VG des Saarlandes, Urteil vom 28.10.2005 - 12 K 235/04
Fundstelle
openJur 2010, 1434
  • Rkr:

Eine durch bewusste Täuschung -nämlich das Verschweigen einer gleichzeitig bestehenden, weiteren Ehe, daraus hervorgegangener Kinder und entsprechender Unterhaltsverpflichtungen- erwirkte Einbürgerung kann nach allgemeinen Rücknahmevorschriften zurückgenommen werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Der 1946 geborene Kläger, ehemals pakistanischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung.

Nachdem der mit der pakistanischen Staatsangehörigen N.N. verheiratete Kläger seit 1975 in Deutschland erfolglos mehrere Asylverfahren betrieben hatte, heiratete er 1987 in London eine deutsche Staatsangehörige. Im Hinblick auf diese Ehe erhielt er zunächst Aufenthaltserlaubnisse für die Bundesrepublik Deutschland und erwarb dann mit Einbürgerungsurkunde vom 02.08.1999 auf seinen Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen war mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 10.03.1998 geschieden worden.

Mit Schreiben vom 25.09.2003 teilte die Ausländerbehörde des Landkreises A-Stadt dem Beklagten mit, auf Grund eines Visumsantrages der Frau N.N. und ihrer beiden Söhne sei bekannt geworden, dass sie der Kläger 1970 geheiratet und mit ihr sieben Kinder habe. Bei der Eheschließung in London habe er sich als ledig ausgegeben. Die Ledigkeit sei von dem englischen Standesamt nicht überprüft worden. Bei der Einbürgerung habe der Kläger diese Angaben verschwiegen.

Mit Schreiben vom 04.03.2004 wies der Beklagte den Kläger auf die vorgenannten Umstände hin und führte ergänzend aus, die deutsche Botschaft in Islamabad habe zwischenzeitlich bestätigt, dass die 1970 mit Frau N.N. geschlossene Ehe bis heute bestehe und niemals geschieden worden sei. Die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen sei deshalb bigamistisch geschlossen worden. In Kenntnis dieser Umstände wäre ihm durch die Ausländerbehörde keine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Ausgeschlossen wäre demnach auch die Einbürgerung gewesen. Der Inlandsaufenthalt und damit letztlich auch die Einbürgerung hätten sich auf die bigamistisch eingegangene Ehe mit der Folge gestützt, dass die Einbürgerung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erreicht worden sei, weshalb sie wegen arglistiger Täuschung rechtswidrig sei. Deshalb sei beabsichtigt, die Einbürgerung zurückzunehmen.

Der Kläger gab hierzu an, er sei zu keinem Zeitpunkt danach gefragt worden, wie viele Frauen er habe. Es sei immer nur darum gegangen, ob er mit einer deutschen Staatsbürgerin verheiratet sei und in einer ehelichen Lebensgemeinschaft lebe. Seine hierzu gemachten Angaben seien alle vollständig und richtig gewesen. Unwahre Angaben habe der Kläger nicht gemacht und deshalb die Behörden auch nicht getäuscht. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei, weil in seiner Heimat die Eheschließung mit einer weiteren Frau nicht erwähnenswert sei.

Mit Bescheid vom 13.08.2004 nahm der Beklagte die Einbürgerung rückwirkend zum 16.08.1999 zurück und forderte den Kläger auf, die Einbürgerungsurkunde herauszugeben. Zur Begründung ist ausgeführt, die Einbürgerung sei auf der Grundlage des § 8 RuStAG nach Ermessen erfolgt. Die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit komme dabei nur in Betracht, wenn ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung bestehe. Nach den Einbürgerungsrichtlinien sei Voraussetzung der Einbürgerung die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse. Davon könne nicht ausgegangen werden, weil der Kläger die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossen habe, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet gewesen sei (Doppelehe). Seine erste auf Grund dieser Ehe erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis sowie die spätere unbefristete Aufenthaltserlaubnis seien bei Kenntnisse der Umstände niemals erteiltworden. Deshalb könne der Kläger keinen einzigen Tag rechtmäßigen Aufenthalts vorweisen und seine Einbürgerung sei rechtswidrig. Die Einlassungen des Klägers seien Schutzbehauptungen; der Kläger habe vielmehr bereits bei der Eheschließung in England seine in Pakistan bestehende Ehe verschwiegen und sich stattdessen als ledig ausgegeben. Sein Aufenthaltsrecht und damit letztlich die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband habe er damit durch arglistige Täuschung erwirkt. Die Einbürgerung sei deshalb gemäß § 48 SVwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, ohne dass der Kläger sich auf Vertrauensschutz berufen könne. Soweit der Kläger damit staatenlos werde, könne er sich unverzüglich um die pakistanische Staatsangehörigkeit bemühen, die er mit Sicherheit wieder erhalten werde. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, stünde dies der Rücknahme nicht entgegen, da Art. 16 Abs. 1 GG nur die wohl erworbene deutsche Staatsangehörigkeit schütze. Auf Grund der arglistigen Täuschung sei die Rücknahme mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zu erstrecken und komme ein Ausgleich von Vermögensnachteilen nicht in Betracht.<rdnr="8"></rd>Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage.

