FG Münster, Urteil vom 26.10.2012 - 5 K 1778/09 U
Fundstelle
openJur 2012, 131260
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob und inwieweit die von der Klägerin (Klin.) in den Streitjahren 2006 bis 2008 erteilten Schwimmkurse dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% unterliegen.

Die Klin. betrieb in der Zeit vom 1.5.2006 bis zum 31.12.2008 eine private Schwimmschule. Hierzu mietete sie zusammen mit ihrem Ehemann S T mit Wirkung ab Anfang Mai 2006 entsprechende Räumlichkeiten mit einem Lehrschwimmbecken und Nebenräume im Gesundheitszentrum F an. Die Klin. selbst ist Physiotherapeutin. Sie bediente sich zur Erbringung der Schwimmkurse auch des Herrn T, der Diplom-Sportlehrer ist. Das Angebot der Schwimmschule umfasste Baby- und Kleinkinderschwimmen, Schwimmunterricht für Kinder und Erwachsene sowie Aquafitness-Kurse.

Auf mündliche Anfrage der Klin. am 18.10.2006 erklärte der Bekl. mit Schreiben vom 3.11.2006, dass sich die Umsatzsteuer für Umsätze, die unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern verbunden sind, gem. § 12 Abs. 2 Nr. UStG auf 7% ermäßigt. Voraussetzung hierfür sei, dass der Unternehmer das Schwimmbad selbst, d.h. eigenverantwortlich betreibe. Die Umsätze müssten entweder mit den Einrichtungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, dem Schwimmen dienen, oder unselbständige Nebenleistungen darstellen. Im folgenden Absatz des Schreibens wird festgestellt, dass Umsätze aus der Erteilung des Schwimmunterrichts dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind. Das Schreiben endet mit dem Hinweis, dass es sich nicht um eine verbindliche Auskunft im Sinne der §§ 204ff. AO handele, da ein ordnungsgemäßer Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nicht vorliege. Am 26.1.2007 stellte die Klin,. einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim Bekl. bezüglich des Umsatzsteuersatzes, dem die Umsätze der Schwimmschule zu unterwerfen seien. Mit Schreiben vom 26.3.2007 nahm die Klin. den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zurück.

In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen behandelte die Klin. die Aquafitness-Kurse, die von der W-krankenkasse als Leistung zur primären Prävention i.S. des § 20 Abs. 1 SGB V anerkannt waren, als gem. § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die übrigen Kurs- und Unterrichtsleistungen unterwarf die Klin. dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG. Der Bekl. erteilte den Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärungen für 2006 und 2007 zunächst seine Zustimmung.

Im März 2008 führte der Beklagte (Bekl.) eine Umsatzsteuersonderprüfung bei der Klin. durch. Der Prüfer war der Auffassung, dass sämtliche Schwimmkurse der Klin. der Umsatzsteuer unterlägen und zum regulären Steuersatz von 16% bzw. 19% zu besteuern seien. Am 19.5.2008 erließ der Bekl. geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 und am 16.5.2008 einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Januar 2008 unter Zugrundelegung der Feststellungen der Betriebsprüfung. Infolgedessen erhöhte sich die Umsatzsteuer für 2006 von bisher festgesetzten ./.7.123,78 EUR auf ./.4.966,60 EUR, die Umsatzsteuer für 2007 von ./.7.599,28 EUR auf ./.1.159,58 EUR.

Hiergegen legte die Klin. Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass die von ihr angebotenen Aquafitness-Kurse von der W-krankenkasse mit Wirkung für sämtliche Krankenkassen zertifiziert seien, so dass die mit diesen Kursen erzielten Entgelte gem. § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit seien. Die übrigen Schwimmkurse der Klin. unterlägen der Umsatzsteuer zum ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG. Die Einsprüche der Klin. wies der Bekl. mit Einspruchsentscheidung vom 28.4.2009 zurück.

