LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 04.05.2010 - 6 Sa 239/09
Fundstelle
openJur 2012, 136250
  • Rkr:

Einzelfallentscheidung zur Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung aufgrund behaupteter Arbeitsverdichtung

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 11.03.2009 - 7 Ca 1754/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Grund einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten.

Der Kläger ist seit 10.03.1996 als Projektleiter für die Bereiche "Jugend und Verkehr, Verkehrserziehung Behinderter" bei dem Beklagten beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Der Beklagte beschäftigt regelmäßig - wie im Verlauf des Rechtsstreits zwischen den Parteien unstreitig geworden ist - mehr als 10 Arbeitnehmer.

Er kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 24.06.2008 (Blatt 9 der Akte) fristgerecht, betriebsbedingt zum 30.09.2008.

Zum Zeitpunkt der betriebsbedingten Kündigung waren neben dem Kläger in der Geschäftsstelle des Beklagten weiterhin der Projektleiter für den Bereich "Öffentlichkeitsarbeit und Sicherheitstraining" Herr H, die Projektleiterin für den Bereich "Aus- und Weiterbildung" Frau S, die Mitarbeiterin für den Bereich "Verwaltung, Finanzen, Buchhaltung" Frau B sowie eine weitere, zum 01.03.2008 neu eingestellte Projektleiterin für den Bereich "Puppenbühne", Frau O tätig. Geleitet wird die Geschäftsstelle durch den in einem Arbeitsverhältnis stehenden Geschäftsführer. Diese Funktion bekleidet seit 01.03.2007, nachdem der bisherige Geschäftsführer M im Jahr 2006 in den Ruhestand getreten ist, Herr S .

Neben dem Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte der Beklagte zeitgleich am 24.06.2008 auch die Arbeitsverhältnisse mit den Projektleitern H und S sowie mit der Verwaltungsmitarbeiterin B aus betriebsbedingten Gründen. Die Projektleiterin O wird mit verminderter Stundenzahl weiterbeschäftigt.

Anlass für die betriebsbedingten Kündigungen war eine Untersuchung durch den Landesrechnungshof des Landes Sachsen-Anhalt - der Beklagte wurde zum damaligen Zeitpunkt durch das Land institutionell gefördert - im Jahr 2006. Unter anderem bemängelte der Landesrechnungshof die zu hohe Eingruppierung der in der Landesgeschäftsstelle tätigen Mitarbeiter. Nach Vorlage neuer Arbeitsplatzbeschreibungen und einer Neubewertung der Arbeitsplätze durch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vereinbarte der Beklagte mit dem Kläger - wie auch mit den übrigen gekündigten Mitarbeitern - eine Rückgruppierung von der Vergütungsgruppe III BAT-O in die Vergütungsgruppe V c BAT- O unter gleichzeitiger Gewährung einer dem Unterschiedsbetrag zwischen den vorgenannten Vergütungen entsprechenden persönlichen, zukünftig abbaubaren Zulage.

Am 21.06.2008 entschloss sich der Beklagte, der zu diesem Zeitpunkt nicht über einen ordnungsgemäß im Amt befindlichen Vorstand verfügte, zum Ausspruch der betriebsbedingten Kündigungen. Diese erfolgten am 24.06.2008 durch den zwischenzeitlich von dem Amtsgericht S bestellten Notvorstand des Beklagten.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der streitgegenständlichen Kündigung komme keine Rechtswirksamkeit zu. Er bestreitet das Vorliegen von betriebsbedingten Kündigungsgründen. Weiter hat er die Auffassung vertreten, der Kündigung komme auch wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 KSchG - Sozialauswahl - keine Rechtswirksamkeit zu. Darüber hinaus unterliege sein Arbeitsverhältnis dem tariflichen Kündigungsschutz aus dem Tarifvertrag (zur sozialen Absicherung) LSA 2007. Dieser sei arbeitsvertraglich in Bezug genommen worden.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 24.06.2008, dem Kläger zugegangen am 24.06.2008, nicht aufgelöst werden wird.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, der Vorstand habe am 21.06.2008 einstimmig beschlossen, die Arbeitsplätze des Klägers, der beiden weiteren Projektleiter S und H sowie der Verwaltungsmitarbeiterin B aus wirtschaftlichen Gründen zu streichen. Hintergrund sei die Umstellung von institutioneller auf projektbezogene Förderung durch das Land Sachsen-Anhalt gewesen. Die zukünftig zur Verfügung stehenden Mittel seinen nicht ausreichend, um den überhöhten Personalbestand weiter aufrecht zu erhalten und die satzungsmäßigen Aufgaben zu erfüllen. Die bisher von dem Kläger und den weiter gekündigten Mitarbeitern erledigten Aufgaben sollen dem Geschäftsführer S sowie der verbleibenden Projektleiterin "Puppenbühne" übertragen werden. Daneben soll ein Teil der Buchhaltungsarbeiten extern vergeben werden. Konkret die Aufgaben des Klägers seien dem Geschäftsführer S übertragen worden. Dieser sei in der Lage, die von dem Kläger bisher ausgeübten Tätigkeiten, die maximal 1/2 Stunde Arbeitszeit pro Tag erfordern, ohne überobligationsmäßige Anstrengungen mit zu erledigen. Die in der Stellenbeschreibung des Klägers (Blatt 217 der Akte) aufgeführten Tätigkeiten seien allenfalls geeignet, einen Teilzeitarbeitsplatz zu begründen. Dies haben umfangreiche Überprüfungen durch den Geschäftsführer S ergeben. Demgemäß - so hat der Beklagte gemeint - komme der Kündigung vom 24.06.2008 Rechtswirksamkeit zu.

Der Kläger hat hierzu entgegnet, eine Prüfung der Arbeitsauslastung des Klägers sowie der weiter gekündigten Mitarbeiter durch den Geschäftsführer S habe vor Ausspruch der Kündigung nicht stattgefunden. Auch sei es unzutreffend, dass Herr S die von dem Kläger und den weiteren gekündigten Mitarbeitern bisher erledigten Arbeitsaufgaben ohne überobligationsmäßige Anstrengungen mit erledigen können. Vielmehr sei der Geschäftsführer bereits durch die ihm ursprünglich übertragenen Aufgaben vollständig ausgelastet gewesen. Die betriebsbedingte Kündigung sei weiter wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 KSchG - Sozialauswahl - rechtsunwirksam, weil der Kläger mit der neueingestellten Projektleiterin "Puppenbühne", Frau O vergleichbar sei. Diese sei evident weniger schutzwürdig als der Kläger.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.03.2009 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die vorbenannte Kündigung des Beklagten nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei rechtunwirksam, weil der Beklagte keine ausreichenden betriebsbedingten Kündigungsgründe habe vortragen können. Da die von ihm behauptete wirtschaftliche Entscheidung nahezu mit dem Kündigungsentschluss deckungsgleich sei, hätte der Beklagte substantiiert darlegen müssen, wie die bisher von insgesamt sechs Mitarbeitern verrichteten Aufgaben nunmehr auf zwei Mitarbeiter aufgeteilt werden können, ohne dass diese überobligationsmäßige Arbeitsanstrengungen erbringen müssen. Die hierzu notwendige, fundierte Prognose, wie dauerhaft die Aufgaben neu auf nur zwei Mitarbeiter verteilt werden können, habe der Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Wegen der Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 94 bis 103 der Akte verwiesen.

Gegen das am 19.06.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21.06.2009 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.09.2009 am 27.08.2009 begründet.

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt er seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Der Beklagte ergänzt seinen Sachvortrag zu der Behauptung, die dem Kläger nach der von ihm erstellten Tätigkeitsbeschreibung obliegenden Aufgaben seien nicht geeignet gewesen einen Vollzeitarbeitsplatz auszufüllen. Ein Großteil der Aufgaben habe nur auf dem Papier bestanden. Darüber hinaus habe der Kläger, insbesondere wegen fehlender Qualifikation, die ihm tatsächlich obliegenden Aufgaben nicht oder nur mangelhaft ausgeführt, wie auch zwischenzeitig vorliegende Berichte diverser Kreisverkehrswachten dokumentieren. Wegen des weiteren, umfassenden Sachvortrags des Beklagten hierzu wird auf die Berufungsbegründung sowie auf den Schriftsatz vom 19.04.2010 Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 11.03.2009 - 7 Ca 1754/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger bestreitet weiterhin das Vorliegen von betriebsbedingten Gründen. Insbesondere habe der Geschäftsführer S vor Ausspruch der Kündigung keine umfassende Arbeitsplatzanalyse vorgenommen, die einen Wegfall von vier der sechs Arbeitsplätze rechtfertigen könnte. Damit habe der Geschäftsführer erst einen Monat nach Ausspruch der Kündigung begonnen, indem er von den gekündigten Arbeitnehmern wöchentliche Tätigkeitsnachweise abgefordert habe. Dementsprechend habe es auch keine hierauf gerichtete wirtschaftliche Entscheidung des Beklagten gegeben. Dieser sei vielmehr - wie sein Vorbringen zu Beginn des Kündigungsrechtsstreites deutlich mache - davon ausgegangen, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde der Erste Abschnitt des KSchG keine Anwendung, sodass es gar keiner Kündigungsgründe für die Kündigung des Klägers und der weiteren Mitarbeiter bedürfe. Dem Beklagten sei es vielmehr darum gegangen, sich im Wege der sogenannten Austauschkündigung von "personellen Altlasten" zu trennen. Hierfür spreche auch, dass der Beklagte - unstreitig - nach Ausspruch der Kündigungen die an den Arbeitsplätzen des Klägers und der weiter gekündigten Mitarbeiter befindliche Computertechnik soft- wie auch hardwaremäßig aufgerüstet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

A.

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis wird durch die Kündigung vom 24.06.2008 nicht aufgelöst. Dieser Kündigung kommt keine Rechtswirksamkeit zu.

Sie ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG.

I.

Die streitgegenständliche Kündigung bedarf der sozialen Rechtfertigung nach den vorgenannten Bestimmungen. Der Erste Abschnitt des KSchG findet auf die Rechtsbeziehung der Parteien Anwendung. Der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG - Beschäftigung von regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmern - ist überschritten. Das ist zwischen den Parteien während des Rechtsstreits unstreitig geworden.

II.

Betriebsbedingte Gründe für eine soziale Rechtfertigung der Kündigung liegen nicht vor. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung dann sozial nicht gerechtfertigt und damit rechtsunwirksam, wenn hierfür keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 17.06.1999 - 2 AZR 522/98 - juris Rz. 13) können derartige betriebsbedingte Gründe auf inner- oder außerbetrieblichen Ursachen beruhen. Bei innerbetrieblichen Ursachen bedarf es einer wirtschaftlichen Entscheidung des Arbeitgebers, deren Umsetzung zum Wegfall von Arbeitsplätzen im Pflichtenkreis des zu kündigenden Arbeitnehmers führt und die bei Ausspruch der Kündigung zumindest greifbare Formen angenommen hat. Dabei kann die wirtschaftliche Entscheidung auch darin bestehen, zukünftig die anfallende Arbeitsmenge mit weniger Arbeitnehmern zu erledigen (Arbeitsverdichtung). Allerdings hat der Arbeitgeber, um Missbrauch zu verhindern, wegen der Nähe einer solchen wirtschaftlichen Entscheidung zum eigentlichen Kündigungsentschluss substantiiert darzulegen, wie die vorhandene Arbeitsmenge auf die verbleibenden Arbeitnehmer so umverteilt wird, dass von diesen keine überobligationsmäßigen Leistungen abverlangt werden.

An die Darlegungslast des Arbeitgebers sind gesteigerte Anforderungen zu stellen, wenn die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben hinaus läuft. Es bedarf der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss insbesondere konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Er muss auf Grund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeitsaufgaben vom verbliebenen Personal ohne überobligations-mäßige Leistungen erledigt werden können (BAG 13.02.2008 - 2 AZR 1041/06).

Diesen Anforderungen wird der Sachvortrag des Beklagten auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags im Berufungsverfahren nicht gerecht.

1.

Zur Anwendung kommen vorliegend die Grundsätze für eine auf innerbetriebliche Ursachen gestützte betriebsbedingte Kündigung. Die von dem Beklagten behauptete finanzielle Schieflage auf Grund zurückgehender Landeszuschüsse hat nach seinem Sachvortrag die Kündigung nicht unmittelbar ausgelöst. Die behaupteten Finanzprobleme waren vielmehr - so der ausdrückliche Sachvortrag des Beklagten - der Anlass für die von dem Vorstand am 21.06.2008 getroffene unternehmerische Entscheidung, die Geschäftsstelle personell umzustrukturieren.

2.

Dahinstehen kann, ob im Hinblick auf den erst am 23.06.2008 bestellten Notvorstand zum Zeitpunkt der Kündigung am 24.06.2008 überhaupt eine die Kündigung tragende wirtschaftliche Entscheidung in Form des bereits am 21.06.2008 gefassten "Vorstandsbeschlusses" vorgelegen hat.

3.

Es fehlt jedenfalls an Sachvortrag, aus dem sich eine nachvollziehbare, plausible Konzeption zur Neuverteilung der bisher von dem Kläger (und drei weiteren gekündigten Arbeitnehmern) ausgeübten Tätigkeiten ergibt.

Der Beklagte behauptet, bei einer von dem neuen Geschäftsführer S durchgeführten Arbeitsplatzanalyse in den Jahren 2007 bis 2008 habe sich ergeben, dass die in der Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers aufgelisteten Tätigkeiten jedenfalls im dort genannten Umfang nicht anfallen bzw. von dem Kläger nicht ausgeführt werden, unter anderem weil diesem die dafür notwendigen Qualifikationen fehlen. Ähnlich verhalte es sich bei den Arbeitsplätzen von zwei weiteren Projektleitern und der Verwaltungsmitarbeiterin. Deren Gesamtaufgaben könne der als Arbeitnehmer tätige Geschäftsführer sowie die mit verringerter Stundenzahl verbleibende Projektleiterin O neben ihren eigentlichen Aufgaben innerhalb der geschuldeten Arbeitszeit miterledigen, wobei ein Teil der Buchhaltungsaufgaben fremd vergeben worden sei. Konkret betrage der Arbeitsaufwand des Geschäftsführers für die von dem Kläger bisher ausgeübte Tätigkeit rund 1/2 Stunde pro Tag.

a.

Aus dem Sachvortrag des Beklagten lässt sich bereits nicht mit der hinreichenden Substanz ableiten, welche Arbeitsaufgaben im Bereich Projektleitung "Jugend und Verkehr, Verkehrserziehung Behinderter" zum Zeitpunkt der betriebsbedingten Kündigung tatsächlich bestanden. Das Vorbringen des Beklagten hierzu ist nicht widerspruchsfrei, wenn er einerseits vorträgt, die Arbeiten existieren gar nicht, andererseits jedoch behauptet, der Kläger habe ihm vertraglich zugewiesene Aufgaben nicht ausgeführt, weil er auf Grund seiner Qualifikation dazu nicht in der Lage gewesen sei oder ihm die Motivation gefehlt habe. Letztgenannter Vortrag lässt gerade nicht darauf schließen, dass der Arbeitsplatz des Klägers "nur auf dem Papier" bestanden hat. Hieraus lässt sich vielmehr ableiten, dass die Aufgaben zwar angefallen sind, der Kläger sie jedoch nicht ausgeführt haben soll. Damit ließe sich unter Umständen eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung begründen, nicht jedoch die hier streitige betriebsbedingte Kündigung.

b.

