VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 14.11.2012 - 127/10
Fundstelle
openJur 2012, 131050
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen einen Kostenbeschluss und den ihre hiergegen gerichtete Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Berlin.

Die Beschwerdeführer bilden mit dem Beteiligten zu 2 eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Januar 2009 erhob der Beteiligte zu 2 Klage vor dem Amtsgericht Wedding gegen die Beschwerdeführer zur Anfechtung aller in der Eigentümerversammlung vom 12. Dezember 2008 gefassten Beschlüsse. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2009 beschränkte er seine Klage auf die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 4 über die Jahresabrechnung 2007 und machte hierzu formelle und inhaltliche Mängel geltend. Mit Urteil vom 28. Juli 2009 wies das Amtsgericht Wedding die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass der angefochtene Beschluss der Eigentümerversammlung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen habe.

Gegen dieses Urteil legte der Beteiligte zu 2 Berufung ein, welche er mit Schriftsatz vom 5. November 2009 begründete. Darin rügte er unter anderem, dass die vorgelegte Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten keine den Anforderungen an eine Jahresabrechnung genügende Auflistung der getätigten Einnahmen und Ausgaben enthalte. Mit ihrer Berufungserwiderung machten die Beschwerdeführer geltend, der Beteiligte zu 2 sei mit dieser Rüge präkludiert, weil er sie nicht innerhalb der Frist des § 46 WEG erhoben habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 9. März 2010 erklärten die Beschwerdeführer erneut, dass die Heizkostenabgrenzung nicht innerhalb der Frist des § 46 WEG beanstandet worden sei. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien einen Vergleich, durch den sich die Beschwerdeführer verpflichteten, die Jahresabrechnung 2007 dahingehend zu ergänzen, dass die Abgrenzungsposten für die Heiz- und Warmwasserkosten schriftlich dargelegt und darüber hinaus die Differenz zwischen den Gesamtausgaben, wie sie auf der ersten und dritten Seite der Jahresabrechnung aufgeführt sind, schriftlich erklärt und der Eigentümerversammlung zur ergänzenden Beschlussfassung vorgelegt werden. Die Parteien erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und überließen die Kostenentscheidung dem Gericht.

Mit Beschluss vom 7. Mai 2010 legte das Landgericht den Beschwerdeführern die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu 69 % und die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz in voller Höhe auf. Nach Erledigung des Rechtsstreits im Wege des Vergleichs entspreche es billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, die Kosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen. Die Klage wäre hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 4 der Eigentümerversammlung voraussichtlich zulässig und begründet gewesen. Der Jahresabrechnung 2007 hätte es an der rechnerischen Schlüssigkeit von Gesamt- und Einzelabrechnungen gefehlt, was die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung insgesamt begründe.

Gegen die Kostenentscheidung erhoben die Beschwerdeführer Anhörungsrüge. Das Landgericht habe in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Beteiligte zu 2 werde den weit überwiegenden Teil der Kosten zu tragen haben. Daraufhin hätten sie in Abrede gestellt, dass die Klage überhaupt zu einem kleinen Teil Erfolg gehabt hätte, weil die Rügefrist nach § 46 WEG bereits abgelaufen gewesen sei. In seinem Beschluss sei das Landgericht hierauf nicht eingegangen.

Mit Beschluss vom 1. Juli 2010 wies das Landgericht die Anhörungsrüge zurück. Der erwähnte Hinweis der Kammer habe darauf beruht, dass in der Berufungsinstanz nur ein kleiner Teil der ursprünglich umfassenden Anfechtungsklage Verfahrensgegenstand gewesen sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführer zu § 46 WEG habe sie in ihre Entscheidungsbegründung einbezogen. Indem sie das Vorbringen des Beteiligten zu 2 im Rahmen der Kostenentscheidung berücksichtigt habe, habe sie bereits zum Ausdruck gebracht, dass sie die Voraussetzungen des § 46 WEG als erfüllt angesehen habe. Im Übrigen genügten die Ausführungen des Beteiligten zu 2 in der Anfechtungsbegründungsschrift vom 10. Februar 2009 den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen an die Darlegung von Anfechtungsgründen. Durch den dortigen Vortrag sei der maßgebliche Lebenssachverhalt hinreichend eingegrenzt worden. Einer etwaigen Verletzung rechtlichen Gehörs fehle es daher an der Entscheidungserheblichkeit. Auch unter ausdrücklicher Berücksichtigung von § 46 WEG sei keine günstigere Entscheidung für die Beschwerdeführer veranlasst. Die Rechtsbeschwerde sei nicht zuzulassen.