Daraufhin hat die Klin. fristgemäß Klage vor dem Finanzgericht Münster erhoben. Die Klin. trägt vor, dass die Umsätze aus dem Betrieb einer Schwimmschule gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterlägen. Sie wendet sich gegen die im Rahmen der Umsatzsteuerprüfung getroffene Feststellung, dass das Schwimmbad nur für Unterrichts- und Kurszwecke genutzt würde. An den Wochenendtagen sowie zur wochentäglichen Mittagszeit fände „freies Schwimmen“ statt, d.h. die Schwimmbadbesucher könnten zu diesen Zeiten das Schwimmbad zum Schwimmen außerhalb des Kursprogramms nutzen; die durch das freie Schwimmen erzielten Umsätze würden allerdings nicht ins Gewicht fallen. Bei dem von ihr verwendeten Schwimmbecken handele es sich um ein sog. Lehrschwimmbecken, welches die Gelegenheit zum Schwimmen biete und damit unzweifelhaft als Schwimmbad i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG zu qualifizieren sei. Die Klin. wendet sich gegen die Auffassung des Bekl., dass nur das Angebot eines reinen Schwimmbetriebs ohne Unterrichtsleistungen unter den Begünstigungstatbestand des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG falle. Auch die Erteilung von Schwimmunterricht gehöre zu den „unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze[n]“ im Sinne des Gesetzes. In diesem Zusammenhang verweist sie auf Art. 12 Abs. 3 a Unterabs. 3 i.V.mit Anhang H der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG, wonach ermäßigte Steuersätze auf das „Überlassen von Sportanlagen“ angewendet werden könnten. Zielrichtung sei die Förderung der sportlichen Betätigung und der Bewegung. Diese Zwecksetzung gebiete es, auch den Betrieb von Schwimmbädern und das Angebot von Schwimmkursen umsatzsteuerlich zu begünstigen. Selbst wenn man die von der Klin. angebotenen gesundheitsorientierten Kurse nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 9 Alt. 1 UStG einordnete, so wären diese Umsätze als solche aus der Verabreichung von Heilbädern gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 Alt. 2 UStG zu behandeln. Die Kurse der Klin., die sämtlich von fachlich qualifziertem Personal erteilt würden, insb. Diplom-Sportlehrern und Physiotherapeuten, zählten zu den generell gesundheitsfördernden Maßnahmen und seien als Heilbäder zu qualifizieren.

Nach Auffassung der Klin. setze sich der Bekl. in Widerspruch zu R 171 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStR 2005/2008 (Abschnitt 12.11 Abs.  1 Satz 1 Nr. 3 UStAE), dem zufolge auch der Schwimmunterricht unter die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG falle.

Die Klin. trägt vor, dass ihr der ermäßigte Umsatzsteuersatz zumindest unter Vertrauensschutzgesichtspunkten zu gewähren sei, da ihr der Bekl. mit Schreiben vom 3.11.2006 mitgeteilt habe, dass ihre Umsätze dem ermäßigten Steuersatz von 7% unterlägen. Sie habe auf die Richtigkeit dieser Auskunft vertraut und auf dieser Grundlage die Kursgebühren kalkuliert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervortrags wird auf die Schriftsätze vom 13.7.2009, vom 25.6.2010, vom 11.6.2012 und vom 28.9.2012 Bezug genommen.

Am 2.7.2009 hat der Bekl. erstmals einen Umsatzsteuerjahresbescheid für 2008 erlassen, der gem. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Klageverfahrens geworden ist. Auch in diesem Umsatzsteuerjahresbescheid hat der Bekl. die Umsätze der Klin. aus der Erbringung von Schwimmkursen der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz unterworfen. Dieser Bescheid ist mit dem Bescheid vom 25.5.2010 geändert worden. Die Umsatzsteuer für das Jahr 2008 wurde auf 4.444,16 EUR festgesetzt; aus den bisherigen Voranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2008 hatte sich bis dahin ein Erstattungsbetrag von ./.3.422,63 EUR ergeben.

Im Rahmen des Klageverfahrens hat die Klin. eine Bescheinigung der Bezirksregierung N vom 22.8.2012 vorgelegt, nach der die von der Klin. angebotenen Schwimmkurse für Kinder ab 4 Jahren eine Bildungsmaßnahme im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst a) bb) UStG darstellen (GA, Bl. 226). Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, dass - zum einen - Zweifel an der Wirksamkeit der Bescheinigung der Bezirksregierung N bestehen, da der Adressat der Bescheinigung nicht hinreichend bestimmt sei, und dass - zum anderen - sich die Steuerfreiheit der Umsätze aufgrund der für die Streitjahre 2006 und 2007 festgesetzten Vorsteuerüberhänge per saldo zu Lasten der Klin. auswirken würde (GA, Bl. 219, 247). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klin. erklärt, dass sie sich nicht weiter um die Erteilung einer ordnungsgemäßen Bescheinigung bemühen werde und dass sie - in Hinblick auf die in den Streitjahren 2006 und 2007 festgesetzten Vorsteuerüberhänge - entgegen ihres ursprünglichen Sachvortrages darauf verzichtet, sich hinsichtlich der Steuerfreiheit der Umsätze unmittelbar auf die Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG zu berufen.

