VG Freiburg, Urteil vom 06.11.2003 - 4 K 1701/02
Fundstelle
openJur 2013, 13090
  • Rkr:
Tenor

Die den Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 13.08.2001 zum Neubau einer Balkonanlage im ersten Dachgeschoss mit Balkonerweiterungen im zweiten und dritten Obergeschoss des Gebäudes H.straße 7, FlSt.-Nr. ... der Gemarkung F., in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums F. vom 19.07.2002 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen eine den Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung für eine Balkonanlage über mehrere Geschosse.

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus mit vier Geschossen und zwei ausgebauten Dachgeschossen bebauten Grundstücks FlSt.-Nr. XXX der Gemarkung F. (H.straße 5). Die Beigeladenen sind Eigentümer von Wohnungen im zweiten, im dritten und in den Dachgeschossen des unmittelbar benachbarten etwa gleich hohen Wohnhauses auf dem südlich angrenzenden Grundstück FlSt.-Nr. XXX (H.straße 7). Beide Grundstücke liegen im innenstadtnahen Bereich der Stadt F.. Ein Bebauungsplan für das betreffende Gebiet existiert nicht.

Mit Schreiben vom 17.01.2001 wandten sich die Kläger an das Bauordnungsamt der Beklagten und setzten die Beklagte davon in Kenntnis, dass am Gebäude der Beigeladenen Bauarbeiten zur Errichtung eines über mehrere Geschosse bis zum Dachgeschoss reichenden Balkonvorbaus stattfänden. Am 19.01.2001 wurden diese Bauarbeiten durch einen Mitarbeiter der Beklagten eingestellt. Die Fundamente für die Gründung der Balkonvorbauten waren bereits erstellt.

Am 01.02.2001 stellten die Beigeladenen bei der Beklagten einen Bauantrag zur Erweiterung der bestehenden Balkone ihrer Wohnungen im zweiten und dritten Obergeschoss sowie im Dachgeschoss des Gebäudes auf dem Grundstück FlSt.-Nr. XXX (Baugrundstück). Nach diesem Bauantrag sollen die bestehenden Balkone in den Wohnungen im zweiten und dritten Obergeschoss von (bisher) 1,375 m um 1,25 m auf 2,625 m vergrößert werden; im Dachgeschoss soll ein neuer Balkon mit einer Fläche von 2,625 m x 3,61 m entstehen. Die geplanten Balkonerweiterungen bestehen aus einer Stahlkonstruktion, die hauptsächlich auf zwei verzinkten Stahlrohrstützen ruhen, die auf dem Erdboden aufliegen. Die bestehenden Balkongeländer werden restauriert und wiederverwendet. Der Balkon im Dachgeschoss erhält außerdem eine Glasüberdachung. Die Beigeladenen Ziff. 1 und 2 haben diesem Bauantrag ein Schreiben beigefügt, in dem sie darauf aufmerksam machen, dass sie als fünfköpfige Familie den vorhandenen sehr schmalen Balkon nicht familiengerecht benutzen könnten und deshalb die beantragte Erweiterung für sie von großer Bedeutung sei. Das gleiche gelte für die Familie des Beigeladenen Ziff. 3 mit sechs Personen.

