OVG des Saarlandes, Beschluss vom 06.03.2002 - 9 Q 7/01
Fundstelle
openJur 2010, 1051
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. November 2000 -3 K 257/97- wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Für die Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung ist auch nach Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozeß vom 20.12.2001 (i.d.F. von Art. 1 Nr. 28 RmbereinVpG, BGBl. I. S. 3987) und der Änderung des Berufungszulassungsrechts gemäß der Übergangsregelung in § 194 II VwGO das bis zum 31.12.2001 geltendeRecht maßgebend.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung nach §§ 124 a, 124 VwGO a. F. gegen das im Tenor bezeichnete Urteil bleibt ohne Erfolg. Die von dem Kläger zur Begründung des Berufungszulassungsantrages geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 II Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.

Der Kläger beruft sich gegenüber der durch das erstinstanzliche Urteil bestätigten Ablehnung der Wiedererteilung der ihm wegen einer am 14.7.1994 begangenen fahrlässigen Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr (Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille) entzogenen Fahrerlaubnis darauf, daß nach objektiver Betrachtung Zweifel an der Ermittlung, der Vollständigkeit sowie der Bewertung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bestünden, weil das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung ausschließlich auf die Feststellungen des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens abgestellt habe. Nach seiner Auffassung seien aber die wesentlichen Aussagen des Gutachtens gerade zur Rückfallwahrscheinlichkeit des Klägers angreifbar. Ausgehend von der Trunkenheitsfahrt im Juli 1994 gehe das Gutachten davon aus, daß bei dem Kläger in jedem Falle ein problematischer Alkoholkonsum in der Vergangenheit vorgelegen habe, woraus eine überdurchschnittliche Rückfallwahrscheinlichkeit hergeleitet werde.

Nach seiner Auffassung ist bereits die Annahme, bei ihm bestünde eine hohe Alkoholtoleranz, weil er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt habe, nicht ohne weiteres zulässig. Die im Zusammenhang mit der Erstellung des Gutachtens durchgeführten internistischen Untersuchungen des Klägers hätten ein dahingehendes Ergebnis nicht erbracht. Die dort festgestellten internistischen und neurologischen Befunde sprächen weder in der Summe noch im einzelnen für einen über Jahre hinweg bestehenden Alkoholabusus mit der im Gutachten angenommenen Alkoholgewöhnung. Die dahingehende Annahme hätte es im übrigen erfordert, abzuklären, inwieweit der bei dem Kläger auch 1994 bereits bestehende Diabetes mellitus sich auf die Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt ausgewirkt habe. Dies lasse das Gutachten vermissen. Es beschränke sich allein auf die Aussage, aufgrund der erreichten Blutalkoholkonzentration müsse von einer hohen Alkoholtoleranz ausgegangen werden. Auch die psychologische Exploration des Klägers, wie sie im Gutachten dargestellt sei, lege nicht zwingend den Schluß nahe, daß er im gutachterlich angenommenen Maße rückfallgefährdet sei. Die Angaben des Klägers zu seiner Alkoholkonsumgewohnheit bezögen sich auf das Tatgeschehen aus dem Jahre 1994 und lägen mithin sechs Jahre zurück. Die entsprechenden Angaben des Klägers stünden daher unter dem Vorbehalt, daß er die Angaben anläßlich der psychologischen Exploration durch den Sachverständigen richtig erinnert habe. Das Gutachten unterstelle dem Kläger insoweit eine Beschönigungstendenz, ohne dies näher zu begründen. Demgegenüber werde den Aussagen des Klägers zu der Frage, wie er in Zukunft Trunkenheitsfahrten verhindern wolle, und zu den von ihm angegebenen Vermeidungsstrategien kein Glaube geschenkt bzw. keine Wirkung zugesprochen, obgleich der Kläger nach seinen persönlichen Lebensverhältnissen und seiner mit Sicherheit als überdurchschnittlich zu bezeichnenden intellektuellen Leistungsfähigkeit in der Lage und auch gezwungen sei, "die "Problemkreise" Alkoholkonsum und Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr strikt voneinander getrennt zu erkennen und seine Handlungsweise an dieser Erkenntnis auch auszurichten". Konkret heiße das, daß es sich der Kläger aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes und seiner familiären Verhältnisse zukünftig nicht mehr leisten könne, Alkohol in größerem Maße zu konsumieren. Diese Einsicht sei bei dem Kläger vorhanden; nach dieser Einsicht sei er auch in der Lage zu handeln. Eine weitere Aufklärung dazu lasse das erstinstanzliche Urteil vermissen.