Die Klin. beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 19.5.2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.4.2009, sowie den Umsatzsteuerbescheid für 2008 vom 25.5.2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2006 auf ./. 7.123,78 EUR, die Umsatzsteuer für 2007 auf ./. 7.673,82 EUR und die Umsatzsteuer für 2008 auf ./. 4.153,28 EUR festgesetzt wird.

hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG vorliegend keine Anwendung finde. Das Schwimmbecken der Klin. werde ausschließlich für Kurse genutzt und lasse den reinen Schwimmbetrieb nicht zu. Die Schwimmkurse stellten die Hauptleistung des Unternehmens der Klin. dar und seien somit nicht unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbades als eigenständiger Hauptleistung verbunden. Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes könne die Klage keinen Erfolg haben, da es sich bei dem Schreiben vom 3.11.2006 nicht um eine verbindliche Auskunft handele und die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stünden. Einen am 26.1.2007 gestellten Antrag auf verbindliche Auskunft habe die Klin. am 26.3.2007 zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrags wird auf die Schriftsätze vom 28.8.2009, vom 5.8.2010, vom 15.10.2012 und vom 18.10.2012 Bezug genommen.

Der Rechtsstreit ist am 29.4.2010 vor der damaligen Berichterstatterin erörtert worden. Die mündliche Verhandlung vor dem Senat hat am 26.10.2012 stattgefunden. Auf die Protokolle zum Erörterungstermin und zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klin. nicht in ihren Rechten. Die streitigen Schwimmschulumsätze sind nicht gem. § 4 Nr. 14, 21 oder 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Entgegen der Auffassung der Klin. unterliegen die Umsätze nicht gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten aufgrund des Schreibens des Bekl. vom 3.11.2006 hat die Klage keinen Erfolg.

I.

Die Klin. hat durch die Erbringung der Schwimmunterrichts- und der Aquafitness-Kurse sonstige Leistungen i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG im Rahmen ihres Unternehmens erbracht.

II.

Die Umsätze aus den sog. Aquafitness-Kursen sind nicht gem. § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung sind u.a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker. steuerfrei. Die Regelung beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG (ab 1.1.2007: Art. 132 Abs. 1 Buchst. c Mehrwertsteuersystem-Richtlinie), wonach „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufen erbracht werden“, steuerfrei sind.

Es ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt, dass es für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darauf ankommt, ob eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch einen Unternehmer erbracht wird, der über einen beruflichen Befähigungsnachweis und damit über die für die Leistungserbringung erforderliche Berufsqualifikation verfügt. Der Nachweis dieser Qualifikation kann sich dabei aus berufsrechtlichen Regelungen oder aus einer Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen als Sozialversicherungsträger ergeben. Eine Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen ist dabei dann von Bedeutung, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat. So ist z.B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V oder die Zulassung nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2010 V B 152/09, BFH/NV 2011, 326). Weiterhin hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Diplom-Sportlehrer nicht über den erforderlichen Befähigungsnachweis verfügen und dass auch eine Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen nach § 20 SGB V nicht als Indiz für den erforderlichen Befähigungsnachweis anzusehen ist. Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V haben keinen unmittelbaren Krankheitsbezug, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen sollen (vgl. BFH-Urteil vom 30.4.2009 V R 6/07, BStBl II 2009, 679).

