VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.1998 - 5 S 2945/96
Fundstelle
openJur 2013, 10697
  • Rkr:

1. Werden einzelne Außenbereichsgrundstücke nach § 34 Abs 4 S 1 Nr 3 BauGB aF (konstitutiv) zur Abrundung der durch eine Satzung nach § 34 Abs 4 S 1 Nr 1 BauGB aF (deklaratorisch) festgelegten Grenzen eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils einbezogen, so können planungsrechtliche Festsetzungen nach § 34 Abs 4 S 3 BauGB aF (= § 34 Abs 4 S 2 Halbs 2 BauGB nF) nur für die einbezogenen Flächen getroffen werden.

2. Zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Erweiterung einer bisher die nähere Umgebung prägenden und die Obergrenze des Nutzungsmaßes darstellenden Tagungsstätte in einem Gebiet mit Wohnbebauung.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen Erweiterungsbau.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. 91727 auf Gemarkung D.-St. der Beklagten. Der Beigeladene ist Eigentümer der auf der gegenüberliegenden Straßenseite des St. Wegs gelegenen Grundstücke Flst.Nrn. 53016, 53016/1 und 53016/2, auf denen er die Tagungsstätte "Th." betreibt. Diese besteht aus einem aus Haus Nr. 1 und Haus Nr. 3 gebildeten Komplex sowie dem hiervon abgerückten Haus Nr. 5. Die Tagungsstätte verfügt zur Zeit über 68 bis 82 Betten mit einer Kapazität von ca. 10.000 Übernachtungen pro Jahr.

Die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen befinden sich im räumlichen Geltungsbereich der Innenbereichssatzung "Th." (Nr. 679) der Beklagten vom 26.01.1993, die folgende planungsrechtlichen Festsetzungen enthält:

1.1 Maß der baulichen Nutzung

Die Grundflächen der baulichen Anlagen dürfen je Grundstück höchstens 140 qm betragen.

Die zulässige Zahl der Vollgeschosse beträgt 1.

1.2 Bauweise

Es gilt die offene Bauweise. Zulässig sind nur Einzel- und Doppelhäuser.

Das Grundstück des Klägers liegt zudem im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Ch." (Nr. 452) der Beklagten, in kraft seit dem Jahre 1941. Unter Nr. 1.1 der schriftlichen Festsetzungen heißt es:

In dem Baugebiet dürfen nur Wohngebäude mit zugehörigen Nebengebäuden und landwirtschaftliche Gebäude errichtet werden. Gewerbebetriebe können zugelassen werden, soweit dies mit den Bedürfnissen des Wohngebiets zu vereinbaren ist.

Am 24.11.1994 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für einen ein- bis dreigeschossigen "Erweiterungsbau mit Tagungsräumen und Bettenhaus" zwischen den dreigeschossigen Gebäuden Haus Nr. 3 und Haus Nr. 5; dadurch soll die Kapazität auf ca.16.300 Übernachtungen pro Jahr erhöht werden; die Tagungsstätte soll zu ca. 25 % von Mennoniten, zu ca. 50 % von anderen (Frei-)Kirchen, zu ca. 2 % von Behinderten, zu ca. 11 % gemeinnützig und im übrigen (zu ca. 10 %) kommerziell durch sonstige Organisationen oder Private genutzt werden.

Mit Bescheid vom 18.05.1995 erteilte die Beklagte die beantragte Baugenehmigung unter Befreiung von den Festsetzungen der Innenbereichssatzung "Th." hinsichtlich der Geschoßzahl (3 statt 1) und der Grundfläche (524 qm statt 140 qm); die Einwendungen des Klägers, der - wie andere Nachbarn - in der geplanten Erweiterung der Tagungsstätte einen unverantwortbaren Eingriff in die bestehenden Strukturen der als allgemeines Wohngebiet anzusehenden Siedlung "Th." gesehen hatte, wurden zurückgewiesen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers - wie auch anderer Nachbarn -, mit dem der Einwand einer städtebaulichen Fehlentwicklung aufrechterhalten wurde, wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 18.10.1995 zurück, weil das nach § 34 BauGB zu beurteilende Vorhaben nach der Art der Nutzung auch dann zulässig sei, wenn man die nähere Umgebung als allgemeines Wohngebiet einstufte, und auch sonst - vor allem im Hinblick auf die erteilten Befreiungen - zu Lasten des Klägers kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliege.

