VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.1996 - 8 S 1757/96
Fundstelle
openJur 2013, 10308
  • Rkr:

1. Die in § 3 SchALVO (WasSchAusglV BW) in Verbindung mit der maßgeblichen Wasserschutzgebietsverordnung geregelten Verbote schränken die Nutzbarkeit der Grundstücke situationsbedingt ein. Sie sind keine Enteignungen im Sinne des Art 14 Abs 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art 14 Abs 1 S 2 GG (Fortführung der Rechtsprechung).

2. Bei der Prüfung der Frage, ob die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets und die Anordnung von Verboten oder Beschränkungen der Aufbringung von bestimmten Stoffen (hier Gülle und Jauche) erforderlich und verhältnismäßig ist, ist von der herausragenden Bedeutung der Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem Trinkwasser auszugehen.

3. Dem Verordnungsgeber kommt sowohl bei der Einschätzung der Gefahren und der Reichweite der von ihm für erforderlich gehaltenen Vorsorge als auch hinsichtlich der allgemeinen Zumutbarkeit für die von bestimmten Verboten betroffenen Landwirte eine Prärogative zu.

4. Das Verbot, in einem Wasserschutzgebiet Gülle und Jauche aufzubringen, erfordert keinen naturwissenschaftlich sicheren Nachweis einer Beeinträchtigung des Grundwassers durch Krankheitskeime.

5. Zur Bedeutung neuerer Untersuchungen über die Gülleausbringung im Donauried.

6. Eine Befreiung gem § 4 Abs 1 Nr 2 SchALVO (WasSchAusglV BW) kommt nur in Betracht, wenn trotz der zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile gewährten Ausgleichsleistungen eine offenbar nicht beabsichtigte Härte entstehen würde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

7. § 4 Abs 1 Nr 3 SchALVO (WasSchAusglV BW) erlaubt eine Befreiung nur für eine Übergangszeit.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf einer ihm 1988 erteilten Befreiung vom Verbot, im Wasserschutzgebiet Gülle und Jauche auszubringen.

Der Kläger bewirtschaftet einen viehhaltenden landwirtschaftlichen Betrieb, der 1988 ca. 68,6 ha Nutzfläche hatte und inzwischen auf ca. 73,5 ha vergrößert wurde. Davon befinden sich 44 ha in der engeren (II) und 29 ha in der weiteren (III) Schutzzone des vom Regierungspräsidium Nordwürttemberg festgesetzten Wasserschutzgebiets Donauried für die Grundwasserfassungen des - vom Senat beigeladenen - Zweckverbands Landeswasserversorgung (Rechtsverordnung vom 31.10.1967, GBl. S. 263, geändert durch Verordnung vom 14.8.1972, GBl. S. 573). Nach Inkrafttreten der Verordnung des Ministeriums für Umwelt über Schutzbestimmungen in Wasserschutzgebieten und Quellenschutzgebieten und die Gewährung von Ausgleichsleistungen (Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung - SchALVO - vom 27.11.1987, Gbl. S. 742), durch die in der engeren Schutzzone das Aufbringen von Jauche und Gülle ganzjährig verboten wurde (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 SchALVO), erteilte das Regierungspräsidium Tübingen für besonders betroffene Betriebe, darunter den des Klägers, gem. § 4 Abs. 1 SchALVO eine "Befreiung auf Widerruf". Diese Entscheidung vom 11.3.1988 enthielt eine Reihe von Nebenbestimmungen; danach waren die von der Arbeitsgruppe "Donauried" gewonnenen Erkenntnisse in den praktischen Vollzug umzusetzen und hierzu ein Zeitplan für die Verwirklichung vorzulegen. Ferner wurde dem Kläger aufgegeben, an der produktionstechnischen Beratung durch das Landwirtschaftsamt teilzunehmen und gegebenenfalls die zur Lagerung und Ausbringung der Gülle und Jauche notwendigen Bauten und Geräte zu verbessern. Ferner wurde die Ausbringung von Gülle und Jauche mengenmäßig begrenzt (Nr. 11). Schließlich enthielt die Entscheidung den Hinweis, daß eine Befreiung künftig in der Regel nur gewährt werde, wenn der Betroffene geeignete Anpassungsmaßnahmen im Sinne der Verbote der SchALVO zusammen mit einem Zeitplan für deren Verwirklichung vorschlage.

Mit Bescheid vom 22.10.1992 widerrief das Landratsamt die Befreiung, wobei es zur Begründung ausführte, aus Vorsorge für das geschützte Grundwasser sei es notwendig, der SchALVO uneingeschränkt Geltung zu verschaffen. In S. sei ein Gemeinschaftsgüllebehälter erstellt worden, so daß es möglich sei, Überschußgülle zu lagern und über die Naturdungbörse zu verwerten. Daher sei es auch nicht mehr nötig, Gülle und Jauche in der Schutzgebietszone II auszubringen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, zu dessen Begründung er ausführte, bisher lägen keine Ergebnisse vor, die eine hygienische Belastung des Grundwassers befürchten ließen. Vorläufige Schlußfolgerungen eines Untersuchungsvorhabens der Universität H. ließen den Schluß zu, daß auch bei Gülleabgaben über dem üblichen Maß keine signifikanten Unterschiede im Keimgehalt der verschiedenen Böden auszumachen seien. Eine ordnungsgemäße sachgerechte, dem Ernährungsbedürfnis des Pflanzenbestandes angepaßte Ausbringung von unbehandeltem Flüssigmist sei aus hygienisch- mikrobiologischer Sicht in Zone II eines Wasserschutzgebiets vertretbar. In einer bodenkundlichen und hydrogeologischen Stellungnahme des Geologischen Landesamts (v. 7.12.1989) sei festgehalten, daß die bindigen Deckschichten im Donauried eine Feld- und Wasserspeicherkapazität bis 1.000 mm hätten; bei Berücksichtigung der Verdunstung ergäben sich Sickerzeiten von Jahren, woraus sich erkläre, daß auch keine hygienischen Belastungen eingetreten seien. Im übrigen lasse das Landratsamt völlig unberücksichtigt, daß die drei Güllehochbehälter noch nicht einmal genehmigt, geschweige denn errichtet seien. Die Naturdungbörse könne keine Abnahmegarantie geben. Ferner sei nicht geprüft worden, wie sich der Widerruf auf die Existenz seines Betriebes auswirken werde. Aus umwelt- und pflanzenbaulichen Zwängen sei es auf jeden Fall sinnvoller, auch flüssigen Wirtschaftsdünger in den natürlichen und regenerativen Kreislauf einzuführen; ansonsten träten über kurz oder lang Entsorgungsprobleme auf. Dabei sei zu berücksichtigen, daß die Gülle in Wasserschutzzone III in Konkurrenz zum gekalkten Klärschlamm trete.

Mit Bescheid vom 28.1.1994 wies das Regierungspräsidium den Widerspruch, soweit das Verfahren nicht wegen Zeitablaufs eingestellt wurde, zurück. Aufgrund der Größe seiner engeren Schutzzone (5.500 ha) stelle das Schutzgebiet "Donauried" einen Sonderfall im Land dar. Daher seien im Jahr 1988 zur Vermeidung unzumutbarer Härten für besonders betroffene Betriebe widerrufliche Befreiungen vom Aufbringungsverbot erteilt worden; durch die Gewährung einer Übergangszeit habe den Landwirten die Möglichkeit gegeben werden sollen, betriebliche Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen, um in Zukunft das Verbot einhalten zu können. Inzwischen lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung jedoch nicht mehr vor, so daß der Widerruf aus sachgemäßen Gesichtspunkten erfolgt sei. Der Kläger habe seit 1988 über sechs Jahre Zeit gehabt, seinen Betrieb an das ganzjährige Gülleverbot anzupassen. Die Lagerungsprobleme und Verwertungsprobleme seien zwischenzeitlich durch eine Güllegemeinschaft und die Naturdungbörse einer Lösung zugeführt worden. Wenn der Kläger die Übergangszeit nicht genutzt habe, habe er dies selbst zu vertreten. Das zu schützende Grundwasser im Donauried diene der Versorgung von großen Teilen des Landes mit Trinkwasser. Wegen der Nähe zu den Fassungsanlagen und dem dadurch bedingten Gefährdungsgrad für das entnommene Grundwasser müsse in der engeren Schutzzone der Schutz vor Verunreinigungen durch pathogene Mikroorganismen sowie vor sonstigen Beeinträchtigungen sichergestellt werden. Auch in der Neufassung des DVGW-Arbeitsblattes "Richtlinie für Trinkwasserschutzgebiete, Schutzgebiete für Grundwasser" sei die Anwendung von Wirtschaftsdünger als gefährlich eingestuft. Das Bundesgesundheitsamt halte eine Ausbringung von Gülle und Klärschlamm innerhalb der engeren Schutzzone des Trinkwasserschutzgebiets für hygienisch unvertretbar (Stellungnahme v. 28.6.1988). Zwar werde in den Gutachten der Prof. M. und S. bei einer ungestörten Bodendeckschicht die Gefahr einer Grundwasserkontamination durch fäkale Mikroorganismen und pathogene Keime nicht bejaht. Dies gelte jedoch nicht bei Vorhandensein von tiefreichenden Wurzelgängen und Tiergängen sowie von Trockenrissen. Die Untersuchungen von Prof. B. zeigten dagegen einen starken Einfluß der Begüllung auf das Grundwasser auch bei Deckschichten mit einer Mächtigkeit von mehr als 3 m. Unter diesen Umständen sei es geboten, an dem Aufbringungsverbot für Gülle festzuhalten, da das öffentliche Interesse an einer hygienisch einwandfreien Trinkwasserversorgung das entgegenstehende Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der Befreiung überwiege.

Der Kläger hat am 4.3.1994 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Landratsamts vom 22.10.1992 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 28.1.1994 aufzuheben. Zwar hätten die im Widerspruchsbescheid genannten Gutachten eine Gefährdung des Wassers nicht völlig ausschließen können, sie seien aber in der Hauptsache zu dem Ergebnis gekommen, daß die Gefahr einer Belastung des Grundwassers relativ gering sei, auch wenn ein gewisses Restrisiko bleibe. Es sei festgestellt worden, daß bislang eine Belastung des Grundwassers mit pathogenen Mikroorganismen im Donauried noch nicht stattgefunden habe. Bei den untersuchten Bodenschichten handele es sich um belebte Schichten; überall wo organisches Leben herrsche, müsse, unabhängig von der Ausbringung von Gülle und anderem Wirtschaftsdünger, mit pathogenen Mikroorganismen gerechnet werden. Das Leben im Acker werde um so kräftiger und intensiver, die Zahl der Kleinlebewesen um so größer, ihre Zusammensetzung um so zweckentsprechender, je mehr Organismen aufträten und je mehr Spezialisten für die Arbeit erforderlich seien. Zu diesem Thema werde noch ein weiteres Gutachten erstellt. Davon abgesehen, sei es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht zu vereinbaren, in manchen Bereichen die Vorsorge ohne Nachweis konkreter Gefährdungen überzubetonen. Im übrigen bestehe für ihn weiterhin eine unzumutbare Härte. Angesichts der Größe des Schutzgebiets entstehe ein erheblicher Konkurrenzkampf um landwirtschaftliche Nutzflächen, die begüllt werden dürfen. Ordnungsgemäße Landwirtschaft könne nur betrieben werden, wenn diese Flächen in betriebswirtschaftlich noch vernünftigen Entfernungen zur Hofstelle lägen. Die Zupacht von solchen Flächen führe zu erheblich höheren Pachtpreisen. Ferner trete auch die Klärschlammaufbringung auf landwirtschaftliche Nutzflächen in Konkurrenz zur Gülleausbringung. Schließlich erläutere der Beklagte nicht, welche geeigneten Maßnahmen der Kläger hätte ergreifen können und müssen. Solche müßten nämlich arbeits- und betriebswirtschaftlich möglich und vertretbar sein. Das Lagerproblem habe er bereits selbst gelöst. Außerdem habe er seinen Viehbestand erheblich abgestockt; eine noch weitergehende Reduzierung sei jedoch betriebswirtschaftlich sinnlos und würde zu existenziellen Schwierigkeiten des Betriebs führen. Die ferner angeführte Naturdungbörse sei nicht ausreichend leistungsfähig und verfüge nicht über dauerhafte Abnahmeverträge. Auch die Umstellung des Betriebes auf Festmist sei mit Rücksicht auf die erforderlichen hohen finanziellen Aufwendungen nicht zumutbar. Dann könne er nur 60% des derzeitigen Viehbestands halten, womit sein Betrieb nicht existenzfähig wäre. Auch die Umstellung auf einen viehlosen Betrieb wäre nicht möglich.

Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten und hat ergänzend ausgeführt, eine Eintragung von Fäkalkeimen in das Grundwasser könne weiterhin nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Der Widerruf sei nicht unverhältnismäßig und stelle keine unzumutbare Härte dar.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.4.1996 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die seinerzeit erteilte Befreiung sei ausdrücklich nur auf Widerruf ausgesprochen worden. Das Landratsamt habe von seinem Ermessen fehlerfreien Gebrauch gemacht. Die für eine Befreiung erforderlichen Voraussetzungen hätten nicht mehr vorgelegen, da nicht mehr habe davon ausgegangen werden können, daß die sofortige Durchführung der Regelung in der SchALVO für den Kläger zu einer unzumutbaren Härte führen würde. So hätten für ihn verschiedene Alternativen bestanden, seinen Betrieb während einer Übergangszeit an das Gülleausbringungsverbot anzupassen. Insbesondere seien die Umstellung auf Festmist, die Separierung der Gülle oder der Transport der im Betrieb vorübergehend gelagerten Gülle zu einem anderen aufnehmenden Betrieb bei Inanspruchnahme der Naturdungbörse oder eine weitere Abstockung des Viehbestands in Betracht gekommen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Abnahme der Gülle über die Naturdungbörse derzeit kein Problem. Auch mit dem in der Praxis erprobten Verfahren zur Gülleseparierung könne sich die Überschußgülle wesentlich verringern lassen; dies ergebe sich aus einer Stellungnahme des Amts für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur vom 15.12.1994. Diese Alternativen seien auch im Rahmen der Beratung, an der der Kläger bereits nach der Befreiungsverfügung habe teilnehmen müssen, aufgezeigt worden. Dem Kläger sei auch bekannt gewesen, daß er mit einer weiteren Befreiung nicht werde rechnen können. Unter Berücksichtigung des nach § 9 SchALVO zu gewährenden Ausgleichs könne von einer unzumutbaren Härte nicht mehr die Rede sein. Auch eine Befreiung gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 SchALVO hätte nicht erteilt werden können. Eine solche wäre dann in Betracht gekommen, wenn das mit Inkrafttreten der Verordnung auch für die engere Schutzzone im Donauried geltende Verbot des Aufbringens von Jauche und Gülle hinsichtlich einzelner Standorte als offenbar nicht beabsichtigte Härte eingestuft werden müßte, weil von derartigen mit dem Verbot abzuwehrenden Einwirkungen auf das zu schützende Grundwasser nicht auszugehen sei. Es sei jedoch schon nicht ersichtlich, daß es sich bei den vom Kläger bewirtschafteten Grünlandflächen um derart atypische Standorte handle. Selbst wenn davon ausgegangen würde, daß die vom Kläger in der engeren Schutzzone bewirtschafteten Grundstücke sämtlich denjenigen Standorten zuzurechnen sein sollten, auf denen nach Untersuchungen vom Juni 1992 nur eine äußerst geringe Verlagerung von Fäkalkeimen, allenfalls in eine Tiefe bis zu 90 cm, festgestellt worden sei, ließe sich damit noch nicht die Besorgnis einer schädlichen Verunreinigung des Grundwassers ausschliessen. Schutzauflagen seien nämlich bereits dann erforderlich, wenn die Möglichkeit nachteiliger Einwirkungen im Rahmen einer sachlich vertretbaren Prognose nicht von der Hand zu weisen seien. Konkrete Anhaltspunkte, daß das Grundwasser andernfalls bereits konkret gefährdet sei, bedürfe es demgegenüber nicht. Auch genüge es, wenn die nach den gegebenen Erkenntnismöglichkeiten zu besorgenden Einwirkungen auf das Grundwasser erst in Zeiträumen zu erwarten seien, die für eine vernünftige Vorausplanung maßgebend seien. Grundwasserverunreinigungen seien daher bereits dann zu besorgen, wenn wassergefährdende Stoffe erst im Laufe einiger Jahre durch einen sehr schwer durchlässigen, aber nicht absolut dichten Untergrund sickern und dann in das Grundwasser gelangen würden. Außerdem ergebe sich eine entsprechende Besorgnis daraus, daß in jedem Fall sogenannte Makroporen vorhanden seien, wie etwa Wurzelgänge und Tiergänge, so daß es gleichwohl zu einer schnellen Verlagerung des infiltrierenden Wassers bis in die tieferen Bodenschichten oder gar bis ins Grundwasser kommen könne (Abschlußbericht K./W./P./S., Dezember 1992). Hinzu kämen die zahlreichen Entwässerungsgräben, die das Donauried durchziehen und einen deutlich meßbaren Einfluß auf den mikrobiellen Zustand des Grundwassers haben (Zwischenbericht von S./L./B., Mai 1993). So seien unter nahezu allen biologischen und hydrogeologischen Aspekten Escherichia coli als Indikator für eine fäkale Kontamination nachgewiesen worden. Auch die vorliegenden Untersuchungsergebnisse rechtfertigten es daher nicht, die Durchführung der Schutzbestimmungen hinsichtlich der engeren Schutzzone im Donauried als eine vom Verordnungsgeber nicht beabsichtigte Härte anzusehen. Das Verbot stehe damit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamts vom 28.6.1988 und den Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs, denen das Gewicht antizipierter Sachverständigengutachten zukomme. Im übrigen sei die Regelung nicht nur erlassen worden, um den Eintrag pathogener Mikroorganismen zu verhindern, sondern auch um die infolge des Aufbringens organischen Düngers zu besorgende Nitratanreicherung im Grundwasser zu verhindern. Auch dies rechtfertige die Einhaltung der Schutzbestimmung.

Gegen diesen ihm am 25.5.1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.6.1996 Berufung eingelegt.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. April 1996 - 18 K 1065/94 - zu ändern und den Bescheid des Landratsamt vom 22. Oktober 1992 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 28. Januar 1994 aufzuheben.

Nach dem jetzt vorliegenden gemeinsamen Bericht über die wissenschaftliche Begleitung der Gülleausbringung im Donauried sei eine Grundwassergefährdung durch Güllekeime nicht nachweisbar. Im übrigen gebe es in den belebten Bodenschichten stets pathogene Keime. Werde Gülle ausgebracht, steige die Anzahl der Mikroorganismen in der belebten Bodenschicht stark an, was wiederum auf das Festhaltevermögen des Bodens einen nachhaltig positiven Einfluß ausübe. Überall wo es Leben gebe, gebe es auch symbiotische Bakterien. Es sei daher nicht verständlich, warum in dem auszubringenden Dung nicht die gleichen Bakterien sein dürften, wie sie sich bereits im Boden befinden. Auch das Gutachten "Untersuchungen zum Verhalten von Mikroorganismen in humusreichen und anderen Böden des Donaurieds" (Strauch) bestätige, daß eine Ausbringung unbehandelter Gülle auf die untersuchten Standorte ohne ausgeprägte Trockenrißbildung im Hinblick auf eine mögliche Keimverlagerung in tiefere Bodenschichten und damit letztendlich ins Grundwasser unbedeutend zu sein scheine. Unter der Voraussetzung einer ungestörten Bodendeckschicht bei Fehlen von tiefreichenden Wurzelgängen und Tiergängen sowie Trockenrissen sei eine mögliche Keimverfrachtung fäkaler und pathogener Organismen nach ordnungsgemäßer Gülledüngung während der Vegetation in tiefere Bodenschichten und damit die Gefahr einer Grundwasserkontamination mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Der Hinweis auf Trockenrisse, Wurzelgänge und Tiergänge stelle die Aussage nicht in Frage. Denn es habe sich bewährt, wenn vor der Gülleausbringung eine Bodenbearbeitung durchgeführt werde. Bei diesem Verfahren seien auch Trockenrisse, Tiergänge und Wurzelgänge kein Grund für ein Gülleverbot, denn sie würden mit der Bodenverarbeitung beseitigt. Die Landwirtschaft bringe seit Generationen Gülle auf die Flächen aus, ohne daß bisher ein Schaden bekannt geworden wäre. Die Landwirte im angrenzenden Bayern seien keinen Beschränkungen unterworfen, obwohl auch deren Flächen in der Schutzzone II lägen. Dies spreche gegen die Erforderlichkeit und Geeignetheit des Verbots. Davon abgesehen, lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung vor, da es sich um einen Härtefall handle. Er habe die ihm zumutbaren Anpassungen vorgenommen. So habe er eine Lagerkapazität für sechs Monate geschaffen und sei auf den Güllehochbehälter in S. nicht angewiesen. Dagegen sei ihm die Umstellung auf Festmist sowohl aus arbeitswirtschaftlicher wie aus ökonomischer Sicht nicht zuzumuten, da damit ein die Existenz sichernder Betrieb nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Die Kosten einer derartigen Betriebsumstellung würden nach der SchALVO auch nicht ersetzt. Die eingerichtete Naturdungbörse sei nicht geeignet, die anstehenden Probleme auch nur annähernd zu lösen. Insbesondere bestünden keine dauerhaften Abnahmeverträge, so daß das Gülleausbringungsproblem nur eine Verzögerung (durch Lagerung), nicht jedoch eine befriedigende Lösung erfahren habe. Nachdem die Rechtslage auch in Bayern verschärft worden sei, seien auch dort keine Abnehmer für Gülle mehr zu finden. Völlig verfehlt sei schließlich die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Schutzvorschriften dienten auch der Verhinderung einer zu besorgenden Nitratanreicherung im Grundwasser. Die Nitratbelastung des Grundwassers sei ein Problem der Düngung insgesamt, nicht aber der Gülleausbringung in Zone II.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger habe die für ihn bestehenden Möglichkeiten (Abgabe an die Naturdungbörse, Separierung der Gülle) nicht ausgeschöpft und die Beratungsangebote des Landwirtschaftsamts nicht wahrgenommen. Im übrigen gehöre das Donauried zu den bedeutendsten Grundwassergewinnungsgebieten in der Bundesrepublik Deutschland. Für den beigeladenen Zweckverband sei das dortige Grundwasservorkommen nach wie vor die wichtigste Ressource für die Trinkwassergewinnung; dadurch erhalte das dem Grundwasserschutz durch Wasserschutzgebiete zugrundeliegende Vorsorgeprinzip beim Donauried ein besonderes Gewicht. Die Schlußfolgerung des gemeinsamen Berichts über die wissenschaftliche Begleitung der Gülleausbringung im Donauried hielten einer vertieften wissenschaftlichen Auseinandersetzung nicht stand. Ein hygienisch-mikrobiologisches Gutachten (Prof. S.) gelange zu dem Ergebnis, jede Gülleausbringung in der Schutzzone II stelle eine potentielle seuchenhygienische Gefahr dar. Die Gülleausbringung sei ein wesentlicher vermeidbarer Gefahrenfaktor. Starkregenereignisse oder auch nur vorübergehend vorhandene Fehlstellen der Deckschicht ließen sich demgegenüber nicht beeinflussen. Zum gleichen Ergebnis komme die Stellungnahme des DVGW-LAWA-Ausschusses "Wasserschutzgebiete" zum "gemeinsamen Bericht". Selbst nach Auffassung eines der Verfasser dieses gemeinsamen Berichts, Prof. B., sei die Gülleausbringung in Schutzzone II von Wasserschutzgebieten ausgeschlossen, da diese Gebiete anhand einer mindestens 50tägigen Passagezeit des Grundwassers abgegrenzt würden. Auf der anderen Seite seien die Probleme, die sich für die Landwirtschaft aus dem ganzjährigen Verbot des Ausbringens von Gülle und Jauche im Donauried ergeben hätten, mittlerweile behoben. Insbesondere seien der Bau von Güllegemeinschaftsbehältern mit Festmistplatten, die Aufstockung der Gülle und Stallmistlagerkapazitäten in den Betrieben, die Gründung einer Naturdungbörse zur Organisation der überbetrieblichen bzw. übergebietlichen Ausbringung von Gülle durchgeführt und finanziell unterstützt worden. Ergänzend verweist das beklagte Land auf ein Rechtsgutachten von Prof. B..

Der Senat hat den Zweckverband Landeswasserversorgung zum Rechtsstreit beigeladen. Dieser beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich er weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten einschließlich mehrerer Gutachten sowie den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Widerrufsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG können Wasserschutzgebiete festgesetzt werden, soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, Gewässer im Interesse der derzeit bestehenden oder künftigen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 WHG können in den Wasserschutzgebieten bestimmte Handlungen verboten oder für nur beschränkt zulässig erklärt werden. Ergänzend hierzu bestimmt der Landesgesetzgeber in § 24 WG u.a., daß die Eigentümer verpflichtet werden können, ihre Grundstücke nur in bestimmter Weise zu nutzen und an überbetrieblichen Düngungsmaßnahmen und Pflanzenschutzmaßnahmen teilzunehmen.

Von diesen Ermächtigungen hat der Verordnungsgeber zum einen in der Verordnung über das Wasserschutzgebiet "Donauried" und zum anderen in der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

Die in § 3 SchALVO in Verbindung mit der maßgeblichen Wasserschutzgebietsverordnung geregelten Verbote, insbesondere Gülle und Jauche aufzubringen, schränken die Nutzbarkeit der Grundstücke situationsbedingt ein. Sie sind keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Dies hat der Senat bereits in seinem Beschluß vom 21.2.1994 - 8 S 2694/93 (VBlBW 1995, 63 = ZfW 1995, 86 = NuR 1995, 255) - hervorgehoben; er steht damit im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (jüngst erneut eingehend dargestellt im Beschluß v. 30.9.1996 - 4 NB 31 u. 32.96).

Bei der Prüfung der Frage, ob die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets und die Anordnung von Verboten oder Beschränkungen der Aufbringung von bestimmten Stoffen (hier Gülle und Jauche) erforderlich und verhältnismäßig ist, ist von der herausragenden Bedeutung der Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem (also bestimmte in den einschlägigen Regelungen näher umschriebene Qualitätsanforderungen einhaltendem) Trinkwasser auszugehen. Die hohe Bedeutung dieses Schutzgutes bedarf keiner erneuten eingehenden Begründung. Das Bundesverfassungsgericht hat sie im Naßauskiesungsbeschluß dargelegt (BVerfGE 58, 300, 341); der seit Jahren mit dem Gebiet des Wasserrechts befaßte Senat hat sie in zahlreichen Zusammenhängen betont (zu Anforderungen an die Sachkunde sachverständiger Personen vgl. den NK- Beschluß des Senats v. 30.10.1995 - 8 S 2713/94 -, VBlBW 1996, 178 = NVwZ-RR 1996, 642 = ZfW 1996, 528). Auch das OVG Schleswig-Holstein, das in seinem Urt. v. 4.10.1995, UPR 1996, 312 (m. Anm. Kröger a.a.O. S. 299) im konkreten Einzelfall von der Unwirksamkeit einer Wasserschutzgebietsverordnung ausgegangen ist, sieht dies im Grundsatz nicht anders.

Vorliegend tritt hinzu, daß das Wasserschutzgebiet Donauried zu den bedeutendsten Grundwassergewinnungsgebieten der Bundesrepublik Deutschland gehört. Mit über 5.000 ha dürfte es die größte zusammenhängende Schutzzone II in Deutschland enthalten. Für den vom Senat zum Verfahren beigeladenen Zweckverband, der ca. 3 Millionen Einwohner Baden-Württembergs mit Wasser versorgt, ist das Grundwasservorkommen im Donauried nach wie vor die wichtigste Ressource für die Trinkwassergewinnung; es werden dort jährlich ca. 30-35 Millionen cbm Grundwasser gefördert, das keiner Aufbereitung bedarf.

Auf der anderen Seite ist zu beachten, daß die in Frage stehende Gefährdung des Schutzguts Grundwasser sich hier nicht nur auf die mögliche Überschreitung irgendwelcher technischer Standards über die Wassergüte bezieht, sondern (in erster Linie) durch bakterielle Krankheitserreger hervorgerufen wird, die in Gülle und Jauche enthalten sind und - möglicherweise unter bestimmten Umständen - in das Trinkwasser gelangen und dann zu gesundheitlichen Schäden bei Menschen führen können.

Ferner ist hervorzuheben, daß dem Verordnungsgeber eine Prärogative (dazu grundlegend das Mitbestimmungsurteil BVerfGE 50, 290, 333) sowohl bei der Einschätzung der Gefahren und der Reichweite der von ihm für erforderlich gehaltenen Vorsorge zukommt, als auch hinsichtlich der allgemeinen Zumutbarkeit für die von bestimmten Verboten betroffenen Landwirte. Daraus folgt, daß die Gerichte auch bei der von ihnen vorzunehmenden - hier inzidenten - Überprüfung derartiger Ermächtigungsnormen nicht ihre eigene Einschätzung an die Stelle anderer Organe - hier des Verordnungsgebers - zu setzen haben (vgl. bereits NK-Beschluß des Senats v. 30.10.1995, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund bestehen - jeweils soweit der Kläger betroffen ist - keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Wasserschutzgebietsverordnung und der SchALVO. Die Abgrenzung der Schutzzonen ist nach den hierfür üblichen Grundsätzen und Erfahrungswerten vorgenommen worden, wie sie beispielsweise in der Stellungnahme des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfachs) - LAWA - Ausschusses vom 25.10.1996 nochmals dargestellt worden sind. Insoweit werden auch vom Kläger keine Einwände erhoben.