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs, der der Senat folgt, fallen die von der Klin. angebotenen Aquafitness-Kurse nicht unter die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 14 UStG. Die Klin. selbst trägt vor, dass es sich bei den von ihr angebotenen Aquafitness-Kursen um solche der Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V handelt, welche grundsätzlich nicht als Heilbehandlung qualifiziert werden können. Dass diese Aquafitness-Kurse ggf. auch von Physiotherapeuten - also Personen, die grundsätzlich zu einer Heilbehandlung i.S. des § 4 Nr. 14 UStG befähigt sind - erbracht wurden, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da die fraglichen Kurse aufgrund ihrer objektiven Zwecksetzung nicht als Heilbehandlung angesehen werden können. Zum Teil wurden die Kurse außerdem durch Herrn T erbracht, der als Diplom-Sportlehrer nicht über die Befähigung zur Erbringung von Heilbehandlungen verfügt.

III.

Die Umsätze der Klin. sind nicht gem. § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Gem. § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Die Bescheinigung ist materiellrechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung (vgl. BFH-Urteil vom 17.4.2008 V R 58/05, BFH/NV 2008,1418).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar kann auch die Klin. als natürliche Person als allgemeinbildende oder berufsbildende „Einrichtung“ i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst a) UStG in Betracht kommen. Jedoch fehlt es vorliegend an einer Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG. Die dem Gericht vorgelegte Bescheinigung vom 22.8.2012 ist an die „B Schwimmschule, O-straße ..., F“ gerichtet. Hiermit ist unklar, gegenüber welcher Person die Bescheinigung nach dem Willen der Bezirksregierung Wirkung entfalten soll Die Klin. hat ihre unternehmerische Tätigkeit mit Wirkung zum 31.12.2008 aufgegeben und das Unternehmen auf Herrn T übertragen. Am Tage des Erlasses der Bescheinigung war somit nicht mehr die Klin., sondern vielmehr ihr Nachfolger Herr T unter der Bezeichnung „B Schwimmschule“ tätig. Dies spricht dafür, dass die Bescheinigung nicht an die Klin., sondern an Herrn T gerichtet ist. Die Bescheinigung ist außerdem unklar in Hinsicht auf die von ihr erfassten Umsätze. Da der Bescheinigungsadressat und der Inhalt der Bescheinigung unklar sind, ist diese nichtig i.S. von § 125 AO und entfaltet keine Wirkung. Die Klin. hat zudem erklärt, sich nicht weiter um die Erteilung einer entsprechenden Bescheinigung zu bemühen und teilt die Auffassung des Senats, dass die Bescheinigung mangels Bestimmtheit nicht ist.

IV.

Die Umsätze der Klin. sind auch nicht gem. § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Dies scheidet schon deshalb aus, weil die Klin. als privatwirtschaftlich verfasster Unternehmer nicht zu dem von dieser Vorschrift erfassten Personenkreis zählt.

V.

Die streitigen Umsätze sind auch nicht in unmittelbarer Anwendung von Art. 13 Teil A Buchst. h, i oder j der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 132 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) von der Umsatzsteuer befreit. Die Klin. hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie sich hinsichtlich der Frage der Umsatzsteuerfreiheit der von ihr erzielten Umsätze ausdrücklich nicht auf eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie beruft.

Weiterhin ist nicht ersichtlich, dass die Steuerpflicht der Umsätze der Klin. einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes begründet. Zum einen wirkt sich die vom Bekl. angenommene Steuerpflicht der Umsätze der Klin. jedenfalls in den Jahren 2006 und 2007 zu Gunsten der Klin aus, da hier aufgrund von Vorsteuerüberhängen jeweils Umsatzsteuererstattungsbeträge festgesetzt wurden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 UStG, deren Verfassungsmäßigkeit ggf. in Zweifel steht, um abgeleitetes Gemeinschaftsrecht handelt. Dieses ist nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu messen, solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz jeweils unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist. Auch eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, die eine Richtlinie in deutsches Recht umsetzt, wird nach diesen Grundsätzen insoweit nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes gemessen, als das Gemeinschaftsrecht keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 31.5.2007 1 BvR 1316/04, NJW 2007, 3628). Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Grundrechtsschutz, den das Gemeinschaftsrecht gegen die hier in Rede stehende Umsetzung der Richtlinie 77/388/EWG bietet, hinter dem des Grundgesetzes zurückbleibt. Auch lässt die Richtlinie dem deutschen Gesetzgeber hinsichtlich der Umsetzung der Steuerbefreiungsvorschriften keinen Umsetzungsspielraum, der anhand des Maßstabs des Art. 3 Art. 1 GG zu prüfen ist.

