FG des Saarlandes, Urteil vom 04.03.2005 - 1 K 357/00
Fundstelle
openJur 2010, 1069
  • Rkr:

1. Im Falle der Anschaffung einer Wohnung beginnt der Förderzeitraum auch dann im Anschaffungsjahr, wenn dem Steuerpflichtigen der Einzug nach der Anschaffung zunächst nicht möglich war (z.B. wegen Umbauarbeiten), mit der Folge, dass dementsprechende Teile des Förderzeitraums verloren gehen.

2. Stellt der Anspruchsberechtigte die Wohnung selbst her, so beginnt der Förderzeitraum im Jahr der Fertigstellung. Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung in einem Gebäude können nur dann als Herstellung beurteilt werden, wenn diese Wohnung bautechnisch neu ist. "Bautechnisch neu" bedeutet, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen.

Tatbestand

Der ledige Kläger erzielt als Bergmann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der anhängige Rechtsstreit geht um die Frage, ob sich der Förderzeitraum der Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 EStG auch auf die Streitjahre (1998, 1999) erstreckt.

Der Kläger erwarb durch notariellen Vertrag vom 11. Mai 1990 ein Einfamilienhaus in S für 70.000 DM. Der Kaufpreis wurde am 25. Juli 1990 überwiesen (BI. 16 ESt I). Wegen Renovierungsarbeiten nutzte der Kläger das Haus erst seit 1993 zu eigenen Wohnzwecken (BI. 14 ESt I). In seinen Anlagen FW machte er folgende Aufwendungen nach § 10e Abs. 6 EStG (Vorkosten) geltend:

                                                  1990        1991         1992         1993

Schuldzinsen                            1.499       9.443        10.076      8.070

Erhaltungsaufwendungen        7.967       3.341        2.452         -

Der Beklagte hat bei der Durchführung der Veranlagungen 1990 bis 1992 jeweils die Schuldzinsen als "Aufwendungen für die eigengenutzte Wohnung" bei den Sonderausgaben berücksichtigt. Im Einkommensteuerbescheid 1993 vom 16. März 1995 berücksichtigte er - wie beantragt - bei den Sonderausgaben neben den vorgenannten Aufwendungen i.H.v. 8.070 DM auch erstmals die "Steuerbegünstigung für die eigengenutzte Wohnung" nach § 10e Abs. 1 EStG über 3.868 DM. In der Anlage zu diesem Bescheid erläuterte der Beklagte die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und führte unter Nr. 4 Folgendes aus:

"Der Begünstigungszeitraum beginnt 1990 zu laufen (1990 bis 1997). Der Grundförderbetrag kann erst ab der Selbstnutzung (1993) gewährt werden und endet mit dem Jahr 1997."

Die Aufwendungen (außer den Zinsen) des Klägers beliefen sich von 1990 bis 1993 auf 23.700 DM (BI. 62 EStA I) und von 1994 bis 1997 auf insgesamt 28.403 DM (BI. 1 EStA II). Im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 9. Juni 1998 berücksichtigte der Beklagte die "Steuerbegünstigung für die eigengenutzte Wohnung" letztmals, und zwar mit 5.531 DM.

In seinen Einkommenssteuererklärungen 1998 und 1999 machte der Kläger weiterhin die Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 EStG geltend, und zwar i.H.v. 7.818 DM bzw. 6.526 DM. Der Beklagte ließ die Begünstigung nicht zum Sonderausgabenabzug zu und erließ am 21. August 2000 dementsprechende Einkommensteuerbescheide. Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 23. August 2000 Einspruch ein, den der Beklagte mit Entscheidung vom 22. November 2000 als unbegründet zurückwies, weil der Begünstigungszeitraum abgelaufen sei.

Am 23. Dezember 2000 erhob der Kläger Klage. Er beantragt sinngemäß (BI. 1),

unter Änderung der Bescheide vom 21. August 2000, beide in Form der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2000, die Einkommenssteuer 1998 und 1999 unter Berücksichtigung weiterer Sonderausgaben nach § 10e Abs. 1 EStG i.H.v. 7.818 DM und 6.526 DM festzusetzen.

