OLG Hamburg, Beschluss vom 05.05.2011 - 4 W 101/11
Fundstelle
openJur 2013, 1679
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin und unterZurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels wird derKostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer31, vom 08.03.2011 geändert:

Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem Beschluss desLandgerichts vom 24.01.2011 zu erstattenden Kosten werdenfestgesetzt auf EUR 2.414,20

nebst einer Verzinsung von fünf Prozentpunkten über demBasiszinssatz seit dem 28.01.2011.

Der weitergehende Antrag der Beklagten auf Kostenfestsetzungwird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nacheinem Beschwerdewert in Höhe von EUR 1.908,74.

Gründe

Die nach §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortigeBeschwerde ist nur in geringem Umfang begründet.

1. Das Landgericht hat die von der Beklagten angemeldeten Kostenfür die Anfertigung von insgesamt 308 Kopien in Höhe von insgesamtEUR 75,80 einschließlich Mehrwertsteuer als erstattungsfähigangesehen. Das Rechtsmittel der Klägerin hat insoweit überwiegendErfolg.

Die Anfertigung der 126 Kopien von den Anlagen zum Schriftsatzder Beklagten vom 21.10.2010 für die Handakte desProzessbevollmächtigten der Beklagten ist nicht erstattungsfähig.Sie fällt weder unter Nr. 7000 Ziffer 1 c) VV RVG (vgl.Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV 7000 Rn. 71) noch– entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung– unter Nr. 7000 Ziffer 1 d) VV RVG. Die Beklagte behauptetdazu, ihr Prozessbevollmächtigter habe entsprechend dem Inhalt derBestimmung der Nr. 7000 Ziffer 1 d) VV RVG mit ihr eineVereinbarung getroffen, wonach diese Kopien in ihrem Einverständnisangefertigt worden seien. Bei unterstellter Richtigkeit dieser, vonder Klägerin bestrittenen, Behauptung würde sich insoweit zwar einAnspruch des Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf Ersatzdieser Auslagen nach Nr. 7000 Ziffer 1 d) VV RVG gegen seineMandantin, die Beklagte, ergeben. Dadurch erwächst der Beklagtenjedoch kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin, da eineNotwendigkeit dieser Kosten nicht festgestellt werden kann (vgl.dazu auch Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn. 13„Ablichtungen, Abschriften, Ausdrucke“).

Die Erstattung der Kosten für die Anfertigung der beglaubigtenund einfachen Abschriften von Schriftsätzen der Beklagten für dieKlägerin nebst Anlagen richtet sich nach Nr. 7000 Ziffer 1 b) VVRVG. Die Beklagte hat insoweit 182 Kopien erstellt. Soweit hierinals Anlage B 11 eine Entscheidung des HanseatischenOberlandesgerichts mit einem Umfang von 5 Seiten beigefügt ist,fehlt es an der im Rahmen der Erstattungspflicht maßgeblichenNotwendigkeit. Da diese Entscheidung – anders als dieweiteren in den Anlagen enthaltenen Entscheidungen – in einerallgemein zugänglichen juristischen Fachzeitschrift (MDR)abgedruckt worden ist, war dessen Vorlage gegenüber dem Gericht unddamit auch gegenüber dem Gegner nicht erforderlich (vgl.Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 127). An der Notwendigkeitder Anfertigung der übrigen Anlagen für die Klägerin entsprechendihrer prozessualen Verpflichtung nach § 133 Abs. 1 ZPO bestehenkeine Zweifel.

Es verbleiben mithin 177 berücksichtigungsfähige Kopien. EinAnspruch auf Ersatz der Auslagen nach Nr. 7000 Ziffer 1 b) VV RVGbesteht allerdings nur für die Ablichtungen, die über die ersten100 hinausgehen (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV7000 Rn. 62; Zöller-Herget, a.a.O.; Göttlich/Mümmler, RVG, 3.Aufl., S. 225). Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut(„soweit“), zum anderen aus dem Umstand, dass dasGesetz die ersten 100 Ablichtungen zu den allgemeinenGeschäftskosten des Rechtsanwalts zählt und diese diesen Charakternicht dadurch verlieren, dass weitere Ablichtungen hinzukommen(Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, a.a.O.). Der Senat hält mithin an derin der Einzelrichterentscheidung des damaligen Kostensenates desHanseatischen Oberlandesgericht vom 07.08.2006, 8 W 130/06 (MDR2007, 244), vertretenen abweichenden Auffassung, wonach bei einerAnfertigung von mehr als 100 Ablichtungen alle Ablichtungeneinschließlich der ersten 100 abzurechnen seien, nicht fest.