VI.

Die Umsätze der Klin. unterliegen der Besteuerung zum Regelsatz gem. § 12 Abs. 1 UStG. Der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG findet nach Auffassung des Senats keine Anwendung.

Gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von 7% die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Dieser Bestimmung liegt Art. 12 Absatz 3 Buchst. a Satz 4 und 5 in Verbindung mit Anhang H der Richtlinie 77/388/EWG (ab 1.1.2007: Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anh. III der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie) zugrunde. Hiernach dürfen die Mitgliedstaaten für bestimmte, in Anhang H bezeichnete Leistungen einen ermäßigten Steuersatz vorsehen. Dies sind u.a. das „Überlassen von Sportanlagen“ (Anhang H Nr. 13) und - vorliegend nicht einschlägig - „Thermalbehandlungen“ (Anhang H Nr. 16).

Die Finanzverwaltung vertritt gem. Abschnitt 12.11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStAE die Auffassung, dass auch die Erteilung von Schwimmunterricht zu den unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern verbundenen Umsätzen i.S. von Art. 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG zählt, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Allerdings wird in Satz 2 des gleichen Absatzes im Umsatzsteueranwendungserlass angeordnet, dass die Steuerermäßigung ausscheidet, wenn die Überlassung des Schwimmbads eine unselbständige Nebenleistung zu einer nicht begünstigten Hauptleistung ist. Unter Berufung hierauf ist der Bekl. der Auffassung, dass die von der Klin. angebotenen Schwimmkurse  nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, weil sie die Hauptleistung des Unternehmens der Klin. darstellten.

Nach Auffassung des Senats unterliegen die Umsätze der Klin. aus der Erbringung von Schwimmunterricht dem regulären Steuersatz; der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG kommt nicht zur Anwendung (so auch FG Münster, Urteil vom 13.12.2011 15 K 1041/08, EFG 2012, 985). Unter den Begriff der „unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern verbundenen Umsätze“ können nur solche Leistungen subsumiert werden, die jedenfalls typischerweise mit der Nutzung eines Schwimmbades einhergehen. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um solche Leistungen, die als unselbständige Nebenleistung zu der Hauptleistung der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit des Schwimmbades anzusehen sind. Derartige Umsätze, die unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern verbunden sind, sind z.B. die Gestellung von Umkleidekabinen, Schließfächern und Schwimmhilfsmitteln. Nicht hierunter fällt hingegen der von der Klin. angebotene Schwimmunterricht. Wenn - wie hier - Inhalt des Vertrages die Erbringung von Schwimmunterricht ist, so stellt die Unterrichtsleistung nach der Verkehrsauffassung die Hauptleistung dar. Die ggf. mit dem Angebot des Schwimmunterrichts verbundene Erlaubnis zur Benutzung des Schulschwimmbeckens ist eine bloße Nebenleistung.

Der Senat sieht die vorstehend erläuterte Verständnis des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG auch aufgrund der zugrundeliegenden Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG als geboten an. Denn nach dem Richtlinientext dürfen die EU-Mitgliedstaaten lediglich für das „Überlassen von Sportanlagen“ einen ermäßigten Steuersatz vorsehen. Die Erbringung von Schwimmunterricht ist jedoch etwas anderes als das Überlassen von Sportanlagen. Eine erweiternde Auslegung der Richtlinienbestimmung kommt nicht in Betracht, da Bestimmungen, die Ausnahmen von einem allgemeinen Grundsatz darstellen, grundsätzlich eng auszulegen sind; dies gilt für Steuerbefreiungs-, aber auch für Steuerermäßigungsvorschriften (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 6.5.2010 C-94/09, Slg 2010, I-4261).

VII.

Auch der von der Klin. gerügte ungleiche Gesetzesvollzug durch die Finanzverwaltung führt nicht zur Rechtswidrigkeit der vorliegend angefochtenen Umsatzsteuerbescheide. Selbst wenn Umsätze aus der Erbringung von Schwimmunterricht bei anderen Steuerpflichtigen in - nach Auffassung des Senats - gesetzeswidriger Weise als steuerfrei bzw. als dem ermäßigten Steuersatz unterliegend beurteilt werden, könnte die Klin. hieraus keinen Anspruch auf Gleichbehandlung ableiten. Denn es besteht kein grundrechtlicher Anspruch auf eine „Gleichbehandlung im Unrecht“ als Anspruch auf Fehlerwiederholung (vgl. BFH-Beschluss vom 24.4.2008 V B 259/07, BFH/NV 2008, 1373, m.w.N.).