Weiter ist nicht erkennbar, wie der Geschäftsführer die Aufgaben des Klägers zusätzlich in der von dem Beklagten erwarteten "besseren" Qualität innerhalb der von ihm als Arbeitnehmer vertraglich geschuldete Arbeitzeit mit erledigen kann. Angesichts des Sachvortrages des Beklagten, der Kläger sei nicht in der Lage bzw. nicht Willens gewesen, Teile der in der Arbeitsplatzbeschreibung enthaltenen Aufgaben fachgerecht auszuüben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Übernahme der anfallenden Aufgaben in unverändert schlechter Qualität erfolgen sollte. Wenn man weiter berücksichtigt, dass der Geschäftsführer auch noch den Tätigkeitsbereich von drei weiteren gekündigten Arbeitnehmern zusätzlich zu seinen Aufgaben als Geschäftsführer sowie Projektleiter "Jugend und Verkehr, Verkehrserziehung Behinderter" übernehmen soll, so hätte es bei einer derart weitreichenden Umstrukturierung (Reduzierung von sechs Vollzeitarbeitnehmern auf einen Vollzeitarbeitnehmer und eine Teilzeitarbeitnehmerin) eines detaillierten Sachvortrages in Form eines konkreten, zur Zeit der Kündigung bereits erarbeiteten Konzeptsbedurft, wie sich der Wegfall unter anderem der Stelle des Klägers dauerhaft in die Organisationsstruktur der Geschäftsstelle des Beklagten einfügen soll. Sachvortrag dahingehend, dass die Aktivitäten des Beklagten wegen der Stellenreduzierung verringert werden sollen, liegt nicht vor. Der Beklagte behauptet vielmehr, es sei möglich, die bisherige Aufgabenstruktur "1:1" mit einem Geschäftsführer und einer teilzeitbeschäftigten Projektleiterin an Stelle von einem Geschäftsführer, vier vollzeitbeschäftigten Projektleitern und einer vollzeitbeschäftigten Verwaltungskraft aufrecht zu erhalten. Auf welchem, bei Ausspruch der Kündigung bereits erstellten Konzept diese Annahme beruht wird jedoch nicht näher dargelegt, worauf bereits das Arbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen abgestellt hat. Zwar soll der Geschäftsführer umfangreich in den Jahren 2007 und 2008 die Organisation der Geschäftsstelle überprüft und dabei die Feststellung gemacht haben, dass die Arbeitsplätze von drei Projektleitern und der Mitarbeiterin Verwaltung "nur auf dem Papier existieren". Woraus sich im Einzelnen dieses Prüfergebnis und insbesondere die darauf aufbauende Prognose, der Betrieb könne mit einem Teilzeitprojektleiter und dem Geschäftsführer bei unveränderter Aufgabenstellung dauerhaft fortgeführt werden, herleiten lässt, ist jedoch nicht vorgetragen. Aufzeichnungen, zum Beispiel in Form von Arbeitsplatzanalysen, die dieses Ergebnis nachvollziehbar belegen, sind nicht vorgelegt worden. Dahingehende, von den Mitarbeitern abgeforderte Zuarbeiten vor Ausspruch der Kündigungenliegen ebenfalls nicht vor. Die Aufforderung des Geschäftsführers, einen wöchentlichen Tätigkeitsbericht zu erstellen, datiert aus Juli 2008. Andererseits hat der Landesrechnungshof bei einer umfassenden Prüfung im Jahr 2006 insoweit - ebenso wie das Landesverwaltungsamt bei der anschließenden Stellenneubewertung - keinen Handlungsbedarf gesehen. Auch der Umstand, dass der Beklagte noch im März 2008 einen ausscheidenden Projektleiter durch eine Neueinstellung ersetzt, obwohl bereits seit einem Jahr der Personalbedarf von dem Geschäftsführer gerade deshalb überprüft wird, weil Anhaltspunkte dafür bestehen sollen, es bestehe ein Personalüberhang, lässt sich mit der behaupteten Prognose nicht vereinbaren. Der Sachvortrag des Beklagten, erst nach der Neueinstellung sei der "Phantomcharakter" der Arbeitsplätze zu Tage getreten, ist nicht mit Substanz unterlegt. Insbesondere ist nicht plausibel, in welchem Umfang der Geschäftsführer im Rahmen der von ihm arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit noch ausreichend Freiräume haben soll, um dauerhaft die zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen. Dass der Geschäftsführer, dessen Anstellung im Jahr 2007 bereits zum Zeitpunkt einer angespannten Finanzlage erfolgt ist, als Vollzeitarbeitnehmer eingestellt worden ist, obwohl hierfür gar kein Bedarf bestand - das wäre die logische Voraussetzung für die angedachte Umverteilung der Tätigkeiten - ist nicht näher belegt worden. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Sachvortrag der Parteien, dass der neue Geschäftsführer auch noch bei Ausspruch der Kündigungen erhebliche "Altlasten", die aus der Überprüfung der erhaltenen Fördermittel und der Abwicklung der im Jahr 2005 gegründeten GmbH herrühren, zukünftig zu beseitigen hatte. Wie genau seine Arbeitsplatzbeschreibung vor der Umstrukturierung aussah bleibt im Dunkeln. Den Sachvortrag des Klägers in der Berufungserwiderung betreffend die Aufgaben des Geschäftsführers hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Ebenso wenig "passt" die unstreitig im August 2008 vorgenommene Aufrüstung der bisher von dem Kläger und den weiter gekündigten Arbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze mit neuer Computertechnik in das von dem Beklagten skizzierte "Bild", es werden dauerhaft nur noch zwei Arbeitsplätze in der Geschäftsstelle benötigt.

