LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 30.06.2010 - 4 O 109/10
Fundstelle
openJur 2012, 136245
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 7808,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadenersatz.

Der Klage liegt ein Verkehrsunfall vom 24.04.2009 gegen 15.15 Uhr in Coswig, A 9 Autobahnkilometer 61 zugrunde. An dem Unfall war das Fahrzeug des Beklagten zu 2., amtliches Kennzeichen ... beteiligt. Dieses Fahrzeug ist bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversichert. Der Kläger ist Halter und Eigentümer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ... , welches bei diesem Unfall beschädigt wurde.

Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Der Kläger macht folgende Schadenspositionen geltend:

Gutachterkosten brutto

650,28 EUR

Unkostenpauschale

30,00 EUR

Kosten für Achsvermessung

10,00 EUR

Kaufpreis Ersatzfahrzeug (Neupreis) gemäß Sachverständigengutachten ... vom 05.05.2009

13.608,00 EUR

14.238,28 EUR.

Von diesen Schadenspositionen beglich die Beklagte zu 1. die Unkostenpauschale sowie die Gutachterkosten in voller Höhe. Hinsichtlich des Kaufpreises regulierte die Beklagte lediglich einen Betrag in Höhe von 5800,00 Euro auf der Basis des Wiederbeschaffungsaufwandes, so dass insoweit der noch offene Betrag in Höhe von 7808,00 Euro von dem Kläger begehrt wird.

Das klägerische Fahrzeug wurde am 18.03.2009 zugelassen und war am Schadenstag einen Monat und 6 Tage alt.

Der Kläger trägt vor, zum Unfallzeitpunkt habe die Fahrleistung unter 3000 km gelegen. Das Fahrzeug habe beim Sachverständigen ausweislich des Gutachtens ... eine Laufleistung von 3145 km gehabt. Hierbei müsse noch berücksichtigt und in Abzug gebracht werden, dass das Fahrzeug vom Unfallort nach ... und von dort nach ... zum Sachverständigen gefahren worden sei; die Fahrstrecke betrage ca. 420 km, so dass die Fahrleistung zum Unfallzeitpunkt unter 3000 km gelegen habe. Im Übrigen gehe aus den zur Akte gereichten Fotografien des klägerisch verunfallten Fahrzeugs hervor, dass der Kilometerstand am 25.04.2009 3094 km betragen habe.

Der Kläger meint, eine Abrechnung auf Neuwagenbasis vornehmen zu können. Diese sei nach der Rechtsprechung möglich, wenn bei objektiver Beurteilung der frühere Zustand nicht durch eine Reparatur gleichwertig wieder hergestellt werden könne. Das sei hier der Fall. Der Kläger behauptet insoweit, es seien sicherheitsrelevante Teile beschädigt worden. Darüber hinaus hätte eine Reparatur erhebliche Schönheitsfehler durch erforderliche Schweißarbeiten zur Folge. Ebenso werde es zum Verlust von Garantieansprüchen kommen. Im Einzelnen werde auf das eingeholte vorprozessuale Gutachten verwiesen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Kosten der Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Altfahrzeugs zu tragen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 295,47 Euro sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.06.2009 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, die von der Klägerseite vorgenommene Abrechnung auf Neuwagenbasis scheide bereits deshalb aus, weil die Klägerseite tatsächlich kein gleichwertiges Ersatzfahrzeug angeschafft habe. Außerdem handele es sich hier nicht um ein neuwertiges Fahrzeug. Die Beklagten bestreiten, dass das Fahrzeug nach dem Unfallereignis zur Begutachtung gefahren worden sei. Besondere Umstände, die dennoch eine Abrechnung auf Neuwagenbasis rechtfertigen würden, lägen nicht vor. Die Beklagten behaupten, dass durch die Reparatur annähernd der frühere Zustand des Fahrzeugs wieder hergestellt werden könne. Sie bestreiten, dass am klägerischen Fahrzeug sicherheitsrelevante Teile beschädigt worden seien und bei einer durchgeführten Reparatur Schönheitsfehler verbleiben würden. Der Verlust von Garantieansprüchen könne nach Auffassung der Beklagten kein entscheidendes Kriterium bei dem vorliegenden Fall sein. Die Beklagten bestreiten schließlich vorsorglich, dass der von der Klägerseite genannte Kaufpreis von 13.608,00 Euro tatsächlich die Kosten ausmache, die bei einer Neuanschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs anfallen würden. Vielmehr sei ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug bereits in einer Größenordnung von 10.000,00 Euro beschaffbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger kann von den Beklagten keinen über die bisherigen Zahlungen der Beklagten hinausgehenden Schadenersatz verlangen.

Das Gericht schließt sich der Auffassung an, nach der dem Geschädigten nur dann ein Anspruch auf Ersatz der Neuanschaffungskosten zusteht, wenn er sich tatsächlich ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft hat (BGH v. 09.06.2009, Az.: VI ZR 110/08).

Gem. § 249 BGB hat der zum Schadenersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Für die Berechnung von Fahrzeugschäden stehen den Geschädigten i. S. eines Wahlrechts grundsätzlich zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung, nämlich die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs. Allerdings hat der Geschädigte auch das in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Die Zubilligung einer Neupreisentschädigung beruht im Prinzip auf einer Einschränkung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Grundlage hierfür ist das besondere Interesse des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs. Nach Auffassung des Gerichts ist die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand übersteigenden Neupreisentschädigung jedoch nur dann mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren, wenn der Geschädigte im Einzelfall tatsächlich ein derartiges Interesse hat und dieses durch den Kaufeines Neufahrzeugs nachweist.

Da der Kläger im vorliegenden Fall kein gleichwertiges Ersatzfahrzeug angeschafft hat, sind die Voraussetzungen für eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nicht gegeben. Darüber hinaus ist das verunfallte Fahrzeug auch älter als einen Monat (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., § 249 BGB Rn. 22 m. w. N.), so dass es sich um kein neuwertiges Fahrzeug handelt.

Da dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz der für die Beschaffung eines Neufahrzeugs erforderlichen Kosten zusteht, kann er auch nicht den Ersatz der weitergehenden Anwaltskosten verlangen. Die Notwendigkeit der Kosten für die Achsvermessung in Höhe von 10,00 Euro wurden klägerseits nicht dargelegt und auch vorprozessual nicht geltend gemacht. Hierüber war jedoch nicht im Wege der Klageabweisung zu befinden, da der Kläger den Antrag auf Ersatz dieser Kosten im Termin vom 09.06.2010 nicht weiter verfolgt hat und insoweit von einer teilweisen Klagerücknahme auszugehen war.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 2, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Dabei erschien es gerechtfertigt, das Interesse für die Feststellungsklage dem Interesse für eine entsprechende Leistungsklage gleichzusetzen und einen prozessualen Abschlag nicht vorzunehmen.