Mit seiner am 15.11.1995 gegen die Baugenehmigung und den Widerspruchsbescheid erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, daß in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet ein Beherbergungsbetrieb, als welcher die Tagungsstätte wegen der beabsichtigten Fremdnutzung anzusehen sei, nicht allgemein zulässig sei. Selbst bei Qualifizierung als kirchliche und/oder soziale Anlage verstieße das Vorhaben gegen das in § 15 Abs. 1 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot; ausschlaggebend hierfür sei, daß eine Hotel- und Tagungseinrichtung mit eine Kapazität von ca. 16.300 Übernachtungen pro Jahr auf keinen Fall mehr mit der allgemeinen Zweckbestimmung des Wohngebiets und mit dessen spezieller Eigenart vereinbar wäre. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ergebe sich auch aus der Summierung der Abweichungen von den planerischen Festsetzungen der Innenbereichssatzung.

Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis darauf entgegengetreten, daß Gäste der Tagungsstätte vor allem Jugendliche, junge Erwachsene sowie junge Familien seien und auch sogenannte Jugendfreizeitheime zu den Anlagen für soziale Zwecke gehörten, die in einem allgemeinen Wohngebiet ohne weiteres zulässig seien; für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten des Klägers sei nichts ersichtlich.

Der Beigeladene hat ebenfalls Klagabweisung beantragt und vorgetragen, daß im Vordergrund des genehmigten Vorhabens eindeutig dessen Nutzung als Bibelheim und damit als Tagungsstätte stehe; der gleichzeitigen Beherbergung der Tagungsteilnehmer komme demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung zu. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor, da die Eigenart der näheren Umgebung schon jetzt durch das vorhandene Bibelheim entscheidend geprägt werde. Ein unzumutbarer Zu- und Abgangsverkehr sei ebenfalls nicht zu erwarten. Zwar würden 16 neue Stellplätze geschaffen, gleichzeitig aber entfalle der bisher am St. Weg vorhandene Parkplatz. Das Vorhaben sei auch dann zulässig, wenn es - zutreffenderweise - nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt werde. Durch die Erweiterung der unverändert bleibenden Nutzung der Tagesstätte, die prägenden Charakter habe, werde das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Im übrigen liege das Grundstück des Klägers nicht in einem ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet; aus den schriftlichen Festsetzungen zum Bebauungsplan "Ch." ergebe sich, daß das Gebiet am ehesten einem Dorfgebiet i. S. des § 5 Abs. 1 BauNVO gleichzusetzen sei. Damit wäre nach heutiger Sicht die Tagungsstätte sogar dann allgemein zulässig, wenn sie als Betrieb des Beherbergungsgewerbes einzustufen wäre. Hinsichtlich der nördlich der Gebäude liegenden Freizeitflächen des Bibelheims würden eventuelle (Lärm-)Immissionen schon durch den vorhandenen Baubestand, aber erst recht nach Errichtung des die Lücke schließenden Erweiterungsbaus abgeschirmt.

Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 25.09.1996 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: In bauplanungsrechtlicher Hinsicht beurteile sich die Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens, soweit die Innenbereichssatzung "Th." Festsetzungen enthalte, nach § 30 Abs. 2 BauGB (gegebenenfalls i.V.m. § 31 BauGB) und im übrigen nach § 34 BauGB. Dabei finde bezüglich der Art der baulichen Nutzung Abs. 2 dieser Vorschrift Anwendung. Die Eigenart der näheren Umgebung im Bereich des St. Wegs entspreche - wie die Augenscheinseinnahme ergeben habe - einem Dorfgebiet, nicht einem allgemeinen Wohngebiet, wie der Kläger meine. Auch nach der genehmigten Erweiterung der bereits vorhandenen Tagungsstätte (mit Übernachtungsmöglichkeiten) stelle das Vorhaben eine in einem Dorfgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO allgemein zulässige Anlage für kirchliche und/oder soziale Zwecke dar. Dabei sei unerheblich, daß die Tagungsstätte nur zu ca. 25 % vom Beigeladenen selbst genutzt werde. Denn die anderweitige Nutzung durch Dritte sei zulässig, wenn und so lange sie einem der in § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO genannten Zwecke diene. Eine rein kommerzielle Nutzung finde lediglich in einer Größenordnung von ca. 10 % statt, was unschädlich sei. Aber auch bei Qualifizierung des - erweiterten - Vorhabens als "normaler Beherbergungsbetrieb" wäre es gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO in einem Dorfgebiet allgemein zulässig. Auch das über § 34 Abs. 2 BauGB in § 15 Abs. 1 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot sei nicht zu Lasten des Klägers verletzt. Es handele sich nur um die Erweiterung einer bereits vorhandenen Anlage ohne Nutzungsänderung; zu einer erdrückenden Wirkung für das Wohngrundstück des Klägers werde es durch den insgesamt entstehenden, untergliederten Baukörper jenseits des St. Wegs nicht kommen; auch die verkehrlichen und sonstigen Folgewirkungen - wie etwa im Bereich der Anlieferung - seien trotz der erwarteten Steigerung der jährlichen Übernachtungen von ca. 10.000 auf ca. 16.300 zumutbar. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung würden die Festsetzungen der Innenbereichssatzung "Th." über die zulässige Grundfläche von 140 qm je Grundstück und die Zulässigkeit von nur einem Vollgeschoß zwar überschritten. Diese Festsetzungen seien jedoch ausweislich der Satzungsbegründung nicht nachbarschützend. Im Rahmen der Befreiungserteilung nach § 31 Abs. 2 BauGB sei zu Lasten des Klägers kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot festzustellen. Soweit die Innenbereichssatzung "Th." offene Bauweise mit Einzel- und Doppelhäusern vorsehe, handele es sich ebenfalls nicht um eine nachbarschützende Festsetzung zugunsten des auf der anderen Straßenseite gelegenen Wohngrundstücks des Klägers. Unerheblich sei, ob die Beklagte auch insoweit eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB hätte erteilen müssen und können, da das genehmigte Vorhaben dem Kläger gegenüber nicht rücksichtslos sei. Deshalb sei die Klage auch dann nicht begründet, wenn sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des umstrittenen Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB richtete.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 21.10.1996 Berufung eingelegt, mit der er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25. September 1996 - 12 K 3593/95 - zu ändern und die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18. Mai 1995 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 18. Oktober 1995 aufzuheben.