Auch die Ergebnisse des "Gemeinsamen Berichts über die wissenschaftliche Begleitung der Gülleausbringung im Donauried" der Arbeitsgruppen M., B. und B. vom 16.9.1995 stellen die Rechtmäßigkeit des vollständigen (Zone II) oder zeitweiligen (Zone III) Verbots der Aufbringung von Gülle und Jauche nicht in Frage. Denn dieser Bericht gelangt zwar (wohl) zu dem Ergebnis, daß die Herkunft bestimmter Bakterien aus der bislang aufgebrachten Gülle nicht im naturwissenschaftlichen Sinn bewiesen werden kann (vgl. insbes. S. 10). Er legt aber selbst dar, daß "nach der Beendigung der großräumigen Güllebeaufschlagung in der Schutzzone II seit November 1992 eine Verbesserung der Grundwasserqualität im Vergleich zu der im Untersuchungszeitraum 1992 bis 1993 beobachteten fäkalen Belastung an den meisten der untersuchten Pegel eingetreten ist." Die Hypothese, daß nach Beendigung der Gülleausbringung eine Reduktion der Koloniezahlen stattgefunden hat, könne mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von < oder = 0,05 für die meisten Meßstellen statistisch bestätigt werden. Daraus sei aber noch kein kausaler Zusammenhang abzuleiten (S. 10). Ein derartiger strikter Beweis im naturwissenschaftlichen Sinn ist aus rechtlicher Sicht ohnehin nicht erforderlich. Vielmehr zeigt die zitierte Aussage des Gemeinsamen Berichts, daß eine Beendigung der Aufbringung von Gülle und Jauche - bei aller Gefahreneinschätzungen und Prognosen stets eigenen Unsicherheit - durchaus geeignet ist, die "fäkale Belastung" zu reduzieren. Um so weniger ist dieser Bericht geeignet, seinerseits im Rechtssinne zu beweisen, daß die vom Verordnungsgeber angestellte Prognose sich inzwischen als gänzlich verfehlt herausgestellt hätte.

Auch die dem Bericht selbst beigegebene abschließende Bewertung gebietet keine derartige Schlußfolgerung. Dort heißt es u.a.:

Aus den Untersuchungen kann der Schluß gezogen werden, daß die ordnungsgemäße Gülleausbringung in der Landwirtschaft unter den hier untersuchten Bedingungen nicht zu einem Eintrag von E. coli und ggf. in der Gülle enthaltenen bakteriellen Krankheitserregern, namentlich bei ausreichender Deckschicht, in das Grundwasser führt. Die heutigen umweltgerechten Gepflogenheiten bei der Ausbringung von Gülle unter Orientierung am Bedarf und an der Auswaschungsgefährdung von Stickstoff lassen keine Verlagerung von in Gülle enthaltenen Keimen in die Tiefe erwarten, sofern der Boden als Filterkörper intakt ist (z.B. keine Trockenrisse). Andere Eintragsquellen wie Kläranlagenausläufer und Vorfluter müssen, falls Kontaminationen auftreten, in Betracht gezogen werden. Es hat trotz intensiver Gülleausbringung in der Vergangenheit, im Bereich ungestörter Bodenschichten und ausreichender Deckschichten wie im beprobten Gebiet, keinen eindeutigen Beleg für eine Verfrachtung von Keimen aus der Gülle innerhalb definierter Zeiträume (z.B. 50 Tage) in das Grundwasser gegeben.

Denn zum einen ist, wie ausgeführt, ein "eindeutiger Beleg" im Sinne nachweisbarer Kausalität von Rechts wegen nicht erforderlich. Zum anderen enthält die zitierte Bewertung selbst Prämissen (sofern der Boden ... intakt ist), die die Gutachter nicht weiter zu untersuchen hatten und bei denen der Verordnungsgeber durchaus davon ausgehen kann, daß sie keineswegs immer gewährleistet sein werden. Denn es kann immer wieder damit zu rechnen sein, daß durch Tiere oder Wurzeln oder Trockenrisse Makroporen in der Deckschicht entstehen, so daß diese ihre Schutzwirkung nicht erfüllen kann. Im übrigen enthält die "abschließende Bewertung" auch im Rechtssinne Wertungen, die einem Gutachter selbstverständlich nicht verwehrt sind, an die der Verordnungsgeber jedoch im Hinblick auf ihren prognostischen Charakter keineswegs gebunden ist. Vorliegend kann überdies nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die von den Gutachtern vorgenommene Wertungen auch mit den Zielsetzungen des Bundesgesetzgebers im Wasserhaushaltsgesetz im Einklang stehen. Dies war ersichtlich auch nicht Gegenstand ihres Gutachtenauftrags. Im übrigen versteht sich von selbst, und verweisen die Gutachter zu Recht darauf, daß bei Gefahrenabwehr und Vorsorge stets auch andere Gefahrenquellen zu beachten sind; ein Beleg für die Rechtswidrigkeit der die Kläger treffenden Verbote läßt sich daraus jedoch nicht ableiten.

Auch unter Einbeziehung der nachfolgenden Kontroverse zwischen den Gutachtern S. (Gutachten für den Beigeladenen v. 9.10.1996) und M. (Stellungnahme v. 9.12.1996) sowie der Stellungnahme des Sozialministeriums v. 3.9.1996 vermag der Senat nicht zu dem Ergebnis zu gelangen, daß der Gemeinsame Bericht vom 16.9.1995 geeignet wäre, die Gefährdungsprognose des Verordnungsgebers und seine Einschätzung über die im Rahmen wasserrechtlich gebotener Vorsorge für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendigen Verbote eindeutig fehlerhaft werden zu lassen. Somit ist weiterhin von der Gültigkeit der Wasserschutzgebietsverordnung und der Aufbringungsverbote in der SchALVO auszugehen.

Vor diesem Hintergrund durfte die zuständige Wasserbehörde ermessensfehlerfrei die dem Kläger im Jahre 1988 gewährte Befreiung widerrufen. Denn diese war nur erteilt worden, um für eine Übergangszeit betriebliche Anpassungsmaßnahmen zu ermöglichen und andere Hilfen (Naturdungbörse etc.) einzurichten. Die Befreiung war aber ausdrücklich nur widerruflich erteilt worden und ihrem übrigen Inhalt war eindeutig zu entnehmen, daß längerfristig nicht mit weiteren Befreiungen gerechnet werden könne. Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger somit nicht berufen.

Im Rahmen des dem Landratsamt und dem Regierungspräsidium zustehenden Ermessens ist auch geprüft worden, ob die Voraussetzungen für eine weitere Befreiung gem. § 4 Abs. 1 SchALVO vorlagen, und dies ist zu Recht verneint worden. Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 SchALVO kann Befreiung erteilt werden, wenn die sofortige Durchführung der Vorschrift zu einer unzumutbaren Härte führen würde und für eine Übergangszeit die Abweichung eine nachteilige Auswirkung auf das Gewässer nicht erwarten läßt. Mit dieser Regelung wollte der Verordnungsgeber ersichtlich die durch eine "sofortige Durchführung" entstehenden Probleme für die betroffenen Landwirte abmildern; von ihr hat der Kläger zusammen mit anderen für mehrere Jahre profitiert. Sie erlaubt die Befreiung jedoch nur "für eine Übergangszeit"; diese ist im Hinblick auf den Zeitablauf, der dem Kläger Anpassungsmaßnahmen erlaubte, und die inzwischen erfolgten Maßnahmen (Naturdungbörse etc.) jedoch nunmehr abgelaufen. Der Kläger beruft sich auch nicht auf derartige auf die Übergangssituation gestützte Gründe. Vielmehr will er die Befreiung ersichtlich langfristig oder auf Dauer erreichen.

Hierfür käme allein die Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 2 SchALVO in Betracht. Danach kann eine Befreiung erteilt werden, wenn die Durchführung der Vorschrift zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Zu dieser Vorschrift hat der Senat in seinem Beschluß v. 21.2.1994 - 8 S 2694/93 -, VBlBW 1995, 63 ausgeführt, eine Befreiung komme im Hinblick auf die gem. § 19 Abs. 4 WHG und § 24 Abs. 4 WG gewährten Ausgleichsleistungen nur in Betracht, wenn trotz dieser Geldleistungen eine offenbar nicht beabsichtigte Härte entstünde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Zur systematischen Einordnung dieser Vorschrift kann ferner auf die zur vergleichbaren Regelung in § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB ergangene Rechtsprechung Bezug genommen werden.

Danach kann eine unbeabsichtigte Härte nicht bejaht werden. Es lassen sich keine Besonderheiten im Falle des Klägers finden, die es rechtfertigen würden, im Hinblick auf seinen Betrieb oder seine Grundstücke von der Durchsetzung des allgemeinen Aufbringungsverbots für Gülle und Jauche abzusehen. Spezielle grundstücksbezogene Gesichtspunkte trägt auch der erwähnte Gemeinsame Bericht vom 16.9.1995 nicht vor. Sollten - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochen - hinsichtlich eines Teils der bewirtschafteten Flächen doch derartige Besonderheiten vorliegen, müßte der Kläger diese in einem entsprechenden Antrag an das Landratsamt substantiiert darlegen. Gegenwärtig sind Gesichtspunkte, die die Behörden hätten veranlassen müssen, im Hinblick auf sich aufdrängende Befreiungsgründe von einem Widerruf der 1988 auf einer anderen Rechtsgrundlage erteilten Befreiung abzusehen, nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Fall des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.