ArbG Duisburg, Urteil vom 30.12.2009 - 2 Ca 324/09
Fundstelle
openJur 2013, 6620
  • Rkr:

xxx

Tenor

1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.300,08 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 1.639,84 € seit dem 01.12.2007 und aus 1.660,24 € seit dem 01.12.2008 zu zahlen.

2) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3) Der Streitwert beträgt 3.300,08 €.

4) Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Weihnachtszuwendung für die Jahre 2007 und 2008.

Der Kläger ist seit dem 1.10.1980 als Apothekerassistent bei der Beklagten beschäftigt und verdiente zuletzt 2.630,15 € brutto monatlich. Der Kläger befindet sich seit dem 1.4.2006 in Altersteilzeit. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages gelten für das Dienstverhältnis die "Richtlinien für die Arbeitsverhältnisse in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in der zur Zeit des Vertragsabschlusses in der "Caritas-Korrespondenz" veröffentlichten und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzten Fassung. Bei Änderungen der AVR sollte jeweils die in der "Caritas-Korrespondenz" veröffentlichte und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzte Fassung gelten, ohne dass es einer weiteren Vereinbarung bedurfte. In Anlage 1 zu den AVR 2007 und 2008 ist in Abschnitt XIV jeweils die Zahlung einer Weihnachtszuwendung an die - was bei dem Kläger der Fall ist - dem Geltungsbereich unterfallenden Mitarbeiter geregelt. Nach Art. 7 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (Grundordnung) kommen Rechtsnormen für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse mit den Mitarbeitern der erfassten Einrichtungen durch Beschlüsse von Kommissionen zustande, welche paritätisch mit Vertretern der Dienstgeber und der Mitarbeiter besetzt sind. Zuständig hierfür ist die Arbeitsrechtliche Kommission, deren Zuständigkeit und Tätigkeit in der "Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes" (AK-Ordnung) geregelt ist. Im Jahr 2007 bestand zudem eine "Ordnung für beschließende Unterkommissionen gemäß §§ 12 bis 14 der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes" (UK-Ordnung).

Gemäß Beschluss der Unterkommission II vom 22.-23.10.2007 war für alle Mitarbeiter der Beklagten abweichend von Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR im Kalenderjahr 2007 keine Weihnachtszuwendung zu zahlen. Durch Beschluss der im Jahre 2008 zuständigen Regionalkommission vom 12.11.2008 erfolgte ein entsprechender Anspruchsausschluss für das Kalenderjahr 2008. Die Bundeskommission legte in einem im Juni 2008 gefassten Beschluss unter "II. Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR", Ziffer 3. für den Umfang der Weihnachtszuwendung die Bandbreite in Höhe von 0,1 % nach oben und unten fest.

Der Kläger machte seinen Anspruch auf Weihnachtszuwendung für das Jahr 2007 erstmals mit Schreiben vom 9.1.2008 gegenüber der Beklagten geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Streichung der Weihnachtszuwendung jeweils entgegen stand, dass die AVR 2007 und 2008 - anders als noch in den Jahren 2003 - 2005 - keine entsprechenden Öffnungsklauseln für die Absenkung enthielten. Die Beschlüsse seien schon nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden. Zudem sei der nach § 8 Abs. 2 S. 2 UK-Ordnung für die Absenkung gesetzte Rahmen von 15 % nicht eingehalten worden. Ebenso seien die in den Beschlüssen jeweils enthaltenen Nebenbestimmungen nicht umgesetzt worden, was der Anspruchskürzung entgegenstünde. Gleiches folge daraus, dass der Beschluss für das Jahr 2008 nicht binnen der Dreimonatsfrist des § 11 Abs. 2 AK-Ordnung erfolgt sei. Zudem sei in diesem Jahr die Bandbreite von +/- 0,01 % nach dem Beschluss der Bundeskommission aus Juni 2008 nicht eingehalten. Die Nichtauszahlung der Weihnachtszuwendung verletze schließlich den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.300,08 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 1.639,84 € seit dem 01.12.2007 und aus 1.660,24 € seit dem 01.12.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers auf Weihnachtszuwendungen jeweils durch die genannten Beschlüsse der Unterkommission II bzw. der Regionalkommission ausgeschlossen worden seien. Die Bandbreitenregelung der Bundeskommission für das Jahr 2008 erfasse nicht die nach § 11 AK-Ordnung dynamisierten Weihnachtszuwendungen. Die Arbeitsgerichte seien schließlich auch nicht befugt, die Fragen des innerkirchlichen Verfahrens zu beurteilen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie der Terminsprotokolle verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Das Urteil der Kammer stützt sich auf die bundesdeutschen Gesetze und geltenden arbeitsrechtlichen Rechtssätze. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Arbeitsgerichte befugt, die Rechtswirksamkeit auch von Regelungen zu überprüfen, die in einem kircheneigenen Verfahren zustande gekommen sind, soweit sie sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken (sollen). Soweit kirchliche Arbeitgeber im Rahmen ihrer Privatautonomie Arbeitsverhältnisse begründen findet ungeachtet der aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV folgenden Verfassungsgarantie der Selbstverwaltung hierauf unter Beachtung der "Eigenart des kirchlichen Dienstes" das staatliche Arbeitsrecht Anwendung (BVerfG v. 4.6.1985 - 2 BvR 1703/83). Nichts anderes ergibt sich aus § 2 Abs. 3 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 21.09.2004).

