VG Freiburg, Beschluss vom 09.01.2006 - 4 K 2231/05
Fundstelle
openJur 2013, 14178
  • Rkr:

1. Bei der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 VwGO handelt es sich um eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung; der Inhalt ist, solange sich die Begründung nicht in lediglich formelhaften, nichtssagenden Wendungen erschöpft, nicht von entscheidender Bedeutung.

2. Eine Maßnahme, die die (weisungsbefugte) Ortspolizeibehörde zuvor gegenüber dem Polizeivollzugsdienst angeordnet hat und die der Polizeivollzugsdienst im Wege der Amts- bzw. Vollzugshilfe gegenüber dem Adressaten erlässt, ist eine Maßnahme der Ortspolizeibehörde.

3. Die Nutzung von Fahrzeugen als Wohnung stellt eine baugenehmigungspflichtige Nutzung dar. Sie verstößt häufig gegen materielle Vorschriften des öffentlichen Bau- und/oder Straßenrechts und/oder gegen privates Eigentumsrecht und stellt dann eine Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Die Beschlagnahme solcher Fahrzeuge kann, wenn weitere Rechtsverstöße zu befürchten sind, ein geeignetes, erforderliches und verhältnismäßiges Mittel zur Verhinderung solcher Störungen der öffentlichen Sicherheit sein.

4. Art. 13 GG schützt nicht das Besitzrecht an einer Wohnung, sondern allein deren Privatheit. Eingriffe in die Substanz der Wohnung z. B. durch Beschlagnahme stellen deshalb keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 GG dar.

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

A.

Dem Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten kann nicht entsprochen werden, weil ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114, 121 Abs. 2 ZPO). Die erforderliche Erfolgsaussicht fehlte dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin bereits im Zeitpunkt der Entscheidungsreife ihres Prozesskostenhilfeantrags, also auch schon vor der durchgeführten Erörterungsverhandlung.

B.

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 06.12.2005 gegen die am 03.12.2005 von dem Einsatzleiter des Polizeivollzugsdiensts auf Weisung der Antragsgegnerin ausgesprochene Beschlagnahme ihres Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ... und auf sofortige Herausgabe dieses Fahrzeugs ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 und 3 VwGO zulässig, nachdem die Antragsgegnerin nachträglich, mit an die Antragstellerin gerichtetem Schreiben vom 06.12.2005, die sofortige Vollziehung der Beschlagnahme nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat (zur Zulässigkeit nachträglicher Anordnungen der sofortigen Vollziehung vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80 RdNr. 83). Der Antrag ist jedoch weder aus formell-rechtlichen (1.) noch aus materiell-rechtlichen Gründen (2.) begründet.

1.Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs im Schreiben der Antragsgegnerin vom 06.12.2005 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat in diesem Schreiben, mit dem Sie gleichzeitig (und sogar vorrangig) die Gründe für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung dargelegt hat, zur Begründung des besonderen Vollzugsinteresses darauf abgehoben, dass die Antragstellerin durch das Abstellen ihres ihr als Wohnung dienenden Fahrzeugs auf fremden Grundstücken Eigentums- und Besitzrechte Dritter verletze und damit eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verursache und dass ein Zuwarten bis zum Abschluss eines längeren Rechtsbehelfsverfahrens die Gefahr des Zuzugs weiterer Fahrzeuge und der Verfestigung der rechtswidrigen Grundstücksbesetzungen mit sich bringe. Damit hat die Antragsgegnerin entsprechend § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ihrer Verfügung die Gründe angegeben, die nach ihrerAnsicht im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang vor dem Aufschubinteresse der Antragstellerin einräumen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normiert lediglich eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Ob diese Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen und die Anordnung der sofortigen Vollziehung tragen, ist für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von entscheidender Bedeutung (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.11.2004, VBlBW 2005, 279, v. 09.08.1994, NVwZ-RR 1995, 174, und v. 19.07.1991, NJW 1991, 2366; OVG Berlin, Beschl. v. 15.07.2002, GewArch 2003, 295; Beschl. der Kammer v. 12.10.2005 - A 4 K 1553/05 - m.w.N.; Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 80 RdNr. 43), solange sich die Begründung, was hier nicht der Fall ist, nicht in pauschalen, nichtssagenden formelhaften Wendungen erschöpft (vgl. hierzu Beschl. der Kammer v. 08.07.2002, NVwZ-RR 2003, 113). Die Kammer nimmt im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO materiell-rechtlich demgegenüber eine eigene Abwägung der Interessen, auch des besonderen Vollzugsinteresses, vor (siehe unter 2.2) und ist nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.11.2004, a.a.O.).

2.Der Antrag ist auch in der Sache nicht begründet. Denn das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beschlagnahme des Fahrzeugs der Antragstellerin überwiegt ihr privates Interesse, vorläufig, das heißt bis zum Abschluss des Widerspruchs- bzw. eines sich möglicherweise anschließenden Klageverfahrens, weiter im Besitz ihres Fahrzeugs zu bleiben. Dieses vorrangige öffentliche Interesse folgt daraus, dass sich die angefochtene Beschlagnahmeverfügung aufgrund der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist (2.1) und für die sofortige Durchsetzung der Beschlagnahme auch ein besonderes Vollzugsinteresse besteht (2.2).

2.1Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme

2.1.1Die Beschlagnahme des Fahrzeugs wurde gegenüber der Antragstellerin zwar von einem Bediensteten des Polizeivollzugsdiensts und damit nicht von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin ausgesprochen. Gleichwohl handelt es sich dabei um eine Maßnahme der Antragsgegnerin, die damit in diesem Verfahren auch passivlegitimiert ist. Denn nach dem Bericht des Einsatzleiters der Polizeidirektion F., POR ..., über die Vorfälle am 03.12.2005 wurde die Beschlagnahme ausdrücklich vom Amt für öffentliche Ordnung der Antragsgegnerin angeordnet. Der Polizeivollzugsdienst hat insoweit ersichtlich (lediglich als Sprachrohr bzw. als Bote) im Namen der Antragsgegnerin gehandelt. Dafür spricht, dass alle Beteiligten von Anfang an von der Verantwortung der Antragsgegnerin (als Ortspolizeibehörde) für die Fahrzeugbeschlagnahme ausgegangen sind, was zum einen in dem Widerspruchsschreiben der Antragstellerin vom 06.12.2005 und zum anderen in dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 06.12.2005, mit dem sie die sofortige Vollziehung der Beschlagnahme angeordnet hat, zum Ausdruck kommt.

Selbst wenn man den Polizeivollzugsdienst insoweit nicht als reinen Boten ansehen sollte, ist er entweder nach § 74 Abs. 1 PolG auf Weisung der Antragsgegnerin als Ortspolizeibehörde oder nach den §§ 60 Abs. 4 PolG, 4 ff. LVwVfG im Wege der Amts- bzw. Vollzugshilfe tätig geworden (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2001, § 60 RdNrn. 14 ff. und § 74 RdNrn. 5 ff.; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl. 1999, § 60 RdNrn. 13 ff. und § 74 RdNr. 2). Auch in diesem Fall handelt es sich bei der Beschlagnahmeverfügung in (entsprechender) Anwendung von § 7 Abs. 1 LVwVfG um eine Maßnahme der Antragsgegnerin (als ersuchender Behörde), deren Rechtmäßigkeit sich nach dem für die Antragsgegnerin geltenden Recht beurteilt. Diese trägt nach § 7 Abs. 2 LVwVfG (analog) auch die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme (Belz/Mußmann, a.a.O., § 60 RdNr. 18 und § 74 RdNr. 7; Wolf/Stephan, a.a.O., § 60 RdNrn. 16 f. und § 74 RdNrn. 7 und 9). Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, § 7 Abs. 2 LVwVfG regle nur das Innenverhältnis zwischen ersuchender und ersuchter Behörde, im Außenverhältnis müsse der Bürger seine Rechte vielmehr (immer) gegenüber der aus seiner Sicht handelnden (also der ersuchten) Behörde wahrnehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 7 RdNr. 11 m.w.N.), wird damit ersichtlich allein der Schutz des Bürgers bezweckt, der in aller Regel nicht erkennen kann, welche Behörde hinter der nach außen handelnden (ersuchten) Behörde steht und in Wahrheit für die Maßnahme verantwortlich ist. Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, alle Beteiligten, insbesondere auch der von der belastenden Maßnahme betroffene Bürger, wissen, dass die handelnde Behörde nur im Wege der Amts- oder Vollzugshilfe für eine andere Behörde, hier das Amt für öffentliche Ordnung der Antragsgegnerin, tätig wird, und wenn deshalb auch der Bürger seine Rechtsbehelfe gegen die eigentlich verantwortliche Behörde richtet, bedarf es dieses Schutzes (zugunsten des Bürgers) nicht.

2.1.2Die Antragsgegnerin war für die Beschlagnahme als Ortspolizeibehörde örtlich und sachlich zuständig. Dass die Beschlagnahmeverfügung mündlich ergangen ist, steht ihrer Rechtmäßigkeit nicht entgegen (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG). Auch ansonsten sind keine formellen Fehler erkennbar; im Übrigen wären sie inzwischen nach § 45 Abs. 1 und 2 LVwVfG geheilt.

2.1.3Materiell-rechtlich beruht die Beschlagnahme des Fahrzeugs der Antragstellerin auf § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG. Danach kann die Polizei eine Sache unter anderem dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines Einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich ist. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist unter anderem bei jedem (drohenden) Verstoß gegen geltendes Recht oder bei einer Beeinträchtigung bzw. Verletzung von Rechtsgütern Dritter gegeben (vgl. u. a. Wolf/Stephan, a.a.O., § 1 RdNr. 41). Diese Voraussetzungen eines Eingriffs nach § 33 Abs. 1 PolG sind hier gegeben.

Die Antragstellerin hat ihr (jetzt beschlagnahmtes) Fahrzeug mehrmals und auch über eine längere Zeit auf fremden (öffentlichen oder privaten) Grundstücken abgestellt und als Wohnung benutzt und damit gegen eine Vielzahl von rechtlichen Vorschriften - unter anderem gegen formelles und materielles Baurecht, gegen Straßenrecht und gegen das Eigentumsrecht fremder Grundstückseigentümer - verstoßen. Denn das ortsfeste Aufstellen von Wohnwagen oder anderen Fahrzeugen zur dauerhaften Wohnnutzung stellt eine baugenehmigungspflichtige Nutzung dar (Dürr, Baurecht, 11. Aufl. 2004, RdNr. 80 m.w.N.; Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, Stand: Mai 2005, Bd. I, § 2 RdNrn. 12. ff. m.w.N.; Urt. der Kammer v. 28.04.1998 - 4 K 682/97 -), für die der Antragstellerin ebenso wenig wie anderen Angehörigen der Gruppe der "Sch." jemals eine Genehmigung erteilt worden ist. In aller Regel verstößt das Aufstellen solcher Wagen zu Wohnzwecken auch gegen materielles Baurecht, nämlich, wenn die betreffende Fläche kein (Wohn-)Bauland und die Erschließung, das heißt die ordnungsgemäße Ver- und Entsorgung der baulichen Anlagen, nicht gesichert ist, sowohl gegen Bauplanungsrecht als auch gegen Bauordnungsrecht. Das Abstellen der Fahrzeuge auf öffentlichen Verkehrsflächen zu Wohnzwecken widerspricht regelmäßig der (öffentlich-rechtlichen) Widmung dieser Flächen zu Zwecken des Straßenverkehrs und dem daraus folgenden straßenrechtlichen Gemeingebrauch und stellt deshalb eine - ohne die erforderliche Erlaubnis - unzulässige Sondernutzung dar (vgl. die §§ 2, 13 und 16 StrG); das gilt auch für das Abstellen auf Parkplätzen und Stand- bzw. Parkstreifen neben einer Straße, die ebenfalls dem (ruhenden) öffentlichen Straßenverkehr gewidmet sind (§ 2 Abs. 2 StrG). Darüber hinaus verletzt ein solches Abstellen von Fahrzeugen auf Grundstücken, die dem Betreffenden nicht gehören, das Eigentumsrecht des jeweiligen Grundstückseigentümers, solange dieser dem nicht zugestimmt hat.

Solche Rechtsverstöße hat die Antragstellerin in der Vergangenheit mehrmals begangen, nämlich unter anderem mit ihrer Beteiligung an der Wagenburg in F. - S., sowie an den Besetzungen des R.-Geländes im Industriegebiet Nord und des Grundstücks an der W.straße / Ecke M. Straße im Stadtteil V.. Dieses Verhalten stellt ohne Weiteres eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 33 Abs. 1 PolG dar (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.04.1997, VBlBW 1997, 349).

Gerade die Besetzung des letztgenannten Grundstücks war Anlass für die hier angegriffene Beschlagnahmeverfügung der Antragsgegnerin. Die Beschlagnahme diente somit der Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung. Der Zweck der Beschlagnahme erschöpft sich indes nicht in der Beseitigung einer eingetretenen Störung - dieses Ziel wäre unter anderem auch durch das ggf. mildere Mittel der Räumung des Geländes zu erreichen -, sondern ist auch darauf gerichtet, künftigen Störungen zu wehren, die dadurch eintreten können, dass die Antragstellerin ihr Fahrzeug an anderer Stelle wiederum rechtswidrig abstellt, um dort ihre Art des alternativen Wohnens zu verwirklichen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.04.1997, a.a.O.).

Eine erneute Störung der öffentlichen Sicherheit im oben beschriebenen Sinne steht auch unmittelbar bevor. Es ist mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Antragstellerin neuerlich gegen Regelungen des formellen und materiellen Baurechts, des Straßenrechts und des Eigentumsrechts Dritter und damit gegen die öffentliche Sicherheit verstoßen wird. Denn an jedem Standort, an dem sie und die Gruppe der "Sch.", der die Antragstellerin angehört, in den letzten Jahren eine Wagenburg aufgebaut haben, wurde gegen solche Vorschriften verstoßen. Obwohl die Antragstellerin und die "Sch. (u. a. auch öffentlich) vortragen, ein Gelände zu suchen, auf dem sie zulässigerweise eine Wagenburg errichten dürfen, muss nach den bisherigen Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass sie ihre Fahrzeuge nach Herausgabe wiederum unzulässigerweise auf einem (fremden) Grundstück abstellen werden, ohne dass dort die rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen (Näheres hierzu unter 2.1.4).

2.1.4Die Beschlagnahme war und ist hier grundsätzlich auch das geeignete, erforderliche und (im engeren Sinne) verhältnismäßige Mittel (§ 5 Abs. 1 PolG), um einen solchen unmittelbar bevorstehenden Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit zu verhindern. Ein anderes Mittel, das ebenfalls geeignet wäre, eine erneute Störung der öffentlichen Sicherheit zu verhindern, ist nicht erkennbar (so auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.04.1997, a.a.O.). Insbesondere wäre ein erneutes Gebot, den besetzten Platz an der W.straße / Ecke M. Straße zu räumen, aus den oben genannten Gründen keine Lösung gewesen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens der Antragstellerin wäre zu erwarten gewesen, dass sie ihr Fahrzeug dann an anderer Stelle rechtswidrig zu Wohnzwecken nutzt. Der Polizei blieben in diesem Fall keine anderen Möglichkeiten, als der Antragstellerin immer wieder hinterher zu fahren und eine Räumungsverfügung nach der anderen zu erlassen oder aber einen rechtswidrigen Zustand dauerhaft zu dulden. Beide Alternativen sind keine geeigneten Mittel zur (vor allem auch präventiven) Verhinderung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Deshalb ist es rechtlich auch unbedenklich, dass die Polizei das Fahrzeug der Antragstellerin beschlagnahmt hat, ohne zuvor ein Räumungsgebot (Platzverweis) ausgesprochen zu haben.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie verfüge über einen privatrechtlichen Vertrag mit der S. gGmbH zum Abstellen ihres Wagens, führt auch dies nicht zur Annahme einer Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme ihres Fahrzeugs. Denn die Antragstellerin hat zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass sie ihr Fahrzeug nicht weiterhin zum Wohnen nutzen werde; sie begründet im Gegenteil den vorliegenden Antrag weiterhin unter anderem mit ihrem Anspruch auf Ausübung ihres Wohnrechts in ihrem Wagen in der Gemeinschaft mit den anderen Mitgliedern der Gruppe der "Sch.". Eine Wohnnutzung ihres Wagens dürfte aber auch auf dem Gelände des Stadtteils V., in dem die Grundstücke der S. liegen, rechtliche Bedenken hervorrufen. Insbesondere auf öffentlichen Park- und Standstreifen neben den öffentlichen Straßen in diesem Gebiet, auf denen nach Lichtbildaufnahmen, die sich in den Akten befinden, zahlreiche Fahrzeuge der ehemaligen Wagenburg in F. - S abgestellt sind, dürfte eine wohnliche Nutzung wohl aus bau- und straßenrechtlichen Gründen unzulässig sein. Vor allem aber hat die Antragstellerin auch in der Vergangenheit von dieser angeblichen Abstellmöglichkeit auf dem Gelände der S. keinen Gebrauch gemacht, sondern sich stattdessen mehrfach an der rechtswidrigen Besetzung anderer Grundstücke beteiligt.

