OLG Koblenz, Beschluss vom 16.11.2009 - 2 Ws 526/09
Fundstelle
openJur 2012, 135371
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Trier vom 30. September 2009 wird als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Trier erhob gegen den früheren Angeklagten S... bei der 3. Strafkammer des Landgerichts Trier Anklage wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 58 Fällen, davon in 53 Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Im Hauptverhandlungstermin vom 9. Juli 2009 wurde dem Angeklagten Rechtsanwalt L... als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der Angeklagte wurde durch rechtskräftiges Urteil vom 9. Juli 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 6. August 2009 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren in Gesamthöhe von 3.493,66 € beantragt. Darin enthalten sind Schreibauslagen gemäß Nr. 7000 VV RVG in Höhe von 604,90 € (3916 Kopien). Zur Begründung dieser Auslagen hat Rechtsanwalt L... ausgeführt, die Anzahl der gefertigten Kopien (Aktenauszug) ergebe sich daraus, dass die Akte zwecks Überlassung an den Mandanten (Gewährung umfassender Information des Mandanten über den Stand des Verfahrens, Vorbereitungen von Besprechungen mit dem Mandanten) zweifach kopiert worden sei.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. August 2009 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die an Rechtsanwalt L... zu zahlende Vergütung auf 2.998,26 € festgesetzt. Die Kosten der zu erstattenden Kopiekosten wurden auf die hälftige Anzahl (1.958 Kopien) beschränkt und mit 311,20 € angesetzt. Die gegen die Kürzung der Kopiekosten gerichtete Erinnerung vom 27. August 2009 hat die Strafkammer durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Gegen diese ihm am 13. Oktober 2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers. Die Strafkammer hat ihr durch begründeten Beschluss vom 19. Oktober 2009 nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 2. Halbsatz, 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig. Über das Rechtsmittel hat der Senat gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 2. Halbsatz RVG als Kollegialgericht zu entscheiden, weil die Strafkammer die angefochtene Entscheidung in entsprechender Besetzung erlassen hat. In der Sache hat die Beschwerde aber keinen Erfolg.

1.

Der Beschluss vom 30. September 2009 ist zwar formell nicht ordnungsgemäß ergangen, da nach § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Einzelrichter für die Entscheidung zuständig gewesen wäre. Eine nach § 33 Abs. 8 S. 2 RVG mögliche Übertragung der Sache auf die Strafkammer ist nicht erfolgt. Soweit die Strafkammer die Auffassung vertritt, in Strafsachen sei das Kollegialgericht in der Besetzung von drei Richtern - ungeachtet der ausdrücklichen Regelung in §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 S. 1 RVG - wegen § 76 GVG funktionell zur Entscheidung zuständig (vgl. auch LG Dresden, Beschluss vom 7. September 2007 - 5 KLs 109 Js 27593/05; LG Ulm, Beschluss vom 12. April 2005 - 1 Qs 1027/05), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dies widerspricht nicht nur dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 8 S. 1 RVG, sondern auch der mit der Einführung der Einzelrichterzuständigkeit verfolgten gesetzgeberischen Intention, den mit einer Entscheidung durch das Richterkollegium verbundenen personellen Aufwand gemessen an der Bedeutung der kostenrechtlichen Rechtsmittelverfahren in Grenzen zu halten (vgl. BT- Drucks. 14/4722, S. 111 sowie OLG Hamm, Beschluss vom 5. Mai 2009 (3 Ws 68/09 bei juris). Darüber hinaus stehen auch keine strafprozessualen Prinzipien der in § 33 Abs. 8 S. 1 RVG vorgesehenen originären Zuständigkeit des Einzelrichters entgegen. Ein Grundsatz, demzufolge die Rechtsmittelgerichte stets mit drei Berufsrichtern zu besetzen sind, gilt in Strafsachen nicht. So sind für das Verfahren vor den Landgerichten nach § 76 GVG und für das Verfahren vor den Oberlandesgerichten gemäß § 122 Abs. 1 GVG (z.B. § 80 a OWiG; §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 RVG) durchaus andere Spruchkörperbesetzungen zugelassen (vgl. OLG Hamm a.a.O.).

Der Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit ist hier - nicht anders als im Fall des § 141 StPO (vgl. BGH NStZ 2004, 632; BayObLGSt 2004, 118; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. § 141 Rdnr. 6) - jedoch unschädlich. Dies gilt umso mehr, als nach § 33 Abs. 8 S. 4 RVG die erfolgte oder unterlassene Übertragung eines Verfahrens von dem Einzelrichter auf das Richterkollegium ausdrücklich von einer Anfechtung ausgenommen ist (vgl. zur analogen Anwendung des § 33 Abs. 8 S. 4 RVG - OLG Hamm a.a.O.).

2.

In der Sache entspricht der angefochtene Beschluss der Sach- und Rechtslage. Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a) Grundsätzlich obliegt der Staatskasse der Nachweis, dass die von dem Verteidiger geltend gemachten Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Verteidigerinteressen nicht erforderlich waren. Daher ist die Notwendigkeit der Kopierkosten im Zweifel anzuerkennen (vgl. Volpert in Burhoff, RVG, 2. Aufl. S. 56 m.w.N.). Das gilt jedoch dann nicht, wenn gewichtige Gründe dafür ersichtlich sind, nach denen einzelne Auslagen unnötig verursacht wurden und zur sachgemäßen Angelegenheit nicht erforderlich waren (OLG Brandenburg RVGreport 2007, 183). Dann muss der Verteidiger die Erforderlichkeit der Auslagen belegen, wobei ihm ein gewisser Ermessensspielraum verbleibt (vgl. KG RVGreport 2006, 109; OLG Brandenburg a.a.O.). Dabei ist der Pflichtverteidiger gegenüber der Staatskasse grds. zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet (vgl. Volpert a.a.O.).

b) Hier liegen derartig gewichtige Gründe vor, dass die Fertigung eines Aktendoppels für den Mandanten zur sachgemäßen Verteidigung nicht geboten war. Dies versteht sich bereits im Hinblick auf den Umfang der gefertigten Kopien (1.958) nicht von selbst. Zwar ist die Beurteilung, was zur Verteidigung sachgemäß ist, grundsätzlich dem Ermessen des Rechtsanwalts überlassen, denn er und nicht das Gericht, das nachträglich über die Berechnung und Erstattungsfähigkeit zu entscheiden hat, ist für die ihm anvertraute Führung der Rechtssache verantwortlich. Jedoch muss der Rechtsanwalt das ihm eingeräumte Ermessen bei der Auswahl der zu kopierenden Aktenbestandteile auch ausüben (Senatsbeschlüsse 22. Dezember 1999 - 2 Ws 814/99 und vom 15. März 2001 - 2 Ws 48/01 -). Dazu gehört gerade im Falle einer umfangreichen Strafakte, dass der Verteidiger die für den Angeklagten wesentlichen Aktenbestandteile zusammenstellt (vgl. die Nachweise bei Schmidt in Burhoff a.a.O. Nr. 7000 VV Rdnr. 39).

Daran fehlt es hier. Die Überlassung eines vollständigen Aktendoppels an den Angeklagten lässt besorgen, dass statt der gebotenen schwerpunktmäßigen Durcharbeitung des Stoffes und der entsprechenden Präsentation ein arbeitsorganisatorisch einfacherer Weg beschritten wird, um erst einmal überhaupt etwas dafür vorweisen zu können, dass der Angeklagte mit Informationen versorgt worden ist. Die Kosten solcher Vereinfachung sind aber nicht erstattungsfähig (vgl. KG RVGreport 2006, 109).

Danach war die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und S. 3 RVG.