Am 31.01.2001 erhoben die Kläger Einwendungen gegen das Bauvorhaben. Darin brachten sie zum Ausdruck, dass sowohl die Nachbarschaft als auch das Gesamtbild der Häuser durch das Bauvorhaben gestört würden. Sie selbst hätten ihre Balkone dadurch vergrößert, dass sie sie nach innen ausgebaut hätten. Der Abstand zwischen den geplanten Balkonen und den Balkonen auf ihrem Grundstück entspreche genau der Dicke der Brandmauer von 40 cm. Durch die Vertiefung der Balkone nach vorne sei jede Privatsphäre zerstört. Außerdem sei der Einfall des Sonnenlichts nicht mehr gewährleistet. Die Situation bedeute für ihr Haus eine Wertminderung und für alle Bewohner eine unzumutbare Beeinträchtigung. Im Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.04.2001 trugen die Kläger weiter vor: Es werde bestritten, dass der Beigeladene Ziff. 2 berechtigt und bevollmächtigt sei, im Namen aller Wohnungseigentümer im Gebäude H.straße 7 einen Bauantrag zu stellen. Außerdem verstoße das Bauvorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften. Denn durch die Erweiterung würden die Balkone etwa doppelt so weit nach vorne gezogen wie bisher. Dadurch werde der Gesamteindruck der rückwärtigen Bebauung zerstört und es werde erheblich und unzumutbar in die Privatsphäre der Bewohner des Hauses H.straße 5 eingegriffen. Weite Teile der Wohnungen (Balkon, Küche, Wohn- und Schlafzimmer) seien dann einsehbar. Außerdem werde durch den beabsichtigten Vorbau kein Sonnenlicht mehr einfallen. Das gesamte Gebäude H.straße 5 werde im Fall der Verwirklichung des Bauvorhabens eine erhebliche Wertminderung erfahren, die sich nicht nur in der schlechteren Vermietbarkeit ausdrücke, sondern auch in der negativen Veränderung des Erscheinungsbildes. In ihrem Haus in der H.straße 5 hätten sie vor einigen Jahren ebenfalls eine Balkonvergrößerung geplant, die jedoch vom früheren Eigentümer des Baugrundstücks (H.straße 7) abgelehnt worden sei. Seine Begründung, das Gebäude H.straße 7 würde dadurch im Schatten stehen, sei von ihnen akzeptiert worden. Sie selbst hätten daraufhin eine ansprechende Lösung für eine Vergrößerung ihrer Balkone darin gefunden, dass sie die Balkonflächen nach innen vergrößert hätten. Solche Möglichkeiten bestünden auch im Gebäude H.straße 7. Die bauliche Situation der Bebauung auf dem Baugrundstück und in der Nachbarschaft sei geprägt von nachbarlicher Rücksichtnahme. Nicht nur die Häuser in der Nachbarschaft des Baugrundstücks, sondern auch die gegenüberliegende Häuserfront seien im Wesentlichen in einer Flucht gebaut. Die Vorsprünge zum Nachbarhaus lägen jeweils zum Treppenhaus des nächsten Hauses hin, so dass gewährleistet sei, dass der Schatten nicht auf den Wohnraum des Nachbarn falle. Wenn Balkone vorgezogen worden seien, wie z. B. in Haus Nr. 3, sei dies in der Mitte des Hauses erfolgt, nicht an der Grenze zum Nachbargebäude. Alle Balkone seien in den letzten Jahren renoviert worden, ohne dass - mit Ausnahme der Balkone in Haus Nr. 3 - eine Vergrößerung vorgenommen worden sei. Auch das Gebot der Rücksichtnahme sei durch das Bauvorhaben verletzt, denn die geplante Maßnahme orientiere sich nicht an der bereits vorhandenen Bebauung. Der einseitige Vorbau der vorhandenen Balkone im Gebäude H.straße 7 würde nicht nur das architektonische Gleichgewicht des Gesamteindrucks empfindlich stören und diesen Gebäudeteil optisch massiv dominieren, sondern auch die angrenzenden Gebäudeteile mindern und rückversetzen. Außerdem bestehe aus wissenschaftlichen und künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Gebäudes H.straße 7 in der jetzigen Form. Soweit der mit dem Bauantrag eingereichten Planskizze zu entnehmen sei, dass teilweise die Anbringung von Sichtschutz beabsichtigt sei, würde auch dies die Abstandsvorschriften verletzen. Durch die Balkonerweiterung über mehrere Stockwerke erscheine die Gesamtkonstruktion praktisch wie ein kompletter Anbau. Da ähnliche Vorhaben an entsprechender Stelle früher abgelehnt worden seien, sei auch das Baugesuch der Beigeladenen abzulehnen.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.06.2001 trugen die Beigeladenen vor: Die Kläger könnten sich nicht auf die Bestimmungen über die Abstandsflächen in der Landesbauordnung berufen. Denn diese gälten nur im Hinblick auf die Nachbargrenze, zu der die hinter den Balkonen liegende Gebäudeaußenwand einen Abstand einzuhalten habe. Die Balkone würden jedoch nicht in Richtung zum Haus der Kläger erweitert. Die auf Stahlträgern ruhenden Balkone stellten auch weder eine reale noch eine fiktive Verlängerung der Gebäudewand zum Haus der Kläger dar. Auch unter dem Gesichtspunkt des Brandschutzes könnten sich die Nachbarn nicht auf die Abstandsregelung der Landesbauordnung berufen. Da die Stahlkonstruktion aus nichtbrennbaren Stoffen geplant sei, stünden auch sonstige Vorschriften der Genehmigung nicht entgegen. Auch das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Grundeigentümer, die sich gegen ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück wehrten, könnten unter Berufung auf das Rücksichtnahmegebot nicht geltend machen, dass durch das Bauprojekt die Belichtung und Besonnung eingeschränkt oder gehindert und ihre Wohnräume für den Nachbarn einsehbar würden. Denn diese Belange würden allein durch die Grenzabstandsvorschriften des Bauordnungsrechts geschützt. Ein darüber hinausgehender Schutz könnte nicht verlangt werden. Es seien vor allem keine besonderen vom Regelfall abweichenden Umstände erkennbar, aufgrund derer eine Ausnahme von diesem Grundsatz gemacht werden müsste. Zwar unterlägen Eigentümer von Reihenhausgrundstücken einer erhöhten Rücksichtnahmepflicht. Auch sei das Gebäude auf dem Baugrundstück zwar Teil einer zusammenhängenden Häusergruppe. Für einen im Hinblick auf das Grundstück der Kläger einmauernden Effekt der Balkonerweiterung fehle es aber an tatsächlichen Anhaltspunkten. Der Umstand, dass die Kläger selbst mit Rücksicht auf die Belange ihrer Nachbarn auf eine geplante Balkonerweiterung in Form eine Vorbaus verzichtet hätten, stehe der Zulässigkeit des Bauvorhabens nicht entgegen. Das Interesse eines Bauherrn, sein Grundstück besser auszunutzen, sei grundsätzlich legitim. Auch an anderen Häusern in der näheren Umgebung, nämlich an den Häusern H.straße 3, 9 und 19, seien vorspringende Balkone vorhanden. Der geplante Balkonvorbau sprenge damit nicht den vorgegebenen Rahmen.

Mit Bescheid vom 13.08.2001 erteilte die Beklagte den Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Zur Begründung führte die Beklagte gegenüber den Klägern aus: Das Bauvorhaben sei planungsrechtlich nach § 34 BauGB zu beurteilen. Die Voraussetzungen für ein Einfügen nach dieser Vorschrift seien erfüllt. Insbesondere verstoße es nicht gegen die aus der Umgebungsbebauung abzuleitende geschlossene Bauweise, so dass die vorgesehene Grenzbebauung zulässig sei. Das Vorhaben liege auch innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche, da die rückwärtige Bauflucht, die bei 18 m - gemessen von der straßenseitigen Grundstücksgrenze - liege, nicht überschritten werde. Der Bauherr könne, ohne gegen § 34 BauGB zu verstoßen, sein Gebäude auf der gesamten Breite bis zu dieser rückwärtigen Bauflucht erweitern. Auch das in § 34 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Zwar führten die geplanten Balkone zu einer Situationsveränderung hinsichtlich der Belichtung der Wohnungen im Anwesen H.straße 5 und auch hinsichtlich der bisherigen Aussichtsverhältnisse. Diese Veränderungen erzeugten aber keine ausgleichsbedürftigen Spannungen, die ein Planungsbedürfnis nach sich zögen. Die Auffassung der Kläger, dass sämtliche Häuser rückwärtig in einer Flucht gebaut seien, sei, wie ein Blick auf den vorgelegten Lageplan oder eine Ortsbesichtigung zeigten, objektiv unzutreffend. Durch die geplanten Balkone dürfte sich angesichts der vorhandenen Bebauung ganzjährig nur eine geringfügige Reduzierung der Sonneneinstrahlung ergeben. Eine Aussicht sei ohnehin rechtlich nicht geschützt. Die Befürchtung, durch die Balkone könne die Einsehbarkeit und Ungestörtheit der Nachbarwohnungen tangiert werden, sei nicht nachvollziehbar, da sämtliche Balkone mit einem Sichtschutz versehen werden sollten. Auch ein Verstoß gegen Bauordnungsrecht, insbesondere gegen die Abstandsvorschriften, sei nicht zu erkennen. Aufgrund der geschlossenen Bauweise sei die vorgesehene Grenzbebauung zulässig. Was die Berechtigung des Beigeladenen Ziff. 2 zur Stellung eines Bauantrags angehe, sei anzumerken, dass dieser nach den vorliegenden Erklärungen Vertreter der Bauherrengemeinschaft sei. Im Hinblick auf das Denkmalschutzrecht sei von Bedeutung, dass nur die Straßenseite des Gebäudes schutzwürdig sei, die Rückseite nicht.