I.

Der Kläger kann von der Beklagten für das Jahr 2007 noch die Zahlung einer Weihnachtszuwendung in der begehrten Höhe von 1.639,84 € brutto verlangen. Der Anspruch ist der Höhe nach unstreitig, so dass es auf die sich aus der Teilzeit des Klägers möglicherweise folgenden Aufstockungsansprüche nicht ankommt.

1) Der Anspruch ergibt sich dem Grunde nach - ohne dass es eines Rückgriffs auf den nicht schlüssig dargelegten Gleichbehandlungsanspruch bedürfte - aus dem arbeitsvertraglich wirksam in Bezug genommenen Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR. Der Kläger erfüllt die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach Abschnitt XIV (a) der Anlage 1 zu den AVR, da er am Stichtag seit dem 1. Oktober 2007 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand und nicht vor dem 31.3. des Folgejahres ausgeschieden ist. Der Umstand, dass sich der Kläger in Altersteilszeit befand, führt zu keiner anderen Bewertung, da alleine auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses abgestellt wird. Seinen Anspruch hat der Kläger gegenüber der Beklagten erstmalig mit Schreiben vom 9.1.2008 und damit rechtzeitig binnen der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 23 AVR geltend gemacht. Die Weihnachtszuwendung war spätestens am 1.12.2007 fällig (Abschnitt XIV (f) der Anlage 1 zu den AVR).

2) Der Anspruch ist durch den Beschluss der Unterkommission II vom 22.-23.10.2007 nicht rechtswirksam ausgeschlossen worden.

a) Zwar steht der Wirksamkeit des Beschlusses nach Auffassung der Kammer und entgegen der vom Kläger geäußerten Rechtsauffassungen nicht entgegen, dass die darin enthaltenen Nebenbestimmungen möglicherweise nicht sämtlich erfüllt wurden. Denn diese sind weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck als Bedingung des Anspruchsausschlusses gefasst [vgl. allg. zur Auslegung der AVR - unten 2b) bb) (1) (a)]. Vielmehr vermitteln sie den betroffenen Mitarbeitern bzw. ihren Vertretungen entsprechende - unabhängig vom Ausschluss der Weihnachtszuwendung durchzusetzende - Rechte. Ebenso wenig überschreitet die Streichung der Weihnachtszuwendung den in § 8 Abs. 2 S. 2 UK-Ordnung festgelegten Kürzungsrahmen, da sich dieser auf die Gesamtvergütung bezieht. Eine "Absenkung auf Null" ist durch § 8 Abs. 2 Nr. 2 der UK-Ordnung schon dem Wortsinn nach nicht ausgeschlossen. Es wäre auch kaum denkbar, dass der Kommission eine Absenkung auf einen infinitesimal kleinen Wert erlaubt, die vollständige Streichung dagegen untersagt sein sollte. Schließlich dient die Einhaltung der Dreimonatsfrist des § 11 Abs. 2 AK-Ordnung erkennbar dazu, zugunsten des jeweiligen Antragstellers eine zeitnahe Bescheidung sicherzustellen. Die Nichteinhaltung der Frist ist daher unbeachtlich - nachfolgend ist es zu einer Beschlussfassung gekommen.

b) Doch entfaltet der den Anspruch nach Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR betreffende Beschluss der Unterkommission II vom 22.-23.10.2007 deshalb keine Wirkungen auf das Arbeitsverhältnis des Klägers, weil er nicht wie nach den selbst gesetzten Regeln der Arbeitsrechtlichen Kommission vorgesehen veröffentlicht worden ist.