VIII.

Die Klage hat auch unter Berücksichtigung des Schreibens des Bekl. vom 3.11.2006 keinen Erfolg.

Die Finanzverwaltung ist grundsätzlich frei, eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung gem. § 164 Abs. 2 Satz 1 AO zu ändern. Die Grundsätze von Treu und Glauben stehen dem nicht entgegen, da ein wirksamer Vorbehalt der Nachprüfung regelmäßig das Entstehen eines für die Bindung an Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestands verhindert (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5.6.2003 III R 26/00, BFH/NV 2003, 1529). Eine Ausnahme hiervon gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dann, wenn das Finanzamt eine bindende Zusage erteilt oder durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Dies setzt voraus, dass das Finanzamt dem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13.12.1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274). Insoweit kann auch eine dem Gesetz widersprechende Zusage des Finanzamts binden, es sei denn, der Steuerpflichtige hat die Gesetzwidrigkeit erkannt oder erkennen können. Voraussetzung für eine Bindung in solchen Fällen ist allerdings, dass der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt wurde, so von der auskunftserteilenden Person verstanden wurde und offensichtlich ist, dass von der Auskunft gewichtige wirtschaftliche Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängen. Weitere Voraussetzung ist, dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher die Auskunft erteilt hat (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274).

Vorliegend hat der Bekl. weder eine verbindliche Zusage erteilt noch in anderer Weise einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der einer solchen Zusage gleichsteht und daher zur Rechtswidrigkeit der streitigen Steuerfestsetzungen führt. In dem Schreiben vom 3.11.2006 hat der Bekl. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Schreiben keine verbindliche Auskunft i.S. der §§ 204 ff. AO darstellt. Die fehlende Rechtsverbindlichkeit dieser Auskunft des Bekl. ist der Klin. offenkundig bewusst gewesen. Dies zeigt sich daran, dass sie im Nachgang am 26.1.2007 zunächst einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gestellt hat, wenngleich sie diesen später zurückgenommen hat. Zudem standen die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, so dass - für die Klin. erkennbar - eine jederzeitige Änderungsmöglichkeit bestand.

IX.

Auch wenn der Bekl. keine verbindliche Zusage erteilt und auch keinen vergleichbaren Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der zur Rechtswidrigkeit der streitigen Steuerfestsetzungen führt, erscheint nach Auffassung des Senats möglich, dass Anlass zur Prüfung einer Billigkeitsmaßnahme durch den Bekl. besteht. Über die Frage, ob eine solche Billigkeitsmaßnahme geboten ist, kann im vorliegenden Klageverfahren, welches lediglich die Steuerfestsetzungen und deren Rechtmäßigkeit betrifft, indes nicht entschieden werden. Zudem ist ein Antrag auf Anordnung einer Billigkeitsmaßnahme durch die Klin. bislang nicht gestellt.

Eine Aussetzung des Klageverfahren gem. § 74 FGO in Hinblick auf einen ggf. zu erwartenden Antrag der Klin. auf Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen ist nicht geboten. Zwar ist es regelmäßig sinnvoll, den Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheids auszusetzen, solange noch unklar ist, ob und wie ein angefochtener Grundlagenbescheid geändert wird. Auch der Verwaltungsakt, der eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO zulässt, wird als Grundlagenbescheid angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 21.1.1992 VIII R 51/88, 504, BStBl II 1993, 3, m.w.N.). Gegen eine Aussetzung spricht im vorliegenden Fall jedoch, dass sich hierdurch das Klageverfahren und die Klärung der streitigen Rechtsfragen erheblich verzögern würde. Zudem käme ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen auf Grundlage des Schreibens lediglich für den Zeitraum ab Erteilung des Schreibens am 3.11.2006 in Betracht, so dass eine unstreitige Erledigung des Klageverfahrens hinsichtlich der Umsätze, die in der Zeit vom 1.5.2006 bis zum 2.11.2006 erzielt worden sind, ohnehin nicht zu erwarten ist.

X.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

...              ...              ...

Zitate11
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte