OLG Köln, Urteil vom 31.07.2012 - 15 U 13/12
Fundstelle
openJur 2012, 131236
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 18.01.2012, Az.: 28 O 703/11, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das klagende Land.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1.

Das klagende Land nimmt die Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen in Bezug auf die Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Integration und  Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Frau Zülfiye Kaykin, in Anspruch. Die Beklagten sind Mitglieder des D.

Streitgegenständlich sind Äußerungen in einer Pressemitteilung vom 26.05.2011, die der D unter der Überschrift „NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) auf dem rechten Migrantenauge blind. Staatssekretärin Zülfiye Kaykin nicht weiter tragbar!“ am 26.05.2011 veröffentlichte und die auch auf der Internetseite www.D2.de wiedergegeben wurde. Die Pressemitteilung vom 26.05.2011 wurde vom Beklagten zu 3. unterzeichnet. Der Beklagte zu 1. ist als Domain-Inhaber bei der DENIC für die Internetseite www.D2.de eingetragen. Die Beklagte zu 2. wird im Impressum der Internetseite als medienrechtlich Verantwortliche angegeben und in der Pressemitteilung mit eigenen Stellungnahmen zitiert.

In der Pressemitteilung heißt es u.a.:

„Nach Berichten der „Welt am Sonntag“ und „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ erheben mehrere türkeistämmige Migrantenverbände - u. a. die U, die B und die G - schwere Vorwürfe gegen Zülfiye Kaykin (SPD) und fordern ihren Rücktritt.

Bereits zuvor hatte die B2 Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit Schreiben vom 18.03.2011 aufgefordert, „mit sofortiger Wirkung“ personelle Konsequenzen im Integrationsministerium zu ziehen und drohte unmissverständlich mit der Einleitung „politischer, juristischer und öffentlichkeitswirksamer Schritte.

[…] Laut Presseberichten soll Kaykin vor ihrer Berufung zur Staatssekretärin intensive Kontakte zu den rechtsextremen „H“ gepflegt und in der Vergangenheit Kontakt zum Führer der rechtsextremen H, U2, gehabt haben. Kaykin wird im Einzelnen vorgeworfen, mehrere Parteiveranstaltungen der H besucht und 2010 eine Totenmesse für den mittlerweile verstorbenen Basbug („Leitwolf“) U2 in der Duisburger E-Moschee genehmigt und durchgeführt zu haben.

[…] Nachdem Kaykin gegenüber der „Welt am Sonntag“ zunächst öffentlich beteuert hatte, keinerlei Kontakte zu den rechtsextremen „H“ zu haben, musste sie, nachdem sich die Hinweise verdichtet und konkretisiert hatten, einräumen,  gleich mehrfach Gespräche mit Mitgliedern der rechtsextremen türkischen Partei N, dem politischen Arm der „H“, geführt zu haben.

J, Parlamentskandidat der rechtsextremen Partei N und Vorsitzender der „V“ - einem Zusammenschluss u. a. rechtsradikaler Vereinigungen aus dem Spektrum der H - setzte sich nach mehreren Treffen mit Kaykin persönlich für ihre Ernennung zur Ministerin ein.

Wie mehrere überregionale türkische Tageszeitungen berichteten, wurde Kaykins Ernennung zur Ministerin für Integration auf Druck einiger Politiker des Koalitionspartners „Bündnis90/Die Grünen“ mit dem Hinweis auf ihre mögliche Verbindung zu den vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen H, verhindert. […]

Zahlreiche türkeistämmige Gemeinden sehen der wiederholten Drohung aus dem SPD-Ministerium gelassen entgegen. […] Die Büchse der Pandora sei ohnehin noch nicht geöffnet worden, heißt es aus diesen Kreisen. So gäbe es noch offene Fragen zu finanziellen Ungereimtheiten in Bezug auf die Verwendung von EU-Fördermitteln. Kaykin sei als Geschäftsführerin der E Begegnungsstätte für die Verwaltung von Fördermitteln in Höhe von über 3 Mio. € verantwortlich gewesen.  Die Ordnungsmäßigkeit der Mittelverwendung sei, trotz zahlreicher offener  Fragen, bisher noch nicht von einer unabhängigen Stelle geprüft worden.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Pressemitteilung vom 26.05.2011, Bl. 29 - 31 d. A. Bezug genommen.

Weiter sind streitgegenständlich Äußerungen, die die Beklagten am 05.06.2011 in einem von ihnen unterzeichneten E-Mail-Rundschreiben in türkischer Sprache an alevitische Gemeinden in Deutschland (130 Kulturzentren und weitere Empfänger), versandten. In dieser E-Mail äußern sie, dass sie die Rücktrittsforderungen gegenüber Frau Kaykin „voll und ganz“ unterstützten. Weiter heißt es in dem Schreiben:

„Wie berichtet wird, hat Frau Kaykin U2 in der Vergangenheit gastfreundlich empfangen, ist sie Mitglied des E2-Vereins gewesen, (…)“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 34 - 35 bzw. Bl. 36 - 37 d. A. (deutsche Übersetzung) Bezug genommen.

Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung lehnten die Beklagten hinsichtlich der beiden vorgenannten Veröffentlichungen ab.

Das klagende Land hat die Berichterstattung der Beklagten in Teilen für unzulässig gehalten, da sie auf einer unwahren Tatsachengrundlage beruhten. Davon sei das klagende Land betroffen, weil die Beklagten die Qualifikation der Staatssekretärin für das Amt in Frage stellten.

Es sei insbesondere unzutreffend, dass die B2 die Ministerpräsidentin aufgefordert habe, personelle Konsequenzen in Bezug auf Frau Staatssekretärin Kaykin zu ziehen. Das Schreiben der B2 vom 18.03.2011 habe sich ausschließlich auf den Abteilungsleiter im Ministerium bezogen. Durch den Bericht entstehe der falsche Eindruck, dass die B2 die Entlassung der Staatssekretärin gefordert habe. Des Weiteren habe Frau Staatssekretärin Kaykin auch keine Parteiveranstaltungen der Partei der „H“ besucht, bei denen es sich um eine rechtsextreme türkische Gruppierung handele. Sie habe auch die Totenmesse für U2, den Gründer der „H“, in der Duisburger Moschee weder genehmigt noch durchgeführt; ebenso wenig habe sie Gespräche mit N-Mitgliedern geführt oder Herrn J mehrfach getroffen. Unzutreffend sei auch, dass Frau Kaykin auf Druck von Politikern der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ wegen möglicher Verbindungen zur rechtsextremen Gruppe der H nicht zur Ministerin ernannt worden sei. Vielmehr sei Frau Kaykin niemals für das Amt der Integrationsministerin im Gespräch gewesen. Die Verwendung von EU-Fördermitteln für die E Begegnungsstätte sei von der Bezirksregierung Düsseldorf und der O GmbH geprüft und für ordnungsgemäß befunden worden. Herrn U2 sei Frau Kaykin nie begegnet. Ebenso wenig sei sie Mitglied im E2-Verein gewesen.

Das klagende Land hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen,

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen,

in Bezug auf die Staatssekretärin beim Minister für Arbeit, Integration und Soziales, Frau Zülfiye Kaykin, folgende Behauptungen aufzustellen und/oder aufstellen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen;

a)

die B2 habe im Schreiben vom 18.03.2011 die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft aufgefordert, mit sofortiger Wirkung personelle Konsequenzen im Integrationsministerium zu ziehen, soweit damit in Verbindung mit der zuvor erwähnten Rücktrittsforderung der Eindruck erweckt wird, die B2 habe in diesem Schreiben u.a. den Rücktritt oder die Abberufung von Frau Staatssekretärin Zülfiye Kaykin gefordert;

b)

sie habe mehrere Parteiveranstaltungen der H besucht;

c)

2010 habe sie eine Totenmesse für U2 in der Duisburger E-Moschee genehmigt und durchgeführt;

d)

sie habe eingeräumt bzw. eingestanden, gleich mehrfach Gespräche mit Mitgliedern der rechtsextremen türkischen Partei N, dem politischen Arm der „H“, geführt zu haben;

e)

sie habe sich mehrfach mit J, einem Parlamentskandidaten der rechtsextremen Partei N, getroffen;

f)

ihre Ernennung zur Ministerin für Integration sei auf Druck einiger Politiker von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Hinweis auf ihre mögliche Verbindung zu den rechtsextremen H verhindert worden;

g)

die Ordnungsmäßigkeit der Verwendung von EU-Fördermitteln bei der E-Begegnungsstätte, bei der sie seinerzeit Geschäftsführerin und damit verantwortlich für die Verwaltung von Fördermitteln gewesen sei, sei bisher noch nicht von einer unabhängigen Stelle geprüft worden;

h)

sie habe U2 in der Vergangenheit gastfreundlich empfangen;

i)

sie sei Mitglied des E2-Vereins gewesen;

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, das klagende Land sei als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht aktivlegitimiert. Durch die allein in Bezug auf Frau Kaykin getätigten Äußerungen sei das klagende Land zudem nicht betroffen. Insoweit fehle es an der zu fordernden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des klagenden Landes. Schließlich beträfen die Äußerungen das Verhalten von Frau Kaykin noch vor ihrem Amtsantritt.

Die Beklagten haben weiterhin die Ansicht vertreten, sie seien nicht passivlegitimiert. Ferner könnten sie sich auf das so genannte "Laienprivileg" berufen. Die beanstandeten Äußerungen seien aus öffentlich zugänglichen Quellen entnommen, denen nicht öffentlich widersprochen worden sei; auch Richtigstellungen seien nicht veröffentlicht worden. Eine bessere Recherchemöglichkeit als die Autoren der Presseberichte hätten sie nicht gehabt. Zudem seien die Äußerungen nach § 193 StGB gerechtfertigt, da sie im Rahmen der öffentlichen und politischen Meinungsbildung gefallen seien. Zu den im Einzelnen beanstandeten Äußerungen haben die Beklagten wie folgt Stellung genommen:

Die Äußerung, wonach die „B2“ personelle Konsequenzen im Integrationsministerium gefordert habe, sei nicht zwangsläufig auf Frau Kaykin zu beziehen. Frau Kaykin habe Begegnungen mit Mitgliedern der Partei N auf verschiedenen Veranstaltungen gehabt. Im Zusammenhang mit der Totenmesse für U2 habe es im nicht-öffentlichen Teil der Begegnungsstätte auch eine politische Veranstaltung zu dessen Ehren gegeben, die von Frau Kaykin als Geschäftsführerin genehmigt und veranstaltet worden sei. Der öffentliche Teil der Begegnungsstätte sei zur Bewirtung der Teilnehmer der Totenmesse frei zugänglich gewesen.

In der türkischen Zeitung „Sabah“ sei berichtet worden, dass Frau Kaykin auf Grund politischen Drucks der Partei von „Bündnis 90/Die Grünen“ als Ministerin für Integration verhindert worden sei. Eine sich von der ursprünglichen Veröffentlichung distanzierende Äußerung des Redakteurs sei nur auf dessen Internetseite abrufbar gewesen, nicht jedoch in der maßgeblichen Zeitung veröffentlicht worden.

Eine unabhängige Prüfung der Finanzen des  Vereins „E - Begegnungsstätte e. V.“ habe nicht stattgefunden. Bei einer unangemeldeten Prüfung der E - Zentrale Köln in der Duisburger Moschee und der Begegnungsstätte im Jahr 2009 sei festgestellt worden, dass im Büro die Einrichtung einer „schwarzen Kasse“ festzustellen sei. Außerdem seien von der EU geförderte Seminare nicht durchgeführt worden. Der Untersuchungsbericht beziehe sich auch auf eine Zeit, in der Frau Kaykin als hauptamtliche Geschäftsführerin für die „E - Begegnungsstätte e. V.“ in Duisburg Marxloh verantwortlich gewesen sei.

2.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 18.01.2012 (Bl. 245 ff. GA) vollumfänglich stattgegeben. Hinsichtlich des Antrages zu 1 a) hat das Landgericht die zu unterlassende Äußerung durch eine Bezugnahme auf die konkrete Ausgangsmitteilung präzisiert, ohne dass damit eine Abweisung in der Sache verbunden gewesen wäre.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das klagende Land sei durch die im Urteilstenor genannten Äußerungen in ihren institutionellen Rechten verletzt worden.

Das klagende Land sei aktivlegitimiert. Zwar sei das klagende Land nicht Träger von Persönlichkeitsrechten. Jedoch könnten auch Träger öffentlicher Gewalt durch Äußerungen Dritter rechtswidrig in institutionellen Rechten beeinträchtigt werden, wenn eine Äußerung einen Bezug zur Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung aufweise. Indem die Staatssekretärin in die Nähe rechtsextremer türkischer Gruppierungen gerückt und zum Rücktritt aufgefordert werde, werde zugleich ihre Eignung für das Amt der Staatssekretärin in Frage gestellt. Die Kritik an der Amtsführung eines Beamten bzw. dessen Eignung für das Amt betreffe nicht nur den Beamten selbst, sondern auch die Behörde, für die der Beamte tätig sei. Da der Behörde (hier dem Ministerium) jedoch kein eigener institutioneller Schutz zustehe, sondern nur dem Träger öffentlicher Gewalt, sei dieser anspruchsberechtigt. Da vorliegend unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt würden, die mit einer Aufforderung an das Land verbunden seien, personelle Konsequenzen zu ziehen, liege eine unzulässige Funktionsbeeinträchtigung durch die Äußerungen vor. Die Äußerungen würden sich zwar in erster Linie auf Frau Staatssekretärin Kaykin beziehen. Dies schließe aber eine unmittelbare Betroffenheit des Landes nicht aus.

