BGH, Beschluss vom 25.09.2012 - 4 StR 137/12
Fundstelle
openJur 2012, 129909
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 13. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehobena) hinsichtlich beider Angeklagten, aa) soweit sie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind (Fall II.1 der Urteilsgründe), jedoch bleiben insoweit die Feststellungen zum Weiterverkauf der gelieferten 1.065 Gramm Kokain bestehen, bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, b) hinsichtlich des Angeklagten M. , soweit gegen ihn der Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 59.699,60 Euro angeordnet worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren (Mg. ) bzw. acht Jahren und sechs Monaten (M. ) verurteilt. Außerdem hat es unter anderem sicher- gestelltes Kokaingemisch eingezogen, den Verfall bei dem Angeklagten Mg. sichergestellten Bargeldes und gegenüber dem Angeklagten M. den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 59.699,60 Euro angeordnet. Die hiergegen eingelegten Revisionen führen jeweils auf die Sachrüge zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 31. Juli 2012 angeführten Gründen offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. I.

Die Verurteilung der Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe wegen mittäterschaftlich begangener unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen vereinbarte der Angeklagte M. mit einem auf der Insel Mallorca lebenden Rauschgifthändler namens A. die Lieferung einer Kokainprobe. A. schickte daraufhin einen Kurier mit 15 Gramm Kokainzubereitung von Spanien nach Halle/Saale. Dort wurde das Rauschgift auf Anweisung des Angeklagten M. von dem Ange- 1 klagten Mg. übernommen. In der Folge verhandelte der Angeklagte M. mit A. über den Preis der Hauptlieferung. Nach dem erfolgreichen Ab- schluss der Verhandlungen ließ A. weitere 1.050 Gramm Kokainzuberei- tung durch einen Kurier von Spanien nach Halle/Saale bringen. Die insgesamt gelieferten 1.065 Gramm Kokainzubereitung hatten einen Cocain-Hydrochlorid-Anteil von 27,4 % und wurden von den Angeklagten mit Gewinn weiterverkauft.

2. Täterschaft und Teilnahme bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln richten sich nach den zu den §§ 25 ff. StGB entwickelten allgemeinen Grundsätzen. Mittäter einer Einfuhr kann daher auch sein, wer das Rauschgift nicht eigenhändig über die Grenze transportiert, sondern von anderen Personen auf das Bundesgebiet verbringen lässt (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 1984 - 3 StR 438/84, NJW 1985, 1035). Wesentliche Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und das Vorhandensein von Tatherrschaft, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Betreffenden abhängen (BGH, Urteile vom 8. November 1989 - 3 StR 377/89, NStZ 1990, 130; vom 12. Januar 1988 - 1 StR 614/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 8; vom 10. Juni 1987 - 3 StR 119/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 4). Daher kann nicht schon in jedem Veranlassen der Einfuhr von Betäubungsmitteln eine täterschaftliche Einfuhr gesehen werden. Beschränkt sich der Käufer darauf, Betäubungsmittel im Ausland zu bestellen und bleibt es völlig dem Verkäufer und den von ihm beauftragten Kurieren überlassen, wie die bestellten Betäubungsmittel nach Deutschland gelangen, scheidet die Annahme einer Mittäterschaft regelmäßig aus (BGH, Beschluss vom 22. Januar 1987 - 1 StR 647/86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 3). Dagegen kann eine mittäterschaftliche Einfuhr des Käufers zu bejahen sein, wenn das Verbringen des Rauschgifts über die deutsche Grenze ein Teil des mit dem 4 Verkäufer vereinbarten Gesamtkonzepts ist (BGH, Urteil vom 25. August 1987 - 1 StR 268/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 6).

Das Urteil enthält keine Feststellungen dazu, ob und inwieweit die Angeklagten Einfluss auf die Gestaltung des Einfuhrvorgangs hatten oder ob hierauf bezogene Vereinbarungen getroffen wurden. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Menge und zur Qualität des gelieferten Rauschgiftes sowie dessen gewinnbringenden Weiterverkauf (UA S. 5 letzter Absatz und UA 6 erster Absatz) können bestehen bleiben.

Mit der Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe und der dafür verhängten Einzelstrafen verlieren auch die Gesamtstrafenaussprüche ihre Grundlage.

II.

Die gegenüber dem Angeklagten M. getroffene Anordnung des Ver- falls eines Geldbetrages von 59.699,60 Euro war aufzuheben, weil das Landgericht keine Feststellungen zu einer gesamtschuldnerischen Haftung getroffen hat.

Die Strafkammer hat zu Recht versucht, nach § 73a StGB die von dem Angeklagten M. durch den Verkauf der Betäubungsmittel erzielten Erlöse abzuschöpfen. Dabei hat sie jedoch nicht dargelegt, warum sie insofern nicht von einer - zumindest teilweisen - gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Angeklagten Mg. ausgeht. Dies war hier unerlässlich, weil die Angeklag- 5 ten nach den Feststellungen alle Taten gemeinsam begangen haben und der Angeklagte Mg. mit der Entgegennahme der Kaufpreiszahlungen der Ab- nehmer befasst war, sodass davon ausgegangen werden muss, dass auch er (Mit-)Verfügungsmacht an dem Geld hatte. In einem solchen Fall haften die Angeklagten beim Verfall (von Wertersatz) als Gesamtschuldner (BGH, Beschluss vom 23. November 2011 - 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vgl. Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 52). Der Umstand, dass das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten Mg. nach § 73c StGB von einer Verfallsanordnung abgesehen hat, führt nicht zum Wegfall des Gesamtschuldverhältnisses, weil darin nur ein Verzicht auf eine unmittelbare Inanspruchnahme dieses Angeklagten zu sehen ist, die übrigen Wirkungen der Gesamtschuld (Innenregress) aber fortbestehen.

Anders als bei einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO, bedarf es bei der Anordnung von Wertersatzverfall nach § 73a StGB des Ausspruchs über die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter oder Teilnehmer schon im tatrichterlichen Urteil, weil nach § 459g Abs. 2 StPO aus der Verfallsanordnung im Strafurteil wie aus einem zivilgerichtlichen Zahlungstitel nach den §§ 459 ff. StPO vollstreckt werden kann. Dies erfordert - nicht anders als in einem zivilgerichtlichen Urteil und entsprechend den dort verwendeten Formulierungen - die Aufnahme einer (im Urteilszeitpunkt bekannten) gesamtschuldnerischen 9 Haftung schon in den "Titel" (BGH, Beschluss vom 23. November 2011 - 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vgl. Beschluss vom 6. Juli 2007 - 2 StR189/07).

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