aa) Die arbeitsvertragliche Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages bewirkt, dass die AVR in ihrer jeweils geltenden Fassung Vertragsbestandteil sind. Die Bezugnahme ist ausreichend klar gefasst und im Bereich der Arbeitsverhältnisse kirchlich getragener Arbeitgeber üblich. Ihrer Geltung für das Arbeitsverhältnis des Klägers steht daher § 305 c Abs. 1 BGB nicht entgegen, welcher formularvertragliche, sogenannte Überraschungsklauseln von der wirksamen Einbeziehung in den Arbeitsvertrag ausnimmt. Wie die Parteien geht auch die Kammer davon aus, dass trotz der insoweit unpräzisen Formulierung der Verweisungsklausel nicht nur die AVR nebst Anlagen selbst, sondern zugleich sämtliche nach den kircheneigenen Regeln zustande gekommenen Normenkomplexe und Einzelregelungen der jeweiligen Beschlussorgane mit in Bezug genommen sind. Dies ergibt sich aus dem übereinstimmend zugrunde gelegten Begriffsverständnis der Parteien zu der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Wollte man dies anders sehen, wären die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission und ihrer Untereinheiten nicht wirksam in den Arbeitsvertrag des Klägers einbezogen und der Anspruch schon deshalb begründet.

bb) Die allein zum Ausschluss des Weihnachtszuwendungsanspruchs 2007 in Betracht kommende Regelung im Beschluss der Unterkommission II vom 22.-23.10.2007 ist nicht wie in der AK-Ordnung vorgesehen in der Verbandszeitschrift "neue caritas" veröffentlicht worden. Dies steht ihrer Geltung für das klägerische Arbeitsverhältnis entgegen.

(1) Voraussetzung für die wirksame Einbeziehung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission und der Unterkommissionen in die arbeitsvertragliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses der Parteien war im Jahre 2007 nach § 21 S. 2 AK-Ordnung, dass die Beschlüsse nach Maßgabe der hierfür geltenden Richtlinien in Kraft gesetzt und in der Zeitschrift "neue caritas" veröffentlicht würden. Die Veröffentlichung der Beschlüsse in der "neuen caritas" ist damit nach Auffassung der Kammer Geltungsvoraussetzung für die abändernde arbeitsvertragliche Regelung. Dies ergibt die Auslegung der AK-Ordnung.

(a) Bei den AVR handelt es sich - trotz ihres Zustandekommens unter Beteiligung der Mitarbeiterseite (dritter Weg) - um allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Sie stellen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen dar, welche die dem Caritasverband angeschlossenen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern vorgeben (vgl. BAG v. 17.11.2005 - 6 AZR 160/05). Ihre Geltung für das Arbeitsverhältnis ist nicht normativ, sondern folgt allein aus der vertraglichen Inbezugnahme (LAG Düsseldorf v. 7.8.2008 - 5 Sa 513/08). Für ihre Auslegung gelten die allgemeinen Auslegungsregeln für formularvertragliche Regelungen (§§ 133, 157 BGB; a.A. LAG Düsseldorf v. 7.8.2008 - 5 Sa 513/08: tarifvertragliche Auslegungsregeln). Danach ist Ansatzpunkt für die Auslegung in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch der verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten (vgl. BAG v. 19.3.2008 - 5 AZR 429/07 mwN).

(b) Dass die Veröffentlichung der unter dem Begriff AVR zusammengefassten, durch die jeweils zuständigen Kommissionen beschlossenen arbeitsrechtlichen Regelungen nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien konstitutive Bedeutung haben sollte, ergibt sich in Anwendung der Unklarheitenregel schon aus § 305c Abs. 2 BGB. Zwar spricht § 2 des Arbeitsvertrages jeweils von einer Veröffentlichung in der "Caritas-Korrespondenz" einerseits und einer In-Kraft-Setzung im Amtsblatt des Ortsbistums andererseits. Doch stellt die Verkündung bei Normwerken ein rechtsstaatliches Formerfordernis und damit eine Wirksamkeitsvoraussetzung dar (vgl. etwa BVerfG v. 22.11.1983 - 2 BvL 25/81 und BeckOK, Art. 82 GG Rz. 20). Es ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzip, dass sich der Bürger in zuverlässiger Weise Kenntnis vom Inhalt des zu verkündenden Rechtssatzes und der Tatsache seines In-Kraft-Tretens verschaffen kann (vgl. OVG Sachsen-Anhalt v. 9.8.2004 - 2 M 256/03). Damit ist auch für eine als allgemeine Geschäftsbedingung einzustufende Regelung in einem kirchlichen Normenkatalog die Verkündung durch Veröffentlichung im Zweifel Wirksamkeitsvoraussetzung. Das gilt erst recht, wenn man tariflichen Auslegungsregeln folgend, den Normcharakter der AVR in den Fordergrund stellen würde. Dass eine Veröffentlichung im jeweiligen Amtsblatt des Ortsbistums ausreichend sein könnte - wie möglicherweise für bloß lokal geltende Regelungen sinnvoll und im Folgejahr zulässig, wird durch die weitere kircheninterne Regelung in § 21 S. 2 AK-Ordnung 2007 ausgeschlossen. Diese qua arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltende Vertragsregelung sieht die Veröffentlichung von Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission und ihrer Unterkommissionen in der "neuen caritas" kumulativ zu ihrer In-Kraft-Setzung nach den hierfür geltenden Richtlinien vor. Letztere betreffen indes lediglich die Zuständigkeiten und das Verfahren für die Zustimmung der maßgeblichen Stellen zu den Beschlüssen. Damit kommt der Veröffentlichung der Beschlüsse in der Zeitschrift "neue caritas" die Funktion der Verkündung gegenüber dem Normunterworfenen und damit konstitutive Bedeutung zu. Gleichzeitig stellt die Regelung klar, dass die Veröffentlichung in diesem Organ an die Stelle der noch im Arbeitsvertrag vorgesehenen Veröffentlichung in der inzwischen eingestellten Sammlung "Caritas-Korrespondenz" tritt. Diese Auslegung folgt zugunsten des Klägers jedenfalls aus der Unklarheitenregel, da eine solches Ergebnis von § 2 des Arbeitsvertrages nicht ausgeschlossen ist. Es dürfte dem Ergebnis einer an tariflichen Auslegungsgrundsätzen orientierten Auslegung entsprechen.

Die Regelungen des § 21 AK-Ordnung gelten nach § 14 Abs. 4 der AK-Ordnung ausdrücklich auch für die Beschlüsse der Unterkommissionen.

3) Ob der Streichung des Anspruchs auf die Weihnachtszuwendung 2007 daneben auch - zumindest im Rahmen der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB beachtliche (vgl. zur AGB-Kontrolle der AVR: BAG v. 17.11.2005 - 6 AZR 160/05; LAG Köln v. 27.11.2006 - 14 Sa 859/06) - Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstanden - immerhin honoriert die Leistung ausweislich der Stichtags- und Rückzahlungsregelung auch eine "Dienststellentreue", welche der Kläger zum Zeitpunkt der Beschlussfassung fast vollständig erbracht hatte - kann nach alledem dahinstehen.

II.

Ebenso kann der Kläger von der Beklagten für das Jahr 2008 eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 1.660,24 € brutto verlangen.

1) Der Anspruch ergibt sich wiederum dem Grunde nach aus Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR und ist der Höhe nach unstreitig. Die Ausschlussfrist des § 23 AVR ist durch Klageerhebung am 13.2.2009 und Zustellung der Klage am 17.2.2009 gewahrt. Die Weihnachtszuwendung war spätestens am 1.12.2008 fällig (Abschnitt XIV (f) der Anlage 1 zu den AVR).

2) Der Beschluss der zuständigen Regionalkommission NRW vom 12.11.2008 hat keine Rechtswirkungen für das Arbeitsverhältnis des Klägers.

a) Allerdings stand die fehlende Veröffentlichung in der neuen caritas der Geltung des Beschlusses nicht entgegen. Denn nach § 21 Abs. 2 S. 2 AK-Ordnung 2008 galt die in S. 1 derselben Vorschrift enthaltene Soll-Vorschrift nicht für Beschlüsse nach § 11 AK-Ordnung. Um einen solchen - einrichtungsspezifische Regelungen treffenden - Beschluss handelte es sich.

b) Jedoch folgt die Unwirksamkeit der Streichung aus der kircheninternen Kompetenzbeschränkung durch den Beschluss der Bundeskommission bezüglich der Weihnachtszuwendung aus Juni 2008. Dieser sieht in Ziffer 3 eine Beschränkung der der Regionalkommission obliegenden Regelungsmacht hinsichtlich der Höhe der Weihnachtszuwendung vor.