Mit ihrer am 9. August 2010 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 15 Abs. 1 der Verfassung von Berlin - VvB - sowie aus Art. 10 Abs. 1 VvB. Das Landgericht habe in seinem Kostenbeschluss den entscheidungsrelevanten Vortrag der Beschwerdeführer zu § 46 WEG ignoriert. Die Entscheidung sei außerdem willkürlich, weil sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und die Rechtslage in krasser Weise verkannt worden sei. Die Anfechtungsbegründung des Beteiligten zu 2 habe weder die Heizkostenabgrenzung noch die im Kostenbeschluss des Landgerichts angenommenen Abrechnungsfehler aufgeführt. Im Übrigen habe das Landgericht willkürlich die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, da sein Beschluss von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweiche.

Den übrigen Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Der Beteiligte zu 2 macht geltend, es liege keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Der Einwand der Beschwerdeführer einer nicht fristgerechten Rüge sei in der mündlichen Verhandlung am 9. März 2010 ausführlich erörtert worden. Die Kostenentscheidung sei auch nicht willkürlich. Auch nach Ablauf der Begründungsfrist des § 46 WEG sei eine Ergänzung des Vortrags möglich. Lediglich ein Nachschieben völlig neuer Anfechtungsgründe sei dadurch ausgeschlossen. Die Anfechtungsgründe seien in der Klageschrift in ausreichender Form umschrieben worden.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

1. a) Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 23, 24 und 25 bereits nicht wirksam anhängig gemacht worden. Trotz Nachfrage des Verfassungsgerichtshofs hat der Verfahrensbevollmächtigte insofern den Nachweis ordnungsgemäßer Bevollmächtigung gem. § 20 Abs. 5 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG - nicht erbracht (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2010 - 2 BvR 2244/08 - juris Rn. 1). Eine Vertretung durch die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft genügt nicht den Anforderungen des § 20 Abs. 1 VerfGHG. Eine Umdeutung in einen Antrag auf Zulassung als Beistand gemäß § 20 Abs. 4 VerfGHG kommt nicht in Betracht (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 37, 361 <362 f.>).

b) Sie ist weiterhin unzulässig, soweit sie sich gegen den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss des Landgerichts vom 1. Juli 2010 wendet. Solche Beschlüsse sind grundsätzlich nicht mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar, da sie allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen lassen, indem die „Selbstkorrektur“ durch die Fachgerichte unterbleibt (Beschluss vom 15. April 2011 - VerfGH 134/09 - wie alle nachfolgend zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs unter www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de, Rn. 13; vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07 -, juris Rn. 2 - 4). Es liegt auch kein allenfalls denkbarer Ausnahmefall einer eigenständigen, in der Zurückweisung der Anhörungsrüge liegende verfassungsrechtlich erheblichen Beschwer vor (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2008 - 1 BvR 562/08 - juris Rn. 12).

c) Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde außerdem, soweit sie die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) durch das Landgericht rügt. Sie genügt insoweit nicht den aus § 49 Abs. 1 und § 50 VerfGHG zu entnehmenden Anforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde. Danach muss der Beschwerdeführer hinreichend deutlich die konkrete Möglichkeit darlegen, er könne durch die beanstandete Maßnahme in einem seiner in der Verfassung von Berlin enthaltenen Rechte verletzt sein. Wird eine Gerichtsentscheidung angefochten, hat sich die Darlegung daran auszurichten, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs ist, fachgerichtliche Urteile als eine Art Superrevisionsinstanz ganz allgemein auf formelle oder materielle Rechtsverstöße zu überprüfen. Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind vielmehr grundsätzlich Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und insoweit der verfassungsgerichtlichen Prüfung entzogen. Der Verfassungsgerichtshof überprüft eine gerichtliche Entscheidung vielmehr nur auf Auslegungs- und Anwendungsfehler, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite des als verletzt bezeichneten Grundrechts beruhen. Danach genügt es nicht, dass ein Beschwerdeführer einen Rechtsanwendungsfehler des Fachgerichts aufzeigt. Vielmehr muss er in Auseinandersetzung mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung erläutern, warum der Rechtsfehler das als beeinträchtigt gerügte Grundrecht verletzt, sofern der Verfassungsverstoß nicht offensichtlich ist (Beschluss vom 16. März 2010 - VerfGH 111/09, 111 A/09 - Rn. 16; st. Rspr.).

Diesen Anforderungen genügt die Rüge, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde verstoße gegen das Willkürverbot, nicht. Die Beschwerdeführer setzen sich mit der vom Landgericht im Anhörungsrügebeschluss vom 1. Juli 2010 für die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde gegebenen Begründung nicht auseinander. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde wurde von den Beschwerdeführern erstmals in der Anhörungsrüge beanstandet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die in der Sachentscheidung unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Gegenvorstellung in entsprechender Anwendung von § 321a ZPO in einem ergänzenden Beschluss nachgeholt werden, wenn die Nichtzulassungsentscheidung gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB) verstößt (BGH, NJW-RR 2007, 1654 m. w. N.). Dies verkennen die Beschwerdeführer, indem sie in ihrer insoweit erhobenen Rüge allein auf die Kostenentscheidung vom 7. Mai 2010 abheben.

Vorsorglich weist der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass die Entscheidung des Landgerichts, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, das Gebot des gesetzlichen Richters offensichtlich nicht verletzt. Die von den Beschwerdeführern gerügte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wäre nur gegeben, wenn die angegriffene Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz aufstellte, der von einem die Vergleichsentscheidung des Bundesgerichtshofs tragenden abstrakten Rechtssatz abweichen würde (vgl. BGHZ 152, 182 <186>; BGH, NJW 2003, 437; vgl. auch Beschluss vom 17. Mai 2011 - VerfGH 156/08 - Rn. 15 m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall. Das Landgericht beruft sich vielmehr ausdrücklich auf die vom Bundesgerichtshof aufgestellten rechtlichen Maßstäbe und wendet sie nur anders an, als die Beschwerdeführer dies für richtig halten, ohne sich damit auch nur konkludent in einen grundsätzlichen Widerspruch zu der zitierten Rechtsprechung zu setzen.

d) Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 7. Mai 2010 richtet, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen, dass es sich dabei um eine Kosten- und nicht um eine Sachentscheidung handelt.

Eine gerichtliche Kostenentscheidung kann selbstständiger Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn sich der geltend gemachte Verfassungsverstoß ausschließlich auf die Kostenentscheidung und nicht auch auf die Entscheidung in der Sache bezieht (vgl. Beschluss vom 22. September 2009 - VerfGH 138/05 - Rn. 16; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 74, 78 <89 f.>; BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 2 BvR 1203/07 - juris Rn. 4; BVerfG, NJW 2010, 1349 <1350>). Dies gilt unabhängig davon, ob die beanstandete Kostenentscheidung - wie bei Rücknahme einer Klage, Erledigung der Hauptsache oder Vergleich - isoliert oder ob sie in Zusammenhang mit einer Sachentscheidung ergangen ist (Beschluss vom 20. Juni 2012 - VerfGH 119/09 - Rn. 14; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 74, 78 <90>).

Gemessen daran besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde. Die von den Beschwerdeführen behaupteten Verfassungsverstöße beziehen sich ausschließlich auf die zu ihren Lasten ergangene Kostenentscheidung, eine Entscheidung zur Hauptsache ist nicht ergangen.

2. Soweit sie zulässig ist, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

a) Die angegriffene Kostenentscheidung verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 der Verfassung von Berlin - VvB -.

aa) Art. 15 Abs. 1 VvB garantiert - inhaltsgleich mit Art. 103 Abs. 1 GG - den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zum Sachverhalt und zur Rechtslage vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Dem Recht der Parteien, sich im Verfahren mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten, entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Zwar ist grundsätzlich ohne Weiteres davon auszugehen, dass ein Gericht dieser Pflicht genügt hat; denn die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt aber dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass wesentliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen wurde. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn das Gericht zu einer Frage, die für das Verfahren nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts von zentraler Bedeutung ist, trotz entsprechenden Parteivortrags in den Entscheidungsgründen nicht Stellung nimmt (Beschluss vom 29. Mai 2012 - VerfGH 87/10 - m. w. N.; st. Rspr.).

bb) Es ist zwar zweifelhaft, ob das Landgericht diesen Maßstäben in seinem Beschluss vom 7. Mai 2010 gerecht geworden ist. Dies muss jedoch ebenso wenig entschieden werden wie die weitere Frage, ob eine darin liegende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss vom 1. Juli 2010 geheilt werden konnte (verneinend Beschlüsse vom 14. Februar 2006 - VerfGH 155/04 - GE 2006, 638 - und 16. Januar 2007 - VerfGH 114/05 - Rn. 17; offengelassen im Beschluss vom 16. März 2010 - VerfGH 50/09 - Rn. 21; vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 - juris Rn. 27; BVerfG, NVwZ 2009, 580, 581). Denn eine Entscheidung kann auch bei einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nur dann aufgehoben werden, wenn sie hierauf beruht, d. h. wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung geführt hätte (Beschluss vom 14. Januar 2010 - VerfGH 67/09 - Rn. 13; zum Bundesrecht: BVerfGE 28, 17 <20> m. w. N.; st. Rspr.). Dies ist hier indes nicht der Fall.

Auch wenn Gerichte mitunter selbst bei triftigen Rügen dazu zu neigen scheinen, an einer einmal getroffenen Entscheidung ohne eine erneute und ergebnisoffene Prüfung festzuhalten, kann hier auf der Grundlage des Beschlusses vom 1. Juli 2010 ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei ausdrücklicher Bescheidung des Vortrags der Beschwerdeführer zu § 46 WEG bereits im Kostenbeschluss zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Durch die Nachholung der Ausführungen zu § 46 WEG werden die Beschwerdeführer auch nicht in verfassungsrechtlich erheblicher Weise schlechter gestellt, als wenn das Landgericht diese bereits in seinen Kostenbeschluss aufgenommen hätte. Anstatt die Anhörungsrüge zurückzuweisen, hätte das Landgericht das Verfahren auch fortsetzen und ohne weitere mündliche Verhandlung den ursprünglichen Kostenbeschluss mit der ergänzten Begründung wiederholen können.

cc) Der angegriffene Beschluss enthält ferner auch dann keine mit Art. 15 Abs. 1 VvB unvereinbare Überraschungsentscheidung, wenn das Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2010 geäußert haben sollte, dass die Anfechtung des Beteiligten zu 2 „nur zu einem kleinen Teil Erfolg gehabt hätte“. Insoweit ist nicht ersichtlich und von den Beschwerdeführern auch nicht dargelegt, dass das Landgericht in seinem Kostenbeschluss bis dahin nicht erörterte tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. zu diesem Maßstab Beschlüsse vom 17. Dezember 1997 - VerfGH 112/96 - LVerfGE 7, 49 <58> und 24. Juni 1999 - VerfGH 48/98 - LVerfGE 10, 72 <78>, st. Rspr.; zum Bundesrecht: BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>). Dass ein Gericht in der Beratung zu einem abweichenden Ergebnis gelangt, vermag die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung allein nicht zu begründen.

b) Der angegriffene Beschluss verletzt auch nicht Art. 10 Abs. 1 VvB in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Ein solcher Verstoß liegt nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Entscheidung schlechthin unhaltbar und deshalb objektiv willkürlich ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt vertretbar erscheint und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. Beschluss vom 22. September 2009 - VerfGH 170/07 - Rn. 18; st. Rspr.). Daran fehlt es hier.

Die vom Landgericht zur Anwendung des § 46 WEG vertretene Auffassung ist gemessen an der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls vertretbar. Unter welchen Umständen ein Lebenssachverhalt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2009 - V ZR 196/08 - juris Rn. 14) innerhalb der Frist des § 46 WEG wenigstens in Umrissen vorgetragen wurde, ist eine Frage der Anwendung des einfachen Rechts, welche in erster Linie den dafür zuständigen Fachgerichten anvertraut ist. Es ist nicht erkennbar, dass die - im Rahmen einer Kostenentscheidung nach bloß summarischer Prüfung erfolgte - Anwendung des § 46 WEG durch das Landgericht eine krasse Missdeutung dieser Bestimmung und der dazu ergangenen Rechtsprechung darstellt. Nach der vom Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Begründungsfrist gemäß § 46 WEG zitierten aktienrechtlichen Rechtsprechung stellen die gesamten der Entstehung eines Beschlusses zu Grunde liegenden Umstände einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar (BGH, Urteil vom 22. Juli 2002 - II ZR 286/01 - Rn 14). Angesichts des im Rahmen des § 91a ZPO anwendbaren Prüfungsmaßstabs überschreitet es jedenfalls nicht die Grenze zur Willkür, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, der Beteiligte zu 2 habe den maßgeblichen Lebenssachverhalt in seiner ursprünglichen Klageschrift hinreichend umrissen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von den Beschwerdeführern vorgelegten Parallelentscheidung des Landgerichts mit Urteil vom 28. September 2010 - 55 S 73/10 WEG -. Sachverhalt und Begründung dieser Entscheidung weichen hinsichtlich der hier streitigen Frage von dem vorliegenden Fall erheblich ab.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgeschlossen.

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