Er macht geltend: Die Annahme, die Eigenart der näheren Umgebung des genehmigten Vorhabens entspreche einem Dorfgebiet, sei bereits deshalb fehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht unerwähnt gelassen bzw. übersehen habe, daß der Bebauungsplan "Ch." aus dem Jahre 1941 jedenfalls für die Grundstücke südlich des St. Wegs ein allgemeines Wohngebiet ausweise; dies entspreche auch der Darstellung "Wohnbaufläche" für den Gesamtbereich der Siedlung "Th." im geltenden Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands Karlsruhe (5. Änderung). Die im verwaltungsgerichtlichen Urteil aufgeführten, angeblich wohngebietsfremden Nutzungen seien nicht geeignet, zur Funktionslosigkeit der genannten Festsetzungen und Darstellungen und im übrigen zur Relativierung des tatsächlichen Wohncharakters der Siedlung "Th." zu führen. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen, die einer Qualifizierung als allgemeines Wohngebiet i.S. des § 4 Abs. 1 BauNVO entgegenstünden, gebe es nicht. Selbst wenn solche Anlagen vorhanden wären, wären sie von so untergeordneter Bedeutung, daß sie im Wege der Befreiung zugelassen werden könnten, was sie Einordnung als allgemeines Wohngebiet nicht hinderte. Danach sei der lückenschließende Erweiterungsbau nicht (mehr) nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig. Für die Annahme, es handele sich um eine Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne dieser Regelung, sei die kirchliche Trägerschaft allein nicht ausreichend. Nicht erst die Nutzung durch nicht kirchliche Organisationen (Behörden, Verwaltungen, Vereine oder sonstige private Dritte), sondern die kommerzielle Nutzung durch den Beigeladenen selbst im Wege der mehrheitlichen Überlassung der Tagungsstätte überhaupt an andere mache aus einer Anlage (für kirchliche Zwecke) einen Beherbergungsbetrieb. Selbst wenn man nur auf eine 20 bis 25 %ige kommerzielle Fremdnutzung durch nicht kirchliche Organisationen abstellte (wie im Widerspruchsbescheid), wäre eine solche Nutzung nach Ansicht des Beigeladenen selbst eine "conditio sine qua non" für den Ausbau der Tagungsstätte, die sich nur so wirtschaftlich tragen würde. Von einer dem Zweck der kirchlichen Anlage untergeordneten Fremdnutzung könne danach nicht ausgegangen werden. Im übrigen sei das Bibelheim nur bis zur Auflösung des Altenheims im Jahre 1994 eine in einem allgemeinen Wohngebiet zulässige Anlage für kirchliche und/oder soziale Zwecke gewesen; danach sei eine "schleichende" Umwandlung in eine überregionale Tagungs- und Beherbergungsstätte (mit untergeordnetem kirchlichem Anteil der Mennoniten selbst) erfolgt, wie spätestens im vorliegenden Baugenehmigungsverfahren evident geworden sei. Da ein Beherbergungsbetrieb in einem allgemeinen Wohngebiet nur ausnahmsweise zulässig sei, eine solche Ermessensentscheidung von der Beklagten jedoch nicht getroffen worden sei, sei die Nachbarklage schon deshalb begründet. Dies folge auch daraus, daß das Verwaltungsgericht den - nicht eingehaltenen - Festsetzungen der Innenbereichssatzung "Th." über das zulässige Maß der baulichen Nutzung (Grundfläche und Geschoßzahl) und über die Bauweise zu Unrecht eine nachbarschützende Wirkung abgesprochen habe. Vielmehr machten die rigiden Maßfestsetzungen der Innenbereichssatzung "Th." deutlich, daß die vorhandenen Gebäulichkeiten des Beigeladenen nicht für die weitere bauliche Entwicklung in der Siedlung "Th." maßstabbildend würden und im übrigen eine kleinteilige Wohnstruktur mit maximal ein- bis zweigeschossigen Gebäuden angestrebt werde. Dies habe aber Auswirkungen auf den nachbarlich relevanten Gebietscharakter, der weder dem Geschoßwohnungsbau noch der Realisierung weiterer Einrichtungen der vom Beigeladenen betriebenen Art offen sein solle. Bei Verneinung eines nachbarschützenden Charakters der hier interessierenden Maßfestsetzungen der Innenbereichssatzung "Th." hätten jedenfalls der exponentielle Umfang der Abweichungen und die hierfür gewährten bzw. notwendigen Befreiungen in ihrer Summe nachbarrechtliche Bedeutung, da die Kapazität der Tagungsstätte um 5.700 Übernachtungen erweitert werde. Es sei zu prüfen, ob die durch die Befreiungen eintretenden Nachteile insgesamt das Maß des Zumutbaren überschritten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Das Verwaltungsgericht habe die Eigenart der näheren Umgebung i.S. des § 34 BauGB zutreffend als Dorfgebiet eingestuft, dessen Charakter durch die schon seit Jahrzehnten vorhandene Tagungsstätte mit Bibelheim entscheidend geprägt werde. Deren Erweiterung sei daher nach § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO als Anlage für kirchliche und/oder soziale Zwecke allgemein zulässig. Auch wenn die vorgesehenen Tagungen bzw. Jugend- und Familienfreizeiten nicht vom Beigeladenen selbst, sondern von anderen (Frei-)Kirchen und gemeinnützigen Organisationen durchgeführt würden, seien sie doch vom christlich-sozialen Grundkonzept des Beigeladenen getragen und entsprächen damit dem Nutzungszweck des § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO. Eine Rücksichtslosigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 BauNVO gegenüber dem Kläger, dessen (Wohn-)Grundstück doch relativ weit vom genehmigten Erweiterungsvorhaben entfernt sei, könne nicht festgestellt werden. Die Erweiterung des seit jeher vorhandenen Bibelheims könne keinen Einfluß auf die Qualifizierung der Gebietsart haben.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus: Die vom Verwaltungsgericht zutreffend vorgenommene Einordnung der Eigenart der näheren Umgebung als Dorfgebiet werde durch die schriftlichen Festsetzungen unter Nr. 1.1 des Bebauungsplans "Ch." aus dem Jahre 1941 bestätigt; die im - nachträglich angelegten - Lageplan zu findende Bezeichnung "WA" sei nicht Bestandteil des Plans. Aus der Geschichte und der Satzung des Beigeladenen ergebe sich eindeutig, daß die Funktion des Bibelheims nicht als Beherbergungsbetrieb, sondern als kirchliche und soziale Einrichtung zu beschreiben sei; dies folge auch aus den tatsächlichen Gegebenheiten. Entscheidend sei jedoch, daß die Nutzungsart des Bibelheims qualitativ nicht verändert werde. Die Steigerung der Übernachtungskapazität führe auch zu keinem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Gleiches gelte im Hinblick auf die Überschreitung der übrigen nach § 34 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigenden Maßstäbe, nach denen sich das genehmigte Vorhaben in die Umgebung einfügen müsse.

Mit Beschluß vom 25.09.1996 - 12 K 1705/96 - hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beigeladenen die sofortige Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung angeordnet; die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluß vom 29.11.1996 - 5 S 3001/96 - zurückgewiesen.

Der Senat hat das Baugrundstück und die nähere Umgebung in Augenschein genommen; auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird verwiesen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor; hierauf sowie auf die Gerichtsakten des Berufungsverfahrens, des erstinstanzlichen Verfahrens und des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Gründe

Die - zulässige - Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 18.05.1995 für einen ein- bis dreigeschossigen "Erweiterungsbau mit Tagungsräumen und Bettenhaus" zwischen den dreigeschossigen Gebäuden Haus Nr. 3 und Haus Nr. 5 der auf den Grundstücken Flst.Nrn. 53016, 53016/1 und 53016/2 auf Gemarkung St. der Beklagten betriebenen Tagungsstätte "Th." verletzt  keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz des Klägers als Eigentümers des südlich des St. Wegs gelegenen, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. 91727 zu dienen bestimmt sind.

Zwischen den Beteiligten umstritten ist allein die planungsrechtliche Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens. Diese beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Der Standort des genehmigten Erweiterungsvorhabens liegt - unstreitig - innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne dieser Vorschrift, was die Augenscheinseinnahme durch den Senat bestätigt hat. Diese Innenbereichsqualität erlangt das Baugrundstück nicht erst durch die auf § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 BauGB in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung (künftig: BauGB a.F.) gestützte Innenbereichssatzung "Th." der Beklagten vom 26.01.1993, in deren räumlichem Geltungsbereich es liegt. Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 BauGB a.F. kann die Gemeinde durch Satzung die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen (Nr. 1) und dabei einzelne Außenbereichsgrundstücke zur Abrundung des Gebiets - wie auch eines nach Nr. 2 festgelegten Gebiets - einbeziehen (Nr. 3). Während eine Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB a.F. die Grenzen des im Zusammenhang bebauten Ortsteils, wie sie dem Begriff des § 34 Abs. 1 BauGB entsprechen, nur nachzieht und daher nur deklaratorischen Charakter hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.05.1990 - 4 C 37.87 - NVwZ 1991, 61 = UPR 1990, 388 noch zu § 34 Abs. 2 BauGB in der Vorgängerfassung), ermöglicht eine - damit einhergehende - Abrundungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB a.F. - ebenso wie im Falle von Nr. 2 -, konstitutiv einzelne Außenbereichsgrundstücke "zur Abrundung" dem Innenbereich zuzuschlagen. Das Baugrundstück gehört danach - nur - zum klarstellenden Bereich der Innenbereichssatzung "T.-hof" i. S. des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB a.F. Als nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB a.F. zur Abrundung des Innenbereichs konstitutiv einbezogene Fläche wird in der Begründung - wohl zutreffend - allein das Grundstück Flst.Nr. 53012/19 angeführt.

Hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung, die zwischen den Beteiligten primär im Streit steht, kommt - entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts - nicht § 34 Abs. 2 BauGB, sondern § 34 Abs. 1 BauGB zur Anwendung. Zwar hat das Verwaltungsgericht zutreffend den maßgebenden Umgebungsbereich in den - bebauten - Grundstücken beiderseits des St. Wegs gesehen, wobei die am östlichen Ende der Straße gelegenen Gebäude (Forsthaus mit Betriebshof sowie Wohnhaus) bereits dem Außenbereich zuzurechnen sind. Insoweit hat der Senat bei der Augenscheinseinnahme neben den bereits vorhandenen Häusern der Tagungsstätte des Beigeladenen nördlich des St. Wegs auf der gegenüberliegenden südlichen Straßenseite mehrere Wohngebäude festgestellt. Anders als im erstinstanzlichen Verfahren haben sich jedoch für das Grundstück St. Weg 26 keine Hinweise für einen Verkauf von Terrakotta-Gefäßen und für eine Kleintierzucht ergeben; gleichfalls gefehlt hat ein Hinweis auf eine Nutzung des Grundstücks St. Weg 4 für einen Gipsereibetrieb (auch nur als Büro); ob das angrenzende Grundstück St. Weg 2 zu Wohnzwecken oder landwirtschaftlich genutzt wird, hat sich ebenfalls nicht eindeutig feststellen lassen; in der an das - leerstehende - Wohnhaus angebauten Scheune sind Geräte abgestellt gewesen; nach den Angaben des Klägers wird auf dem Grundstück ein Pferd gehalten. Westlich der K.-straße, in welche der St. Weg einmündet, ist - will man diesen Bereich mit in den Blick nehmen - Wohnbebauung vorhanden. Auf dem Grundstück Am Th. 3 ist neben dem Wohnhaus eine Scheune angebaut (mit einigen davor gelagerten Holzstapeln); über die weitere Nutzung hat der Senat keine Feststellungen treffen können; die Vertreterin der Beklagten hat erklärt, daß eine Bescheinigung des Landwirtschaftsamts Augustenburg vorliege, wonach der Grundstückseigentümer Nebenerwerbslandwirt sei. Auf dem vom Verwaltungsgericht als K.-weg 15 bezeichneten Grundstück sind im nördlichen Teil ein Traktor, eine Dunglege sowie Bretter und Leitern und im südöstlichen Teil einige landwirtschaftliche Geräte zu sehen gewesen.

Wegen dieses diffusen Befunds an baulichen Nutzungen (Tagungsstätte des Beigeladenen, Wohngebäude, teilweise angebaute Scheunen, ohne daß allerdings ein landwirtschaftlicher Betrieb festgestellt werden konnte) scheidet nach Überzeugung des Senats eine eindeutige Qualifizierung der Eigenart der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet i. S. des § 4 BauNVO - wie vom Kläger gefordert - oder als Dorfgebiet i. S. des § 5 BauNVO - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - aus. Zur Einordnung als allgemeines Wohngebiet zwingt auch nicht der übergeleitete, nicht qualifizierte Bebauungsplan "Ch." (Nr. 452) der Beklagten aus dem Jahre 1941, der einen Teilbereich der näheren Umgebung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB, nämlich die Grundstücke südlich des St. Wegs (Gebäude Nr. 2 bis Nr. 26) erfaßt. Diesen Bebauungsplan hat die Beklagte im Jahre 1975 "neu gezeichnet entsprechend der Planzeichenverordnung vom 19.01.1965 auf neuen Katasterplänen. Die vorhandenen Texte wurde unverändert übernommen." In den schriftlichen Festsetzungen des Bebauungsplan heißt es hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung unter Nr. 1.1, daß in dem Baugebiet nur Wohngebäude mit zugehörigen Nebengebäuden und landwirtschaftliche Gebäude errichtet werden dürfen und Gewerbebetriebe nur zugelassen werden können, soweit dies mit den Bedürfnissen des Wohnens zu vereinbaren ist. Damit werden aber die vom Bebauungsplan erfaßten Grundstücke südlich des St. Wegs - zu denen das Baugrundstück allerdings nicht gehört - ebenfalls nicht eindeutig als allgemeines Wohngebiet oder als Dorfgebiet i. S. des Baugebietskatalogs der Baunutzungsverordnung ausgewiesen, wie dies nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme auch den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Danach kann dahin stehen, ob der Bebauungsplan "Ch." aus dem Jahre 1941 wirksam ist und ob er sich für den von ihm erfaßten Bereich der näheren Umgebung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB gegenüber einer eventuell abweichenden tatsächlichen Entwicklung durchsetzen könnte.

Ausgehend von dem festgestellten Befund fügt sich das genehmigte (Erweiterungs-)Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB ein. Diese wird nämlich - maßgebend - gerade auch durch die bereits vorhandene Tagungsstätte des Beigeladenen geprägt. Diese stellt sich - auch in der Form, wie sie sich nach Schließung des ursprünglich vorhandenen Altenheims entwickelt hat - gegenüber den anderen Nutzungen der Umgebung, nicht als ein bei der Betrachtung auszuklammernder Fremdkörper dar (vgl. hierzu BVerwG, Urteil v. 15.02.1990 - 4 C 23.96 - BVerwGE 84, 322 = DVBl. 1990, 572). Denn die Tagungsstätte weist gegenüber dem übrigen Charakter der Umgebungsbebauung keine derart stark abweichende (Nutzungs-)Struktur auf, daß sie deshalb als Unikat dastünde. Dies zeigen nicht zuletzt auch die - wenn auch im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB geäußerten - unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die Einordnung der Tagungsstätte als Anlage für kirchliche und/oder soziale und/oder kulturelle Zwecke bzw. als Betrieb des Beherbergungsgewerbes und ihre davon abhängige allgemeine bzw. nur ausnahmsweise Zulässigkeit in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 1 BauNVO bzw. in einem Dorfgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 7 BauNVO. Den so vorgegebenen Nutzungsrahmen überschreitet das genehmigte (Erweiterungs-)Vorhaben nicht. Die Nutzungsstruktur der dominierenden Tagungsstätte wird nicht verändert. Auch in der Vergangenheit ist die Tagungsstätte nicht nur vom Beigeladenen selbst, sondern auch von anderen (frei-)kirchlichen und nicht kirchlichen Organisationen sowie von Privaten genutzt worden. Diese "Mischung" soll auch in Zukunft beibehalten werden. Hierfür ist unerheblich, ob man die Tagungsstätte im Sprachgebrauch der Baunutzungsverordnung als Anlage für kirchliche und/oder soziale und/oder kulturelle Zwecke oder - wegen der rein kommerziellen oder überhaupt fremden Nutzung, wie sie der Beigeladene im Widerspruchsverfahren prozentual aufgelistet hat - als Betrieb des Beherbergungsgewerbes ansehen will.

Trotz Einhaltung des aus seiner Umgebung hervorgehenden, insbesondere durch die vorhandene Tagungsstätte geprägten Nutzungsrahmens fügte sich das genehmigte (Erweiterungs-)Vorhaben dann nicht ein, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung vermissen ließe. Auf einen Verstoß gegen das (objektiv-rechtliche) Rücksichtnahmegebot könnte sich der Kläger - nur - berufen, wenn das Vorhaben gerade ihm gegenüber (als Nachbar) rücksichtslos wäre. Das aber ist nicht der Fall. Da die Nutzungsstruktur der Tagungsstätte unverändert bleibt, könnte sich eine Rücksichtslosigkeit allenfalls aus der mit dem genehmigten (Erweiterungs-)Vorhaben verbundenen und bezweckten Ausweitung der Kapazität der Tagungsstätte (von bisher ca. 10.000 auf künftig ca. 16.300 Übernachtungen) ergeben. Daß die damit einhergehenden erhöhten Beeinträchtigungen durch Aufenthalt der Gäste sowie durch An- und Abreise- und Anlieferverkehr für den jenseits des St. Wegs wohnenden Kläger noch zumutbar sind, hat das Verwaltungsgericht - wenn auch zur Einhaltung des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 BauNVO i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB - überzeugend dargelegt; hierauf nimmt der Senat Bezug (§ 130 b VwGO), zumal da der Kläger insoweit mit der Berufung nur pauschal eingewandt hat, daß die eintretende Intensivierung des Tagungs- und Übernachtungsbetriebs als solche mit dem Gebietscharakter der Siedlung "Th.-hof" nicht mehr zu vereinbaren sei. Eine andere Wertung ist auch nicht im Hinblick auf den Beschluß des OVG Lüneburg vom 14.03.1997 - 1 M 6589/96 - (UPR 1989, 34) geboten, auf den der Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat. Nach dieser Entscheidung kann das Fehlen von Stellplätzen zur Bewältigung des von einem Bauvorhaben ausgehenden ruhenden Verkehrs im Rahmen des Rücksichtnahmegebots - dort nach § 15 Abs. 1 BauNVO - von Bedeutung sein. Indes ergibt sich vorliegend aus der im Baugenehmigungsverfahren erstellten Stellplatzberechnung, die ein Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, daß die - erweiterte - Tagungsstätte mit den bereits vorhandenen, über die Kreisstraße anzufahrenden Stellplätzen und den neu anzulegenden 16 Stellplätzen östlich des Hauses Nr. 5 über mehr als die insgesamt nachzuweisenden Stellplätze (29) verfügt, wobei lediglich die Errichtung der neuen Stellplätze es mit sich bringt, daß die ankommenden und abfahrenden Fahrzeuge auf dem St. Weg am ca. 10 m zurück versetzten Wohnhaus des Klägers "vorbeifahren". Eventuellen Mißständen verkehrlicher Art auf der Straße wäre ordnungsrechtlich zu begegnen.

Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und der Bauweise verstößt das genehmigte (Erweiterungs-)Vorhaben nicht gegen den Kläger schützende Vorschriften. Prüfungsmaßstab ist auch insoweit allein § 34 Abs. 1 BauGB. Zwar liegt das Baugrundstück - wie dargelegt - im Geltungsbereich der Innenbereichssatzung "Th.-hof" der Beklagten vom 26.01.1993. Diese enthält unter Nr. 1.1 der planungsrechtlichen Festsetzungen zum "Maß der baulichen Nutzung" die Bestimmung, daß die Grundflächen der baulichen Anlagen je Grundstück höchstens 140 qm betragen dürfen und die zulässige Zahl der Vollgeschosse 1 beträgt; ferner gilt nach Nr. 1.2 der planungsrechtlichen Festsetzungen die offene Bauweise, wobei nur Einzel- und Doppelhäuser zulässig sind. Indessen gelten diese planungsrechtlichen Vorgaben nicht - auch - für das Baugrundstück. Zwar können nach § 34 Abs. 4 Satz 3 BauGB a.F. "in" einer Satzung nach Satz 1 Nr. 2 und/oder Nr. 3 einzelne Festsetzungen nach § 9 Abs. 1, 2 und 4 BauGB getroffen werden. Diese Vorschrift begrenzt damit aber die Möglichkeit einzelner planerischer Festsetzungen - ohne Durchführung eines förmlichen Aufstellungsverfahrens, wie es auch beim einfachen Bebauungsplan erforderlich ist - auf die Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB a. F. und damit nur auf die konstitutiv einbezogenen Außenbereichsflächen; solche Festsetzungen können nicht auch für die nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB a. F. nur klarstellend erfaßten originären Innenbereichsflächen getroffen werden, zu denen das Baugrundstück gehört (vgl. Gaentzsch, BauGB, RdNr. 31 zu § 34). Dessen Bebaubarkeit richtet sich daher ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Hierfür kann dahinstehen, ob die Unmaßgeblichkeit der in Rede stehenden planerischen Festsetzungen der Innenbereichssatzung "Th.-hof" aus einer mit § 34 Abs. 4 Satz 3 BauGB a. F. konformen Auslegung und einer daraus resultierenden eingeschränkten Geltung dieser Satzung oder aus einer insoweit für das Baugrundstück anzunehmenden (Teil-)Nichtigkeit dieser Satzung wegen Verstoße gegen § 34 Abs. 4 Satz 3 BauGB a. F. folgt.

Danach gehen auch die mit der angefochtenen Baugenehmigung erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von der festgesetzten Geschoßzahl (3 statt 1) und der festgesetzten Grundfläche (424 qm statt 140 qm) ins Leere, ebenso wie es keinen Verstoß gegen Nr. 1.2 der planungsrechtlichen Festsetzungen über die offene Bauweise mit nur zulässigen Einzel- und Doppelhäusern gibt. Auch die Frage des Nachbarschutzes zugunsten des Klägers im Zusammenhang mit den genannten Festsetzungen und den erteilten bzw. - hinsichtlich der vorgeschriebenen offenen Bauweise - unterbliebenen Befreiungen stellt sich danach nicht. Insbesondere bedarf keiner Entscheidung, ob der "exponentielle" Umfang der Abweichungen und die hierfür gewährten bzw. notwendigen Befreiungen "in ihrer Summe" nachbarrechtliche Bedeutung haben und das Maß des dem Kläger Zumutbaren überschreiten, wie dieser geltend macht.

Für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB sind die Maßbestimmungsfaktoren des § 16 BauNVO nicht - möglicherweise gar mit den Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung - wie Festsetzungen eines Bebauungsplans rechtssatzmäßig heranzuziehen, vielmehr kommt es insoweit - auch aus Gründen einer praktisch handhabbaren Rechtsanwendung - auf die konkreten (tatsächlichen) Verhältnisse der umgebenden Bebauung an. Die absolute Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschoßfläche und Höhe prägt das Bild der maßgebenden Umgebungsbebauung und bietet sich deshalb als Bezugssystem zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung an (vgl. BVerwG, Urteil v. 23.03.1994 - 4 C 18.92 - DVBl. 1994, 202 u. Beschluß v. 21.06.1996 - 4 B 84.96 - BauR 1996, 823). Zum maßstabbildenden Rahmen gehört insoweit auch die auf dem Baugrundstück bereits vorhandene Tagungsstätte (vgl. BVerwG, Urteil v. 17.06.1993 - 4 C 17.91 - ZfBR 1994, 37), die als Obergrenze des aus der Umgebung hervorgehenden Rahmens anzusehen ist. Auf Grund des umstrittenen "Lückenschlusses" zwischen Haus Nr. 3 und Haus Nr. 5 wird die künftig vorhandene Tagungsstätte von ihrem Bauvolumen her den vorgegebenen Rahmen auch bei der gebotenen Einbeziehung des Altbestandes (erheblich) überschreiten. Das Erfordernis des Einfügens schließt jedoch nicht schlechthin aus, etwas zu verwirklichen, was es in der Umgebung bisher nicht gibt. Vielmehr kann eine Überschreitung des Rahmens zulässig sein, wenn das Vorhaben keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen begründet oder schon vorhandene Spannungen nicht erhöht (vgl. BVerwG, Urteil v. 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369). Diese Grundsätze gelten nicht nur für eine Überschreitung des vorgegebenen Rahmens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, sondern auch für eine Überschreitung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung (vgl. auch BVerwG, Beschluß v. 23.05.1986 - 4 B 83.86 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 113). Auch ein von seinem Bauvolumen her den gesetzten Rahmen überschreitendes Vorhaben kann - wenn auch nur ausnahmsweise - noch in eine harmonische Beziehung zur vorhandenen Bebauung treten (vgl. auch BVerwG, Urteil v. 17.06.1993 - 4 C 17.91 - a.a.O.), wenn es weder bewältigungsbedürftige Spannungen auslöst noch vorhandene Spannungen verstärkt, durch die die gegebene Situation verschlechtert, gestört, belastet oder in Bewegung gebracht wird. Ob diese objektiv-rechtlichen Grenzen vorliegend eingehalten werden, mag dahinstehen. Selbst wenn insoweit eine Rahmenüberschreitung anzunehmen wäre, könnte die Nachbarklage nur Erfolg haben, wenn damit eine bodenrechtliche Rücksichtslosigkeit  des (erweiterten) Vorhabens gerade gegenüber dem Kläger einherginge. Dies hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf das Fehlen einer erdrückenden Wirkung des durch den genehmigten Erweiterungsbau entstehenden Gesamtkomplexes für das auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehende und von der Straße selbst ca. 10 m zurückversetzte Wohngebäude des Klägers zutreffend verneint, wie die Augenscheinseinnahme durch den Senat bestätigt hat. Der Erweiterungsbau selbst wird östlich versetzt vom Wohnhaus des Klägers errichtet. Diesem gegenüber liegt das unverändert gebliebene Haus Nr. 5 der Tagungsstätte, das seinerseits ca. 10 m von der Straße abgerückt ist.

Auf Grund dieser räumlichen Gegebenheiten wäre ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu Lasten des Klägers auch insoweit nicht festzustellen, als sich infolge der "lückenschließenden" Wirkung des genehmigten Erweiterungsbaus zwischen Haus Nr. 3 und Haus Nr. 5 eine (objektiv-rechtliche) Rahmenüberschreitung nach § 34 Abs. 1 BauGB auch hinsichtlich der Merkmale "Bauweise" und "Grundstücksfläche, die überbaut werden soll" ergäbe.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2  VwGO gegeben ist.