aa) Nach § 10 Abs. 1 S. 2, 1. HS AK-Ordnung 2008 bestehen in den ausschließlich der Zuständigkeit der Regionalkommissionen unterfallenden Regelungsbereichen - um einen solchen handelte es sich bei dem Vergütungsbestandteil Weihnachtszuwendung nach § 10 Abs. 2 S. 1 AK-Ordnung - Bandbreiten. Diese betragen für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile von dem mittleren Wert 15 v. H. Differenz nach oben und nach unten, wobei die Bundeskommission den Umfang der Bandbreiten durch Beschluss verändern kann. Durch ihren Beschluss aus Juni 2008 hat die Bundeskommission die Bandbreite für die Festsetzung der Höhe der Weihnachtszuwendung auf 0,01 % nach oben und nach unten abgesenkt. Diese Bandbreite gilt auch für die einrichtungsspezifischen Regelungen nach § 11 AK-Ordnung. Diese Vorschrift ermöglicht ein Abweichen von den für den gesamten Zuständigkeitsbereich einer jeweiligen Regionalkommission geltenden Festlegungen. Sie erweitert indes nicht den in § 10 AK-Ordnung abstrakt definierten und jeweils durch die Bundeskommission konkret bestimmten Rahmen der Regelungskompetenz der Regionalkommissionen. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 11 AK-Ordnung ausschließlich Verfahrensregelungen und nicht wie § 10 AK-Ordnung Bestimmungen zur Regelungskompetenz der Regionalkommissionen enthält. Angesichts der hierarchisch gegliederten Kompetenzstruktur zwischen Bundes- und Regionalkommission kann auch nicht angenommen werden, dass die Regionalkommissionen hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter einzelner Einrichtungen Festlegungen außerhalb des durch die Bundeskommission gesetzten Rahmens setzen dürften. Eine solche Auslegung von § 11 Abs. 1 AK-Ordnung würde jedenfalls als für den Kläger nachteilig nach § 305c Abs. 2 BGB gegenüber der hier vertretenen Auslegung zurücktreten.

bb) Eine vollständige Streichung der Weihnachtszuwendung hält sich nicht innerhalb der von der Bundeskommission für die Weihnachtszuwendung festgesetzten Bandbreite von 0,01%. Es ist nicht vorgetragen, dass die Regionalkommission eine Abweichung hiervon nach § 10 Abs. 4 AK-Ordnung beantragt hätte. Damit war die Absenkung der Weihnachtszuwendung 2008 auf Null unwirksam. Allerdings bestimmt § 10 Abs. 2 S. 4 AK-Ordnung, dass Beschlüsse der Regionalkommission, welche die von der Bundeskommission festgelegten Bandbreiten überschreiten, als Beschluss der äußersten noch zulässigen Vergütungshöhe auszulegen sind. Da für die Beschlüsse der Regionalkommissionen als paritätisch besetztem Gremium - entgegen den im AGB-Recht grundsätzlich geltenden Regeln (vgl. nur BAG v. 18.12.2008 - 8 AZR 81/08; v. 11.2.2009 - 10 AZR 222/08) - wohl nicht vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion erfasst werden (so LAG Rheinland-Pfalz v. 11.11.2004 - 6 Sa 260/04; vgl. auch die Revisionsentscheidung: BAG v. 17.11.2005 - 6 AZR 160/05 jdf. hinsichtlich solcher Regelungen, die Tarifregelungen entsprechen), dürfte diese Regelung wirksam sein. Indes hat sich die Beklagte nicht hierauf berufen und dargelegt, von welchem mittleren Wert ausgehend sich die Abweichung - welche in der Größenordnung von 0,16 € liegen dürfte - berechnet.

III.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

IV.

Die Beklagte trägt als unterliegende Partei gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits.

V.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und bemisst sich nach dem Wert des Zahlungsantrags.

VI.

Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben. Insbesondere handelt es sich bei den AVR und den sie ergänzenden bzw. abändernden streitgegenständlichen Regelungen nicht um Tarifverträge im Sinne von § 64 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbGG. Die Entscheidung beruht nicht auf der möglicherweise obergerichtlich abweichend vertretenen Auffassung zu den anzuwendenden Grundsätzen bei der Auslegung der AVR (§ 64 Abs. 3 Nr. 3 ArbGG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei

B e r u f u n g

eingelegt werden.

Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss

innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat

beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: 0211 7770 2199 eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden

- Dr. Heiden -