Gegen diese Baugenehmigung erhoben die Kläger am 06.09.2001 Widerspruch. Zur Begründung trugen sie vor: Der Hinweis der Beklagten auf die vorhandene Bauflucht sei ohne Belang für die Frage, ob sich das Bauvorhaben in die Umgebungsbebauung einfüge. Dem Maß der baulichen Nutzung komme nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Letztlich entscheidend seien die optisch wahrnehmbaren Umstände, insbesondere die Größe des Gebäudes im Verhältnis zur umgebenden Bebauung. Das weitere Argument der Beklagten, ein Verstoß gegen die aus der Umgebungsbebauung abzuleitende geschlossene Bauweise sei nicht gegeben, verkürze den Sachverhalt unzulässig. Die in den Gebäuden H.straße 3, 9 und 11 vorhandenen Balkone seien nicht an den jeweiligen Grundstücksgrenzen, sondern in der Mitte der jeweiligen Häuser angebracht. Auch an der gegenüber liegenden Häuserfront sei insoweit ein rücksichtsvolles Verhalten zu beobachten. Die Vorsprünge zum Nachbargebäude lägen jeweils zum Treppenhaus des nächsten Hauses hin, so dass der Schatten nicht auf den Wohnraum der Nachbarn falle. Indem das Bauvorhaben von diesen Gegebenheiten abweiche, sei kein Einfügen gegeben. Sollte das Beispiel der Beigeladenen Schule machen, könnten sämtliche umliegenden Eigentümer künftig die bisherige rücksichtsvolle Beachtung der Eigenarten der Bebauung missachten und zwar bis hin zur rückwärtigen Bauflucht, wie sie von der Beklagten definiert werde. Genau ein solches Verhalten würde jedoch städtebauliche Spannungen begründen. Hinsichtlich des Rücksichtnahmegebots sei es nicht richtig, dass die Einschränkungen durch das geplante Bauvorhaben nur geringfügiger Art seien. Gerade deshalb, weil sie (die Kläger) in ihrem Haus eine Erweiterung der Balkone nach innen vorgenommen hätten, um die Interessen der Bewohner des benachbarten Hauses zu schonen, seien sie mehr als früher auf ausreichende Belichtung ihrer Balkone angewiesen. Diese Belichtung würde durch die geplante Balkonanlage und vor allen Dingen auch durch den geplanten Lichtschutz beeinträchtigt. Die abstandsrechtlichen Vorschriften seien ebenfalls verletzt. Auch bei geschlossener Bauweise habe die Rechtsprechung häufig eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme angenommen. Das Bauvorhaben der Beigeladenen wahre praktisch überhaupt keinen Abstand zu ihrem Gebäude. Das führe zu einer erheblichen Einschränkung des Licht- und Sonneneinfalls auf den Balkon und in die dahinter liegenden Zimmer. In Anbetracht dessen müsse das Interesse der Beigeladenen an der Verwirklichung ihres Bauvorhabens zurückstehen. Der frühere Eigentümer des Grundstücks der Beigeladenen sei selbst der Auffassung gewesen, dass die Balkone nicht nach außen erweitert werden dürften. Das habe sie (die Kläger) zu einer Umplanung veranlasst. Es könne nicht sein, dass die Beigeladenen sich in der Weise von den rechtlichen Bindungen ihres Rechtsvorgängers abwendeten.

Mit Bescheid vom 19.07.2002, zur Post gegeben am 23.07.2002, wies das Regierungspräsidium F. den Widerspruch der Kläger mit der Maßgabe zurück, dass die genehmigten seitlichen Sichtschutzwände der Balkonanlage aus lichtdurchlässigen, nicht aber durchsichtigen Baustoffen herzustellen seien. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Die Baugenehmigung vom 13.08.2001 verstoße nicht gegen nachbarschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften. Das Bauvorhaben sei hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung unbedenklich. Die mehrgeschossigen Gebäude längs der Ostseite der H.straße seien auf den vorderen Grundstücksteilen durchgängig ohne seitliche Grenzabstände errichtet worden. Auf den hinteren Grundstücksteilen wiesen die Gebäude bzw. Gebäudeteile teilweise Grenzabstände auf, teilweise nicht. Das Grundstück der Kläger sei vollständig überbaut. Sowohl der eingeschossige mittlere Gebäudeteil als auch der zweigeschossige Teil im rückwärtigen Bereich grenzten unmittelbar an die Nachbargrundstücke und dienten der Hauptnutzung. Ebenfalls vollständig überbaut sei das nördlich des Grundstücks der Kläger gelegene Grundstück FlSt.-Nr. XXX; der dort 1998 genehmigte eingeschossige Anbau im rückwärtigen Bereich sei Bestandteil der dort ausgeübten Hauptnutzung. Auf dem Baugrundstück finde sich im hinteren Bereich eine durchgängige Bebauung längst der südlichen Grenze und eines Teils der östlichen Grenze. Die mehrgeschossigen Gebäude auf den südlich anschließenden Grundstücken FlSt.-Nrn. XXX und XXX seien teilweise ohne, teilweise mit seitlichen Grenzabständen errichtet worden. Sowohl das Grundstück FlSt.-Nr. XXX als auch das Grundstück FlSt.-Nr. XXX verfügten im rückwärtigen Bereich über unbebaute Flächen, die zur Straße eine Entfernung von ca. 18 m aufwiesen. Insgesamt sei eine uneinheitliche Bebauung mit einem Übergewicht der geschlossenen Bauweise festzustellen. Eine offene Bauweise könne in der näheren Umgebung nicht angenommen werden. Der Umstand, dass die geplante Balkonanlage nur einen Abstand von 25 bzw. 40 cm zur Grenze des Grundstücks der Kläger einhalte, könne nicht als Verstoß gegen die Bauweise angesehen werden, wie sie durch die Umgebung vorgegeben sei. Eine Überschreitung von faktischen Baugrenzen sei auch nicht zu erkennen. Diese uneinheitliche Bebauung der hinteren Grundstücksteile habe zur Folge, dass weder seitliche noch rückwärtige faktische Baugrenzen festgestellt werden könnten. Deshalb stehe das Vorhaben auch im Hinblick auf die überbaubare Grundstücksfläche in Einklang mit § 34 Abs. 1 BauGB. Rechtlich nicht bedeutend sei, dass an vergleichbarer Stelle keine entsprechende bauliche Anlage mit der Höhe der geplanten Balkonanlage auf dem Baugrundstück vorhanden sei. Bei Anwendung von § 34 BauGB komme es nicht darauf an, ob ein Vorhaben im Wesentlichen einer bereits vorhandenen anderen baulichen Anlage entspreche, sondern darauf, ob der durch die Umgebung vorgegebene Rahmen eingehalten sei. Denkbaren Unzuträglichkeiten sei insoweit durch das Gebot der Rücksichtnahme Rechnung zu tragen. Hier sei allerdings kein Verstoß gegen dieses Gebot der Rücksichtnahme zu erkennen. In städtischen Gebieten mit geschlossener Bebauung seien unterschiedliche Bebauungstiefen, bezogen auf sämtliche Geschosse, keine Seltenheit. Auch bei Reihenhausbebauungen sei eine versetzte Anordnung um ein bis zwei Meter häufig anzutreffen. Die Erweiterung eines Gebäudes über die Rückseite des Nachbargebäudes hinaus könne daher nicht von vornherein als rücksichtslos angesehen werden. Die Erweiterung der Balkone stelle ein verständliches Anliegen dar. Die vorhandenen Balkone seien für eine zweckentsprechende Nutzung nur bedingt geeignet. Die Erweiterung um 1,25 m rufe bei Weitem keinen überdimensionierten Eindruck der Balkone hervor. Von dem Erweiterungsvorhaben der Beigeladenen seien in erster Linie die Balkone der Kläger nachteilig betroffen. Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Balkone sei im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung auch bezüglich Besonnung, Belichtung und Belüftung anzuerkennen. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Balkone aufgrund ihrer Lage (Ostseite) und der Begrenzung durch die Wandscheibe im Süden für den größten Teil des Tages einer direkten Besonnung entzogen seien. Das könne aber nicht bedeuten, dass die Beigeladenen diese Nachteile durch die einseitige Zurückstellung ihrer Interessen aufzufangen hätten. Insofern komme es auf eine gegenseitige Rücksichtnahme an. Hier könne eine fehlende Rücksichtnahme ausgeschlossen werden. Der Standard des Anbaus sei durch die vorhandenen Balkone vorgegeben. Es wäre zwar denkbar, die Balkone nach innen zu erweitern. Dies wäre aber mit einer Reduzierung des Wohnraums verbunden und würde eine unangemessene Forderung gegenüber den Beigeladenen darstellen. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Balkone handle es sich um eine filigrane Konstruktion. Auch dadurch würden schwerwiegende Nachteile für die Belichtung und Belüftung der Balkone vermieden. Für einen Teil des Vormittags sei sicherlich mit einer Beeinträchtigung der Besonnung der Balkone der Kläger zu rechnen. Diese Nachteile seien aber nicht so schwerwiegend, dass die Beigeladenen auf ihr Vorhaben verzichten müssten. Durch die Ausgestaltung der seitlichen Sichtschutzwände mit lichtdurchlässigen Baustoffen könnten diese Beeinträchtigungen in Grenzen gehalten werden. Ein Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Abstandsvorschriften liege nicht vor. Das Erfordernis einer Abstandsfläche entfalle aufgrund von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO. Damit sei eine Grenzbebauung zulässig. Die nach der genannten Vorschrift erforderliche öffentlich-rechtliche Sicherung des Anbaus an die Grenze auf dem Nachbargrundstück werde dadurch erfüllt, dass auf dem Nachbargrundstück eine Grenzbebauung bereits vorhanden sei. Dass diese Grenzbebauung in Höhe und Tiefe nicht dem geplanten Vorhaben entspreche, sei rechtlich nicht erforderlich. Das gelte auch in unbeplanten Innenbereichen.

