OLG Dresden, Beschluss vom 18.06.2010 - 17 W 590/10
Fundstelle
openJur 2010, 859
  • Rkr:

Hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel angebracht, obwohl der Zahlungstitel einer qualifizierten, vom Rechtspfleger zu erteilenden Klausel bedarf, ist die anschließend auf Betreiben des Gläubigers gegen den Schuldner und Grundstückseigentümer eingetragene Zwangssicherungshypothek nicht zur Entstehung gelangt und hat das Grundbuchamt, das den Vollstreckungsunterlagen die Unwirksamkeit der Klausel entnehmen konnte, auf Beschwerde des Schuldners einen Amtswiderspruch einzutragen.

(Leitsätze: die Mitglieder des 17. Zivilsenats)

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal – Grundbuchamt - vom 05.05.2010 aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, zu Gunsten des Schuldners gegen die am 15.03.2010 in Abteilung III lfd. Nr. 2 des im Beschlusseingang bezeichneten Grundbuchs eingetragene Zwangssicherungshypothek einen Amtswiderspruch einzutragen.

2. Beschwerdewert: 500,00 EUR.

Gründe

I.

Die Gläubigerin und der Schuldner, in Scheidung lebende Eheleute, sind je hälftige Miteigentümer ihres vormals gemeinsam bewohnten Hausgrundstücks. In einem vor dem Familiengericht am 15.07.2009 geschlossenen Teilvergleich vereinbarten die Eheleute unter anderem die alleinige Nutzung der Ehewohnung bei gleichzeitiger alleiniger Tragung der Kosten und Lasten durch den Ehemann (Ziffern 2 und 5 Absatz 1), ferner die Verpflichtung der Ehefrau zur (Um-)Räumung der von ihr im Schlafzimmer gelagerten Sachen und zur Überlassung sämtlicher in ihrem Besitz befindlicher Haus- und Schlafzimmerschlüssel, wobei jeweils Zeitpunkte genannt waren (Ziffer 3 Absatz 2), sowie die Pflicht des Ehemannes, "die noch vom Konto der Klägerin abgebuchte Kreditrate für das III. Quartal 2009 in Höhe von 1.054,54 EUR binnen 14 Tagen ab Erhalt der Schlüssel für das Haus und des beräumten Schlafzimmers zu erstatten" (Ziffer 5 Absatz 2). Auf entsprechenden Antrag der Gläubigerin erteilte das Familiengericht durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 17.12.2009 eine Ausfertigung "zum Zwecke der Zwangsvollstreckung bezüglich Ziffer 5 des Teilvergleiches". Unter Ausnutzung dieser vollstreckbaren Ausfertigung erwirkte die Gläubigerin am 15.03.2010 die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek am Miteigentumsanteil des Schuldners.

Den in der nachfolgenden Beschwerdeschrift gestellten Antrag des Schuldners, einen Amtswiderspruch einzutragen, hat das Grundbuchamt nach Anhörung der Gläubigerin, die die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragte, mit Beschluss vom 05.05.2010 abgelehnt. Dagegen richtet sich die mit Ausnahme der eingeschobenen beiden vorletzten Absätze praktisch wortgleich begründete Beschwerde des Schuldners, der die Grundbuchrechtspflegerin am 04.06.2010 nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß §§ 71 ff. ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg und führt zur Anweisung an das Grundbuchamt, den erstrebten Amtswiderspruch einzutragen.

1. Diese Entscheidung kann der Senat ohne vorherige (erneute) Anhörung der Gläubigerin fällen.

Es ist bereits fraglich, ob der Vollstreckungsgläubiger in einem vom Schuldner angestrengten Verfahren, in dem gegen den abgeschlossenen Grundbucheintrag ein Amtswiderspruch eingetragen werden soll, überhaupt zwingend zu beteiligen ist, zumal in umgekehrter Richtung eine Anhörung des Schuldners zum ursprünglichen Gläubigerantrag auf Eintragung der Zwangshypothek entbehrlich war (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.05.2005 – 20 W 121/05, juris). Jedenfalls aber hat die Gläubigerin im früheren Stadium des jetzigen Verfahrens auf Eintragung eines Amtswiderspruchs ausführlich Stellung genommen, ohne dass die nunmehr zu bescheidende Beschwerde des Schuldners neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte aufzeigt.

2. Das Rechtsmittel ist begründet. Der begehrte Amtswiderspruch ist gemäß §§ 71 Abs. 2 S. 2, 53 Abs. 1 S. 1 GBO einzutragen, weil das Grundbuchamt bei Eintragung der Zwangssicherungshypothek unter einem bislang von keiner Seite erkannten, vom Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz zu berücksichtigenden Gesichtspunkt gegen vollstreckungsrechtliche Vorschriften verstoßen hat und das Grundbuch dadurch unrichtig geworden ist.

a) Aus den von der Gläubigerin eingereichten Vollstreckungsunterlagen war zu ersehen, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und nicht der in Wahrheit gemäß § 20 Nr. 12 RPflG i.V.m. §§ 726 Abs. 1, 795 S. 1 ZPO zuständige Rechtspfleger die erforderliche Vollstreckungsklausel auf dem zu vollstreckenden Titel (gerichtlicher Vergleich; § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) angebracht hatte. Dieser Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit und die daraus resultierende Unwirksamkeit der Klausel (OLG Hamm Rpfleger 1989, 466 und OLG Frankfurt OLGR 2004, 119, jeweils m.w.N.) waren vom hier zugleich als Vollstreckungsorgan tätig gewordenen Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfen und zu beachten.

aa) Zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs war die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht nach § 795b ZPO befugt.