Demzufolge kann die Beklagte 77 Kopien gegenüber der Klägerinabrechnen und mithin einen Betrag von EUR 29,05 netto entsprechendEUR 34,57 brutto erstattet verlangen.

2. Zu Recht hat das Landgericht die von der Beklagtenangemeldeten Kosten für das vorprozessual eingeholte Gutachten desSachverständigen ..., der der Beklagten einen Betrag von EUR1.528,38 brutto für seine Tätigkeit in Rechnung gestellt hat, alserstattungsfähig angesehen.

Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessualbeauftragten Privatsachverständigen kann nämlich auch dannbestehen, wenn bei Erteilung des Gutachtensauftrags ausreichendeAnhaltspunkte für einen versuchten Versicherungsbetrug gegebenwaren und das im Einzelnen nicht angegriffene Gutachten aufzeigt,dass Ersatz von Schäden begehrt wurde, die durch den Unfall nichtentstanden sein können (BGH NJW-RR 2009, 422). So verhält es sichhier. Der Sachverständige ... hat in seinem Gutachten vom30.06.2010 eine unfallanalytische Überprüfung der Kompatibilitätder Schäden der beiden beschädigten Fahrzeuge vorgenommen und dabeidie Plausibilität des geschilderten Unfallablaufs überprüft. Dabeiist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass sich deranhand der Fahrzeugschäden rekonstruierte Kollisionsverlauf inkeiner Weise mit den Schilderungen der angeblichenUnfallbeteiligten in Übereinstimmung bringen lasse. Dass dieKlägerin im Anschluss an die Klagerwiderung, die u. a. dasGutachten des Sachverständigen ... enthielt, die Klagezurückgenommen hat, spricht für sich. Dass das Gutachten imZusammenhang mit dem Rechtsstreit eingeholt worden ist, was dieKlägerin bestreitet, steht für den Senat außer Frage.

3. Erstattungsfähig sind auch die Kosten für Übersendung derOriginal-CD-Fotodatei des Vorgutachtens, für die gemäß der Rechnungvom 20.04.2010 ein Betrag von EUR 24,91 angefallen ist. Auch dieseKosten waren entgegen der Auffassung der Klägerin notwendig, da derSachverständige ... für seine Untersuchung die Originalbilddateienbenötigte und nicht auf Fotokopien des Vorgutachtens zu verweisenwar.

4. Ebenfalls zu Recht als erstattungsfähig angesehen hat dasLandgericht die Kosten in Höhe von EUR 279,65 brutto für dietelefonisch durchgeführten Nachforschungen darüber, ob die an demvermeintlichen Verkehrsunfall beteiligten Personen miteinanderbekannt sind. Die Entstehung der Kosten hat die Beklagte durch dieVorlage der Rechnung des Ermittlungsbüros ... vom 17.10.2010nachgewiesen. Auch Detektivkosten sind erstattungsfähig, wenn siesich, gemessen an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteienund der Bedeutung des Streitgegenstandes, in vernünftigen Grenzenhalten und prozessbezogen waren, was hier der Fall ist. Dabei kommtes nicht darauf an, ob die Ermittlungen den Prozessausgangbeeinflusst haben, sondern ob eine vernünftige Partei berechtigtenGrund gehabt hätte, einen Detektiv einzuschalten (Zöller-Herget,a.a.O. „Detektivkosten“ m. w. N.). Entgegen der von derKlägerin vertretenen Auffassung hatte die Beklagte durchaus Anlass,diese Nachforschungen durchführen zu lassen, weil aufgrund derErgebnisse des bereits vorliegenden Gutachtens des Sachverständigen... und der landsmannschaftlichen Verbundenheit der angeblichenUnfallgegner ein fester Verdacht auf Seiten der Beklagten bestand,dass der angezeigte Schadensfall fingiert war. Überdies haben dietelefonischen Nachforschungen nach der konkreten Darstellung derBeklagten in der Klagerwiderung, der die Klägerin nicht entgegengetreten ist, ergeben, dass die beiden Fahrer der angeblichenUnfallfahrzeuge miteinander befreundet sind.

5. Mithin ist das Rechtsmittel der Klägerin nur im Hinblick aufeinen Teil der vom Landgericht zuerkannten Dokumentenpauschaleerfolgreich, nämlich in Höhe von EUR 41,23 (EUR 75,80 abzgl. EUR34,57). Damit ergibt sich, nachdem das Landgericht im angefochtenenKostenfestsetzungsbeschluss einen Betrag von EUR 2.455,43festgesetzt hat, der tenorierte Erstattungsbetrag von EUR2.414,20.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1ZPO.