der Bewohner der angrenzenden Wohngebiete mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar. Insbesondere würde die Antennenanlage die Wohnqualität der angrenzenden Wohngebiete erheblich beeinträchtigen.

In der mündlichen Verhandlung hat ein Mitarbeiter der Klägerin anhand der Ergebnisse einer vorgenommenen Versorgungsmessung den aus der Sicht der Klägerin bestehenden Bedarf zur Errichtung einer Mobilfunkbasisstation für den Bereich des Ortskerns des Ortsteils Reichenbach der Beklagten erläutert.

 

Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe (jeweils 1 Heft) sowie der Bebauungsplan der ehemaligen Gemeinde Reichenbach „Ortszentrum“ (einschließlich der zeichnerischen und schriftlichen Festsetzungen) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der gewechselten Schriftsätze und der Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die nach erfolgter Klageänderung nur noch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans der ehemaligen Gemeinde Reichenbach „Ortszentrum“ aus dem Jahr 1975 gerichtete Verpflichtungsklage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die erfolgte Klageänderung ist ihrerseits zulässig, nachdem sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat (§ 91 Abs. 2 VwGO). Sie ist auch nach der Einschätzung des Gerichts sachdienlich, weil das ursprünglich von der Klägerin anhängig gemachte Begehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung der von der Klägerin geplanten Mobilfunkanlage nach dem Inkrafttreten der Änderung der Nr. 30 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO durch das Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung für Baden-Württemberg vom 29.10.2003 (GBl. S. 695) nicht mehr sachdienlich ist. Nach dieser Bestimmung bedürfen Antennen einschließlich der Masten bis 10 m Höhe und zugehöriger Versorgungseinheiten bis 10 m3 Brutto-Rauminhalt sowie, soweit sie in, auf oder an einer bestehenden baulichen Anlage errichtet werden, die damit verbundene Nutzungsänderung oder bauliche Änderung der Anlage nicht mehr der Erteilung einer Baugenehmigung. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von der Klägerin geplante Mobilfunksendeanlage einschließlich der zugehörigen Versorgungseinheiten von dieser Bestimmung erfasst wird; Gegenteiliges ergibt sich für die Kammer auch nicht aus den zu dem Vorhaben gefertigten Bauvorlagen. Einer Baugenehmigung bedarf die Errichtung der Anlage daher nicht mehr, indes hat das Vorhaben der Klägerin ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu entsprechen (vgl. § 50 Abs. 5 LBO). Mangels seiner Übereinstimmung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans der ehemaligen Gemeinde Reichenbach „Ortszentrum“ zu der Art der baulichen Nutzung kann es nur unter der Voraussetzung der Erteilung einer Befreiung von dieser Festsetzung verwirklicht werden. Vor diesem Hintergrund ist es sachdienlich, die noch unter der Geltung des alten Rechts anhängig gemachte Klage auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu beschränken.     

Die - geänderte - Klage ist auch zulässig. Insbesondere fehlt es der Verpflichtungsklage nicht an der Prozessvoraussetzung der ordnungsgemäßen Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. § 68 VwGO). Denn die Frage, ob der Klägerin zur Verwirklichung ihres Vorhabens ein Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Ortszentrum“ gem. § 31 Abs. 2 BauGB zukommt, ist bereits - inzidenter - durch das Regierungspräsidium Karlsruhe in dem Widerspruchsbescheid vom 06.12.2002 gewürdigt worden.

Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung der von ihr begehrten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans der ehemaligen selbständigen Gemeinde Reichenbach „Ortszentrum“ aus dem Jahr 1975 nach § 31 Abs. 2 BauGB zu (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die dem entgegenstehenden Entscheidungen der Beklagten vom 26.08.2002 und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.12.2002 stellen sich deshalb als rechtswidrig dar und sind aufzuheben.

Die Klägerin kann sich mit Erfolg auf ein Sachbescheidungsinteresse an der Erteilung der begehrten Befreiung berufen (vgl. im Folgenden 1.), die Befreiungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB sind gegeben (2.) und das durch diese Vorschrift der Beklagten eingeräumte Ermessen ist auch auf Null reduziert (3.).

1.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Klägerin nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, sie könne wegen des Umstandes, dass nicht sämtliche Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft des Grundstücks Waldring 1a den Verwalter der Eigentümergemeinschaft ermächtigt haben, Miet- bzw. Pachtverträge mit Mobilfunkgesellschaften abzuschließen, von vornherein kein Interesse an der Verfolgung des Vorhabens haben.

Gemäß § 58 Abs. 3 LBO wird die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt. Besteht auf sie ein Rechtsanspruch, weil alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten sind, kann es danach auf privatrechtliche Vorschriften und auf private Rechte Dritter nicht mehr ankommen. Dieser Regelung des Bauordnungsrechts liegt der Gedanke zugrunde, dass es nicht Sache der Baurechtsbehörde ist, die ihr obliegende Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung davon abhängig zu machen, wie sich die Rechtslage zivilrechtlich darstellt. Etwaige private Rechte Dritter können aber dazu führen, dass einem Bauantrag das für jeden Antrag auf behördliches Tätigwerden nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts erforderliche Antrags- oder Sachbescheidungsinteresse fehlt. Dieser Grundsatz kommt insbesondere zum Tragen, wenn der Bauherr an der Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert ist und diese deshalb für ihn ersichtlich nutzlos wäre. Dem Bauherrn fehlt danach das Bescheidungsinteresse, wenn der Verwertung der erstrebten Genehmigung zivilrechtliche Hindernisse entgegenstehen, die sich „schlechthin nicht ausräumen lassen“, bzw. wenn die der Verwirklichung des Vorhabens entgegenstehenden privaten Rechte Dritter offensichtlich sind.

Für den vorliegenden Fall kann solches indes nicht angenommen werden. Denn zum einen erscheint es der Kammer nach den von der Klägerin angeführten Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes nicht als von vornherein ausgeschlossen, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung der Eigentümergemeinschaft des Grundstücks Waldring 1a vom 16.11.2000, den Verwalter zu ermächtigen, Miet- bzw. Pachtverträge mit Mobilfunkgesellschaften abzuschließen, wirksam ist, obgleich nicht alle Miteigentümer hierfür gestimmt haben. Zum anderen könnte aber auch im Falle einer Unwirksamkeit dieses Beschlusses nicht zuverlässig davon ausgegangen werden, dass damit auf Dauer eine Ermächtigung des Verwalters zum Abschluss von Miet- bzw. Pachtverträgen mit Mobilfunkgesellschaften auszuscheiden hätte und es der Klägerin daher verwehrt wäre, ihr Vorhaben auszuführen. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass bei einer nochmaligen Befassung der Eigentümergemeinschaft mit der Angelegenheit sämtliche Eigentümer, insbesondere etwa im Falle eines Eigentumswechsels, einem Vertragsabschluss mit einer Mobilfunkgesellschaft zustimmen.

2.

Im Hinblick auf das Vorhaben der Klägerin sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von der die Art der baulichen Nutzung betreffenden Festsetzungen des Bebauungsplans der ehemals selbständigen Gemeinde Reichenbach „Ortszentrum“ aus dem Jahr 1975  - bezogen auf das Vorhabensgrundstück - nach § 31 Abs. 2 BauGB gegeben.

Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und u.a. Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

a)

Entgegen der Auffassung der Beklagten werden durch die von der Klägerin erstrebte Befreiung die Grundzüge der Planung des Bebauungsplans „Ortszentrum“ nicht berührt.

Die mit der Novellierung des § 31 Abs. 2 BauGB durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 (BGBl. 1997 I, S. 2081) verbundene strukturelle Änderung der Befreiungsregelung hat das bereits in der früheren Fassung enthaltene Tatbestandsmerkmal der „Grundzüge der Planung“ unberührt gelassen. Der Gesetzgeber hat sich insoweit lediglich veranlasst gesehen, das Erfordernis, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen, gleichsam vor die Klammer zu ziehen und zur allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzung bezüglich aller Befreiungsgründe zu erheben. Damit hat er klargestellt, dass unabhängig davon, wie die weiteren Tatbestandsmerkmale im Einzelnen auszulegen sein mögen, eine Befreiung jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn hierdurch die Grundzüge der Planung berührt werden (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999, NVwZ 1999, 1110, sowie VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.06.2003 - 3 S 2324/02 -).

Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. auch dazu BVerwG u. VGH Bad.-Württ., jeweils a.a.O.) ist bei der Beantwortung der Frage, ob die Grundzüge der Planung berührt werden, von folgenden Überlegungen auszugehen: Der Bebauungsplan, der nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung zu beschließen ist, hat Rechtsnormcharakter. Seine Festsetzungen sind für das Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich strikt verbindlich. Der Gesetzgeber stellt mit § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das trotz dieser Rechtsbindung im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft. Der Gesetzgeber knüpft die Befreiung aber an genau umschriebene Voraussetzungen. Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung stellt er sicher, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden. Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt damit weiterhin der Gemeinde (und hier regelmäßig dem Gemeinderat) und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege einer (Um-)Planung möglich ist. Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf - jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind - nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen. Die Befreiung darf nur eine „Randkorrektur“ darstellen, die gegenüber dem planerischen Willen der Gemeinde von minderem Gewicht sein muss (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 05.12.2002 - 5 S 2749/00 - u. Beschl. v. 09.12.2002  - 5 S 1985/02 - sowie Dürr in Brügelmann, BauGB, Stand Dezember 2002, § 31 RN 30).

In Anwendung dieser Grundsätze berührt das Vorhaben der Klägerin Grundzüge der Planung nicht.

Zu den Grundzügen des hier einschlägigen Bebauungsplans rechnet - was den hier relevanten Teilbereich des Plangebietes südlich des Waldrings angeht - die Festsetzung eines Sondergebiets „Fremdenunterkünfte“ in Anwendung von § 11 der Baunutzungsverordnung in ihrer Fassung von 1968. Nach dieser Vorschrift sind als Sondergebiete solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden. Für Sondergebiete ist die Art der Nutzung entsprechend ihrer Zweckbestimmung darzustellen und festzusetzen (§ 11 Abs. 2 BauNVO 1986). Dem entsprechend umfassen die diesbezüglichen schriftlichen Festsetzungen des hier einschlägigen Bebauungsplans die Festsetzung, dass in dem Sondergebiet „Fremdenunterkünfte“ nur Gebäude zulässig sind, die dazu bestimmt sind, Fremde zu beherbergen, wie Sanatorien, Fremdenheime, Hotels Garni und ähnliche Einrichtungen. Dadurch wird die Art der baulichen Nutzung des hier relevanten Teilbereichs des Bebauungsplans umschrieben, wobei etwa durch die Zulassung eines Hotels Garni auch eine gewerbliche Nutzung erfasst ist. Dass die Beklagte das Gebiet als „Kurgebiet“ oder „Kursondergebiet“ bezeichnet, erweist sich hiernach bereits als nicht zutreffend. Derartige Bezeichnungen werden in dem Bebauungsplan nicht verwendet und suggerieren die Festsetzung eines besonderen Schutzstandards für das Gebiet, welcher sich den Regelungen des Bebauungsplans aber nicht entnehmen lässt.

Des Weiteren schließen sich im Norden und auch im Süden des für Fremdenunterkünfte vorgesehenen Teilbereichs des Bebauungsplans Bereiche an, die als ein reines Wohngebiet ausgewiesen sind. Dass es sich hierbei um reine Wohngebiete mit einem ganz besonders hohen Niveau handeln soll, lässt sich den schriftlichen Festsetzungen des Bebauungsplans und auch dessen Begründung entgegen den Darstellungen der Beklagten allerdings nicht entnehmen. Hierzu hätte es besonderer Ausführungen im Bebauungsplan bedurft.  

Mit den Festsetzungen diesen Inhalts lässt sich die von der Klägerin beabsichtigte gewerbliche Nutzung - um eine solche handelt es sich bei Mobilfunkanlagen nach einhelliger ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. nur VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.11.2003 - 5 S 2726/02 - m.w.N.) - aber durchaus vereinbaren. Die Grundzüge der Planung können im Falle einer Verwirklichung des Vorhabens der Klägerin jedenfalls nicht als berührt angesehen werden. So lässt sich nicht feststellen, dass etwa eine gewerbliche Nutzung unabhängig davon ausgeschlossen sein soll, ob und ggf. in welchem Umfang Störungen mit ihr verbunden sein können. Denn bei den nach den schriftlichen Festsetzungen zulässigen Nutzungen handelt es sich jedenfalls auch um solche gewerblicher Art. Weiter kann auch aus der Bebauung, die aufgrund des Bebauungsplans verwirklicht worden ist, eine besondere Schutzwürdigkeit des Sondergebietes „Fremdenunterkünfte“ nicht hergeleitet werden. Dieses Gebiet ist zum einen durch die Bebauung mit mehreren drei- bis viergeschossigen Wohnblocks geprägt, zum anderen fällt in dem Gebiet der große Komplex des Thermalschwimmbads „Albtherme“ mit Sauna und medizinischen Einrichtungen erheblich ins Gewicht. Gerade durch diese Einrichtung ist in unmittelbarer Nähe zu dem Grundstück Waldring 1a ein erhöhter Fahrzeugverkehr gegeben, durch den nicht nur mit Geräuschen Unruhe in das Gebiet hineingetragen wird, sondern auch optisch - so durch das Vorhandensein zahlreicher oberirdischer Parkplätze - eine gewisse „Unruhe“ gestiftet wird. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der in Streit stehenden Anlage um eine gewerbliche Nutzung, die im Grundsatz völlig störungsfrei ist. Sie zieht keinen Fahrzeugverkehr an, verursacht keinerlei Geräusche, Gerüche oder Erschütterungen, ist gegenüber den vorhandenen Gebäuden auch optisch von untergeordneter Bedeutung und schränkt die Nutzung der Grundstücke im Baugebiet zu dem im Bebauungsplan vorgesehenen Zweck in keiner Weise ein. Von der Anlage gehen nach derzeitigem Erkenntnisstand für die Bewohner des Gebiets auch keine gesundheitlichen Gefahren aus (s. dazu unten). Auch auf die angrenzenden Teilbereiche des Bebauungsplans, die als reine Wohngebiete festgesetzt sind, würde die von der Klägerin geplante Mobilfunkanlage keine oder nur unwesentliche Auswirkungen haben. Sie würde aufgrund ihrer Entfernung zu den reinen Wohngebieten - wie dies bereits bei der vorhandenen, nur wenig niedrigeren Sendeanlage des Mobilfunkbetreibers XXX der Fall ist - von dort aus kaum mehr wahrgenommen werden.

Bei Berücksichtigung dieser Umstände kann die Kammer nicht erkennen, dass die Grundzüge der Planung in dem beschriebenen Sinn berührt wären. Das Vorhaben der Klägerin würde allenfalls eine Randkorrektur von minderem Gewicht erforderlich machen, die der planerischen Grundkonzeption in keiner Weise zuwiderläuft (zu vergleichbaren Sachlagen ebenso: OVG Koblenz, Urt. v. 07.08.2003 - 1 A 10196/03 -und, dazu erstinstanzlich, VG Koblenz, Urt. v. 08.10.2002 - 1 K 1471/02.KO -; OVG Münster, Urt. v. 08.10.2003 - 7 A 1397/02 -, Juris; VG Freiburg, Urt. v. 15.10.2003  - 7 K 2169/02 -; VG Stuttgart, Urt. v. 23.09.2003 - 6 K 4383/02 -; VG Sigmaringen, Urt. v. 26.03.2003 - 3 K 306/02 -). Entgegen der Auffassung der Beklagten, die sich hierzu auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 25.02.2003 (BauR 2003, 1011) bezogen hat, würde eine Verwirklichung des Bauvorhabens der Klägerin zu keiner „gewerblichen Überformung“ des Baugebietes führen, die als gebietsfremd und den Gebietscharakter störend empfunden werden könnte.

b)

Es spricht auch vieles dafür, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit die von der Klägerin begehrte Befreiung erfordern (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB).

Nach Art. 87 f Abs. 1 GG gewährleistet der Bund im Bereich der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen. Solche werden gemäß Art. 87 f Abs. 2 GG als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht. Das OVG Koblenz (Urt. v. 07.08.2003, a.a.O.) hat in Übereinstimmung mit der Vorinstanz (VG Koblenz, Urt. v. 08.10.2002, a.a.O.) daraus den Schluss gezogen, dass die Schließung einer Versorgungslücke eines Mobilfunknetzes im Einzelfall im öffentlichen Interesse liegen und daher die Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit erfordern könne. Das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 05.02.2004 - 4 B 110/03 -, Juris) hat diese Rechtsansicht in dem entschiedenen Fall nicht beanstandet. Auch andere Verwaltungsgerichte teilen diese Auffassung oder neigen ihr jedenfalls zu (OVG Münster, Urt. v. 08.10.2003, VG Freiburg, Urt. v. 15.10.2003, VG Sigmaringen, Urt. v. 26.03.2003, jeweils a.a.O.). Der Kammer sind keine Gründe ersichtlich, aus denen sich diese Rechtsansicht als unzutreffend erweisen könnte. Auch die Beklagte hat solche Gründe nicht dargelegt. Für die Kammer nachvollziehbar stellt sich insbesondere die von der Klägerin getroffene Standortwahl heraus. Sie ist von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingehend erläutert worden, wobei insbesondere zur Sprache gekommen ist, aus welchen Gründen von der Klägerin angedachte Standortalternativen nicht zu verwirklichen waren.

c)

Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans jedenfalls städtebaulich vertretbar ist (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB).

Die von der Klägerin geplante Anlage ist im Sinne der Anforderungen des § 1 Abs. 5 und Abs. 6 BauGB mit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung nach § 1 Abs. 3 BauGB vereinbar (zu diesen Voraussetzungen BVerwG, Beschl. v. 20.11.1989, NVwZ 1990, 556) und könnte ein nach § 1 Abs. 1 BauGB zulässiger Inhalt des Bebauungsplans sein (dazu BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, BVerwGE 108, 190 und OVG Münster, Urt. v. 08.10.2003, a.a.O.). Denn fernmeldetechnische Nebenanlagen können nach § 14 Abs. 2 BauNVO inzwischen grundsätzlich als Ausnahme zugelassen werden, was ihre städtebauliche Vertretbarkeit belegt. Auch würde die Anlage weder die Umgebungsbebauung noch das Ortsbild beeinträchtigen. Ersteres wurde bereits ausgeführt und Letzteres ergibt sich bereits daraus, dass die Anlage neben der auf dem selben Gebäude bereits errichteten Mobilfunkantennenanlage optisch kaum ins Gewicht fallen würde und mit der anderen Anlage zusammen auch noch nicht einen den Blick des unbefangenen Betrachters störenden „Antennenwald“ bilden würde. Es kann daher dahinstehen, ob für den vorliegenden Fall überhaupt von dem Bestehen eines schützenswerten Ortsbildes im Sinne des Baugesetzbuchs ausgegangen werden muss.   

Auch das Gebot, gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu wahren, ist infolge der Einhaltung der Werte der 26. BImSchV nicht beeinträchtigt (s. dazu unten). Sonstige städtebauliche Gründe, die gegen die Zulassung des Vorhabens sprechen, sind nicht ersichtlich (im Ergebnis ebenso OVG Koblenz, Urt. v. 07.08.2003, VG Koblenz, Urt. v. 08.10.2002, OVG Münster, Urt. v. 08.10.2003, VG Freiburg, Urt. v. 15.10.2003 u. VG Stuttgart, Urt. v. 23.09.2003, jeweils a.a.O.).

d)

Schließlich ist die von der Klägerin geplante Anlage auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass bei Einhaltung der in der 26. BImSchV festgesetzten Grenzwerte derzeit nicht von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Mobilfunksendeanlagen ausgegangen werden kann. Solange keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die den Grenzwerten zugrundeliegende Risikoeinschätzung des Verordnungsgebers aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse überholt sein könnte, darf davon ausgegangen werden, dass mit diesen dem Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Gefährdungen ausreichend nachgekommen worden ist (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschl. v. 28.02.2002, DVBl 2002, 614; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.03.2004 - 8 S 243/04 - und Beschl. v. 19.04.2002, NVwZ-RR 2003,  27; OVG Koblenz, Urt. v. 07.08.2003, VG Koblenz, Urt. v. 08.10.2002, OVG Münster, Urt. v. 08.10.2003, VG Freiburg, Urt. v. 15.10.2003, VG Sigmaringen, Urt. v. 26.03.2003, jeweils a.a.O.; vgl. auch jüngst BGH, Urt. v. 13.02.2004 - V ZR 217/03 und V ZR 218/03 -). Da die Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post für die Anlage der Klägerin vorliegt, muss nach gegenwärtigem Erkenntnisstand von ihrer immissionsschutzrechtlichen Unbedenklichkeit ausgegangen werden (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.03.2004 und  Beschl. v. 19.04.2002,  jeweils  a.a.O.,  und  Urt.  v.  25.09.2003  - 8 S 1791/03 - jeweils m.w.N.; OVG Münster, Beschl. v. 13.03.2003 - 7 B 1717/02 -, Juris; OVG Koblenz, Urt. v. 07.08.2003, OVG Münster, Urt. v. 08.10.2003, VG Freiburg, Urt. v. 15.10.2003, VG Stuttgart, Urt. v. 23.09.2003, jeweils a.a.O.; VG Gera, Beschl. v. 27.10.2003 - 4 E 1283/03 GE -, Juris).

Auch die Kammer hat sich bereits in ihrem Urteil vom 16.04.2003 - 4 K 2477/01 - mit den von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Umweltauswirkungen befasst und hält an den diesbezüglichen, im Folgenden wiedergegebenen Ausführungen fest:

„Den thermischen Auswirkungen, also den Auswirkungen, die lediglich aufgrund der Abstrahlung von Wärme hervorgerufen werden, tragen bei den nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen (vgl. §§ 22 ff. BImSchG), zu denen auch die Mobilfunkbasisstationen gehören, die Regelungen der auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 S. 2 BImSchG erlassenen 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV) vom 16.12.1996 (BGBl. I 1966) Rechnung. So sind Hochfrequenzanlagen i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 der 26. BImSchV (ortsfeste Sendefunkanlagen mit einer bestimmten, dort näher bezeichneten Sendeleistung) gem. § 2 der 26. BImSchV zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwirkungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung und unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere ortsfeste Sendefunkanlagen bestimmte, im Einzelnen bezeichnete Grenzwerte nicht überschritten werden. Die amtliche Begründung zu § 2 der 26. BImSchV  (BR-DrS. 393/96) führt insoweit aus, dass für die biologischen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder der vom menschlichen Körper aufgenommene Energieanteil maßgeblich sei. Dominanter Effekt der Hochfrequenzfelder sei die Erwärmung des Gewebes, weil der größte Teil der absorbierten Energie in Wärme umgewandelt werde. Der erfolgten Grenzwertfestsetzung liege daher als Bezugsgröße die Energieabsorption zu Grunde, die als spezifische Absorptionsrate (SAR) in Watt pro Kilogramm Körpermasse angegeben werde.

(...)

Sogenannte athermische (nicht-thermische) Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder sind dagegen bei dem Erlass der 26. BImSchV mangels ihrer Verifizierbarkeit außer Betracht geblieben. Dass es sich hierbei gleichwohl um schädliche Umwelteinwirkungen handelt, kann die Kammer nicht mit der nach § 108 VwGO erforderlichen Überzeugungsgewissheit feststellen.

Die Kammer schließt sich im Hinblick auf Mobilfunksendeanlagen (Mobilfunkbasisstationen) der diesbezüglich vorliegenden einheitlichen Rechtsprechung an, nach welcher schädliche Umwelteinwirkungen gem. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB durch den Betrieb dieser Anlagen bei Einhaltung der Personenschutzgrenzwerte der 26. BImSchV - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt und nach heutigem Stand von Forschung und Technik - nicht hervorgerufen werden können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.02.2002, BauR 2002, 1222 = EuGRZ 2002, 276; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.04.2002, NVwZ-RR 2003, 26 = VBlBW 2003, 72, Beschl. v. 02.01.1997, NVwZ 1997, 704 = VBlBW 1997, 182; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 19.01.2001, NVwZ 2001, 456; Sächsisches OVG, Urt. v. 17.12.1997, DÖV 1998, 431; Bay.VGH, Beschl. v. 31.01.2001, BauR 2002, 439; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.09.2001 - 1 A 10382/01 - u. Beschl. v. 20.08.2001, NVwZ-RR 2002, 17; Hess. VGH, Beschl. v. 29.07.1999, NVwZ 2000, 694; VG Schleswig, Urt. v. 22.08.1997, NVwZ 1998, 434; VG Gießen, Beschl. v. 18.06.2002, NVwZ-RR 2002, 825; VG Stuttgart, Urt. v. 15.01.2002 - 6 K 2179/00 - u. Beschl. v. 09.04.2001 - 6 K 1141/01; VG Sigmaringen, Urt. v. 16.10.2001 - 2 K 697/01 u. Urt. v. 25.04.2001 - 7 K 1173/00; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.09.2002, NZM 2003, 216; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.11.2000 MMR, 2001, 316; Landgericht München I, Urt. v. 27.03.2002, NVwZ-RR 2002, 647; vgl. im Übrigen zur selben Problematik: Determann, NVwZ 1997, 647; Hoppenberg, NVwZ 1997, 12; Kutscheidt, NJW 1997, 2481; Kirchberg, NVwZ 1998, 375 und 441). Die 26. BImSchV berücksichtigt Grenzwertempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und der beim Bundesamt für Strahlenschutz (Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt) angesiedelten deutschen Strahlenschutzkommission (SSK). Zwar trifft der Einwand zu, die Auswirkungen thermischer und athermischer Effekte durch elektromagnetische Felder seien nicht in jeder Hinsicht erforscht und daher Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, er führt jedoch auch vor dem Hintergrund der sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergebenden Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung des Rechtes auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu keiner anderen Bewertung. Bei der Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG kommt nämlich dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht gebietet nicht etwa, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Eine Verletzung der genannten Schutzpflicht kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzureichend sind, um das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben. Hierauf bezogen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 28.02.2002 (a.a.O) ausgeführt, dass keine Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen bestehe. Geltende Grenzwerte könnten nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar sei, dass sie die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützten. Hiervon könne aber solange keine Rede sein, wie sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch nicht abschätzen ließe. Dementsprechend verlange die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht von den Gerichten, den Verordnungsgeber deshalb auf einer wissenschaftlich ungeklärten Tatsachengrundlage zur Herabsetzung der Grenzwerte zu verpflichten, weil nachteilige Auswirkungen von Emissionen auf die menschliche Gesundheit nicht ausgeschlossen werden könnten. Bei komplexen Gefährdungslagen, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, komme dem Verordnungsgeber ein angemessener Erfahrungs- und Anpassungsspielraum zu. Es sei allein Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um ggf. weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht durch den Verordnungsgeber könne gerichtlich erst festgestellt werden, wenn sie evident sei, etwa wenn eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden sei. Soweit Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen in Frage stünden, fänden Untersuchungen bereits seit längerem auf internationaler Ebene und fachübergreifend statt, insbesondere auch zu den in Rede stehenden Einwirkungen unterhalb der geltenden Grenzwerte. Die Forschungen seien nach wie vor keineswegs abgeschlossen, vielmehr sei die Zahl neuer Forschungsarbeiten äußerst groß. In dieser Situation könne durch die Betrachtung einzelner wissenschaftlicher Studien kein konsistentes Bild über die Gefährdungslage erlangt werden. Diese Aufgabe werde von verschiedenen internationalen und nationalen Fachkommissionen wahrgenommen, u.a. von einer beim Bundesamt für Strahlenschutz gebildeten Arbeitsgruppe von Experten aus den mit dem Forschungsgegenstand befassten Fachrichtungen. Durch die Gerichte könne eine kompetente eigene Risikobewertung erst dann erfolgen, wenn die Forschungen soweit fortgeschritten seien, dass sich die Beurteilungsproblematik auf bestimmte Fragestellungen verengen ließe, welche anhand gesicherter Befunde von anerkannter wissenschaftlicher Seite geklärt werden könnten.

In diesem Zusammenhang ist nach Auffassung der Kammer auch von Bedeutung, dass anlässlich der erfolgten Zustimmung des Bundesrates zu der 26. BImSchV dieser in einer Entschließung die Bundesregierung u.a. dazu aufgefordert hat, sich auf nationaler und internationaler Ebene für eine Intensivierung der Grundlagenforschung zu den biologischen Wirkungsmechanismen elektromagnetischer Felder einzusetzen, um die bestehenden Wissenslücken auf diesem Gebiet zu schließen und die Schutz- und Vorsorgeregelungen auf eine verlässliche Basis zu stellen, sowie dem Bundesrat einen Bericht darüber vorzulegen, wenn sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die Bewertung der Möglichkeit langfristiger Gesundheitsschäden durch die Einwirkung elektromagnetischer Felder ergeben (vgl. BR-DrS 393/96-Beschluss).

Die Kammer hat keinen Grund anzunehmen, dass die Bundesregierung diesem Anliegen des Bundesrates nicht nachkommen würde. So hat sie entsprechend einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom 09.12.2002 (Ausarbeitung 6/03, Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu biologischen Wirkungen von Mobilfunkstrahlung) für den Zeitraum von 2002 bis 2005 mehr als 20 Millionen Euro für die Erforschung möglicher gesundheitlicher Risiken von Mobilfunkstrahlung zur Verfügung gestellt. Gegenwärtig befassen sich nach Kenntnis der Kammer auch bereits zahlreiche Forschungsvorhaben mit dieser Thematik, welche in einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO, die bis 2004/2005 erarbeitet wird, einer zusammenfassenden Würdigung zugeführt werden sollen (vgl. im Übrigen zu der Problematik des Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung: Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Elektromagnetische Felder im Alltag, Karlsruhe 2002;  Bundesamt für Strahlenschutz, Mobilfunk und Sendetürme, Salzgitter; BWGZ 2001 Heft 20, Schwerpunkt Mobilfunk).

