FG des Saarlandes, Urteil vom 03.12.2003 - 1 K 261/00
Fundstelle
openJur 2010, 1134
  • Rkr:

Ist das Kind aus einer geschiedenen Ehe mit Hauptwohnsitz beim Vater und mit Nebenwohnsitz bei der Mutter gemeldet und stimmt die Mutter der Übertragung des Haushaltsfreibetrages auf den Vater nicht zu, so verstößt die typisierende Zuordnung des Haushaltsfreibetrages zur Mutter auch dann nicht gegen Art. 3 und 6 GG, wenn der Vater das Kindergeld für das Kind erhält, weil es vorwiegend in seinem Haushalt lebt und sich nur gelegentlich bei der Mutter aufhält. Sich daraus für den Vater gegebenenfalls ergebende nachteilige finanzielle Folgen sind wegen ihrer kindesunterhaltsrechtlichen Veranlassung durch Klage vor den Zivilgerichten zu klären.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Haushaltsfreibetrag 1997 dem Kläger oder der Beigeladenen zusteht.

Der Kläger und die ebenfalls berufstätige Beigeladene sind seit 1993 geschieden. Ihr gemeinsamer 1982 geborener Sohn lebte seit dem 6. November 1992 mit gemeldeten Erstwohnsitz im Haushalt des das Kindergeld erhaltenden Klägers und war mit Nebenwohnsitz in der S-er Wohnung der Beigeladenen gemeldet, in welcher er sich in ca. 14-tägigen Rhythmus wochenends aufhielt (Bl. 4-6, 9, 42, 46 Rb).

Von diesem Sachverhalt hatte der Beklagte durch eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes ... erfahren (Bl. 20 Rb) und dem Kläger deshalb den ihm im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 6. April 1998 gewährten Haushaltsfreibetrag (Bl. 23 f. Rb) durch Änderungsbescheid vom 8. März 1999 (an den Kläger bereits vor dieser Datumsangabe abgesandt, Bl. 2 Rb), wieder aberkannt (Bl. 18 f. Rb). Den auf eine Verletzung des Art. 3 GG gestützten Einspruch des Klägers (Bl. 1, 33 Rb) wies er durch Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2000 als unbegründet zurück (Bl. 5 ff.).

Am 30. August 2000 hat der Kläger Klage erhoben. Durch Beschluss vom 15. Oktober 2003 hatder Senat die geschiedene Ehefrau des Klägers zum Verfahren beigeladen (Bl. 42 f.).

Der Kläger beantragt,

das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs. 7 Satz 2, 2. Alternative EStG 1997 einzuholen,

hilfsweise,

den Änderungsbescheid vom 8. März 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2000 aufzuheben.

Das angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG nicht verfassungskonform auslegungsfähige Primat der Zuordnung eines nicht verheirateten minderjährigen Kindes nicht verheirateter Eltern zur Mutter verstoße gegen Art. 3 und 6 Abs. GG (Bl. 18, 31), indem es dem Vater sogar den Gegenbeweis der Zugehörigkeit des Kindes zu seinem Haushalt verschließe (Bl. 32).

Die Schutzpflicht des Staates aus Art. 6 Abs. 2 GG verlange, die von den Eltern gewünschte Form der Kinderbetreuung zu ermöglichen und zu fördern und dürfe deshalb den tatsächlich erziehenden Kindesvater nicht auf eine zivilrechtliche Klage gegen die Kindesmutter auf Zustimmung zur Übertragung des Haushaltsfreibetrages verweisen (Bl. 18, 32).

Der Haushaltsfreibetrag diene der Abgeltung des Mehrbedarfs des erziehenden Elternteils. Dieser Zweck werde verfehlt, wenn das Kind bei Meldekonkurrenz nur deswegen der Mutter zugeordnet werde, weil bei getrennt lebenden Elternteilen das Kind in der Regel von der Mutter erzogen werde (Bl. 19). Diese grobe Typisierung, die im Übrigen von den sich wandelnden Gesellschaftsverhältnissen so nicht mehr bestätigt werde, benachteilige in verfassungswidriger Weise den alleinerziehenden Vater, weil sich der nur einmal mögliche melderechtliche Erstwohnsitz des Kindes sowohl in sachlicher wie in verwaltungstechnischer Hinsicht als einfach zu handhabender Anknüpfungspunkt für die Gewährung des Haushaltsfreibetrages anbiete (Bl. 19 f.).

Damit stelle sich die bis 1989 geltende Anknüpfung an den Erstwohnsitz des Kindes als die verfassungsrechtlich sachgerechtere Typisierung dar, zumal ansonsten eventuell erforderliche und dann meist emotional ausgetragene zivilrechtliche Streitereien unter den Eltern häufig auf dem Rücken der Kinder ausgetragen würden (Bl. 32).

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im Übrigen trägt er vor (Bl. 24 ff.):

Die bloße Rüge der Verfassungswidrigkeit müsse nicht zwangsläufig zur Vorlage an das BVerfG führen. So hätten das BVerwG und das FG Düsseldorf die streitbefangene Regelzuordnung des Kindes zur Mutter für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten (Bl. 26 f., 25). Dabei habe das FG ausdrücklich darauf hingewiesen, vom Gesetzgeber sei bewusst in Kauf genommen worden, dass durch diese typisierende Regelzuordnung bei konkurrierenden Meldeverhältnissen beider Elternteile derjenige, der den eigentlichen Aufwand trage, keine entsprechende steuerliche Entlastung erhalte (Bl. 25).

Die grundsätzlich weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Typisierungen zur Vereinfachung des Steuerrechts stoße nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann auf Grenzen, wenn der Typisierungsvorteil und die damit notwendig verbundene Ungleichheit der steuerlichen Belastung in keinem ausgewogenen Verhältnis ständen (Bl. 25 f.) oder bei unwiderlegbaren Typisierungen zur Herstellung der steuerlichen Einzelfallgerechtigkeit jedwede ausgleichende Härteregelungen aus-geschlossen seien. Vorliegend sei aber ein solcher Härteausgleich bereits durch eine privatrechtliche Anpassung der kindbedingten Unterhaltsregelungen zwischen den ehemaligen Eheleuten möglich (Bl. 26).

Im Übrigen habe, wie vom BVerwG aufgezeigt worden sei, auch das frühere Abstellen auf die gemeldete Hauptwohnung des Kindes nicht stets zu einer den tatsächlichen Betreuungsverhältnissen entsprechenden Einzelfallgerechtigkeit geführt (Bl. 27).

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt vor, sie habe sich auf die Aussage des Finanzamtes ... verlassen, wonach für den Erhalt des Haushaltsfreibetrages die polizeiliche Meldung ihres Sohnes in ihrer Wohnung mit Nebenwohnsitz ausreiche (Bl. 49).

Für weitere Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Sitzungsprotokoll und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Änderungsbescheid beruht auf einer verfassungsgemäßen Gesetzeslage, so dass die Anrufung des BVerfG nicht geboten ist.

1.  Rechtsgrundlagen

a)  Gemäß § 32 Abs. 7 Satz 1 EStG wird ein Haushaltsfreibetrag von 5.616 DM bei einem Steuerpflichtigen, für den das Splitting-Verfahren (§ 32a Abs. 5 und 6) nicht anzuwenden und der auch nicht als Ehegatte (§ 26 Abs. 1) getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen ist, vom  Einkommen abgezogen, wenn er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld für mindestens ein Kind erhält, das in seiner Wohnung im Inland gemeldet ist. Ist das Kind bei beiden Elternteilen mit Wohnung im Inland gemeldet, wird es dem Elternteil zugeordnet, in dessen Wohnung es im Kalenderjahr zuerst gemeldet war, im übrigen der Mutter oder mit deren Zustimmung dem Vater (§ 32 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Diese Regelung ist für das Streitjahr nicht bereits deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, weil das BVerfG im Beschluss vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91 u.a., BStBl II 1999, 182 die Fortgeltung des § 32 Abs. 7 EStG trotz festgestellter teilweiser Unvereinbarkeit der Bestimmung mit dem GG bis zum 1. Januar 2002 angeordnet hat. Denn die Vorschrift wurde nur insoweit für verfassungswidrig erklärt, als dadurch in ehelicher Gemeinschaft lebende Eltern von der Gewährung des Haushaltsfreibetrages ausgeschlossen wurden. Die vorliegend streitentscheidende Verfassungsfrage, ob es mit dem GG vereinbar ist, dass bei gleichzeitiger polizeilicher Meldung des Kindes in beiden Wohnungen seiner geschiedenen Eltern die vorrangige Zuordnung des Haushaltsfreibetrages zur Mutter auch dann noch sachlich gerechtfertigt ist, wenn das Kind unstreitig mit Hauptwohnsitz im Haushalt des Vaters lebt, ist damit noch offen. Sie ist im Einklang mit dem Beklagten zu bejahen.

b)  Zu den Zuordnungsregelungen des § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG liegt eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung vor, die durchgehend von der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen ausgeht. Danach ist entsprechend dem eindeutigen Gesetzeswortlaut für die Zuordnung des Haushaltsfreibetrages bei nicht zusammen lebenden Eltern allein auf den - zutreffenden - melderechtlichen Tatbestand abzustellen, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um einen Haupt- oder Nebenwohnsitz handelt oder wo sich das Kind tatsächlich aufhält (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Dezember 2000 VI B 99/99, BFH/NV 2001, 629; vom 26. Januar 2001 VI B 250/00, BFH/NV 2001, 779 mit umfassenden weiteren Nachweisen; ferner FG Düsseldorf, Urteil vom 2. April 1993  14 K 7538/92 E, EFG 1993, 791; FG Hamburg, Urteil vom 6. August 1999 V 120/96, EFG 1999, 1227; FG München, Urteil vom 25. Juli 2002  9 K 2497/00, EFG 2001, 1494). Auch gestattet der Wortlaut der Vorschrift weder eine hälftige Aufteilung des Haushaltsfreibetrages auf beide Elternteile, noch ist eine solche Aufteilung verfassungsrechtlich geboten. (BFH, BFH/NV 2001, 629 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des FG Hamburg a.a.O.). Ebenso wenig ist es nach der Entscheidung des BVerfG vom 15. Mai 1984  1 BvR 208/83 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, EStG 1975, § 32 Abs. 4, Rechtsspruch 7) verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass die Zuordnung eines Kindes aus einer geschiedenen Ehe formalisiert nach den melderechtlichen Unterlagen durchgeführt wird (s. zur Verfassungsmäßigkeit der Zuordnungsregelung des § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG ferner auch BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1990 8 C 54/88, NJW 1991, 857, das zu Recht darauf hinweist, dass auch andere Anknüpfungspunkte als die streitbefangene melderechtliche Lösung nicht zu durchgängig befriedigenden Ergebnissen führen würden). Der Senat sieht keinen Anlass von dieser einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall abzugehen.

c)  Sinn der Gewährung des Haushaltsfreibetrages für nicht mehr bzw. unverheiratete Steuerpflichtige, für die das Splitting-Verfahren ausscheidet, ist zwar die Berücksichtigung der Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit, die gegenüber anderen alleinstehenden Steuerpflichtigen durch die Unterhaltung eines Hausstandes mit Kind typischerweise eintritt (BVerfG, BStBl II 1999, 182; BFH-Urteile vom 26. Mai 1971 VI R 203/68, BStBl II 1971, 627 a.E.; vom 30. Juli 1971 VI R 142/68BStBl II 1971, 764). Dieser Gesetzeszweck steht naturgemäß in Frage, wenn der Vater bei Meldekonkurrenz für den gesamten Veranlagungszeitraum den Haushaltsfreibetrag auch dann nicht erhält, wenn das Kind unstreitig bei ihm lebt und seine Mutter nur gelegentlich besucht. Darin liegt jedoch weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen das spezielle Gebot der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG) noch gegen das geschlechtsbedingte Benachteiligungsverbot (Art 3 Abs. 3 Satz 1 GG) noch gegen den Vorrang des elterlichen Kindererziehungsrechts (Art. 6 Abs. 2 GG). Denn bei § 32 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 EStG handelt es sich um eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende gesetzliche Typisierung.

Derartige Typisierungen sind, auch wenn sie nicht stets zu letzter Einzelfallgerechtigkeit führen, zur erleichterten Bewältigung des Masseverfahrens der Einkommensteuerveranlagung nicht von Vornherein grund-gesetzwidrig. Der Gesetzgeber darf sich vielmehr grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Er hat deshalb gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen und deren Abwicklung einen - freilich nicht unbegrenzten - Raum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen. Diese gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung aufbauen. Dabei verlangt der Gleichheitssatz nicht stets eine individualisierende und spezialisierende Gesetzgebung, die letztlich sogar die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs gefährden kann, sondern die Regelung eines all-gemein verständlichen und möglichst eindeutigen Steuertatbestandes (BVerfG, Urteil vom 7. Dezember 1999  2 BvR 301/98, BStBl II 2000, 162; Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/99, BStBl II 1997, 518, jeweils m.w.N). Jedoch ist Art. 3 GG jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002  2 BvR 400/98 und 1735/00, BStBl II 2003, 534; BFH-Beschluss vom 11. September 2003 VI B 101/03, DStR 2003, 1920).

d)  Sind von der jeweiligen typisierenden Regelung auch Ehe und Familie berührt, muss die Regelung zusätzlich Art. 6 GG gerecht werden, wobei diese Vorschrift auch scheidungsbedingte Halbfamilien schützt (BVerfG-Beschluss vom 27. August 1999 1 BvL 18/90, juris), nicht aber derartige Halbfamilien gegeneinander.

e)  Ist die Typisierung zur Herstellung der Einzelfallgerechtigkeit korrigierbar, begegnet sie um so weniger verfassungsrechtlichen Bedenken.

2.  Anwendung dieser Grundsätze auf den Entscheidungsfall

Daran gemessen ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber das ihm eingeräumte Regelungsermessen für Sachverhalte von der Art des Streitfalles überschritten hat. Er war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, Fälle dieser Art von der gesetzlichen Typisierung auszunehmen.

a)  Vorliegend konnte der Haushaltsfreibetrag grundsätzlich sowohl dem Kläger, der das Kindergeld für den gemeinsamen Sohn erhielt, als auch der Beigeladenen gewährt werden, weil ihr ein Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG zustand. Infolge der zu Beginn des Veranlagungszeitraumes 1997 bestehenden Meldekonkurrenz zwischen beiden Elternteilen musste der Haushaltsfreibetrag von Gesetzes wegen der Beigeladenen zugesprochen werden. Damit hat der Gesetzgeber zu Gunsten einer geschiedenen Ehefrau hingenommen, dass sich für den geschiedenen Ehemann Nachteile ergeben können, wenn er das gemeinsame Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Auch wenn dem Kläger zuzugeben ist, dass nach den Medien diese Form der Erziehung und Betreuung von Kindern aus geschiedenen Ehen im Zunehmen begriffen ist, ist sie aber selbst heute noch nicht die Regel. Demgemäß konnte der Gesetzgeber jedenfalls für das Streitjahr 1997 weiterhin ohne Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 oder Abs. 2 und 3 - jeweils Satz 1 - GG typisierend von dem Normalfall ausgehen, dass Kinder, die nach einer Ehescheidung bei der Mutter polizeilich gemeldet sind, sich dort auch regelmäßig dauernd aufhalten.

b)  Dem steht weder entgegen, dass es sich bei der Wohnung der Beigeladenen lediglich um einen gemeldeten Nebenwohnsitz des Sohnes handelte, noch dass das Kindergeld dem Kläger ausgezahlt wurde. Denn die vom Kläger als allein sachgerecht erstrebte Anknüpfung an den gemeldeten Erstwohnsitz eines Scheidungskindes muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass es dort auch vornehmlich wohnt. Das veranschaulicht die frühere Regelung des § 32 Abs. 7 Satz 4 Halbsatz 2 EStG 1989, wenn dort hinsichtlich des Haushaltsfreibetrages für eine Zuordnungsentscheidung zu Gunsten des Vaters von diesem gegenüber der zuständigen Verwaltungsbehörde der Nachweis der Zugehörigkeit des Kindes zu seinem Haushalt gefordert wurde. Es ist ohne Weiteres ersichtlich, dass diese Nachweisanforderung eine erhebliche Erschwernis für das Veranlagungsverfahren bedeutete, von welcher der Gesetzgeber deshalb zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens typisierend Abstand nehmen konnte.

Für die Zugehörigkeit eines Kindes geschiedener Eltern zum väterlichen Haushalt spricht allerdings dann eine gewisse Vermutung, wenn der Vater das Kindergeld erhält. Denn dieses wird bei mehreren Berechtigten gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG nach dem sog. Obhutsprinzip demjenigen ausgezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Allein der Empfang des Kindergeldes bedeutet aber bei Mehrfachmeldung eines Scheidungskindes bei beiden Scheidungseltern keinesfalls zwingend, dass der mit der Gewährung des Haushaltsfreibetrages verfolgte Zweck der Abgeltung einer kindbedingten Mehrbelastung nur bei dem elterlichen Wohnungsgeber am Hauptwohnsitz des Kindes erreicht werden kann bzw. erreicht wird. Das macht nicht zuletzt auch der Streitfall deutlich. Denn die Mehrbelastung umfasst nicht nur die Zurverfügungstellung von Wohnraum, sondern auch weitere Aufwendungen für Essen, Trinken und Kleidung sowie für eine dem jeweiligen Kindesalter angemessene übliche Freizeitgestaltung. Wenn daher, wie imEntscheidungsfall, den geschiedenen Eltern das Sorgerecht für ihr Kind nicht nur gemeinsam zusteht, sondern auch tatsächlich gemeinsam ausgeübt wird, indem sich das Kind zwar grundsätzlich beim Vater, jedoch auch zeitweise bei der Mutter befindet, so können und werden kindbedingte Mehrbelastungen bei beiden Elternteilen auftreten, ohne dass diese Belastungen stets vornehmlich am Hauptwohnsitz des Scheidungskindes auftreten müssen, etwa wenn sich die Mutter bei den Besuchen des Kindes beispielsweise um seine Einkleidung kümmert und/oder den Vater um Aufwendungen für die Freizeitgestaltung des Kindes entlastet. All dies lässt es als letztlich noch sachlich vertretbar und damit nicht als Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz oder den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau oder der Geschlechtergleichheit erscheinen, wenn es der Gesetzgeber auch für denkbare Sachverhaltsgestaltungen von der Art des Streitfalles bei einer Doppelmeldung des gemeinsamen Kindes bei beiden geschiedenen Eltern bei der grundsätzlichen Zuordnung des Haushaltsfreibetrages zur Mutter belassen hat, weil die Mutter nach Ehescheidungen in aller Regel die Hauptlast für die Erziehung und die Betreuung des Scheidungskindes trägt und in Fällen der Doppelmeldung diese Verantwortung jedenfalls weiter mit übernimmt.

c)  Ebenso wenig wird durch diese Regelung des § 32 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 EStG Art. 6 Abs. 1 oder Abs. 2 GG verletzt. Denn auch wenn der Schutz dieser Bestimmung des GG nach der Rechtsprechung des BVerfG auch zu Gunsten der scheidungsbedingten Halbfamilie wirkt, so ist Adressat der Verpflichtung zum Schutz der Halbfamilie und zur Förderung des Kindeswohls der Staat und nicht das einzelne Mitglied der früheren Gesamtfamilie. Staat und Steuergesetzgeber haben deshalb einvernehmliche Regelungen der geschiedenen Eltern betreffend die  Pflege und die Erziehung der Scheidungskinder, die deren Wohl dienen, zu respektieren. Sie haben es deshalb zu ermöglichen, dass die Eltern in den materiellen Ausgleich kindveranlasster Scheidungsfolgen auch kindbedingte Steuervorteile mit einbeziehen können, sofern sich solche Vereinbarungen nicht zum Nachteil der Scheidungskinder auswirken.