Diese Darlegungen vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zu begründen.

Der von dem Kläger gestellte Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis setzt seine Eignung im Sinne von § 11 FEV und die Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik, wie sie beim Kläger im Hinblick auf die von ihm begangene Verkehrsstraftat festzustellen ist, gemäß § 13 FEV voraus. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß die bestehenden Eignungszweifel durch das von ihm eingeholte Gutachten nicht ausgeräumt worden sind, sondern fortbestehen. Dabei durfte das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf die überzeugenden Darlegungen im eingeholten Gutachten stützen, ohne daß es erforderlich war, weitereSachaufklärung zu betreiben. Nach § 13 Nr. 2 c) FEV ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille geführt wurde. Diese Voraussetzung lag bei dem Kläger eindeutig vor. Nach der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FEV, deren Ziffer 8. sich mit dem Krankheitsbild bzw. dem Eignungsmangel "Alkohol" befaßt, ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu verneinen, wenn Mißbrauch von Alkohol vorliegt, d.h. wenn ein Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann. Die erforderliche Eignung (oder bedingte Eignung) liegt nach Beendigung des Mißbrauchs vor, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Bei bestehender Abhängigkeit von Alkohol ist die Eignung ebenfalls zu verneinen und kann dann nach einer Entwöhnungsbehandlung wieder bestehen, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist. Insoweit ist Ziffer 8. der Anlage 4 ersichtlich zu entnehmen, daß wegen der Abstinenz nach Alkoholsuchtentwöhnung die Frage einer Trennungsproblematik sich von vornherein nicht stellt.

Davon ausgehend vermag der Kläger mit den von ihm geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht durchzudringen. Das von dem Verwaltungsgericht eingeholte Gutachten ist von einem dazu geeigneten Sachverständigen auf wissenschaftlicher Grundlage nach genügender Abklärung der Verhältnisse des Klägers erstellt und zur Beurteilung der Frage der Eignung des Klägers auch geeignet. Zwar erheben sich durchaus Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Gutachters, daß bei dem Kläger eine Abhängigkeit im Sinne von Ziffer 8.3 der Anlage 4 zur FEV bestand bzw. noch besteht, wie dies von dem Gutachter offensichtlich bei einer Alkoholkonzentration von 1,6 Promille ausschließlich unter Hinweis auf einen von dem Gutachter selbst verfaßten Aufsatz aus dem Jahre 1995 regelmäßig angenommen wird (vgl. S. 35 des Gutachtens). Dem steht entgegen, daß dem der Entziehung der Fahrerlaubnis zugrundeliegenden Vorfall und dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachten des TÜV Saarland jedenfalls zu entnehmen ist, daß die fehlende Eignung des Klägers, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hat, auf einem Alkoholmißbrauch beruht hat.Die von ihm geltend gemachte Eignung nach Beendigung des Mißbrauchs erfordert daher den sicheren Hinweis auf eine Änderung des Trinkverhaltens verbunden mit der Feststellung, daß er nunmehr in der Lage ist, das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum hinreichend sicher zu trennen. Geht man allein vom Vorliegen eines Alkoholmißbrauchs aus, so stellt sich die Forderung des Gutachters auf die Einhaltung vollkommene Abstinenz sicherlich als zu weitgehend dar. Sie widerspricht auch der Anlage 4 zu Ziffer 8.2, wonach nicht strikte Abstinenz, sondern eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens als genügende Beweisanzeichen für die Beendigung des Mißbrauchs und fehlende Rückfallgefahr gelten. Ungeachtet dessen geht aus den Feststellungen des Gutachtens aber auch nachvollziehbar hervor, daß genügende Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Kläger sich der Trennungsproblematik nicht genügend bewußt ist und eben nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß er den von ihm als weiterhin bestehend eingeräumten Alkoholkonsum vom Führen von Kraftfahrzeugen trennen kann. Die Feststellungen im erstinstanzlich eingeholten Gutachten (S. 37 ff), die die fehlende Einsichtsfähigkeit und die unveränderte Einstellung zum Trinkverhalten überzeugend belegen, werden entscheidend gekennzeichnet durch die im Rahmen der Exploration dem Kläger gestellte Frage, ob er nach der Trunkenheitsfahrt etwas an seinen Trinkgewohnheiten geändert habe, und dessen Antwort: "Eigentlich nicht". Im Zusammenhang mit den weiter erhobenen Umständen kommt deshalb den Beteuerungen des Klägers, er wolle in Zukunft, falls er Auto fahre, auch nichts trinken, keine entscheidende Bedeutung zu. Vielmehr ist dem Gutachter ersichtlich darin zu folgen, daß der Kläger offenbar zu einer Überschätzung seiner eigenen Willensstärke neigt und seine im Alkoholmißbrauch begründete Rückfallgefährdung unterschätzt. Die demgegenüber vom Kläger angeführten Zweifel zur Begründung des Zulassungsantrages vermögen nicht zu überzeugen. Der Hinweis darauf, daß bei der Exploration des Trinkverhaltens auf das Tatgeschehen aus dem Jahre 1994 zurückgegriffen worden sei und die Angaben des Klägers unter dem Vorbehalt stünden, daß er sich richtig erinnere, trägt nicht, da das Tatgeschehen zwar sechs Jahre, damit aber noch nicht so lange zurückliegt, daß mit Fug und Recht angenommen werden könnte, die Erinnerung könne soweit verblaßt sein, wie dies der Kläger zu suggerieren sucht. Dem steht nämlich entgegen, daß es sich bei der Trunkenheitsfahrt und den Umständen, die dazu geführt haben, sowie bei dem zeitlichen Rahmen des Tatgeschehens und damals vorhandenen Trinkverhaltens um signifikante Ereignisse handelte, die nicht ohne weiteres in Vergessenheit zu fallen geeignet sind. Besondere Umstände, die insoweit eine andere Beurteilung rechtfertigten, hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Gutachter hat diesbezüglich zu Recht auf eine Beschönigungstendenz und Vermeidungsstrategien des Klägers hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf seine persönlichen Lebensverhältnisse und seine der eigenen Einschätzung nach als überdurchschnittlich zu bezeichnende intellektuelle Leistungsfähigkeit hinweist, führt dies nicht weiter. Aus der "intellektuellen Leistungsfähigkeit" läßt sich nämlich nicht ohne weiteres auf die tatsächlich vorhandene Einsicht in eigene Fehlleistungen schließen, die aus der Persönlichkeitsstruktur herrühren. Auch die vom Intellekt geförderte Einsicht in vorhandene Fehlleistungen belegt noch nicht, daß nach der gewonnenen Erkenntnis auch gehandelt wird. Ebensowenig bieten, wie der Kläger meint, sein gesundheitlicher Zustand und seine familiären Verhältnisse Gewähr dafür, daß er künftig in der Lage sein wird, Fahren und Trinken auseinanderzuhalten. Entscheidend ist nämlich, daß im Falle des Klägers jedenfalls keine genügend objektivierbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß er seine Trinkgewohnheiten geändert und die feste Einsicht gewonnen hat, daß Trinken von Alkohol und das Fahren von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr strikt zu trennen sind.

Nach allem ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 25 II, 13 I GKG. Da die Kosten des Verfahrens gemäß § 73 I GKG nach dem bisherigen, also bis zum 31.12.2001 geltenden Recht und damit auf der Grundlage von DM-Beträgen erhoben werden, erfolgt die Festsetzung des Streitwertes, der Berechnungsgrundlage für die Kosten, ebenso in Deutscher Mark.

Dieser Beschluß ist nicht anfechtbar.

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