2.1.5Indem die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 06.12.2005 ausgeführt hat, dass von einer (festen) Befristung der Beschlagnahme abgesehen werde, dass die Beschlagnahme jedoch höchstens sechs Monate aufrecht erhalten werden dürfe und dass eine Rückgabe des beschlagnahmten Fahrzeugs an die Antragstellerin von dem Verhalten der Antragstellerin abhänge, entspricht sie den Anforderungen des § 33 Abs. 3 PolG (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.04.1997, a.a.O.). Damit bringt die Antragsgegnerin zum Ausdruck, dass sie die Beschlagnahme in dem Moment aufheben wird, in dem die Antragstellerin glaubhaft von ihrer Absicht Abstand nimmt, ihr Fahrzeug unter allen Umständen, auch unter Inkaufnahme von Rechtsverstößen, als Wohnraum zu nutzen.

2.1.6Die Kammer sieht in der ausgesprochenen Beschlagnahmeverfügung auch keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht. Insbesondere liegt keine Verletzung von Art. 13 GG ("Unverletzlichkeit der Wohnung") vor. Art. 13 GG schützt nicht das Besitzrecht an einer Wohnung, sondern allein deren Privatheit (BVerfG, Beschl. v. 26.05.1993, BVerfGE 89, 1 [12]; Hermes, in Dreier: Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl. 2004, Art. 13 RdNrn. 13, 108 und 116 m.w.N.). Eingriffe in die Substanz der Wohnung durch Räumung, Nutzungsuntersagung, Abriss und/oder Beschlagnahme bedeuten deshalb keinen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 GG (vgl. u. a. Hermes, a.a.O.; Pieroth/Schlink, Grundrecht/Staatsrecht II, 20. Aufl. 2004, RdNr. 881; Cassardt, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, 1. Aufl. 2002, Bd. I, Art. 13, Nachweise unter FN 73; Herdegen, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 13 RdNrn. 38 und 43; alle m.w.N.). Etwas Anderes gilt nur dann, wenn diese Maßnahmen (wie in dem vom BVerfG im Beschl. v. 26.05.1993, a.a.O., entschiedenen Fall) mit einem Eindringen in die Privatsphäre verbunden sind. Im vorliegenden Fall war die Beschlagnahme des Fahrzeugs jedoch nicht mit einem Eindringen in den Wohnraum der Antragstellerin, das heißt in das Fahrzeuginnere, verbunden. Im Gegenteil, aus den der Kammer vorliegenden Akten ergibt sich, dass die Antragsgegnerin Ersuchen der Besitzer von beschlagnahmten Fahrzeugen auf Zugang zum Innern ihrer Fahrzeuge und zum Herausholen von Gegenständen des Hausrats oder dergleichen, keine unzumutbaren Hindernisse in den Weg gelegt hat, dass aber ansonsten das Innere der Fahrzeuge keinem Zutritt und Zugriff durch Dritte oder durch Mitarbeiter der Antragsgegnerin oder des Polizeivollzugsdienstes ausgesetzt war und ist. Dementsprechend richtet sich das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin auch nicht gegen etwaige Verletzungen ihrer Privatsphäre durch Eindringen in ihr als Wohnung dienendes Fahrzeug.