Die angegriffenen Äußerungen seien auch herabsetzend im Sinne des § 186 StGB. Es werde behauptet, dass eine leitende Beamtin auf Grund ihrer angeblichen Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen für das klagende Land nicht mehr tragbar sei. Der Minister sei auf dem „rechten Migrantenauge“ blind.

Für unerheblich hält das Landgericht, dass sich die von den Beklagten aufgestellten Äußerungen auf ein angebliches Verhalten der Staatssekretärin vor ihrem Amtsantritt beziehen. Für die unmittelbare Betroffenheit des Landes mache es keinen Unterschied, denn insbesondere durch die Presseerklärung werde deutlich, dass die Beklagten ihrerseits einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem angeblichen Verhalten der Staatssekretärin vor ihrem Amtsantritt und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch den Träger hoheitlicher Gewalt sehen würden. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Landesregierung auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten M mitteilen ließ, dass diese außerhalb des parlamentarischen Fragerechts liege, weil sie einen Sachverhalt zum Gegenstand habe, der mit der Ernennung von Frau Kaykin in keinem Zusammenhang stehe (Anlage B 4, Bl. 128 ff. GA). Das parlamentarische Fragerecht der Abgeordneten würde anderen rechtlichen Grundsätzen und Voraussetzungen unterliegen, als die Beurteilung äußerungsrechtlicher Zulässigkeit einer Berichterstattung.

Die Passivlegitimation der Beklagten ergebe sich aus ihrer Autorenstellung hinsichtlich des E-Mail-Rundschreibens vom 05.06.2011. In Bezug auf die Pressemitteilung vom 26.05.2011 folge die Passivlegitimation des Beklagten zu 3. aus dessen Autorenschaft. Als Inhaber der Internetdomain sei der Beklagte zu 1. als Störer für die Veröffentlichung verantwortlich. Zumindest treffe ihn eine reaktive Prüfpflicht, der er auf die Abmahnung des klagenden Landes vom 07.06.2011 nicht nachgekommen sei. Die Beklagte zu 2. sei als Verantwortliche im Sinne des Presserechts im Impressum der Internetseite bezeichnet. Zudem werde sie im Artikel mit einer eigenen Stellungnahme zu der Thematik zitiert, so dass davon auszugehen sei, dass die Meldung mit der Beklagten zu 2. vor deren Veröffentlichung abgestimmt worden sei.

Nach Auffassung des Landgerichts können die Beklagten sich nicht mit Erfolg auf eine Haftungseinschränkung in Form des so genannten „Laienprivilegs“ berufen. Die Beklagten hätten in weiten Teilen keine fremden Berichte aufgegriffen, sondern eigene Tatsachenbehauptungen aufgestellt, so dass eine entsprechende Privilegierung nicht in Betracht komme. So hätten sie es u. a. versäumt mitzuteilen, dass im Bericht der Zeitung „Welt am Sonntag“ vom 15.05.2011 ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass es sich lediglich um Gerüchte handele (betreffend des Besuchs von Veranstaltungen der H und des persönlichen Empfangs von U2). In der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ sei darauf hingewiesen worden, dass Frau Kaykin Herrn J lediglich „zufällig“ begegnet sei. Auch diesen wesentlichen Zusatz hätten die Beklagten in ihrer Pressemitteilung unterlassen. Für andere Behauptungen fehle es gänzlich an der Übernahme aus einer als zuverlässig anzuerkennenden Quelle.

Im Übrigen sei das Laienprivileg bereits dem Grunde nach nicht anwendbar. Da die Beklagten in regelmäßigen Abständen im Namen des D Pressemitteilungen veröffentlichen würden, die darauf abzielten, ihrerseits als Grundlage für eine Presseberichterstattung Dritter rezipiert zu werden. Der D unterhalte eine eigene „Pressestelle“, die eine pressewirksame Öffentlichkeitsarbeit wahrnehmen solle. Es gehe nicht um die Darstellung einer einzelnen Meinung eines Bürgers, sondern um die Stellungnahme einer Bevölkerungsgruppe im politischen Meinungskampf. Von den Beklagten könne daher ein größeres Maß an Sorgfalt verlangt werden, als von einem Bürger, der auf Grund einer Meldung in einer Zeitung ein Flugblatt verteile, um auf die öffentliche Meinungsbildung Einfluss zu nehmen, wie dies im so genannten „Bayer-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts der Fall gewesen sei.

Die beanstandeten Äußerungen der Beklagten beeinträchtigen nach Auffassung des Landgerichts auch die institutionellen Rechte und die Funktionsfähigkeit des klagenden Landes in rechtswidriger Weise. Die Zulässigkeit der Äußerungen sei auch im Hinblick darauf, dass die angegriffenen Veröffentlichungen dem politischen Meinungskampf dienten, nicht gerechtfertigt, da es sich bei allen im Einzelnen angegriffenen Äußerungen um falsche Tatsachenbehauptungen handeln würde.

3.

Gegen das klagestattgebende Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgen sowie ihr Vorbringen aus erster Instanz wiederholen, vertiefen und ergänzen.

Die Beklagten sind nach wie vor der Auffassung, das klagende Land sei nicht aktivlegitimiert. Der Bundesgerichtshof habe in seinem Urteil vom 16. November 1982, Az.: VI ZR 122/80 - „Vetternwirtschaft“ - bereits entschieden, dass der Schutz der Ehre, auch einer leitenden Beamtin, grundsätzlich nur von dieser und eben nicht von der Behörde verfolgt werden könne. Es sei zudem bereits bestritten, ob eine Behörde überhaupt beleidigungsfähig sei. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, so würde nach der Rechtsprechung nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch zuerkannt. Dazu müsste sich die beanstandete Äußerung unmittelbar gegen die staatliche Einrichtung richten. Eine unmittelbare Betroffenheit sei vorliegend nicht gegeben, da das klagende Land nicht Adressat der angegriffenen Äußerungen sei. Sämtliche Äußerungen würden sich ausschließlich auf Frau Kaykin beziehen und auch nicht ihre Amtsführung als Staatssekretärin betreffen, sondern Sachverhalte, die noch vor ihrer Ernennung zur Staatssekretärin stattgefunden hätten.

Nach Auffassung der Beklagten sei das klagende Land durch die angegriffenen Äußerungen auch nicht in der Funktionsfähigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Vorliegend werde weder die Behörde selbst kritisiert, noch würden die beanstandeten Äußerungen die Amtsführung eines Beamten betreffen. Die angegriffenen Äußerungen seien daher nicht geeignet, die Funktion der Behörde schwerwiegend zu beeinträchtigen.