Diese Sondervorschrift weist die Kompetenz zur Klauselerteilung dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nur für solche gerichtlichen Vergleiche zu, "deren Wirksamkeit ausschließlich vom Eintritt einer sich aus der Verfahrensakte ergebende Tatsache abhängig ist". Das meint in erster Linie den widerruflich geschlossenen Prozessvergleich. Ein solcher wird erst wirksam, wenn bis zum Ablauf der bestimmten Widerrufsfrist kein Widerruf eingegangen ist. Diese anhand der Verfahrensakten regelmäßig leicht feststellbare (negative) Tatsache in eigener Kompetenz nachzuprüfen und im Anschluss die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs zu erteilen, ist nach dem nunmehr ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers, der § 795b ZPO durch Art. 10 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416) in Reaktion auf entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zuständigkeit des Rechtspflegers nach altem Recht (vgl. Zöller/Stöber ZPO 27. Aufl. § 795b Rn. 2 m.w.N.) eingefügt hat, Aufgabe des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Um einen solchen oder einen vergleichbaren Fall geht es hier nicht. Der von den Parteien am 15.07.2009 vor dem Familiengericht geschlossene Vergleich wurde vielmehr sogleich "wirksam".

bb) Die Kompetenz der Urkundsbeamtin, den Vergleich hinsichtlich der in Ziffer 5 Absatz 2 titulierten Forderung der Gläubigerin mit der (einfachen) Vollstreckungsklausel zu versehen, ergab sich auch nicht aus §§ 724, 795 S. 1 ZPO. Denn in Wahrheit lag ein Zahlungstitel vor, der der qualifizierten, gemäß § 20 Nr. 12 RPflG vom Rechtspfleger zu erteilenden Klausel bedurfte, § 726 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckung hing nach dem Inhalt des Vergleichs von dem durch die Gläubigerin zu beweisenden Eintritt einer "anderen Tatsache" im Sinne dieser Vorschrift ab, nämlich der vorherigen Beräumung des Schlafzimmers sowie der Übergabe der Haus- und Schlafzimmerschlüssel an den Schuldner. An diese echten Vorleistungen der Gläubigerin (und den anschließenden Ablauf von 14 Tagen) war die Vollstreckung des Zahlungstitels nach dem klaren Wortlaut von Ziffer 5 Absatz 2 des Teilvergleiches geknüpft. Der erkennbare Zweck dieser auch in Verbindung mit dem übrigen Vergleichsinhalt zu sehenden Regelung, nämlich dem Ehemann eine Sicherheit und zugleich ein Druckmittel an die Hand zu geben, bevor er der Ehefrau die von ihr gezahlte Kreditrate zu erstatten hatte, unterstreicht dies noch zusätzlich. Die Gläubigerin musste deshalb gemäß § 726 Abs. 1 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde beweisen, dass sie die ihr obliegenden Vorleistungen erbracht hatte. Ob sie diesen Beweis im Zuge der Erteilung der Vollstreckungsklausel geführt hat, lässt sich nach Aktenlage nicht verlässlich beurteilen. Hierauf kommt es aber auch nicht an, denn in jedem Falle oblag die Erteilung der qualifizierten Klausel dem Rechtspfleger, nicht der Urkundsbeamtin.

b) Das Fehlen einer wirksamen Vollstreckungsklausel und damit einer wesentlichen Vollstreckungsvoraussetzung hat zur Folge, dass die Zwangssicherungshypothek mit ihrer Eintragung noch nicht zur Entstehung gelangt und das Grundbuch deshalb unrichtig geworden ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.08.2002 – 20 W 270/02 Tz. 10 m.w.N., juris; vgl. ferner OLG München MDR 2010, 436 und OLG Frankfurt OLGR 1998, 237). Eine gegebenenfalls mögliche nachträgliche Heilung dieses Vollstreckungsmangels (dazu OLG Hamm NJW-RR 1998, 87) hat nicht stattgefunden, so dass das Grundbuch nach wie vor unrichtig ist.

c) Da gerade die fehlerhafte Nichtbeachtung der Unwirksamkeit der Vollstreckungsklausel zur Eintragung der Zwangssicherungshypothek geführt und die gegenwärtige Unrichtigkeit des Grundbuchs verursacht hat, ist der Beschwerde stattzugeben und die Eintragung des Amtswiderspruchs anzuordnen.

III.

Eine Kostenentscheidung unterbleibt, weil für die erfolgreiche Beschwerde keine Gerichtsgebühren anfallen (§131 Abs. 3 KostO) und eine Kostenerstattungsanordnung unter den gegebenen Umständen, so sie überhaupt in Betracht käme, nicht angebracht ist, § 81 Abs. 1 FamFG.

Der Beschwerdewert ist nach dem Interesse des Schuldners an der Eintragung des Amtswiderspruchs mit 500,00 EUR zu bemessen; das ist knapp die Hälfte des Betrages der Zwangshypothek, §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO.