Bayerischer VGH, Urteil vom 24.10.2012 - 3 B 08.2648
Fundstelle
openJur 2012, 129919
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die 1952 geborene Klägerin steht als Volksschullehrerin im Dienst des Beklagten. Die Klägerin erlitt am 23. März 1994 mit ihrem Pkw auf der Fahrt von der Schule nach Hause einen Unfall, den die Bezirksfinanzdirektion ... mit Bescheid vom 22. November 1994 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge HWS/LWS Distorsion anerkannte. Mit Bescheid der Bezirksfinanzdirektion ... vom 21. Februar 1996 wurden die Dienstunfallfolgen um einen beidseitigen Tinnitus erweitert. Unter dem 9. September 2003 folgte die Anerkennung einer Anpassungsstörung als weitere Dienstunfallfolge. Darüber hinaus gewährte die Bezirksfinanzdirektion mit Bescheid vom 10. September 2003 Unfallausgleich ab dem Unfallzeitpunkt auf Grundlage einer MdE von 40 v. H.

Im Auftrag des Landesamts für Finanzen (Landesamt) erstellte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... ein nervenärztliches Gutachten vom 3. Juli 2006. Darin kommt sie zu dem Ergebnis, dass auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet keine Körperschäden bzw. Grundgesundheitsstörungen mehr vorlägen. Hinsichtlich des Tinnitus werde auf das HNO-ärztliche Gutachten der Klinik und Poliklinik für Hals, Nasen und Ohrenkranke der Universität ... vom 19. März 2005 verwiesen. Der Unfall sei nicht geeignet gewesen, bei den meisten Menschen eine gravierende psychische Störung hervorzurufen. Die Klägerin hätte mit der ihr zumutbaren Willensanspannung die angegebenen Beschwerden ganz oder bald überwinden können. Aus nervenärztlicher Sicht seien wegen der Unfallfolgen keine weiteren Behandlungsmaßnahmen erforderlich. Unter Zugrundelegung der erhobenen psychopathologischen Befunde sei nicht ersichtlich, dass unfallbedingt weitere psychotherapeutische Sitzungen erforderlich seien, da sich keine Hinweise für eine nennenswerte depressive Reaktion wegen des Tinnitus ergäben und das Ausmaß auch so gering sei, dass deswegen die Klägerin nicht psychopharmokalogisch behandelt werden müsse.

Mit Bescheid vom 28. August 2006 stellte das Landesamt fest, dass derzeit keine nervenärztlichen/psychiatrischen Gesundheitsstörungen als Folge des Dienstunfalls vom 23. März 1994 vorlägen. Etwaige derzeit bestehende Beschwerden seien nicht ursächlich auf den Dienstunfall zurückzuführen. Beamtenrechtliche Unfallfürsorgeleistungen für Behandlungen auf psychiatrischem Fachgebiet würden künftig bzw. nach dem 22. Mai 2006 (Untersuchungszeitpunkt durch die Gutachterin) nicht mehr gewährt. Weitere psychotherapeutische Sitzungen als die zuletzt mit Schreiben vom 24. Mai 2004 genehmigten zehn Sitzungen würden nicht mehr genehmigt.

Mit weiterem Bescheid vom 29. August 2006 stellte das Landesamt fest, dass ein Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich nicht mehr bestehe und die Zahlung mit Ablauf des 30. September 2006 eingestellt werde.

Einen gegen beide Bescheide erhobenen Widerspruch wies das Landesamt mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2006 zurück.

Am 11. Oktober 2006 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg mit dem Antrag,

die Bescheide des Landesamts vom 28. August 2006 und vom 29. August 2006 sowie den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 14. September 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Verhaltenstherapien vom 14. Juli 2005 und 10. August 2005 zu genehmigen.

Bei der Klägerin liege keine Veränderung des Krankheitsbildes vor, so dass die bereits festgestellten Dienstunfallfolgen weiterhin bestünden. Es sei fraglich, ob der zu beklagende Tinnitus in das Fachgebiet der Gutachterin Dr. ... falle, zumal sie hierzu überhaupt keine eigenen Untersuchungen angestellt, sondern statt dessen auf die HNO-ärztlichen Gutachten verwiesen habe. Deswegen könne auch der Gutachterin nicht gefolgt werden, inwieweit lediglich eine MdE von 10 v. H. anzunehmen sei. Zweifel an deren Gutachten seien umso mehr begründet, als sich dieses allenfalls rudimentär mit den vorausgegangenen Gutachten der Universitätsklinik ... vom 19. März 2005 auseinandersetze. Diesem zufolge sei durchaus zu erwarten, dass durch den Tinnitus auch in Zukunft weitere Behandlungskosten entstehen würden. Dies gelte auch für die mit dem Tinnitus verbundene Anpassungsstörung. Diese sei nämlich ursächlich auf den Tinnitus zurückzuführen.

Mit Urteil vom 16. Februar 2007 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass über den 30. September 2006 hinaus Unfallausgleich und Unfallfürsorgeleistungen für Behandlungen auf psychiatrischen Fachgebiet nach dem 22. Mai 2006 gewährt würden, da keine nervenärztlichen/psychiatrischen Gesundheitsstörungen als Folgen des Dienstunfalls vom 23. März 1994 mehr vorlägen. Das Verwaltungsgericht habe über den Klageantrag aufgrund des nervenärztlichen Gutachtens der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... entscheiden können. Es halte nach pflichtgemäßem Ermessen auch nicht für erforderlich, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Das Gutachten weise weder Lücken noch grobe Widersprüche auf und lege die Gründe für die Beurteilung der vorhandenen Befunde nachvollziehbar dar. Die Ergebnisse dieser Begutachtung seien von der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt worden.

Die Klägerin hat gegen das Urteil die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Februar 2007, die Bescheide des Landesamts vom 28. August 2006 und vom 29. August 2006 sowie den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 14. September 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Verhaltenstherapien vom 14. Juli 2005 und 18. August 2005 zu genehmigen.

Im Rahmen der Berufungsbegründung, in der auf die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen wurde, legte die Klägerin ein ärztliches Gutachten von Dr. ... vom 20. März 2007 mit psychologischer Zusatzbegutachtung durch Frau Diplompsychologin ... vor, wonach das Gutachten, auf das sich das Verwaltungsgericht gestützt habe, keinen Bestand haben könne, zumal die unstreitige strukturelle Verletzung der Halswirbelsäule durch ein unfallbedingtes HWS-Schleudertrauma geeignet gewesen sei, den von der Klägerin beklagten Tinnitus hervorzurufen. Zutreffend werde auch auf das Gutachten von Prof. Dr. ... verwiesen. Die vorgelegten Gutachten attestierten auch eine psychotherapeutische Behandlungsbedürftigkeit der Ohrgeräusche, auch und gerade mit Blick auf die Folgen für die berufliche Tätigkeit der Klägerin als Lehrerin. Die schwerstgradige Tinnitusbelastung stehe im Kontext mit einer mäßigen Depressivität.

Der Beklagte beantragte die Zurückweisung der Berufung.

Mit Beschluss vom 11. Februar 2009 hat der Senat Beweis erhoben über die Frage, ob aufgrund des anerkannten Dienstunfalls vom 23. März 1994 weiterhin behandlungsbedürftige nervenärztliche/psychiatrische Gesundheitsstörungen bei der Klägerin bestehen, die ursächlich auf den Dienstunfall zurückzuführen sind und, falls diese Frage bejaht wird, wie hoch die darauf beruhende MdE ist.

Unter dem 19. April 2010 legte der Gutachter sein psychiatrisches Gutachten vor.

Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 lehnte die Klägerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Einen im Erörterungstermin vom 18. Juli 2011 in Aussicht genommenen gerichtlichen Vergleichsvorschlag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 29. September 2009 ab und beantragte die Einholung eines neuen psychiatrischen Gutachtens.

Mit Beschluss vom 22. November 2011 holte das Gericht ein weiteres psychiatrisches Gutachten ein.

Unter dem 30. Mai 2012 mit Ergänzung vom 27. August 2012 hat der Sachverständige sein Gutachten vorgelegt. Hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

Gegen das Gutachten haben die Beteiligten keine Einwände erhoben und auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Mit Einverständnis der Parteien konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung der Klägerin, die darauf gerichtet ist, unter Aufhebung des Ersturteils und der ablehnenden Bescheide weiterhin Unfallausgleich zu erhalten sowie den Beklagten zu verpflichten, die Verhaltenstherapien vom 14. Juli 2005 und vom 10. August 2005 zu genehmigen, bleibt ohne Erfolg. Die Bescheide des Landesamts vom 28. August 2006 und vom 29. August 2006 i.d. Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2006 sind rechtmäßig. Ein Anspruch der Klägerin auf Unfallfürsorgeleistungen für Behandlungen auf psychiatrischem Fachgebiet sowie für die Gewährung von Unfallausgleich besteht nicht.

1. Ablehnung von weiteren beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeleistungen für Behandlungen auf psychiatrischem Fachgebiet (Bescheid vom 28.8.2006).

Die Erstattung von Heilbehandlungskosten gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 2, § 33 BeamtVG setzt voraus, dass der Beamte durch einen Dienstunfall verletzt worden ist. Dies ist hier unstreitig geschehen. Der Unfall wurde mit Bescheid der Bezirksfinanzdirektion vom 22. November 1994 als Dienstunfall mit der Unfallfolge HWS/LWS Distorsion anerkannt. Des Weiteren wurde mit Bescheid vom 21. Februar 1996 als weitere Dienstunfallfolge ein Tinnitus beidseits und unter dem 9. September 2003 eine Anpassungsstörung anerkannt. Entscheidungserheblich ist vorliegend die Frage, ob aufgrund der dienstunfallrechtlich anerkannten Anpassungsstörung über den 22. Mai 2006 hinaus weitere psychotherapeutische Behandlungen erforderlich sind. Die Anpassungsstörung ist aufgrund der anerkannten Dienstunfallfolge eines beidseitigen Tinnitus entstanden. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und wurde auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt. Streitig ist jedoch zwischen den Beteiligten, ob hinsichtlich der anerkannten Anpassungsstörung weitere psychotherapeutische Behandlungen notwendig sind.

Unfallfolgen können nur dann als durch einen Dienstunfall verursacht anerkannt werden, wenn dieser zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache im Rechtssinn bildet. Diese unabdingbare Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, nur dann erfüllt, wenn der Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht ist (vgl. BVerwG vom 17.2.1989 - 2 B 179/88 <juris>; vom 22.10.1981 -2 C 17.81 ZBR 1982, 307 m.w.N.; dieser Rechtsprechung folgend z.B. Beschluss d. Senats vom 24.3.2006 - 3 ZB 05.431 <juris>; Urteil vom 23.9.2011 - 3 B 10.288 <juris>).

Ursächlich (mitursächlich) im Sinne des Dienstunfallrechts sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur solche für den eingetretenen Schaden ursächliche Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Hiernach ist unter mehreren zusammenwirkenden Bedingungen eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinn anzusehen ist, wenn sie annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs hatte (vgl. BVerwG Urteil vom 30.6.1998 - Az. 2 C 3.88 BVerwGE 80, 4 ff.).

Vorliegend folgt der Senat dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten von Prof. Dr. ... Er hat in seinem Gutachten vom 30. Mai 2012 mit Ergänzung vom 27. August 2012 unter Zugrundelegung der persönlich erhobenen Befunde und nach Interpretation und Analyse der zitierten Vorberichte und der eingesehenen ärztlichen Befundberichte (u.a. auch die von der Klägerin zur Begründung der Zulassung der Berufung herangezogenen Gutachten und Befundberichte) sowie der persönlichen Angaben anlässlich des Gutachtensgesprächs aktuell keine klinisch relevanten Störungen auf psychiatrischem Gebiet festgestellt. Außerdem ist auch im Zeitpunkt der Begutachtung keine Anpassungsstörung mehr zu erkennen. Vor dem Hintergrund der vordiagnostizierten (und am ehesten unfallbedingten) Tinnituserkrankung hat sich in der Folge zunächst offensichtlich eine sog. Anpassungsstörung (ICD 10: F 43) entwickelt, die nach der Diagnosestellung der Tinnitusstörung über einen längeren Zeitraum mit typischen funktionellen, psychosomatischen und psychovegetativen Symptomen einherging. Bei der Klägerin kann somit eine sog. abnorme - lebensgeschichtlich erklärbare und psychosoziale ableitbare - milieureaktive Auslösesituation (Tinnituserkrankung) als psychogenes Moment angenommen werden. Die Charakterstruktur der Klägerin ist durch deutlich anankastische (zwanghafte) und neurasthenische Persönlichkeitszüge geprägt, die oft mit einer ausgeprägten psychosomatischen und psychovegativen Reaktionsbildung einhergehen. Die in der Vergangenheit bestehende leichte depressive Reaktion (im Sinne einer Anpassungsstörung) stellte somit eine eher leichte Form einer sog. abnormen Erlebnisreaktion (bzw. Anpassungsstörung) dar. Aktuell konnten allerdings keine klinisch relevanten Störungen auf psychiatrischem Gebiet mehr festgestellt werden. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass in der Vergangenheit zwar eine Anpassungsstörung vorgelegen hat, dass aktuell aber weiterhin keine behandlungsbedürftigen nervenärztlichen und/oder psychiatrischen Gesundheitsstörungen objektiviert werden konnten, die ursächlich auf den Dienstunfall zurückzuführen wären. Die von der Klägerin während der Begutachtung angegebenen Beschwerden sind mit der (allerdings deutlich gebesserten) Tinnituserkrankung erklärbar, wiewohl aber auch eine gewisse Aggravation (subjektive Verstärkung der Beschwerden) zu objektivieren war. Die aktuell von der Klägerin geschilderten Symptome sind im Wesentlichen den erkennbaren Akzentuierungen und Persönlichkeitseigenschaften (Charaktereigenschaften) zuzuschreiben.

Ausgehend von der aktuellen Situation hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. August 2012 untersucht, ob nach dem 22. Mai 2006 weitere nervenärztlich/psychiatrische Behandlungen notwendig waren. Unter nochmaliger Gewichtung der verschiedenen Anknüpfungstatsachen (insbesondere Rezeption der vorhergehenden fachärztlichen Interventionen und verschiedener stationär/ambulanter Behandlungen) kann bezogen auf die diagnostizierte Anpassungsstörung davon ausgegangen werden, dass nach dem 22. Mai 2006 nervenärztlich psychiatrische Behandlungen nur in größeren Abständen notwendig gewesen waren, zumal bezüglich dieses Zeitpunkts die Klägerin im Rahmen der Begutachtung gegenüber dem Sachverständigen angegeben hatte, dass sich bereits ab Mitte 2006 eine Stabilisierung ergeben habe und die Klägerin auch hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit keine relevanten krankheitsbedingten Fehlzeiten zeigte. Es ist aber ab dem Zeitpunkt Mai 2006 nicht von einer nervenärztlichen, psychiatrischen Behandlungsbedürftigkeit auszugehen.

Bezogen auf die heutige Situation hat der Sachverständige ausgeführt, dass im Rahmen einer ambulanten Psychotherapie es der Klägerin möglich wäre, durch Erlernen neuer Verhaltensstrategien (kognitive Umstrukturierungen) einen besseren Umgang mit ihrer Grunderkrankung (Tinnitus) zu erzielen, was bereits in der Vergangenheit schon gelungen sei. Auch eine begleitende medikamentöse Therapie (wie z.B. aktuell mit Fluoxetin) könne weiterhin therapeutisch zielführend sein. Da diese Symptome aber im Wesentlichen Teil der Charakterstruktur der Klägerin sind, können sie nicht mehr auf den Dienstunfall zurückgeführt werden, was entsprechend dem Ergänzungsgutachten vom 27. August 2012 für den Zeitraum nach dem 22. Mai 2006 gilt.

2. Anspruch auf Unfallausgleich (Bescheid vom 29.8.2006)

Nach § 35 Abs. 1 BeamtVG erhält der Beamte, der infolge eines Dienstunfalls für eine Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, solange dieser Zustand andauert, einen Unfallausgleich. Wesentlich bedeutet, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 25 v.H. beträgt. Das folgt aus der Verweisung in § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG auf § 31 Abs. 1 bis 3 BVG. Daran ist aber auch nach der zum 21. Dezember 2007 in Kraft getretenen Neufassung des § 31 BVG (BGBl I S. 2904) festzuhalten. Der Regelungsgehalt des § 31 Abs. 2 BVG a.F. ist, nach dem eine bis zu 5 v.H. geringere Minderung der Erwerbsfähigkeit von höherem Zehnergrad mitumfasst ist, in § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG aufgenommen worden. Zwar verweist § 35 BVG nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG. Über den Verweis auf § 31 Abs. 1 BVG, der aufgrund von § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG auch einen Grad der Schädigungsfolgen von 25 v.H. umfasst, behält diese Regelung zugleich auch ihre Bedeutung für den Begriff der wesentlichen Minderung der Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 35 BeamtVG (BayVGH vom 29.7.2010 - 3 B 09.659; OVG Bremen vom 29.10.2008 - 2 A 38/05 <juris> - Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, BeamtVG § 35 RdNr. 6).

Nach dem Gutachten des Sachverständigen, dem der Senat folgt, hat eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Zeitraum nach dem 30. September 2006 für maximal zwölf Monate von maximal 10 v.H. bestanden. Weitere Einschränkungen sind aus nervenärztlich-psychiatrischer Sicht nicht zu objektivieren. Dieser Feststellung im Sachverständigengutachten ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Demnach besteht auch nach dem 30. September 2006 kein Anspruch auf Unfallausgleich.

Die Berufung der Klägerin war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO sowie des § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht vorliegen.

Beschluss

In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 16. Februar 2007 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf 8.864 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Streitwert setzt sich zusammen aus dem Regelwert von 5.000 Euro für das Fortbestehen von Dienstunfallfolgen und von 3.864 Euro für den beantragten Unfallausgleich (24-facher Betrag aus der MdE von 40 v.H. gemäß dem Satz im Zeitpunkt der Klageerhebung, § 52 Abs. 1 GKG).