Der Abzugszeitraum nach § 10e Abs. 1 EStG sei in den Streitjahren noch nicht beendet, da der Kläger die Wohnung bis 1993 aufgrund ihres baulichen Zustandes nicht habe nutzen können (Bl. 2). Er habe quasi eine Ruine erworben, die er nach und nach zur Wohnung ausgebaut habe (BI. 8 RbhA). Nicht einmal die Elektrizität sei in einem funktionierenden Zustand gewesen (Bl. 2).

Der Beklagte beantragt (Bl. 12),

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Da der Anschaffungszeitpunkt im Jahre 1990 liege, beginne auch der Abzugszeitraum 1990 (Bl. 15). Ferner spreche die Höhe der angefallenen Bauaufwendungen von 23.700 DM gegen die Sachverhaltsdarstellung des Klägers. Der Wert der Altbausubstanz übersteige erheblich die Bauinvestitionen (Bl. 15).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Steuervergünstigung des § 10 e Abs. 1 EStG steht dem Kläger für die Streitjahre nicht mehr zu. Der Förderungszeitraum hat 1990 begonnen und ist 1997 ausgelaufen.

1. Nach § 10e Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG in der fürdie Streitjahre geltenden Fassung kann der Steuerpflichtige den Abzugsbetrag im Jahr der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung und in den sieben folgenden Jahren geltend machen. Voraussetzung hierfür ist nach § 10e Abs.1 Satz 2 EStG, dass der Steuerpflichtige die Wohnung in dem jeweiligen Jahr des Abzugszeitraums zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.

a. Der Förderzeitraum beginnt im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und endet nach insgesamt acht Jahren. Die Förderberechtigung besteht nur, wenn der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Nutzt der Berechtigte eine von ihm angeschaffte Wohnung nicht, so verändert sich der Förderzeitraum dadurch nicht und es gehen ihm dementsprechende Teile des Förderzeitraums verloren. Unerheblich ist, weshalb der Einzug nach der Anschaffung nicht möglich war (z.B. wegen Umbauarbeiten). Denn auch Renovierungs- oder Umbauarbeiten vor dem beabsichtigten Einzug stellen noch keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar; diese beginnt erst mit dem Einzug in eine im wesentlichen bezugsfertige Wohnung (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH vom 13. August 1990 X B 60/90, BStBl. 11 1990, 977; vom 11. September 2001 X B 153/00, BFH/NV 2002, 25).

Stellt der Anspruchsberechtigte die Wohnung selbst her, beginnt der Förderzeitraum im Jahr der Fertigstellung. Eine Wohnung ist fertiggestellt, wenn sie bezugsfertig ist. Das ist der Fall, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und die Wohnung bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Der Begünstigungstatbestand der Anschaffung kommt dagegen in Betracht, wenn der Anspruchsberechtigte entgeltlich eine von einem anderen hergestellte Wohnung erwirbt. In diesem Fall beginnt der Förderzeitraum mit dem Jahr, in dem der Anspruchsberechtigte wirtschaftlich über die Wohnung verfügen kann. Schafft der Anspruchsberechtigte eine noch nicht fertig gestellte Wohnung im Zustand des Rohbaus an und führt die noch ausstehenden wesentlichen Bauarbeiten selbst durch, so ist für den Beginn des Förderzeitraums der Zeitpunkt der Fertigstellung der Wohnung maßgebend. Der "starre" und nicht verlängerbare Förderzeitraum, der an eindeutige Voraussetzungen anknüpft (nämlich an das Jahr der Herstellung oder der Anschaffung), dient auch der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität (zur Eigenheimzulage: BFH vom 29. Januar 2003 In R 53/00, BStBl n 2003, 565).