Am 21.08.2002 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vor: Das genehmigte Bauvorhaben verstoße gegen die nachbarschützenden Vorschriften des landesrechtlichen Abstandsflächenrechts. Die genehmigten Balkone müssten entweder den vollen Abstand oder mindestens zwei Meter zu den Nachbargrenzen einhalten. Das Erfordernis einer Abstandsfläche entfalle aber auch nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO. Im hinteren Bereich wiesen die Gebäude der näheren Umgebung teilweise Grenzabstände auf, teilweise nicht. Das Grundstück FlSt.-Nr. XXX (H.straße 3) sei im rückwärtigen Bereich eingeschossig bebaut. Das Grundstück der Kläger weise seit 1980 im rückwärtigen Bereich einen eingeschossigen mittleren Gebäudeteil sowie einen zweigeschossigen Gebäudeteil auf. Auf dem Baugrundstück existiere seit 1980 entlang der südlichen und eines Teils der östlichen Grenze eine eingeschossige Bebauung. Das Grundstück FlSt.-Nr. XXX (H.straße 9) weise im rückwärtigen Bereich seitliche Grenzabstände und keine Bebauung auf. Für das Grundstück FlSt.-Nr. XXX gelte das Gleiche und auch das FlSt.-Nr. XXX (H.straße 13) sei im hinteren Bereich unbebaut. Daraus ergebe sich, dass entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums F. kein Übergewicht der geschlossenen Bauweise vorliege. Keines der in der näheren Umgebung befindlichen Gebäude weise eine im maßgeblichen Bereich so weit nach Osten reichende Grenzbebauung auf, wie das bei Verwirklichung der genehmigten Balkonanlage der Fall wäre. Die Balkonerweiterungen seien im zweiten und dritten Obergeschoss sowie im ersten Dachgeschoss geplant. Deshalb sei allein dieser Bereich für eine Prüfung nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblich. Dem widerspreche die Auffassung des Regierungspräsidiums, das auf die teilweise eingeschossige Bebauung im rückwärtigen Bereich einiger Grundstücke abgestellt habe. Insgesamt sei es unverständlich, wie das Regierungspräsidium zu dem Ergebnis habe kommen können, der durch die Umgebung vorgegebene Rahmen sei eingehalten worden. Hinzu komme, dass ein Balkon einen sehr sensiblen Bereich darstelle, da er nicht die gleiche Abgeschlossenheit aufweise wie z. B. eine Wand oder ein Erker. Das genehmigte Bauvorhaben verletze das Gebot der Rücksichtnahme. Es sei unstreitig, dass die genehmigten Balkone für die Balkone auf dem Grundstück der Kläger und die hinter den Balkonen liegenden Räume eine ganz erhebliche Einschränkung des Lichteinfalls bedeuteten. Das gelte nicht nur für den Vormittag. Von den Balkonen der Kläger aus gesehen falle das Licht fast den ganzen Tag über von schräg rechts oben ein. Die genehmigten Balkone würden insofern insgesamt zu einer erheblichen Verdunkelung beitragen. In einer sogenannten Blockrandbebauung wie im vorliegenden Fall müssten die benachbarten Wohnungseigentümer ähnlich wie in einer Reihenhausbebauung in besonderem Maße aufeinander Rücksicht nehmen. Dieses Gleichgewicht würde durch die genehmigten Balkone erheblich gestört. Die Abwägung des Regierungspräsidiums gehe insgesamt in unzumutbarer Weise zu Lasten der Kläger. Insbesondere sei nicht klar, weshalb den Beigeladenen nicht ein Ausbau der Balkone nach innen zuzumuten sei. Der Verlust an Wohnfläche belaufe sich gerade einmal auf 4 qm. Die Auflage des Regierungspräsidiums, dass die seitlichen Sichtschutzwände der Balkonanlage aus lichtdurchlässigen, aber nicht durchsichtigen Baustoffen herzustellen sei, sei wenig hilfreich. Eine direkte Sonneneinstrahlung werde es auch dann nicht mehr geben. Je nach Art der Ausführung werde die Privatsphäre auf den Balkonen am Gebäude der Kläger gründlich gestört. Die Rechtsprechung, nach der es für einen Anbau an der Grundstücksgrenze in dem Fall, in dem ein Nachbar bereits an die Grenze gebaut habe, keiner öffentlich-rechtlichen Sicherung eines Grenzanbaus mehr bedürfe, sei auf die Blockrandbebauung im vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn die räumliche Enge sei hier wegen der hohen Gebäude noch viel ausgeprägter. Den Beigeladenen könne auch keine Ausnahme nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LBO erteilt werden.

Die Kläger beantragen,

die den Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 13.08.2001 zum Neubau einer Balkonanlage im ersten Dachgeschoss mit Balkonerweiterungen im zweiten und dritten Obergeschoss des Gebäudes H.straße 7, FlSt.-Nr. XXX der Gemarkung F., in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums F. vom 19.07.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte im wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide. Ergänzend führt sie aus: Die Beigeladenen hätten einen Anspruch aus § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO auf Zulassung geringerer Tiefen der Abstandsflächen. Auf dem Grundstück der Kläger selbst seien Besonderheiten vorhanden, die dies rechtfertigten. Ihr Grundstück sei zum einen im Erdgeschoss vollkommen überbaut und zum anderen hätten sie das Dach des eingeschossigen Zwischengebäudes auf ihrem Grundstück ohne Baurechtsverfahren teilweise als Terrasse ausgebildet und genutzt. Damit hätten sie selbst eine aktive und passive Einsichtsmöglichkeit geschaffen, die ihr Interesse an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe als weniger schutzwürdig erscheinen lasse. Die geplante Erweiterung der Balkone um 1,25 m sei nicht überdimensioniert. Zu berücksichtigen sei auch, dass die kleine Freifläche auf dem Baugrundstück aufgrund der vollständigen Umschließung durch bauliche Anlagen für einen Erholungsaufenthalt im Freien kaum geeignet sei. Die Belüftungssituation werde sich durch die genehmigte Balkonanlage für das Grundstück der Kläger nicht verändern. Das gelte auch für die Belichtung und Besonnung. Auch hinsichtlich des nachbarlichen Wohnfriedens werde es keine Veränderung gegenüber der jetzigen Situation geben, da das Grundstück der Kläger und seine Balkone bereits jetzt von den östlich angrenzenden Gebäuden eingesehen werden könnten, nicht jedoch von den mit Sichtschutzblenden zu versehenden Balkonen der genehmigten Anlage.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Sie treten den Klagen jedoch entgegen. Zur Begründung tragen sie über ihren Vortrag im Vorverfahren und im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinaus vor: Die Einnahme eines Augenscheins werde belegen, dass die Kläger durch die Baugenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt würden. Besondere Umstände, die geringere Abstandsflächen zulassen könnten, könnten sich hier im Sinne von § 6 Abs. 4 Nr. 2 LBO daraus ergeben, dass eine merkliche Beeinträchtigung der Belichtungs- und Belüftungssituation für das Gebäude der Kläger angesichts der geringen Höhe der Balkonumwehrung und deren licht- und luftdurchlässige Ausführung nicht zu befürchten sei. Hinzu komme, dass die Kläger selbst, wenn auch nur im Erdgeschoss, weit in den hinteren Grundstücksteil hinein gebaut hätten. Das gelte nicht nur für das Erdgeschoss, sondern auch für den hinteren Teil des ersten Obergeschosses und für den übrigen Teil dieses ersten Obergeschosses zumindest hinsichtlich der Balkon- bzw. der Terrassennutzung zwischen dem Hauptgebäude und dem in Höhe des ersten Obergeschosses befindlichen Anbau. Zumindest für die Balkone im Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoss könnten die Kläger sich nicht auf eine Rechtsverletzung berufen. Durch die Überschreitung der hinteren Baugrenzen in zwei Geschossen durch die Kläger selbst hätten sie ihre Abwehransprüche gegen die angeblich ihre Rechte verletzende Baugenehmigung verwirkt. Bei einem Augenschein werde sich dies dem Gericht aufdrängen.

Die Kammer hat das Baugrundstück und die nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der Kammer liegen die Akten der Beklagten über das Bauvorhaben der Beigeladenen und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums F. (jeweils 1 Heft) vor. Der Inhalt dieser Akten sowie der Gerichtsakten - 4 K 1777/01 und 4 K 1701/02 - war Gegenstand der mündlichen Verhandlung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 16.11.2001 - 4 K 1777/01 - hat die Kammer die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Kläger gegen die im vorliegenden Verfahren angefochtene Baugenehmigung angeordnet. Mit Beschluss vom 06.03.2002 - 3 S 279/02 - hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen gegen diesen Beschluss zurückgewiesen.

Gründe

Die Klagen sind zulässig und begründet. Die von den Klägern angefochtene Baugenehmigung der Beklagten vom 13.08.2001 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn sie verstößt gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 7 Satz 3 LBO.

Nach dieser Vorschrift müssen vor Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind, wobei der nachbarschützende Teil der Abstandstiefe im vorliegenden Fall 0,4 der Wandhöhe beträgt. Diese Vorschrift ist auf die genehmigte Balkonanlage der Beigeladenen anwendbar, auch wenn durch sie keine durchgehende Außenwand des Gebäudes zum Grundstück der Kläger hin entsteht. Dies ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber in § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO Balkone unter bestimmten Voraussetzungen abstandsflächenrechtlich privilegiert hat. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn Balkone keine Abstandsflächen einzuhalten hätten (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.03.2002 - 3 S 279/02 -, m.w.N.).

Die von der genehmigten Balkonanlage hiernach einzuhaltende Abstandsfläche entfällt nicht aufgrund von § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO. Danach ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss, es sei denn, die vorhandene Bebauung erfordert eine Abstandsfläche (Nr. 1), oder das Gebäude an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (Nr. 2).