Darüber hinaus sei jedoch auch der Tatbestand des § 186 StGB zum Nachteil der Behörde des klagenden Landes hinsichtlich keiner der angegriffenen Äußerungen erfüllt. Bei der Frage, ob Frau Kaykin für das Amt der Staatssekretärin tragbar sei, handele es sich um eine Meinungsäußerung, die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sei. Eine Verleumdung der Behörde des klagenden Landes im Sinne von § 186 StGB liege nicht vor, da sich sämtliche angegriffenen Äußerungen nicht auf die Behörde, sondern ausschließlich auf Frau Kaykin persönlich beziehen würden, und zwar bevor sie Staatssekretärin geworden sei. Auch die Amtsführung sei nicht Inhalt der angegriffenen Äußerung.

Die Beklagten wiederholen zudem ihr erstinstanzliches Vorbringen, wonach es sich jeweils um wahre Tatsachenbehauptungen handele bzw. die beanstandeten Äußerungen gemäß § 193 StGB durch das so genannte „Laienprivileg“ gerechtfertigt seien. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die angebotenen Beweise nicht erhoben.

Im Übrigen nehmen die Beklagten Bezug auf die Klageerwiderung vom 07.11.2011 sowie die Duplik vom 19.12.2011 nebst allen Anlagen und Beweisangeboten.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 18.01.2012, Az.: 28 O 703/11, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das klagende Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das klagende Land wiederholt und vertieft das erstinstanzliche Vorbringen. Insbesondere sei das klagende Land entgegen der Auffassung der Beklagten durch die beanstandeten Äußerungen unmittelbar betroffen und somit aktivlegitimiert.

Die Beklagten würden nicht nur gegen die Person der parlamentarischen Staatssekretärin unwahre Vorwürfe veröffentlichen, sondern zugleich auch die Landesregierung wegen der Bestellung von Frau Kaykin zur Staatssekretärin sowie der nicht erfolgten Abberufung kritisieren.

Eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung sei ebenfalls anzunehmen, da die gesamte Integrationspolitik des klagenden Landes durch die beanstandeten Äußerungen mit einem „Makel“ versehen würde, der diese Politik unglaubwürdig machen und allgemein diskreditieren solle.

Hinsichtlich der einzelnen angegriffenen Äußerungen wiederholt das klagende Land seinen erstinstanzlichen Vortrag, dass es sich sämtlich um unwahre Tatsachenbehauptungen handele.

Das so genannte „Laienprivileg“ finde keine Anwendung. Jedenfalls scheitere eine Rechtfertigung daran, dass es entsprechende Berichte in der Presse nicht gegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch scheitert jedenfalls daran, dass die beanstandeten Äußerungen - so wie beantragt jede für sich - nicht geeignet sind, das klagende Land schwerwiegend in seiner Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen.

1.

Das klagende Land ist als solches grundsätzlich sachbefugt, sich mittels zivilrechtlicher Unterlassungsklagen gegen Angriffe zu wenden, mit denen der Anspruch auf soziale Achtung ihrer Behörden (hier das Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen für Arbeit, Integration und Soziales als oberste Landesbehörde) verletzt wird.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts können zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Dem steht nicht entgegen, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts keine Grundrechtsträger sind. Sie haben auch keine „persönliche Ehre“ oder sind Träger eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wie dies bei natürlichen Personen der Fall ist.

Ihnen kommt jedoch - wie aus § 194 Abs. 3 S. 2 StGB folgt - im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gemäß §§ 185 ff. StGB strafrechtlicher Ehrenschutz zu, der auch zivilrechtliche Ansprüche nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB auslösen kann (BGH, Urteil vom 22.04.2008, VI ZR 83/07, „BKA“, Rz. 28 f., zitiert nach juris). Bezogen auf juristische Personen des öffentlichen Rechts verfolgen die §§ 185 ff. StGB allerdings das Ziel, dasjenige Mindestmaß an öffentlicher Anerkennung zu gewährleisten, das erforderlich ist, damit die betroffene Einrichtung ihre Funktion erfüllen kann und das unerlässliche Vertrauen in ihre Integrität nicht in Frage gestellt wird (BGH, Urteil vom 16.11.1982, VI ZR 122/80, „Vetternwirtschaft“, Rz. 15, zitiert nach juris).

Ein solcher Ehrenschutz steht auch der Bundesrepublik und den Bundesländern jedenfalls dann zu, wenn die konkrete Äußerung geeignet ist, die Behörde schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 22.04.2008, aaO; a.A. in der Literatur: Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5, Rn. 126 ff; Soehring, Presserecht, 4. Auflage, Rn. 13.19; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 141, wonach die Bundesrepublik und die Länder auf den strafrechtlichen Ehrenschutz nach § 90 a StGB beschränkt seien).

Die Eröffnung zivilrechtlichen Ehrenschutzes auch für die Bundesrepublik und die Bundesländer stellt sich nicht als grundsätzlich unzumutbare Belastung für die Meinungs- und Pressefreiheit dar. Zwar ist bei zivilrechtlichen Klagen von „Bund“ und "Ländern" von einem erhöhten Einschüchterungseffekt auszugehen, wodurch auch in erhöhtem Maße in die Meinungs- und Pressefreiheit eingegriffen wird. Dem kann aber ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass bei der erforderlichen Interessen- und Güterabwägung (vgl. § 193 StGB) Art. 5 Abs. 1, 2 GG eine gesteigerte Bedeutung eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 22.04.2008, aaO, Rz. 31; Urteil vom 16.11.1982, aaO, Rz. 17; BVerfGE 93, 266, 291).

2.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht im vorliegenden Fall dem klagenden Land kein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten gemäß §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 185 ff. StGB zu.

Das klagende Land ist durch die beanstandeten Äußerungen nicht unmittelbar in seinen durch §§ 185 ff. StGB geschützten Rechten betroffen; jedenfalls fehlt es an der für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu fordernden schwerwiegenden Funktionsbeeinträchtigung.

Zwar wäre den Ausführungen des Landgerichts wohl insoweit zu folgen, als dass es sich bei den angegriffenen Äußerungen überwiegend um zumindest nicht erwiesen wahre, rufschädigende Tatsachenbehauptungen handelt, deren Verbreitung auch nicht durch das so genannte Laienprivileg gerechtfertigt wäre. Zur Geltendmachung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs wäre indes allein die von den beanstandeten Äußerungen unmittelbar betroffene Frau Staatssekretärin Kaykin aktivlegitimiert.

Bei der Frage der Zulässigkeit einer Äußerung ist zunächst der Aussageinhalt zutreffend zu ermitteln. Zur Ermittlung des objektiven Sinngehaltes einer Äußerung ist vom Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums auszugehen. Bei der Deutung sind zunächst der Wortlaut, der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für den Leser erkennbar sind (BGH, Urteil vom 22.11.2005, NJW 2006, 601).

Die angegriffenen Äußerungen der Beklagten zu 1. b) - e), g), h) und i) stellen Sachverhalte dar, die die Staatssekretärin im NRW - Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, Frau Zülfiye Kaykin, unmittelbar betreffen.

Soweit dort berichtet wird,

b)

sie habe mehrere Parteiveranstaltungen der H besucht,

c)

2010 habe sie eine Totenmesse für U2 in der Duisburger E-Moschee genehmigt und durchgeführt,

d)

sie habe eingeräumt bzw. eingestanden, gleich mehrfach Gespräche mit Mitgliedern der rechtsextremen türkischen Partei N, dem politischen Arm der „H“, geführt zu haben,

e)

sie habe sich mehrfach mit J - einem Parlamentskandidaten der rechtsextremen Partei N - getroffen,

g)

die Ordnungsmäßigkeit der Verwendung von EU-Fördermitteln bei der E-Begegnungsstätte, bei der sie seinerzeit Geschäftsführerin und damit verantwortlich für die Verwaltung von Fördermitteln gewesen sei, sei bisher noch nicht von einer unabhängigen Stelle geprüft worden,

h)

sie habe U2 in der Vergangenheit gastfreundlich empfangen,

i)

sie sei Mitglied des E2-Vereins gewesen,

werden Frau Staatssekretärin Kaykin - frühere - Kontakte zur rechtsextremen türkischen Gruppierung der „H“ nachgesagt. Diese Aussagen sind auch geeignet, bei einem verständigen, durchschnittlich interessierten Rezipienten den Eindruck zu erwecken, Frau Kaykin habe in enger Verbindung zu der rechtsextremen türkischen Gruppierung der „H“ gestanden. Ferner wird dem Leser suggeriert, Frau Kaykin habe mutmaßlich öffentliche Gelder während ihrer Tätigkeit in der „E“-Begegnungsstätte nicht ordnungsgemäß verwaltet; jedenfalls bestünde insoweit noch Klärungsbedarf. Diese Äußerungen sind auch geeignet, den Ruf der Staatssekretärin zu schädigen und sie in ihrem sozialen Achtungsanspruch herabzusetzen.

Das klagende Land ist von den beanstandeten Äußerungen jedoch nur mittelbar betroffen; denn nicht jede gegenüber einem Behördenmitarbeiter geübte Kritik betrifft auch die dahinter stehende vorgesetzte oder aufsichtsführende Dienststelle. Diese Auffassung widerspräche der in § 194 Abs. 3 StGB zugrunde gelegten gesetzgeberischen Wertung. Danach enthält die Beleidigung eines Amtsträgers nicht notwendig eine solche der Behörde; vielmehr wird beim Antragsrecht im Strafverfahren nach § 194 Abs. 3 S. 1 und S. 2 StGB zwischen der Beleidigung gegenüber dem Amtsträger und einer unmittelbar gegen die Behörde gerichteten Tat unterschieden.

In dem vom Bundesgerichtshof zur Frage der Aktivlegitimation juristischer Personen öffentlichen Rechts entschiedenen „Vetternwirtschaft-Fall“ (BGH, Urteil vom 16.11.1982, VI ZR 122/80, zitiert nach juris) wird ausgeführt, dass sich die Aktivlegitimation der Behörde daraus ergebe, dass der Vorwurf nicht allein auf ein dienstliches Verhalten einer einzelnen leitenden Amtsträgerin abgezielt habe, sondern auf breiter Front allgemein gegen die Ämterführung. Es werde der Eindruck erweckt, es gebe unlautere Machenschaften („Günstlings- und Vetternwirtschaft“) im gesamten „Behördenapparat“ (BGH, aaO). Ferner bejahte der Bundesgerichtshof die Aktivlegitimation der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf einen Richtigstellungsanspruch (BGH, Urteil vom 22.04.2008, Az.: VI ZR 83/07 - "BKA"). In dem beanstandeten Artikel im Magazin „FOCUS“ wurde einer gesamten Behörde, nämlich dem Bundeskriminalamt (BKA) unterstellt, manipulierte Terrorismus-Akten lanciert zu haben, um eine „undichte Stelle“ innerhalb des BKA aufzudecken.

Die vorliegend zu beurteilenden Äußerungen zielen indes weder auf die Amtsführung einer leitenden Behördenmitarbeiterin ab, noch betreffen sie die gesamte Behörde. Dass Kritik an einer Person, die eine leitende Stellung in einer obersten Landesbehörde innehat, sich zugleich reflexartig auch auf die Behörde auswirkt, ist jener Kritik immanent. Insofern erscheint es nicht sachgerecht allein unter diesem Gesichtspunkt eine unmittelbare eigene Betroffenheit der dahinter stehenden Behörde anzunehmen.

Den Schutz der persönlichen Ehre eines Behördenmitarbeiters, kann die Behörde bzw. in dessen Vertretung der „Bund“ oder das Land im Verfahren des zivilrechtlichen Ehrenschutzes, anders als beim Antragsrecht zur strafrechtlichen Verfolgung gemäß § 194 Abs. 3  S. 1 StGB, grundsätzlich nicht, auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt einer Fürsorgepflicht geltend machen (BGH, Urteil vom 16.11.1982, aaO, Rz. 19). Andernfalls würde dies die öffentliche Hand gegenüber einem privaten Arbeitgeber, der in solchen Fällen als nur mittelbar Betroffener keinen Deliktsschutz hat, in einem Bereich, der durch Gleichordnung gekennzeichnet ist, ohne Sachgrund privilegieren (BGH, aaO, Rz. 19). Darüber hinaus beschränkt § 194 Abs. 3 S. 1 StGB das Antragsrecht der Behörde zur strafrechtlichen Verfolgung einer Beleidigung gegen einen Amtsträger ohnehin auf diejenigen Fälle, in denen die Beleidigung „während der Ausübung des Dienstes oder in Beziehung auf den Dienst“ begangen wurde.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Durch die angegriffenen Äußerungen wird kein Bezug zur obersten Landesbehörde, dem NRW-Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration hergestellt. Die Kritik richtet sich allein gegen Frau Staatssekretärin Kaykin und betrifft Sachverhalte, die zum Teil bereits mehrere Jahre zurückliegen, jedenfalls vor ihrem Amtsantritt lagen und auch mit ihrer Amtsführung im Ministerium in keinem Zusammenhang stehen.

Die beanstandete Äußerung zu 1. a):

„Bereits zuvor hatte die B2 Ministerpräsidentin...“ Hannelore Kraft mit Schreiben vom 18.03.2011 aufgefordert, „mit sofortiger               Wirkung“ personelle Konsequenzen im Integrationsministerium zu ziehen (…)“,

zielt auf das klagende Land zwar insofern ab, als dass (angebliche) Rücktritts- bzw. Entlassungsforderungen der B2 hinsichtlich eines leitenden Beamten gegenüber der Landesregierung veröffentlicht werden. Da es sich bei der B2 e.V. um die zweitstärkste Religionsgemeinschaft innerhalb der türkischstämmigen Migranten in der Bundesrepublik Deutschland handelt, die rund 500.000 Mitglieder hat, ist die beanstandete Äußerung durchaus geeignet, weiteren „Druck“ auf die Landesregierung dahingehend auszuüben, dass Frau Kaykin von ihrem Amt als Staatssekretärin abzuberufen sei. Rufschädigend im Sinne der §§ 185 ff StGB ist die Äußerung jedoch auch unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie wiedergegeben wird, gegenüber dem Landesministerium und mithin dem klagendenden Land nicht. Zwar ist der Auffassung des klagenden Landes insoweit zu folgen, dass ein durchschnittlich interessierter, unvoreigenommener Rezipient diese Äußerung aufgrund des Kontextes dahingehend verstehen kann, dass die B2 die Abberufung von Frau Kaykin gefordert habe. Aus dem vorliegenden Schreiben vom 18.03.2011 (Bl. 43 GA) ergibt sich indes, dass personelle Konsequenzen im Hinblick auf den Abteilungsleiter im Landesministerium, Herrn Anton Rütten, gefordert wurden. Dennoch ist die angegriffene - erweislich unwahre - Äußerung nicht geeignet, das klagende Land in seinem öffentlichen Ansehen herabzuwürdigen. Durch die Äußerung wird lediglich der eigenen Rücktrittsforderung der Beklagten weiteres Gewicht verliehen; Elemente der Miss- oder Nichtachtung, die geeignet wären Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft verächtlich erscheinen zu lassen oder sie in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, enthält die Äußerung jedoch nicht. Ein Verständnis der Äußerung dahingehend, Frau Hannelore Kraft toleriere rechtsextreme Gesinnungen bei leitenden Behördenmitarbeitern, wäre zu weitgehend.

Die angegriffene Aussage zu 1. f):

„wurde Kaykins Ernennung zur Ministerin für Integration auf Druck einiger Politiker (…) von „Bündnis 90/Die Grünen“ mit dem Hinweis auf ihre mögliche Verbindung zu den vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen „H“ verhindert“,

könnte das klagende Land unmittelbar insoweit betreffen, als dass unter Würdigung des Gesamtkontextes nach Auffassung eines verständigen, durchschnittlich interessierten Lesers kritisiert wird, Frau Ministerpräsidentin Kraft habe zunächst eine Person zur Ministerin für Arbeit, Integration und Soziales berufen wollen, die mutmaßlich Verbindungen zu einer rechtsextremen Partei hatte. Dies sei letztlich nur auf Intervention einiger Politiker des Koaltitionspartners unterblieben. Ein unmittelbarer ehrabträglicher Vorwurf ist darin indes nicht zu sehen. Es wäre fernliegend, diese Äußerung dahingehend zu verstehen, dass Frau Ministerpräsidentin Kraft eigene rechtsextreme Gesinnungen nachgesagt würden oder dass sie solche Gesinnungen bei leitenden Behördenmitarbeitern tolerieren würde.

Auf der Grundlage von - wohl zumindest nicht erweislich wahren - Tatsachenbehauptungen wird hier erneut die Aufforderung an die Landesregierung gerichtet, personelle Konsequenzen an leitender Stelle einer obersten Landesbehörde zu ziehen. Dadurch mag das klagende Land zwar unmittelbar angesprochen werden; die Äußerungen sind jedoch gegenüber dem Landesministerium und mithin auch gegenüber dem  klagenden Land selbst nicht rufschädigend und verletzen daher die Behörde sowie den dahinter stehenden Hoheitsträger, hier das Land Nordrhein - Westfalen, nicht seinen Rechten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff StGB. Es handelt sich vielmehr um Äußerungen, die im Rahmen eines politischen Meinungskampfes getätigt werden und über Art. 5 Abs. 1 GG im Rahmen der Abwägung in besonderem Maße schützenswert sind (vgl. dazu Burkhardt, in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 64). Kritik an Personalentscheidungen und Rücktrittsforderungen sind in der Politik üblich und - sofern es sich weder um Schmähkritik noch um Formalbeleidigungen handelt - in weiten Grenzen hinzunehmen.

Eine unmittelbare Betroffenheit des Landes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die beanstandeten Äußerungen stehen. Insoweit wird Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vorgeworfen, trotz Kenntnis der Gerüchte von Kontakten zu rechtsextremen türkischen Gruppierungen von Frau Kaykin, diese zur Staatssekretärin berufen zu haben:

„Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ernannte Zülfiye Kaykin dennoch zur Staatssekretärin, obwohl sie bereits am 11.Mai 2010 über die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Kaykin unterrichtet worden war“;

der Leiter einer obersten Landesbehörde, nämlich Herr NRW-Integrationsminister Schneider wird kritisiert, da er untätig bleibe, obwohl Frau Staatssekretärin Kaykin nicht länger tragbar sei:

„NRW Integrationsminister Guntram Schneider auf dem rechten Migrantenauge blind. Staatssekretärin Zülfiye Kakyin nicht weiter tragbar!“ (Überschrift der Pressemitteilung).

Zwar wird durch den Kontext ein Bezug zwischen den Vorwürfen gegenüber Frau Kaykin und dem Verhalten von Landesminister Herrn Schneider sowie auch Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hergestellt. Der insoweit hergestellte Zusammenhang führt indes entgegen der Auffassung des klagenden Landes nicht dazu, dass dieses durch die Vorwürfe gegenüber Frau Kaykin selbst unmittelbar in seinem Ruf geschädigt würde. Dabei ist zu beachten, dass ein Hoheitsträger nur dann in seiner „Ehre“ verletzt sein könnte, wenn das Mindestmaß an öffentlicher Anerkennung nicht mehr gewährleistet wäre (BVerfG, NJW 2006, 3769). Dies ist auch unter Berücksichtigung des Kontextes der angegriffenen Äußerungen nicht der Fall. Es werden weder dem Landesminister, der Ministerpräsidentin noch Frau Staatssekretärin Kaykin eigene rechtsextreme Gesinnungen nachgesagt. Soweit Frau Kaykin frühere Kontakte zu einer rechtsextremen türkischen Gruppierung, die Ausrichtung einer mehrere Jahre zurückliegenden Totenmesse zu Ehren des Gründers der „H“, U2, sowie die ungeklärte Verwendung von öffentlichen Geldern bei der E-Begegnungsstätte nachgesagt werden, sind diese Äußerungen nicht geeignet, die gesamte Behörde und mithin das klagende Land in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Kritik wird allein an Tätigkeiten von Frau Kaykin noch vor ihrem Amtsantritt geübt und damit die Meinung der Beklagten begründet, warum sie Frau Kaykin als Staatssekretärin für eine personelle Fehlbesetzung halten.

Hinsichtlich der beanstandeten Äußerungen fehlt es nach Auffassung des Senats daher bereits an einer unmittelbaren Betroffenheit der gesamten Behörde, die durch das klagende Land vertreten wird. Den persönlichen Ehrschutz eines einzelnen Behördenmitarbeiters kann das klagende Land nicht geltend machen; dies gilt jedenfalls für den Fall, dass die Ehrverletzung nur einen einzelnen Mitarbeiter betrifft und weder amtsbezogen ist, noch mit der Ausübung des Amtes in Verbindung steht.

3.

Selbst unter der Annahme, das klagende Land sei unmittelbar in seinen Rechten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB - was nach obigen Erwägungen bereits äußerst zweifelhaft erscheint - betroffen, so scheitert der geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedenfalls daran, dass die beanstandeten Äußerungen nicht geeignet sind, zu einer schwerwiegenden Funktionsbeeinträchtigung des klagenden Landes, bzw. des Landesministeriums für Arbeit, Integration und Soziales, zu führen.

Ob zur Aktivlegitimation eines Landes bei der Geltendmachung zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche im Presserecht gefordert werden muss, dass die konkrete Äußerung geeignet ist, eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung herbeizuführen, wurde bisher noch nicht abschließend entschieden. Der Bundesgerichtshof hat insoweit die Auffassung vertreten, dass die Aktivlegitimation der Bundesrepublik Deutschland - und gleiches dürfte auch für ein klagendes Land gelten - jedenfalls bei einer schwerwiegenden Funktionsbeeinträchtigung gegeben sei. Wie die Frage bei weniger schwerwiegenden Eingriffen zu beurteilen sein wird, hatte der Bundesgerichtshof in dem zugrunde liegenden Fall nicht zu entscheiden (BGH, Urteil vom 22.04.2008, aaO).

Nach Ansicht des Senates ist eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung deshalb zu fordern, weil es originäre Aufgabe der Presse ist, Institutionen öffentlicher Gewalt zu kontrollieren. Zur wirksamen Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktion kommt der Presse gegenüber staatlichen Eingriffen ein besonderer Schutz zu. Dabei ist zu beachten, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin weiterhin seine Bedeutung findet (BVerfG, NJW 2006, 3769 - „Babycaust“). Das Bundesverfassungsgericht führt zur Frage der Beleidigungsfähigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts aus, dass strafrechtlicher Ehrenschutz nach §§ 185 ff StGB im Hinblick auf Hoheitsträger das Ziel verfolgt, dasjenige Mindestmaß an öffentlicher Anerkennung zu gewährleisten, das erforderlich ist, damit die betroffenen staatlichen Einrichtungen ihre Funktion erfüllen können (BVerfG, a.a.O.). Auch der zivilrechtliche Ehrenschutz von Hoheitsträgern ist auf diese Gesichtspunkte zu beschränken. Insoweit ist der Staat und damit - wie hier - auch ein klagendes Land nur dann zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche als Folge einer Medienberichterstattung befugt sein, wenn die konkrete Äußerung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner Funktion führt. In anderen Fällen erscheint es ausreichend, dass allein der unmittelbar Betroffene, vorliegend Frau Staatssekretärin Kaykin, aktivlegitimiert ist, Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend zu machen.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte ist eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung des klagenden Landes durch die beanstandeten Äußerungen nicht anzunehmen. Die vorliegend beanstandeten Äußerungen sind in ihrer Tragweite mit der im „BKA - Fall" des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22.04.2008, VI ZR 83/07, a.a.O.) beanstandeten Äußerung nicht vergleichbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass jede einzelne angegriffene Äußerung für sich geeignet sein müsste, eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung herbeizuführen, da der Antrag des klagenden Landes auf eine Unterlassung jeder einzelnen Äußerung, und nicht allein in ihrer Gesamtheit, abzielt.

Zwar erwecken die Beklagten durch die vorliegend beanstandeten Äußerungen den Eindruck, dass die parlamentarische Staatssekretärin im Landesministerium für Integration (u.a.) politische Kontakte zu einer rechtsextremen türkischen Gruppierung pflegte und dies vom zuständigen Minister und der Ministerpräsidentin letztlich tatenlos hingenommen werde. Diese Vorwürfe sind indes nicht geeignet, das öffentliche Ansehen des gesamten Ministeriums derart zu beschädigen, dass Bedenken an der Funktionsfähigkeit der gesamten Behörde aufkommen. Auch insoweit ist wiederum zu berücksichtigen, dass die beanstandeten Äußerungen sich sämtlich nicht gegen die Amtsführung von Frau Kaykin richten; auch wird der Staatssekretärin nicht vorgeworfen, Verfehlungen im Rahmen oder auch nur in Bezug auf die Ausübung ihres Amtes begangen zu haben. Ihre fachliche Qualifikation wird nicht in Frage gestellt.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Integrationspolitik des Landes einen nicht unerheblichen Stellenwert einnimmt und im In- und Ausland mit besonderem Interesse wahrgenommen wird. Eine funktionsfähige Integrationspolitik basiert deshalb auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit auch mit ausländischen Stellen.

Die erhobenen Vorwürfe sind jedoch auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte nicht geeignet, ein solch tiefgreifendes Misstrauen gegenüber dem gesamten Landesministerium zu begründen, dass es seine staatlichen Funktionen nicht mehr erfüllen könnte. Eine derart weitreichende Bedeutung ist den beanstanden Äußerungen nicht beizumessen. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen „BKA-Fall“, wird durch die beanstandeten Äußerungen nicht das Vertrauen in eine gesamte Behörde zerstört oder wie im „Vetternwirtschaft-Fall“ suggeriert, der gesamte „Behördenapparat“ gehe „unlauteren Machenschaften“ nach.

Zweifel, die aufgrund der beanstandeten Äußerungen zu 1. b) - e), g), h) und i) an der persönlichen Eignung der Frau Staatssekretärin Kaykin für das Amt aufkommen könnten, da sie angeblich Kontakte zu einer rechtsextremen türkischen Gruppierung hatte, eine Totenmesse zu Ehren von U2 veranstaltet habe und die ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Gelder während ihrer Tätigkeit in der „E“-Begegnungsstätte noch zu prüfen sei, beseitigen nicht „dasjenige Mindestmaß an öffentlicher Anerkennung, das erforderlich ist, damit die betroffenen staatlichen Einrichtungen ihre Funktion erfüllen können“. Es ist nicht ersichtlich, dass die angegriffenen Behauptungen dazu führen, dass in- oder ausländische Stellen ihre Zusammenarbeit mit dem NRW-Ministerium einschränken oder einstellen werden. Selbst wenn das Vertrauen in die Integrität von Frau Staatssekretärin Kaykin erschüttert worden sein sollte, so ist dieser Vertrauensverlust nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der gesamten Behörde in Frage zu stellen; erst recht läge darin keine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung. Es sind darüber hinaus keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass das Landesministerium für Arbeit, Integration und Soziales seine staatlichen Aufgaben aufgrund der Kritik an Frau Kaykin nicht mehr wahrnehmen könnte; auch ist nicht ersichtlich, dass Frau Kaykin persönlich in ihrer Arbeit eingeschränkt wurde oder eine entsprechende Gefahr drohte. Sie führt vielmehr auch weiterhin ihr Amt ohne Beeinträchtigung fort. Auch dies ist zumindest ein Indiz dafür, dass die inkriminierten Äußerungen nicht geeignet sind, die Staatssekretärin und die Behörde bei der Erfüllung der ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben zu beeinträchtigen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den unmittelbar auf die Landesregierung abzielenden Äußerungen zu 1 a) und f). Die Äußerung, dass die B2 personelle Konsequenzen - bei verständiger Würdigung hinsichtlich Frau Kaykin - im Ministerium vom Landesminister Herrn Guntram Schneider gefordert habe, ist nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Behörde zu beeinträchtigen. Selbst unter Berücksichtigung des Kontextes und insbesondere der Überschrift („NRW Integrationsminister (…) auf dem rechten Migrantenauge blind“) vermag der Senat darin keinen Vorwurf zu sehen, der geeignet wäre, den Minister an der weiteren Wahrnehmung seines Amtes und der Erfüllung der ihm obliegenden öffentlichen Aufgaben zu hindern. Die geäußerte Kritik ist nicht von einer Intensität, die eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Behörde zur Folge haben könnte. Die von den Beklagten insoweit zutage tretende Meinung, Frau Kaykin sei für das Amt der Staatssekretärin eine personelle Fehlbesetzung und deshalb von Herrn Landesminister Schneider zu entlassen, ist bereits nicht geeignet, die Behörde in ihrem öffentlichen Ansehen herabzuwürdigen.

Ähnliches gilt hinsichtlich der beanstandeten Äußerung zu 1f), wonach die „Ernennung (von Frau Kaykin) zur Ministerin für Integration auf Druck einiger Politiker von „Bündnis 90/Die Grünen“ mit dem Hinweis auf ihre mögliche Verbindung zu den rechtsextremen „H“ verhindert worden sei“. Diese Behauptung ist nicht geeignet, das Vertrauen in die Ministerpräsidentin Kraft, den amtierenden Landesminister Schneider oder in das Landesministerium als gesamte Behörde zu zerstören. Unabhängig von der Frage der Wahrheit dieser Äußerung ist festzustellen, dass eben gerade nicht die wegen ihrer angeblichen Kontakte zu den „H“ kritisierte Frau Kaykin die Führung des Ministeriums übernommen hat, sondern eine andere Person, nämlich Herr Schneider, zum Minister ernannt wurde.

Die Geeignetheit der angegriffenen Äußerungen,  eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchigung der Landesbehörde herbeizuführen, scheitert darüber hinaus an deren nur eingeschränkt erfolgter Verbreitung in der Öffentlichkeit.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung beleidigend oder rufschädigend ist und deshalb ein strafrechtlicher oder zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch in Betracht kommen könnte, maßgeblich auf die inhaltliche Bewertung der Äußerungen abzustellen ist und der Verbreitungsgrad außer Betracht zu bleiben hat. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung eines Hoheitsträgers zu befürchten steht, ist dieser Gesichtspunkt allerdings von nicht unerheblicher Bedeutung. Deshalb ist auch der Verbreitungsgrad und mithin die Geeignetheit der Äußerung, sich auf die öffentliche Meinungsbildung in erheblicher Weise auszuwirken, im Rahmen der Abwägung, ob die Gefahr einer schwerwiegenden Funktionsbeeinträchtigung der Behörde vorliegt, zu berücksichtigen.

Vorliegend erreichen die Pressemitteilung vom 26.05.2011 auf der Internetseite www.D2.de und insbesondere das E-Mail-Rundschreiben vom 05.06.2011 nur einen sehr eingeschränkten Leserkreis. Der D vereint derzeit ca. 30 "Initiatoren" hinter sich und das E-Mail-Rundschreiben vom 05.06.2011 war in türkischer Sprache an einen begrenzten Empfängerkreis (ca. 130 Email - Anschriften) adressiert. Im Hinblick darauf sind die darin enthaltenden Äußerungen nicht geeignet, sich in erheblicher Weise auf die öffentliche Meinungsbildung auszuwirken und die Funktionsfähigkeit der Behörde des Landes schwerwiegend zu beeinträchtigen; dies könnte bei einer Veröffentlichung derselben Äußerungen, etwa in einer großen deutschen Tageszeitung oder einem weit verbreiteten Politik-Magazin anders zu beurteilen sein.

Da der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bereits an der fehlenden Aktivlegitimation des klagenden Landes scheitert, weil jede Äußerung für sich nicht geeignet ist, eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung der Behörde, hier des Landesministeriums für Arbeit, Integration und Soziales, herbeizuführen, erübrigen sich weitere Ausführungen.

III.

Die seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber dem Vorsitzenden des Senats telefonisch "informationshalber" erfolgte Unterrichtung, die hiesigen Beklagten hätten sich auf eine entsprechende Abmahnung von Frau Kaykin persönlich zur Unterlassung aller hier streitgegenständlichen Äußerungen verpflichtet, führt nicht zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der entsprechende Sachverhalt wurde schon nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht, erst recht wurden daraus keine prozessualen Konsequenzen (etwa Erledigungserklärung) gezogen. Zudem würde hierdurch das Ergebnis des Verfahrens nicht beeinflusst, weil zusätzlich zu den vorstehenden Gründen wohl noch die Wiederholungsgefahr entfallen würde.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Es ist bisher nicht abschließend geklärt, ob die Klagebefugnis eines Hoheitsträgers bei der Geltendmachung zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche im Presserecht das Vorliegen einer schwerwiegenden Funktionsbeeinträchtigung voraussetzt und welche Anforderungen gegebenenfalls an die Erfüllung dieser Voraussetzung im Einzelnen zu stellen sind.

Der Gegenstandswert der Berufung wird auf 120.000,00 Euro (8 Äußerungen x 5.000,00 Euro x 3 Beklagte) festgesetzt.