b. "Herstellen" einer Wohnung im Sinne von§ 10e EStG bedeutet das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung. Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung in einem Gebäude können nur dann als Herstellung einer Wohnung im Sinne des § 10e EStG beurteilt werden, wenn diese Wohnung bautechnisch neu ist. "Bautechnisch neu" bedeutet, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen (BFH vom 26. Juni 2003 In R 41/02, BFH/NV 2004, 11). Dies ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, wie z.B. Geschossdecken, die Dachkonstruktion, Fundamente oder tragende Außen- und Innenwände. Wird hingegen nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, so reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude nicht aus. Auch genügt es nicht, dass die Aufwendungen für die Instandsetzung, die Renovierung und ggf. die Modernisierung des Gebäudes in ihrer Gesamtheit über die zeitgemäße substanzerhaltende Bestandteilserneuerung hinaus den Gebrauchswert des Hauses insgesamt erhöhen (BFH vom 15. Mai 2002 X R 36/99,BFH/NV 2002, 1158; vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFH/NV 2003, 972). Eine einmal fertig gestellte Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Wohnung nicht dadurch, dass sie sanierungsbedürftig und daher unbewohnbar ist (BFH-Urteil vom 26. Juni 2003 III R 41/02, BFH/NV 2004, 11).

2. Der Kläger hat im Streitfall keine neue Wohnung hergestellt, sondern eine bereits bestehende Wohnung angeschafft und diese dann (wohl erheblich) saniert und modernisiert. Im Streitfall begann der Begünstigungszeitraum damit im Jahre 1990 und endete im Jahre 1997. Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr sind auf den Kläger am Tage der Kaufpreiszahlung - dem 25. Juli 1990 - übergegangen.

Die vom Kläger dargelegten Sanierungsmaßnahmen (Erneuerung der Stromleitungen u.ä.) sind offensichtlich keine Maßnahmen, die dem Gebäude das bautechnische Gepräge geben. Vielmehr handelt es sich bei diesen Bauaufwendungen und Eigenleistungen um typische Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Der Beklagte hat diese und andere Aufwendungen nur unter dem Aspekt ihrer Anschaffungsnähe als Herstellungskosten behandelt ("anschaffungsnaher Herstellungsaufwand") .

Der Kläger hat bisher nicht die Existenz schwerwiegender Substanzschäden an dem Gebäude und an den die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen (z.B. an den Geschossdecken, der Dachkonstruktion, den Fundamenten oder den tragenden Außen- und Innenwänden) im Sinne eines Vollverschleißes behauptet und glaubhaft gemacht. Dagegen, dass derartige Schäden in der Tat vorgelegen haben spricht zum einen der Umstand, dass das streitige Anwesen bei seinem Erwerb mit einem Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht für Frau M.K. belastet gewesen und demzufolge offenbar noch zeitnah zum Verkauf für Wohnzwecken nutzbar gewesen ist (Bl. 18 EStA I). Zum anderen spricht die relativ geringe Höhe und die Art der zwischen 1990 und 1993 geltend gemachten Aufwendungen gegen die Annahme, dass es sich im Streitfall um die Neuherstellung einer Wohnung im Sinne eines Neubaues gehandelt hat. Setzt man die Aufwendungen in Höhe von 23.700 DM ins Verhältnis zu dem gezahlten Kaufpreis von 70.000 DM, so ist - auch unter Berücksichtigung erheblicher Eigenleistungen des Klägers - erkennbar, dass die ursprüngliche Bausubstanz nicht grundlegend verändert worden sein kann. Dementsprechend hat der Kläger in seinem "Nachweis über die Anschaffungs-/Herstellungskosten" nur Rechnungen über Baumaterial - zumeist aus Baumärkten - vorgelegt (Bl. 62 EStA I). Er hat aber keine Handwerkerrechnungen über Baumaßnahmen präsentiert, die die o.g. Voraussetzungen zur Herstellung der Wohnung erkennen lassen. Schließlich ist auch kaum vorstellbar, dass eine Bank eine - so der Kläger - "Ruine" in dem Umfang beliehen hätte, wie es vorliegend geschehen ist.

3. Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger gemäß § 135 Abs. 1 FGO auferlegt.

Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.

Der Senat hielt den Erlass eines kostengünstigeren Gerichtsbescheides für angemessen (§ 90a FGO).

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