1.   Eine Anwendung der Nr. 1 von § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO scheidet im vorliegenden Fall aus. Denn in dem Bereich, in dem die Balkone errichtet werden sollen, ergibt sich aus dem (bundesrechtlichen) Bauplanungsrecht keine Verpflichtung zur Grenzbebauung. Ein Bebauungsplan existiert nicht und auch aus § 34 Abs. 1 BauGB lässt sich eine solche Verpflichtung nicht herleiten. Zwar ist die maßgebliche nähere Umgebung, die Häuserzeile auf der Ostseite der H.straße, an der sich die Grundstücke der Kläger und der Beigeladenen befinden (zur maßgeblichen näheren Umgebungsbebauung bei der Beurteilung der Frage, ob nach § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB an Grundstücksgrenzen gebaut werden muss bzw. darf, vgl. Schlotterbeck/von Arnim, LBO für Baden-Württemberg, 4 Aufl. 1997, § 5 RdNr. 22), grundsätzlich von einer geschlossenen Bauweise und damit von einer Bebauung ohne Grenzabstand (§ 22 Abs. 3 BauNVO) geprägt. Doch gilt das nur für die Vorderseite der Gebäude, das heißt für die straßenseitige Bebauung an der Ostseite der H.straße, nicht für die rückwärtige Bebauung. In diesem Bereich weisen die Nachbargebäude entlang der H.straße eine unterschiedliche Bebauungstiefe auf. Kein Gebäude entspricht insoweit dem anderen. Die zwei Gebäude der Kläger und der Beigeladenen haben insoweit, das heißt hinsichtlich der in etwa gleichen Bebauungstiefe, noch die größten Gemeinsamkeiten. Demgegenüber treten die sich in nördlicher Richtung anschließenden Gebäude hinter diese Gebäude zurück und zwar das Gebäude auf dem Grundstück FlSt.-Nr. XXX (H.straße 3) um etwa einen Meter und das Gebäude auf dem Grundstück FlSt.-Nr. XXX (H.straße 1) um weitere 1,75 m (insges. also um 2,75 m). Die sich in südlicher Richtung an das Baugrundstück der Beigeladenen anschließenden Gebäude auf den Grundstücken FlSt.-Nrn. XXX und XXX (H.straße 9 und 11) treten demgegenüber nach einem Grenzabstand von jeweils etwa zwei Metern um etwa 3,25 m bzw. 4,25 m vor die hinteren Gebäudewände der Gebäude der Kläger und der Beigeladenen hervor; dabei kommen auf beiden Grundstücken noch weiter (um 2 m bzw. 1,50 m) hervortretende Balkone hinzu. Das Gebäude auf dem noch weiter südlich gelegenen Grundstück FlSt.-Nr. XXX bleibt wiederum um mindestens 5 m hinter dem nördlich angrenzenden Gebäude auf dem Grundstück FlSt.-Nr. XXX zurück. Angesichts dieser Uneinheitlichkeit der hinteren Bebauung der Häuserzeile auf der Ostseite der H.straße kann somit in diesem Bereich nicht von einer geschlossenen Bauweise oder gar von einer (hinteren) Baulinie, bis zu der angebaut werden muss (§ 23 Abs. 2 BauNVO), gesprochen werden. Nur ein solches Zusammenspiel von geschlossener Bauweise und (faktischer hinterer Baulinie) könnte jedoch allenfalls eine bauplanungsrechtliche Pflicht zur Grenzbebauung auf der Gebäuderückseite im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO begründen (vgl. hierzu Boeddinghaus, BauNVO, 4. Aufl. 2000, § 22 RdNr. 29; zur fehlenden Relevanz einer [faktischen] Baugrenze in diesem Zusammenhang vgl. auch Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Juni 2003, Bd. I, Art. 6 RdNr. 46 m.w.N.).2.   Das Erfordernis einer Abstandsfläche entfällt aber auch nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO. Denn eine Grenzbebauung in der Form der genehmigten Balkonanlage fügt sich nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht in die nähere Umgebung ein, wobei auch hier allein auf die Häuserzeile an der Ostseite der H.straße und nicht etwa auch auf die gegenüberliegende Blockrandbebauung an der F.straße abzustellen ist (s. o.).a)   Das fehlende Einfügen der genehmigten Balkonanlage ergibt sich unter anderem daraus, dass es in der gesamten maßgeblichen Häuserzeile entlang der Ostseite der H.straße oberhalb des Erdgeschosses, das außer auf dem (Bau-)Grundstück der Beigeladenen ohnehin auf allen benachbarten Grundstücken komplett, das heißt bis zur hinteren Grundstücksgrenze, überbaut ist, keine baulichen Anlagen bzw. keine Anlagenteile gibt, die an der Grenze zum Nachbargrundstück so weit nach Osten hervortreten wie die genehmigte Balkonanlage. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass allein eine Grundstücksgrenze, die nur in Plänen, nicht jedoch in der Realität erkennbar ist, grundsätzlich kein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung des Einfügens darstellt. Anders ist das jedoch, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Erscheinungsbild der durch die Grundstücksgrenzen getrennten Gebäude in einer Blockrandbebauung unterschiedlich ist und sich dies - zumindest oberhalb des Erdgeschosses - sowohl in vor- und zurücktretenden Bebauungstiefen der einzelnen Gebäude und/oder Grenz- und somit Gebäudeabständen ausdrückt, so dass der Betrachter der gesamten Gebäuderückfront die Grundstücksgrenzen an der tatsächlichen Bebauung ablesen und daran die einzelnen Gebäude voneinander unterscheiden und abgrenzen kann. In diesem Fall, der hier gegeben ist (s. o.), wirkt eine weiter nach Osten hinausragende Bebauung an einer Grundstücks- und Gebäudegrenze, die es so in der näheren Umgebung nicht ein zweites Mal gibt, als Fremdkörper, erzeugt bodenrechtliche Spannungen und fügt sich somit nicht in die Umgebungsbebauung ein.b)   Ein weiterer Grund für die zwingende Beachtung des (landesrechtlichen) Abstandsflächenrechts folgt daraus, dass der Vorrang des (bundesrechtlichen) Bauplanungsrechts, dem § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO Rechnung tragen soll (vgl. Dürr, Baurecht, 10. Aufl. 2001, RdNr. 182; Schlotterbeck/von Arnim, a.a.O., § 5 RdNr. 19; Simon/Busse, a.a.O., Art. 6 RdNr. 30), nur dann zur Geltung kommen kann, wenn dem Bauplanungsrecht insoweit eindeutige Vorgaben hinsichtlich einer Grenzbebauung entnommen werden können. Im unbeplanten Innenbereich ist das nur dann der Fall, wenn der tatsächlich vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung (hier entlang der Ostseite der H.straße, s. o.) ein städtebauliches Ordnungssystem zugrunde liegt. Da das Abstandsflächenrecht im Verhältnis zum Bauplanungsrecht eigenständige Ziele verfolgt und eigene vom Bauplanungsrecht verschiedene Belange erfasst, führt eine hinsichtlich der Grenzbebauung regellose Bebauung nicht dazu, dass die Anforderungen des Abstandsflächenrechts durch das Bauplanungsrecht verdrängt werden. Denn ein derart umfassender Vorrang des planungsrechtlichen Einfügungsgebots wäre mit dem Normzweck des Abstandsflächenrechts nicht zu vereinbaren. Verhält sich der maßgebliche Rahmen in § 34 Abs. 1 BauGB der Bauweise gegenüber quasi gleichgültig, so besitzt das Bauplanungsrecht keine ausreichende Legitimation für die Ausschaltung des bauordnungsrechtlichen Systems der Abstandsflächen (so BayVGH, Urt. v. 21.07.1997, NVwZ-RR 1998, 712; Simon/Busse a.a.O., Art. 6 RdNrn. 44 f. m.w.N.). Diese im Verhältnis zwischen dem Bauplanungsrecht und der bayerischen Bauordnung entwickelten Grundsätze (s. o.) sind nach Auffassung der Kammer ohne Weiteres auch auf das Verhältnis des Bauplanungsrechts zur baden-württembergischen Bauordnung zu übertragen und damit bei der Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals „... wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude an die Grenze gebaut werden darf ...“ in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zu beachten (dem Beschl. des VGH Bad.-Württ. v. 10.04.1995, VBlBW 1995 435, ist - entgegen der Meinung des BayVGH im Urt. v. 21.07.1997, a.a.O. - eine gegenteilige Auffassung nicht zu entnehmen). Denn der in § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO eingeräumte Vorrang der bauplanungsrechtlichen Vorschriften über die Grenzbebauung gegenüber dem landesrechtlichen Abstandsflächenrecht (zum Verhältnis von Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht s. § 29 Abs. 2 BauGB; vgl. hierzu auch Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl. 2002, § 30 RdNr. 13), ist insoweit nicht anders zu verstehen als im Verhältnis zur bayerischen Bauordnung (vgl. hierzu Art. 6 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BayBO), zumal die von dem bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht geschützten Belange, die sich nicht mit den Belangen des Bauplanungsrechts decken (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 21.07.1997, a.a.O.), in beiden Bauordnungen im Wesentlichen die gleichen sind (vgl. hierzu Schlotterbeck/von Arnim, a.a.O., § 5 RdNr. 6, und Simon/Busse, a.a.O., Art. 6 RdNr. 1). Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass aufgrund der regellosen Bebauung, insbesondere der uneinheitlichen Bebauungstiefen, im hinteren Bereich der Gebäude entlang der Ostseite der H.straße dem Bauplanungsrecht hier kein hinreichend prägendes städtebauliches Ordnungssystem entnommen werden kann, das eine Zulassung der genehmigten Balkonanlage an der Grenze zum Grundstück der Kläger begründen kann.c)   Darüber hinaus fehlt es an der nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO erforderlichen öffentlich-rechtlichen Sicherung, dass auf dem Nachbargrundstück (dem Grundstück der Kläger) ebenfalls an die Grenze gebaut wird. Die Kammer hat in ihrem Beschluss vom 16.11.2001 - 4 K 1777/01 - Zweifel daran geäußert, ob die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, nach der auf eine solche Sicherung verzichtet werden kann, wenn auf dem Nachbargrundstück bereits ein Gebäude an der Grenze vorhanden ist, ohne dass das geplante Bauvorhaben hinsichtlich seiner Höhe und Tiefe deckungsgleich mit dem Nachbargebäude sein müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 03.12.1999 - 3 S 790/03 - und v. 21.10.1998 - 3 S 3045/98 - sowie Beschl. v. 12.09.1996, VBlBW 1997, 221, und zuletzt auch v. 30.06.2003 - 3 S 991/03 -; vgl. auch Sauter, LBO für Baden-Württemberg, Stand: Sept. 2002, § 5 RdNrn. 51 ff. m.w.N.), auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann. Denn dieser (zuvor genannten) Rechtsprechung liegt die Überlegung zugrunde, dass es demjenigen, der erst später ein an der Grundstücksgrenze stehendes Gebäude verwirklicht als sein Nachbar, grundsätzlich möglich sein muss, die planungsrechtlich zulässige Bebauungstiefe auszuschöpfen und zwar auch dann, wenn der Nachbar mit seiner Grenzbebauung hinter der zulässigen Bebauungstiefe zurückgeblieben ist; denn sonst könnte der Erstbauende den Zweitbauenden präjudizieren und insoweit eigenmächtig rechtliche Maßstäbe auch mit Wirkung für den Nachbarn setzen (vgl. hierzu u. a. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 03.12.1999 und Beschl. v. 30.06.2003, jew. a.a.O.). Der mit dieser Rechtsprechung verfolgte Sinn und Zweck ist gut nachvollziehbar und auch der Wortlaut der Landesbauordnung steht dem nicht mehr entgegen, nachdem der Gesetzgeber den in der früheren Fassung der Landesbauordnung verwendeten Begriff des „Anbaus“ in der neuen Fassung der Landesbauordnung aufgegeben hat (vgl. hierzu Sauter, a.a.O., § 5 RdNrn. 51 f.). Die hinter dieser Rechtsprechung stehende ratio ist jedoch auf den Fall nicht übertragbar, in dem - wie bei der Bebauung an der Ostseite der H.straße - eine historische Blockrandbebauung ohne planungsrechtliche Vorgaben (in Form eines Bebauungsplans) entstanden ist und in dem erst die tatsächlich verwirklichte Bebauung das Maß der zulässigen Bebauungstiefe vorgibt sowie in dem die früheren (historischen) Bauherren durch eine aufeinander abgestimmte Bauweise und Bebauungstiefe das nachbarliche Verhältnis sowie das Maß der gegenseitigen Rücksichtnahme auf ihrer Straßenseite dauerhaft geprägt und damit auch ein gegenseitiges Vertrauen auf Wahrung dieses nachbarlichen Austauschverhältnisses begründet haben. In diesen Fällen ist kein Grund dafür ersichtlich, der dafür sprechen könnte, dass auf die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO an sich erforderliche öffentlich-rechtliche Sicherung eines Grenzanbaus auf dem Nachbargrundstück (hier dem Grundstück der Kläger) verzichtet werden sollte. Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in dem Beschluss vom 30.06.2003 (a.a.O.) den Grundsatz, dass bei vorhandener Grenzbebauung keine öffentlich-rechtliche Sicherung erforderlich sei, selbst wenn hinsichtlich der Grenzbebauung keine Deckungsgleichheit vorliege, auch in einem Fall einer innenstadtnahen Blockrandbebauung anwandte, bestand in jenem Verfahren kein Anlass zu einer vertieften Auseinandersetzung mit diesem Rechtsproblem. Denn der dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30.06.2003 (a.a.O.) zugrunde liegende Fall war hinsichtlich der Abstandsflächenproblematik dadurch gekennzeichnet, dass bei dem dort geplanten Bauvorhaben keine baulichen Veränderungen vorgenommen wurden, durch die sich ein für die Größe der Abstandsflächen maßgebliches Merkmal, wie z. B. die Erhöhung einer Außenwand oder - wie im vorliegenden Fall - das Hervortreten von Gebäudeteilen vor die Außenwand, verändert hätte. Vielmehr ging es in jenem Fall lediglich um die Überdachung eines bereits rundum von Mauern umgebenen Innenhofs, die allein dem Zweck diente, Lärmbelästigungen für die Nachbarschaft, die aus diesem Innenhof zu erwarten waren, zu vermeiden (vgl. hierzu auch den Beschl. der Kammer v. 11.04.2003 - 4 K 328/03 -, der durch die oben genannte Beschwerdeentscheidung des VGH bestätigt wurde).Ein Verzicht auf die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO grundsätzlich erforderliche öffentlich-rechtliche Sicherung kann auch nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 3 LBO abgeleitet werden, weil diese Vorschrift nur dann Anwendung findet, wenn in einem Bebauungsplan Festsetzungen über eine abweichende Bauweise getroffen worden sind (vgl. hierzu Beschl. der Kammer v. 16.11.2001, a.a.O.), was hier jedoch nicht geschehen ist.

d)   Schließlich kann hier von dem Erfordernis einer Abstandsfläche auch aus einem weiteren Grund nicht abgesehen werden. Neben den Kriterien für das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubaren Grundstücksflächen kommt insbesondere im nicht überplanten Innenbereich auch dem Gebot der Rücksichtnahme eine entscheidende Bedeutung in dem Sinne zu, dass das Abstandsflächenrecht und die dadurch geschützten Belange der Belichtung, Belüftung und des Brandschutzes nicht verdrängt werden. Auf Seite 8 ihres Beschlusses vom 16.11.2001 (a.a.O.) hat die Kammer dargelegt, dass die genehmigte Balkonanlage zu einer nicht zu vernachlässigenden zusätzlichen Verschattung der Balkone und der dahinter liegenden Wohnräume in den verschiedenen Wohnungen auf dem Grundstück der Kläger führen würde. Die vom Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen in seinem im Eilverfahren 4 K 1777/01 vorgelegten Schriftsatz vom 31.10.2001 (dort auf den Seiten 12 und 13, GAS 83 und 85) abgedruckten Lichtbilder zeigen anschaulich, welch lange Schatten von mehreren Metern bereits die vorhandenen nur um allenfalls 60 cm vor die hintere Gebäudewand hervortretenden Balkone am Haus der Kläger verursachen. Die Verschattung durch die geplanten Balkone am Haus der Beigeladenen würde mehr als das Dreifache dieser auf den genannten Lichtbildern veranschaulichten Verschattung ausmachen. Auch wenn dieses Ausmaß der Verschattung an der hinteren Gebäudefront nur während eines begrenzten Zeitraums im Lauf des Tages einträte, wäre damit doch eine nicht unerheblich Beeinträchtigung der Belichtungsverhältnisse in den hinteren Wohnräumen im Haus der Kläger verbunden. Gerade in einer derart engen Blockrandbebauung mit Gebäudehöhen von durchgehend vier bis fünf Geschossen sind die Bewohner in besonderem Maße auf die Wahrung der sensiblen Belichtungen ihrer Wohnungen angewiesen. In historischen Stadtkernen, deren Bebauung dadurch geprägt ist, dass die Bauweise entlang der Straße geschlossen ist, während die rückwärtigen Grundstücksbereiche unregelmäßig bebaut sind, kommt dem Gebot der Rücksichtnahme deshalb eine entscheidende Bedeutung zu. Um für die Nachbarn hier unzumutbare Beeinträchtigungen durch Verschattungen zu verhindern, muss der grundsätzlich zulässige Rahmen der Bauweise beschränkt werden. Das bedeutet, dass die grenzständige Bebauung sich in Tiefe und Höhe stärker an die unmittelbar angrenzende Bebauung anzupassen hat, als dies in anderen baulichen Situationen zu fordern ist (so auch Simon/Busse, a.a.O., Art. 6 RdNrn. 49 und 52 m.w.N.).3.   Das Erfordernis der Einhaltung einer Abstandsfläche für die genehmigte Balkonanlage entfällt auch nicht aus anderen Gründen. Die Voraussetzungen für eine Privilegierung nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO liegen nicht vor. Hierzu verweist die Kammer auf die Gründe in ihrem Beschluss vom 16.11.2001 und in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 06.03.2002 (jew. a.a.O., vgl. hierzu auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.10.2002 - 5 S 1655/01 -, ZfBR 2003, 171 [Leitsatz]). Die in diesen beiden Beschlüssen zu Tage getretenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen zu der Frage, ob der seitliche Grenzabstand der genehmigten Balkonen nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO mindestens zwei Meter betragen muss (so der Beschl. der Kammer) oder ob diese Vorschrift für seitliche Grenzabstände überhaupt nicht gilt, so dass hier der volle Grenzabstand von 0,4 der Wandhöhe (zwischen den Gebäuden der Kläger und der Beigeladenen) einzuhalten ist (so der Beschl. des VGH Bad.-Württ.), sind im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Denn die genehmigte Balkonanlage hält keine der nach beiden Rechtsauffassungen erforderlichen Grenzabstände ein.Eine Ausnahme nach § 6 Abs. 4 LBO scheidet hier ebenfalls aus. Auch hierzu verweist die Kammer auf die Gründe der im vorstehenden Absatz genannten Beschlüsse (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.06.2003, BauR 2003, 1549). Daran hält die Kammer auch nach Einnahme des Augenscheins und einer gründlichen Überprüfung im vorliegenden Klageverfahren fest, ohne dass es hierzu weiterer Ergänzungen bedarf.

Eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auch nicht dadurch veranlasst, dass sich im Laufe des Klageverfahrens und insbesondere nach Einnahme des Augenscheins herausgestellt hat, dass die Kläger den hinteren Teil ihres Grundstücks im Bereich des Erdgeschosses vollständig und im Bereich des ersten Obergeschosses teilweise überbaut haben. Denn die genehmigte Balkonanlage bezieht sich gerade nicht auf diese Geschosse, sondern nur auf das zweite und dritte Obergeschoss sowie auf das Dachgeschoss, so dass in diesen Geschossen die Balkone über die bisherige rückwärtige Bebauung hinausragen.

Ob die genehmigte Balkonanlage darüber hinaus auch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, namentlich gegen das Rücksichtnahmegebot, verstößt, kann wegen des bereits festgestellten Verstoßes gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 LBO hier dahingestellt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3 sowie § 162 Abs. 2 VwGO. Abgesehen davon, dass die Beigeladenen keine Anträge gestellt und damit nach § 154 Abs. 3 VwGO auch kein Kostenrisiko übernommen haben, entspricht es auch deshalb der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie mit ihrer Rechtsauffassung keinen Erfolg hatten.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, weil die in Nr. 2 genannten Entscheidungsgründe, mit denen das Vorliegen der Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO abgelehnt wurde, im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen haben.