Diese Auffassung über die fehlende Verletzung von Art. 13 GG steht nicht im Widerspruch zum Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15.04.1997 (a.a.O.). Dort wurde lediglich ausgeführt, es spreche Vieles dafür, dass die Wohn- und Bauwagen der betreffenden Wagenburg Wohnungen im Sinne des Art. 13 GG seien. Genau das wird jedoch auch von der beschließenden Kammer nicht in Abrede gestellt. Die hier entscheidende und im vorliegenden Fall von der Kammer verneinte Frage, ob die Beschlagnahme dieser Wagen einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 GG darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in diesem Beschluss ausdrücklich (jedoch unter Hinweis auf die hier zitierten, sich eindeutig gegen die Annahme eines Eingriffs aussprechenden Literaturmeinungen) offen gelassen. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass sich aus Art. 13 GG keine Ansprüche Einzelner gegen Träger öffentlicher Verwaltung auf Bereitstellung von Wohnraum und - erst recht - auf Bereitstellung von Gelände zur Verwirklichung spezifischer individueller Wohnformen herleiten lassen (vgl. Hermes, a.a.O., RdNrn. 13 und 116).

Aber selbst wenn man hier einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 GG annähme, wäre dieser nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 7 GG in Verbindung mit § 33 Abs. 1 PolG rechtmäßig. Die Fahrzeugbeschlagnahme diente bzw. dient im vorliegenden Fall der Abwehr bzw. Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (zu den Anforderungen dieser Schrankenalternative s. Hermes, a.a.O., RdNr. 111). Angesichts des hier fehlenden Grundrechtseingriffs wird von weiteren Ausführungen hierzu abgesehen.

2.1.7Der Beschlagnahmeverfügung steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin durch die Wegnahme ihres Fahrzeugs obdachlos werden könnte. Abgesehen davon, dass beachtliche Gesichtspunkte dafür sprechen, dass die Antragstellerin durch die Beschlagnahme ihres Fahrzeug tatsächlich nicht obdachlos geworden ist, dass sie die Rückgabe ihres Fahrzeugs vielmehr vor allem deshalb fordert, weil sie der Nutzung dieses Fahrzeugs als Wohnung aus persönlichen Gründen den Vorrang einräumt gegenüber anderen Wohnformen, hat die Antragsgegnerin auch dem Eventualfall der Obdachlosigkeit hinreichend Rechnung getragen und die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sie zum einen mit ihrem Fahrzeug auf dem Gelände der Wagenburg im E. wohnen kann und dass außerdem Obdachlosenunterkünfte zur Verfügung stünden (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.04.1997, a.a.O.).

2.2An der Anordnung der sofortigen Vollziehung bestand (und besteht auch weiterhin) ein besonderes Vollzugsinteresse. Das hat die Antragsgegnerin im Wesentlichen zutreffend in ihrer Begründung der sofortigen Vollziehung, auf die die Kammer Bezug nimmt, dargelegt. Ergänzend führt die Kammer aus: Ohne diese Anordnung hätten die Antragstellerin und mit ihr die anderen Angehörigen der ehemaligen Wagenburg in F. - S. die unter 2.1 dargestellten Rechtsverstöße bis zum bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchs- und eines sich wahrscheinlich anschließenden Klageverfahrens und damit sehr wahrscheinlich über Jahre fortsetzen können. Das Verhalten der Antragstellerin und anderer Mitglieder der Gruppe der "Sch." in den Tagen vor der Fahrzeugbeschlagnahme war geprägt von dem steten Bemühen um Errichtung einer neuen Wagenburg. Dass sie dabei gegen die oben genannten Vorschriften des öffentlichen Bau- und Straßenrechts sowie des privaten Eigentumsrechts Dritter verstießen, hat sie von diesem Verhalten ebenso wenig abgehalten wie Aufforderungen der Antragsgegnerin und des Polizeivollzugsdiensts, die (rechtswidrige) Nutzung ihrer Fahrzeuge zu Wohnzwecken und die Besetzung fremder Grundstücke ohne ausdrückliche Erlaubnis des jeweiligen Eigentümers zu unterlassen und besetzte Grundstücke zu räumen. Die sich anbahnende Spirale von rechtswidriger Besetzung eines Grundstücks durch die Wagenbesitzer und anschließender Räumung durch die Polizei (mit erheblichem Personal- und Sachaufwand sowie damit einhergehenden weiteren [Gewalt-]Eskalationen) konnte nur durch Wegnahme der Fahrzeuge unterbrochen bzw. beendet werden. Dies wiederum erfordert(e) aus rechtlichen Gründen die sofortige Vollziehung der Fahrzeugbeschlagnahme.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 63 Abs. 2 GKG.