III.

Weiter verstößt die Kündigung gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, wonach eine betriebsbedingte Kündigung auch dann sozialwidrig ist, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung nicht ausreichend berücksichtigt hat (Sozialauswahl). Dabei sind solche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen, die auf Grund ihrer fachlichen Qualifikation und rechtlich im Wege des Direktionsrechts gegeneinander austauschbar sind (BAG - ständig, zum Beispiel 15.08.2002 - 2 AZR 19/01). Nach diesen Grundsätzen hätte der Beklagte zunächst der neu eingestellten, noch in der gesetzlichen Probezeit befindlichen Projektleiterin O kündigen müssen.

1.

Diese ist nach dem sich bietenden Sachvortrag mit dem Kläger vergleichbar. Beide üben die Funktion eines Projektleiters aus. Dass der Kläger die im Bereich "Puppenbühne" anfallenden Tätigkeiten fachlich nicht meistern kann, sagt auch der Beklagte nicht. Im Gegenteil trägt er selber vor, dass er diese Tätigkeiten anlässlich des Ausscheidens des bisherigen Projektleiters unter anderem dem Kläger einseitig übertragen wollte. Dass der Kläger diese Tätigkeiten auch im Fall einer sonst "drohenden" Kündigung abgelehnt hätte, hat der Beklagte nicht dargetan.

2.

Nach den Sozialdaten ist der Kläger eindeutig schutzwürdiger. Dies folgt daraus, dass Frau O zum Zeitpunkt der streitigen Kündigung noch keinen allgemeinen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen konnte.

3.

Auch nach der neueren Rechtsprechung des BAG (09.11.2006 - 2 AZR 812/05 - "Aufgabe der Dominotheorie") steht der Sozialwidrigkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 KSchG nicht entgegen, dass - wie der Kammer aus den zeitgleich verhandelten Parallelverfahren bekannt ist - die weiterhin gekündigten Arbeitnehmer sich ebenfalls auf eine fehlerhafte Sozialauswahl in Bezug auf Frau O berufen haben.

Die vorgenannte Rechtsprechung, wonach lediglich der schutzbedürftigste Arbeitnehmer sich erfolgreich auf einen, nur einen Arbeitsplatz betreffenden Fehler in der Sozialauswahl berufen kann, betrifft nur Sozialauswahlentscheidungen, bei denen die Auswahl auf einem mathematisch exakt nachvollziehbaren Punkteschema beruht.

IV.

Nach alledem kommt der streitbefangenen betriebsbedingten Kündigung keine Rechtswirksamkeit zu.

B.

Der Beklagte trägt gemäß § 97 Abs.1 ZPO auch die Kosten des erfolglosen Rechtsmittelverfahrens.

C .

Gegen diese Entscheidung findet ein weiters Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.