Zur Begründung ist vorgetragen, der Kläger sei als pakistanischer Moslem berechtigt gewesen, mehr als eine Frau zu heiraten. Die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen sei wirksam geschlossen worden. Deutsches Recht sei auf die Eheschließung in England nicht anzuwenden. Es sei davon auszugehen, dass der Londoner Standesbeamte die ihm vorgelegten Unterlagen gewissenhaft geprüft und für in Ordnung befunden habe. Jedenfalls habe der Kläger seine Einbürgerung nicht durch falsche Angaben erschlichen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 13.08.2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, die in London geschlossene Ehe sei eine bigamische Doppelehe gewesen, die weder für den englischen noch für den deutschen Rechtsraum habe wirksam werden können. Nach den in Großbritannien geltenden eherechtlichen Bestimmungen sei nämlich eine Doppelehe nichtig. Da der Standesbeamte in England wegen der dort geltenden Rechtslage bestehende Ehehindernisse habe prüfen müssen und diese Prüfung nicht ohne Beteiligung der künftigen Eheleute vornehmen könne, sei erwiesen, dass der Kläger bei der Eheschließung in England seine in Pakistan damals wie heute bestehende Ehe verschwiegen und somit sowohl die englischen als die deutschen Behörden vorsätzlich getäuscht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Einbürgerungsakte und der Ausländerakte. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Der die Einbürgerung des Klägers zurücknehmende Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Rücknahme der Einbürgerung findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 SVwVfG. Mangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im Staatsangehörigkeitsrecht zum Wegfall der Staatsangehörigkeit sind die allgemeinen Rücknahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze jedenfalls dann anzuwenden, wenn die Einbürgerung durch bewusste Täuschung erwirkt worden ist. Das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Verfassungsprinzip der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns erfordert eine Korrekturmöglichkeit bei einer durch bewusste Täuschung erwirkten, mithin &#8222;erschlichenen&#8220; Einbürgerungsentscheidung, wobei dem das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit nicht entgegensteht.

vgl. zu Vorstehendem ausführlich BVerwG, Urteil vom 03.06.2003 -1 C 19/02- InfAuslR 2003, 445.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch wenn er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die auf der Grundlage des § 8 RuStAG (jetzt § 8 StAG) erfolgte Einbürgerung war rechtswidrig, weil der Kläger während des Bestehens seiner Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen zugleich weiterhin mit einer pakistanischen Staatsangehörigen verheiratet war und damit ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung mangels Einordnung des Klägers in dievon dem Prinzip der Einehe geprägten deutschen Lebensverhältnisse nicht bestand. Rechtswidrig war die Einbürgerung auch deshalb, weil dem Beklagten das zeitweilige Bestehen einer Doppelehe nicht bekannt gewesen war, er mithin bei der von ihm vorgenommenen Ermessensentscheidung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.

vgl. dazu BVerwG vom 03.06.2003 a.a.O.

Nach Aktenlage und dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck ist die Kammer ferner davon überzeugt, dass der Kläger die Einbürgerung durch bewusste Täuschung im Sinne der Tatbestände des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1 und 2 SVwVfG erwirkt hat, weshalb er sich im Weiteren auch auf Vertrauensschutz nicht berufen kann.

Der Kläger hat nach Überzeugung der Kammer nämlich bei der Stellung seines Einbürgerungsantrags bewusst unvollständige Angaben zu seinen Familienverhältnissen gemacht, um auf diese Weise seine Einbürgerung zu erreichen. Dabei geht die Kammer davon aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Einbürgerungsantrages im Jahr 1991 mit seiner pakistanischen Ehefrau weiter verheiratet war. Seine erstmalige Einlassung im Rahmen der mündlichen Verhandlung, er habe sich 1990 telefonisch von seiner pakistanischen Ehefrau scheiden lassen, hält die Kammer für eine unter dem Eindruck des Verfahrens erfolgte Schutzbehauptung. Nach den sich mit deutscher Übersetzung in der Ausländerakte befindlichen Dokumenten &#8211;Bl. 149 ff. Band 2 der Ausländerakte- hat der Kläger seine pakistanische Ehefrau am 30.10.1970 in Rawalpindi staatlich geheiratet und hat die deutsche Botschaft in Islamabad mit Schreiben vom 08.06.2003 &#8211;Bl. 160 der Ausländerakte- bestätigt, dass eine Scheidung, über die ein gesondertes Scheidungsurteil ausgestellt worden wäre, mit Sicherheit nicht ausgesprochen worden ist. Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft sind für die Kammer nicht veranlasst.

Zwar ist dann in dem Einbürgerungsformularantrag ausdrücklich nur nach &#8222;früheren&#8220; und nicht nach gleichzeitig bestehenden Ehen gefragt; dieser Umstand entlastet den Kläger aber schon deshalb nicht, weil in dem Formular jedenfalls unmissverständlich nach bestehenden Unterhaltsverpflichtungen gefragt war, weshalb es dem Kläger oblag, seine bestehende Ehe und die aus dieser Ehe hervorgegangenen sieben Kinder anzugeben und hierüber insbesondere auch in dem handschriftlichen Lebenslauf, der dem Antrag beigefügt war, Angaben zu machen. Beides hat der Kläger zur Überzeugung der Kammer deshalb unterlassen, weil ihm durchaus bewusst war, dass diese Angaben für sein Einbürgerungsbegehren &#8211;im übrigen auch für sein vorheriges Begehren auf Erteilung einer ehebedingten Aufenthaltserlaubnis- negative Auswirkungen haben würden. Mit dem Verschweigen der bereits bestehenden Ehe und der bestehenden Unterhaltsverpflichtungen hat der Kläger dem Beklagten nämlich die Möglichkeit genommen, das Vorliegen einer bigamischen Ehe zu prüfen und der daraus abzuleitenden Frage nach der erforderlichen Einordnung des Klägers in die deutschen Lebensverhältnisse nachzugehen. Dass dieser Umstand für sein Einbürgerungsbegehren erhebliche Bedeutung hatte, musste sich dem Kläger auf Grund seines langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland quasi aufdrängen, zumal er offenbar auch von seinem in Deutschland langjährig lebenden und eingebürgerten Bruder, der auch zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, beraten wurde. Die Unvollständigkeit des Formularantrages und des Lebenslaufs muss sich der Kläger auch zurechnen lassen, unabhängig davon, ob ihm beim Ausfüllen des Antrags und dem Aufsetzen des Lebenslaufs durch die deutsche Ehefrau seines Bruders Hilfestellung geleistet wurde.

Auf die Wirksamkeit der 1987 in England geschlossenen und zum Zeitpunkt der Einbürgerung bereits geschiedenen Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen kommt es bei dieser Sachlage letztlich nicht an.

Die unterlassene Angabe des Klägers ist für die getroffene Einbürgerungsentscheidung auch kausal geworden, was hier gleichzeitig bedeutet, dass die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung nicht der Sphäre der Einbürgerungsverwaltung zuzurechnen ist

vgl. zu diesem, die Rücknahme einer Einbürgerung gegebenenfalls ausschließenden Aspekt, BVerwG vom 03.06.2003 a.a.O.

Zwar hat der Kläger in seinem ersten, im Jahre 1975 anhängig gemachten Asylverfahren Angaben zu seiner pakistanischen Ehefrau und den damals bereits geborenen &#8211;zwei- Kindern gemacht. Entsprechende Nachweise finden sich in Band 1 der Ausländerakte. Diese Ausländerakte lag der Einbürgerungsbehörde aber nicht vor und sie hat es auch nicht in vorwerfbarer Weise unterlassen, diese Akte in dem Einbürgerungsverfahren beizuziehen, weil der Klägerdiesen Umstand sowohl in dem Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als auch &#8211;wie gezeigt- in dem Verfahren auf Einbürgerung verschwiegen hatte und es sich dem Beklagten auch sonst nicht aufdrängen musste, Ermittlungen hinsichtlich einer möglicherweise bestehenden Doppelehe anzustellen. Diesbezüglich richtige und vollständige Angaben zu machen, war vielmehr allein die Pflicht des Klägers.

Das ihm nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG eröffnete Rücknahmeermessen hat der Beklagte rechtsfehlerfrei ausgeübt und dabei auch das verfassungsrechtliche Gebot aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, Staatenlosigkeit möglichst zu vermeiden, in seine Erwägungen mit einbezogen. Die von dem Beklagten insoweit angestellten Erwägungen sind gerichtlicherseits nicht zu beanstanden; auch die Entscheidung des Beklagten, die Einbürgerung des Klägers mit Wirkung auf den Tag der Einbürgerung zurückzunehmen, ist nicht fehlerhaft.

vgl. zur Ausübung des Rücknahmeermessens auch BVerwG, Urteil vom 09.09.2003 -1 C 6/03- BVerwGE 119, 17, 22.

Ein der Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung möglicherweise entgegen- stehender Einbürgerungsanspruch aus einem anderen Rechtsgrund ist nach dem Vorgesagten nicht ersichtlich.

vgl. zur Rücknahme einer Einbürgerung insbesondere wegen Verschweigens einer weiteren Ehe, VG Berlin, Beschluss vom 11.03.2005 &#8211; 2 A 161/04- zitiert nach Juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 28.08.2001 &#8211; 3 Bs 102/01- InfAuslR 2002, 81; HessVGH, Urteil vom 18.05.1998 -12 UE 1542/98- InfAuslR 1998, 505.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.