d)  Diese Möglichkeit ist dem Kläger und der Beigeladenen im Fall der Zuordnungsregelung des § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG durch die dort der Beigeladenen anheim gestellte Zustimmung zur Übertragung des Haushaltsfreibetrages auf den Kläger in ausreichender Weise eröffnet worden. Denn eine solche Zustimmung wird bei Einvernehmen der geschiedenen Ehegatten regelmäßig keine Schwierigkeiten bereiten. Das gilt um so mehr, als durch den Haushaltsfreibetrag in der Sache kindbedingte Unterhaltsleistungen abgegolten werden sollen, über deren Umfang und Notwendigkeit eines internen elterlichen Ausgleichs unter Einbeziehung der Gewährung des Haushaltsfreibetrages an welchen Elternteil die geschiedenen Eheleute naturgemäß besser Bescheid wissen als die Steuerverwaltung.

e)  Wenn sich daher vorliegend die Beigeladene trotz der einvernehmlichen Ehescheidung (Bl. 8 f. Rb) und der unstreitigen gemeinsamen  Sorge für den gemeinsamen ehelichen Sohn nicht zur Zustimmung der Übertragung des Haushaltsfreibetrages auf den Kläger entschließen konnte, bedeutet dies letztlich eine Meinungsverschiedenheit der geschiedenen Eltern über die materiellen kindesunterhaltbedingten Scheidungsfolgen. Diese unterhaltsbezogene Meinungsverschiedenheit ist damit ersichtlich privatrechtlicher Natur und unterfällt deshalb, wie die Scheidung selbst, nicht der Entscheidung der Steuergerichte, sondern - ebenso wie die gleichfalls unterhaltsrechtlich veranlasste Zustimmung zum sog. Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG - der Zivilgerichtsbarkeit (vgl. Blümich/Kanzler, § 32 EStG Rz. 224; Herrmann/Heuer/Raupach, ESt/KSt, § 32 EStG, Anm. 224 unter Hinweis auf Anm. 27q § 10 EStG; Jachmann in Kirchhof/Söhn, EStG, § 32, Rdnr. E 22). Denn indem das Zustimmungserfordernis des § 32 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 EStG trotz seiner steuerlichen Auswirkung, gleichermaßen wie bei der Zustimmung zum Realsplitting, in den unterhaltsrechtlichen Leistungsverpflichtungen der geschiedenen Ehegatten begründet liegt, weil es letztlich um die Bemessung und Verwirklichung der geschuldeten kindbezogenen Unterhaltsleistung geht, erfordert folgerichtig auch eine eventuelle rechtsmissbräuchliche Zustimmungsverweigerung eine Gesamtwürdigung dieser Leistungsbeziehung nach rein unterhaltsrechtlichen und damit zivilrechtlichen Kriterien (BFH-Urteil vom 25. Juli 1990 X R 137/88, BStBl II 1990, 1022 zu § 10 Abs.1 Nr.1 Satz 1 EStG; ebenso BFH-Urteil vom 11. Februar 2003 VIII R 102/01, BFH/NV 2003, 1154 <a.E.> für den ebenfalls vergleichbaren Fall von Kindergeldvereinbarungen der Kindergeldberechtigten).

Dass ein solcher Streit im Einzelfall nachteilige Folgen für das Wohl eines Scheidungskindes haben kann, wäre nicht anders, wenn er vor den Steuergerichten ausgetragen werden müsste. Ein derartiger Streit ließe sich daher nur vermeiden, wenn sich hinsichtlich der Zuordnung des Haushaltsfreibetrages an welchen geschiedenen Elternteil eine abschließende gesetzliche Regelung finden ließe, die zweifelsfrei zu völliger Einzelfallgerechtigkeit führen würde. Das dies nicht möglich ist, hat das BVerwG im o.a. Urteil NJW 1991, 857 bereits überzeugend dargelegt.

III.  Nebenentscheidungen

Die Kosten des nach allem erfolglosen Klageverfahrens waren gemäß § 135 Abs. 1 FGO dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen.

Mangels eigener Antragstellung konnte die Beigeladene nicht an den Verfahrenskosten beteiligt werden (§ 135 Abs. 3 FGO). Ihr im Billigkeitswege Kosten zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO), schied mangels erkennbarer Billigkeitsgründe aus.

Für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO bestand keine Veranlassung.

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