LG Düsseldorf, Urteil vom 14.08.2012 - 37 O 8/11
Fundstelle
openJur 2012, 129881
  • Rkr:
Tenor

Das Versäumnisurteil vom 2. Februar 2012 wird bestätigt.

 

Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

 

Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 25.000,00 fortgesetzt werden.

Tatbestand

Der klagende Verband nimmt die Beklagte mit seiner am 21. April 2012 bei Gericht eingegangenen Klageschrift aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung und auf Erstattung vorprozessualer Kosten nebst Zinsen in Anspruch.

Die Beklagte wirbt bei Gewerbetreibenden und Freiberuflern mit Formularschreiben, wie sie in den nachfolgend wiedergegebenen Tenor des in dieser Sache ergangenen Versäumnisurteils eingeblendet sind, für einen entgeltlichen Eintrag in ein Internet-Branchenverzeichnis.

Die satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers bestehen in der Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und insbesondere in der Achtung darauf, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Er nimmt für sich in Anspruch, gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt zu sein.

Der Kläger, der behauptet, von der Gestaltung der Schreiben der Beklagten erstmals Anfang Januar 2011 Kenntnis erhalten zu haben, hält deren Aufmachung für täuschend, weil in ihnen der rechtsgeschäftliche Angebotscharakter nicht hinreichend deutlich herausgestellt werde. Insbesondere durch die Aufforderung zur Prüfung und gegebenenfalls Ergänzung bzw. Korrektur fehlender oder fehlerhafter Daten - bereits vorausgefüllt seien die Felder „Betriebsname“, „Betriebsstätte“ mit der Anschrift und „Telefon“ mit der Telefon­nummer - werde den Adressaten suggeriert, dass es sich lediglich um die Aktualisie­rung eines bereits bestehenden (kostenlosen) Eintrages handele, nicht um das An­gebot zum Abschluss eines Vertrages, der einen monatlichen Kostenbeitrag vorsehe, zumal die Kostenlosigkeit für solche Dienste auch üblich sei. Außerdem sei die in den Schreiben zu sehende Werbung auch deshalb irreführend, weil in ihnen der Gesamtpreis für den Basiseintrag nur auf der Rückseite im „Kleingedruckten“ wiedergegeben sei.

Mit dem am 2. Februar 2012 verkündeten Versäumnisurteil hat die Kammer durch ihren Vorsitzenden die Beklagte antragsgemäß und unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr an Dritte, zu denen vertragliche Beziehungen nicht bestehen, Schreiben zwecks Eintrag in ein bestimmtes Werk, insbesondere die „A“, zu versenden, ohne entsprechend klar und eindeutig die Bedingungen für die Inanspruchnahme eine Eintrags anzugeben, wenn dies geschieht, wie durch Versendung der nachstehend wiedergegebenen Schreiben:

"Bild/Grafik nur in der Originalentscheidung vorhanden"

Außerdem wurde die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 166,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2011 zu zahlen.

Gegen das ihr am 16. Februar 2012 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am gleichen Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 20. Februar 2012 Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil zu bestätigen.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und zieht die Klagebefugnis des Klägers in Zweifel Außerdem hält sie ihre Schreiben für nicht zu beanstanden, weil in ihnen alle relevante Informationen zu finden seien.

Hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 2. Mai 2012 vorgenommenen Klageerweiterung haben den Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. Juni 2012 den Verzicht auf die von der Klägerin zum Gegenstand der Klageerweiterung gemachte Forderung für immer verzichtet hatte.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

(1)

Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist davon auszugehen, dass der Kläger im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. UWG klagebefugt ist (zur Einordnung der Klagebefugnis - auch - als Prozessvoraussetzung vgl. Köhler / Bornkamm, UWG - Kommentar, 30. Aufl., RN 3.9 ff. zu § 8 UWG). Dass dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte, ist nach den anzuwenden Grundsätzen des Freibeweises (vgl. Köhler / Bornkamm, a.a.O., RN 3.9 zu § 8 UWG; BGH GRUR 2001, 846, 847 und Musielak, ZPO - Kommentar, 9. Auflage, RN 5 zu § 56 ZPO) durch die von dem Kläger vorgelegte Mitgliederliste und die hierauf bezogene eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin des Klägers vom 1. April 2011 bewiesen.

Danach steht auch fest, dass dem Kläger u.a. 16 Verlage und 5 Werbeagenturen angehören. Aufgrund ihres Unternehmensgegenstandes ist davon auszugehen, dass diese Mitglieder des Klägers Leistungen gleicher oder verwandter Art wie die Beklagte anbieten. Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann. Ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wird wesentlich durch die gemeinsame Zugehörigkeit zu zumindest angrenzenden Branchen begründet (vgl. BGH GRUR 2007, 610  - Sammelmitgliedschaft V, Tz 17). Diese Voraussetzung liegt bezüglich der von der Beklagten angebotenen Dienstleistung Eintragung in ein Internet - Branchenverzeichnis vor. Dabei konkurrieren Mitglieder des Klägers mit der Beklagten auch auf dem gleichen räumlich relevanten Markt, weil die Beklagte ihre Werbeschreiben bundesweit versendet, wie sich aus den von dem Kläger vorgetragenen Beispielen (vgl. insbesondere die Anlagen K7 und K11) ergibt.

Es wird vermutet, dass die - von der Beklagten nicht in Abrede gestellten - weitergehenden Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG durch den Kläger, der sich gerichtsbekannt seit langem seinem Satzungszweck entsprechend betätigt (vgl. BGH GRUR 2000, 1093 - Fachverband zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.).

(2)

Beide von dem Kläger angegriffene Schreiben stellen sich - bis auf die an den jeweiligen Adressaten angepassten Teile der in ihnen enthaltenen Angaben - als in Aufmachung und Inhalt gleich dar, so dass sich die Klage insoweit auf einen Lebenssachverhalt stützt, auch wenn die Beklagte die Schreiben an mehrere Adressaten verschickt hat.

II.

(1)

Mit der Gestaltung der von dem Kläger beanstandeten Formularschreiben hat die Beklagte deren bloßen Angebotscharakter verschleiert und damit gegen § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3, § 5 Abs. 1 UWG verstoßen.

Formularmäßig aufgemachte Angebotsschreiben für einen Eintrag in ein Branchenverzeichnis, die nach ihrer Gestaltung und ihrem Inhalt darauf angelegt sind, bei einem flüchtigen Leser den Eindruck hervorzurufen, sie seien lediglich auf eine Aktualisierung von Eintragungsdaten im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses gerichtet oder sie rührten von einem behördlichen Absender her, verstoßen gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 UWG und gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG.

Ihrem sachlichen Gehalt nach stellen die angegriffenen Schreiben privatwirtschaftliche Werbung der Beklagten dar, die Gewerbetreibende und Freiberufler dazu veranlassen sollen, sich gegen Entgelt erstmals in deren Internet - Branchenverzeichnis eintragen zu lassen. Sie enthalten ein Angebot der Beklagten, das die Adressaten durch Ausfüllen und Rücksenden annehmen können. Dieser Gehalt, der sich bei aufmerksamer Lektüre von Vorder- und Rückseite des Papiers durchaus erschließt, wird dadurch verschleiert, dass nicht, wie der Verkehr es bei Werbung erwartet, der Gegenstand der angebotenen Erzeugnisses und sein Preis sowie der privatwirtschaftliche Anbieter reklamehaft herausgestellt werden und im Anschluss daran eine Bestellmöglichkeit für das angepriesene Produkt geboten wird, sondern dass sich die mageren Angaben zur privatwirtschaftlichen Natur des Anbieters, der angebotenen Leistung und zu ihrem Preis erst kleingedruckt auf der Vorderseite und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite finden. Beherrscht wird das Schreiben durch die Überschrift der Vorderseite mit dem auf amtliche Tätigkeit hindeutenden Namen „A“ und der ebenso amtlich klingende Untertitel „Erfassung gewerblicher Einträge“. Diese Begriffe rufen nicht die Vorstellung des Betriebs eines von vielen privaten Internet-Branchenverzeichnisses hervor. Die Befriedigung des Allgemeininteresses, Informationen über Gewerbebetriebe von einer einzigen Stelle zu erhalten, werden die angesprochenen Verkehrskreisen nach ihren Erfahrungen mit Verzeichnissen wie dem Gewerberegister, Handelsregister oder dem Grundbuch am ehesten von einer öffentlichen Einrichtung erwarten. Wenn es um eine Erstbestellung bei einem privaten Anbieter geht, gibt es im Übrigen nichts zu „erfassen“. Die Zuordnung eines Vorgangs zu einer „Abteilung: Eintragung/Registrierung“, wie sie rechts oben im Formular vorgenommen wird, ist ihrerseits eher bei Verwaltungen zu erwarten. Des Weiteren liegt bei privater Werbung um eine Erstbestellung auch nicht die links oben im Formular durch Unterstreichung hervorgehobene Aufforderung nahe, „fehlende oder fehlerhafte Daten“ zu „ergänzen oder zu korrigieren“. In privater Werbung um Aufträge ist man erst recht nicht auf ein Insistieren gefasst, wie es sich im beanstandeten Formular links unten findet, durch ein Kästchen und größere Schrift hervorgehoben: „Die Daten … nochmals auf ihre Richtigkeit kontrollieren - Bitte mit Ihrer Unterschrift bestätigen -“. Die Worte „bei Annahme des Angebots“ mögen überlesen werden. Die die linke Spalte abschließende Angabe „Rückantwort gebührenfrei per Fax bis 18.06.10 an ...“ verwendet mit den Wörtern „Gebühren“ und der „Fristsetzung“ aber wiederum Elemente, die aus amtlichen Schreiben geläufig sind, nicht aber aus privatwirtschaftlichen Werbeschreiben.

Die weiteren Angaben der Formularschreiben, die die Beklagten zu ihrer Entlastung anführen und die bei sorgfältiger Lektüre den wahren Zweck der Aussendung erkennen lassen, sind nicht geeignet, den Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit auszuräumen. Auf sie braucht deshalb im Einzelnen nicht eingegangen zu werden. Vielmehr ist entscheidend, dass das Formularschreiben nach seiner Gestaltung und seinem Inhalt darauf angelegt ist, bei einem flüchtigen Leser den beschriebenen falschen Eindruck hervorzurufen. Zur Feststellung dieses Zieles reichen im Streitfall die erörterten Merkmale des Schreibens aus, die es bei einer offenen Werbung für die Erstbestellung einer Eintragung in ein privates Internet-Branchenverzeichnis nicht gäbe, nämlich: Das äußerst zurückhaltende Erscheinungsbild, die amtlich klingende Begrifflichkeit und das Fehlen werblich - reklamehafter Hervorhebung von Vorzügen von Angebot und Anbieter. Wettbewerbswidrig ist hier das Spekulieren auf einen erfahrungsgemäß selbst bei Gewerbetreibenden vorkommenden Mangel an Sorgfalt (vgl. zum Vorstehenden: BGH GRUR 2012, 184 ff. - Branchenbuch Berg; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.02.2012, I-20 U 100/11).

Der von der Beklagten angebotene Sachverständigenbeweis („Einholung einer Verkehrsbefragung bzw. Meinungsforschungsgutachtens“) zu der Behauptung, der Inhalt ihres Schreibens sei nicht irreführend, ist nicht zu erheben, weil die Kammer in Person der beteiligten Handelsrichter über hinreichende eigene Sachkunde über die von der Beklagten mit ihren Schreiben angesprochen Verkehrskreise verfügt.  Im Übrigen ist der angebotene Beweis auch ungeeignet, weil es nicht darauf ankommt, ob der Inhalt des Schreibens tatsächlich zu einer Irreführung der Adressaten führt, sondern darauf, ob Inhalt und Gestaltung des Schreibens geeignet sind, eine Irreführung der Adressaten herbeizuführen (vgl. Köhler / Bornkamm, UWG - Kommentar, 30. Aufl., RN 2.65 zu § 5 UWG). Um diese Frage beurteilen zu können, ist es im Entscheidungsfall ersichtlich nicht erforderlich, dem gleichen Verkehrskreis wie die Adressaten anzugehören.

(2)

Mit der Versendung der Formularschreiben hat die Beklagte zudem den Preis der angebotenen Dienstleistung nicht klar und deutlich angegeben und damit gegen § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 4 Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung verstoßen sowie gegen § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG. Ein Preiselement findet sich auf der ersten Seite nur im Fließtext der rechten Spalte und dort unter der in dieser Hinsicht falschen Überschrift „Leistungsübersicht/Eintragungsdarstellung“ und mit der unklaren Qualifizierung „Marketingbeitrag“. Ein verlangter Preis ist kein Beitrag zum „Marketing“. Als Preisangabe ist der Text zudem unvollständig. Der nicht hoch erscheinende Monatsbetrag schafft Raum für Fehlvorstellungen über die Höhe der Gesamtbelastung im Falle einer Bestellung. Es wird nicht deutlich, dass die Schreiben auf den Abschluss von Verträgen mit zweijähriger Laufzeit und mit der Vereinbarung eines Gesamtentgelts in Höhe von 956,40 Euro zuzüglich Umsatzsteuer gerichtet sind. Die Laufzeit des Vertrags wird bei dieser einzigen Preisangabe auf der Vorderseite des Schreibens selbst nicht mitgeteilt.

(3.)

Der Anspruch des Klägers ist nicht verjährt. Dass die Kläger vor dem von ihm behaupteten Zeitpunkt im Januar 2011 von dem Verhalten der Beklagten Kenntnis erlangte, hat die beweisbelastete Beklagte nicht dargelegt. Die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 UWG, der Lauf ab Kenntniserlangung beginnt (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 2 UWG) wurde durch die Einreichung der Klage im April 2011 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Zwar wurde die Klage erst am im September 2011 zugestellt. Es ist aber nicht erkennbar, dass der Kläger diese Verzögerung zu vertreten hätte, so dass die Zustellung im Rechtssinne „demnächst“ erfolgte und die verjährungshemmende Wirkung gemäß § 167 ZPO auf den Eingang der Klage zurückbezogen wird.

II.

Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten - gegen seine Höhe und gegen die Zinsen wird von der Beklagten nichts gesondert vorgebracht - ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO. Dabei hat die Beklagte auch die auf die Klageerweiterung entfallenden Kosten zu tragen. Dies entspricht billigem Ermessen, weil sie den Kläger insoweit klaglos gestellt hat.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 S. 3 ZPO.

Streitwert und der Einbeziehung der inzwischen in der Hauptsache für erledigt erklärte Klageerweiterung:                            bis zu € 30.000,00.