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass die gegenwärtig geltenden Grenzwerte der 26. BImSchV so bemessen sind, dass Gesundheitsgefahren auf Grund hochfrequenter elektromagnetischer Felder, wie sie beim Mobilfunk auftreten, nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht zu befürchten sind. Gesundheitliche Beeinträchtigungen von Mensch und Tier insbesondere durch athermische Effekte konnten bislang nicht schlüssig nachgewiesen werden, sodass sie von der Bundesregierung (noch) nicht in die Grenzwertsetzung einbezogen werden müssen (ebenso: Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses des Landtags von Baden-Württemberg, BWGZ 2002, 75).“

  

Aus welchen (sonstigen) Gründen das Vorhaben mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar sein sollte, ist nicht erkennbar. Eine Unvereinbarkeit liegt um so näher, je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht einer Planung eingreift (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2002, BVerwGE 117, 50). Vorliegend ist ein mehr als nur geringfügiger Eingriff nicht feststellbar, wie sich dies bereits aus den vorstehenden Ausführungen zu den Besonderheiten des  Einzelfalls ergibt.

3.

Liegen die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB folglich vor, steht die Erteilung der Befreiung im Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen ist aber auf Null reduziert, weshalb der Beklagte zur Erteilung der Befreiung verpflichtet ist.

Für die Ausübung negativen Ermessens besteht wenig Raum, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben sind (vgl. insbesondere BVerwG, Urt. v. 19.09.2002, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.06.2003, a.a.O., m.w.N.). Das folgt schon daraus, dass die verfassungsrechtlich geschützte Baufreiheit auf Seiten des jeweiligen Bauherrn streitet. Bei Anlagen der hier streitgegenständlichen Art kommt die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Position aus Art. 87 f GG hinzu. Entscheidend ist daher, ob gegen eine Befreiung gewichtige schützenswerte Interessen ins Feld geführt werden können. Solche sind im vorliegenden Verfahren, auch in der mündlichen Verhandlung, nicht erkennbar geworden. Insbesondere hat die Beklagte solche nicht benennen können. Sie hat im Gegenteil in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihr Proteste aus der Bevölkerung gegen den geplanten Mobilfunkstandort nicht bekannt seien. Etwaige Bedenken von Anwohnern sind aber auch grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig, weil die Anlage - wie ausgeführt - die Grenzwerte der 26. BImSchV einhält. Vor diesem Hintergrund ist das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert und sie daher zur Erteilung der Befreiung verpflichtet (ebenso OVG Koblenz, Urt. v. 07.08.2003, VG Koblenz, Urt.v. 08.10.2002, VG Stuttgart, Urt. v. 23.09.2003, VG Freiburg, Urt. v. 15.10.2003, jeweils a.a.O. zur Befreiung; ebenso auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.11.2003, a.a.O., zur Erteilung einer Ausnahme; a.A. OVG Münster, Urt. v. 08.10.2003, a.a.O., jedoch zu einer anderen Anlagenart). Soweit die Beklagte darauf abgestellt hat, die Klägerin habe eine Vereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und den Mobilfunkbetreibern über den Informationsaustausch und die Beteiligung  der Kommunen beim Ausbau der Mobilfunknetze vom 05.07.2001 nicht beachtet, vermag sich auch hieraus kein abwägungsrelevanter Belang zu ergeben. Denn die entsprechende Vereinbarung kann lediglich dazu geeignet sein, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und den Mobilfunkbetreibern bei der Standortsuche zu fördern. Aus ihr vermögen sich jedoch keine städtebaulichen Gesichtspunkte zu ergeben, die im Rahmen einer der nach § 31 Abs. 2 BauGB zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen wären.  

Da die Klage nach allem mit ihrem Hauptantrag begründet ist, bedarf es keiner Entscheidung über den gestellten Hilfsantrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO vorliegt (§ 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO).